Protokoll der Sitzung vom 26.04.2018

Für die Abgeordneten des SSW hat der Kollege Flemming Meyer das Wort.

Sehr geehrter Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Über die Saure-Gurken-Osterzeit konnten wir diverse Jubelmitteilungen der Regierungskoalition lesen. Das Semesterticket kommt - für 99 € durch ganz Schleswig-Holstein und Hamburg frohlockten Grüne, FDP und CDU.

(Beifall Kay Richert [FDP])

Das Ganze wurde dann unter Schlagwörter gesetzt: Denken wir neu, oder Kiel begrünen oder angepackt und für den Kommunalwahlkampf genutzt, während alle drei Parteien verlauten ließen, sie seien diejenigen, die maßgeblich zum Erfolg des Vorhabens beigetragen hätten.

(Demonstrativer Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Die Junge Union klopfte sich auf die Schulter, denn sie sei es gewesen, die die Forderung in den Koalitionsvertrag gebracht hätte.

(Lukas Kilian [CDU]: Wahlprogramm!)

Die FDP dankte hochlobend ihrem Minister. Und von grüner Seite hörte man, sie seien diejenigen, die schon seit Jahren für das Ticket kämpfen würden.

(Zuruf Hans-Jörn Arp [CDU])

Und dann, nach und nach, stellte sich heraus, dass diese Marketingmaschine vielleicht etwas vorschnell in Gang gesetzt worden war und die Situation gar nicht so rosig ist, wie es dargestellt wurde: weil überhaupt nicht klar ist, ob das Semesterticket tatsächlich so kommt, da man erst die Voten der Studierenden abwarten muss; weil die LandesASten-Konferenz - gelinde gesagt - überrascht reagierte, da es ja bereits seit zweieinhalb Jahren ein Verhandlungsteam von Studierenden und NAH.SH zu eben diesem Vorhaben gibt; weil die Idee nun wirklich keine neue ist, da sich schon die Küstenkoalition klar zu einem möglichen Semesterticket bekannt hat

(Beifall Lars Harms [SSW] und Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Zu- ruf: Wo denn?)

und weil das Ticket, wenn es denn kommt, deutlich teurer werden wird als angekündigt. Nach einem Jahr steigt der Preis schon auf 119 € pro Semester. Gemessen an den Realfahrten kann es auch danach noch weitere Kostensteigerungen geben. Das ist wie bei einem sehr schlechten Handyvertrag.

Eigentlich ist es so, dass auch wir vom SSW das Vorhaben eines Semestertickets unterstützen. Wir haben immer wieder betont, dass wir die zusätzlichen Mehreinnahmen, die wir durch die Regionalisierungsmittel zur Verfügung haben, anteilig in solche Maßnahmen stecken wollen - völlig klar. Aber zu den im Vorfeld präsentierten Konditionen fällt uns die Zustimmung zu diesem Antrag zu schwer.

Wir sind mit dem Vorstoß der Regierungskoalition einfach nicht zufrieden. Er reicht uns nicht. Wir wollen, dass unsere Studierenden im Norden nicht vergessen werden. Schließlich haben wir noch unsere grenzüberscheitenden Studiengänge an der Europa-Universität Flensburg, wo unsere Studierenden nicht nur über Stadt-, sondern über Landesgrenzen nach Sønderborg pendeln - ein besonderes Merkmal des Grenzlandes, das - so scheint es - hier überhaupt nicht berücksichtigt wird.

Wenn man ein Semesterticket für alle Studierenden in Schleswig-Holstein einführen will, darf man eben nicht nur an den Süden denken, sondern man muss auch an den Norden denken.

(Volker Schnurrbusch)

(Beifall SSW)

Bildung muss umsonst sein, und der Weg dorthin gehört dazu. Wir sehen den dringendsten Bedarf bei Schülerinnen und Schülern und Auszubildenden. Auszubildende müssen oftmals unter schwierigen finanziellen Voraussetzungen zwischen ihrem Wohnort, ihrer Schule und der Ausbildungsstätte pendeln. Mit Pech kommt noch ein weiter Weg zu einer entfernten Arbeitsstelle dazu.

Es ist erst wenige Monate her, da wurden wir hier zurechtgewiesen, für die Beförderung von 100 Dithmarscher Kindern zu ihrer Schule in Tönning könne das Land trotz gesetzlich verankerter freier Schulwahl nicht aufkommen. Dabei könnten die Eltern eine finanzielle Entlastung wirklich gut gebrauchen.

(Beifall SSW)

Wir haben in vorherigen Gesprächen immer offen gesagt, dass wir uns ein groß angelegtes Konzept für den gesamten Bildungsbereich wünschen. Statt einer rein studentischen Klientelpolitik wünschen wir uns Vergünstigungen nicht nur für den Weg zur Uni, sondern auch für den Weg zur Schule und Ausbildungsstätte. - Jo tak.

(Beifall SSW und SPD)

Das Wort zu einem Dreiminutenbeitrag hat der Kollege Kilian aus der CDU-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte jetzt doch noch etwas zu den Redebeiträgen der zwei Oppositionsfraktionen SPD und SSW sagen, die etwas kritischer mit uns ins Gericht gegangen sind und die offensichtlich auch gegen ein landesweites Semesterticket stimmen wollen. Das sollen sie machen. Das scheint in gewisser Weise eine Tradition zu sein.

Herr Vogel, Sie haben sich hier eben hingestellt und gesagt: Wir wollten ein landesweites Semesterticket, wir wollten es gern für 99 €. - Da frage ich mich, wo Ihr Antrag aus der letzten Wahlperiode gewesen ist, in dem das enthalten war. Es gab genau einen einzigen Antrag in der letzten Wahlperiode zum Semesterticket, und der ist mehr oder weniger ein Generalaufschlag, was man im öffentlichen Personennahverkehr machen sollte. Der ist vom 20. Dezember 2016. Im Hinblick darauf, dass die Landtagswahl 2017 im Mai stattfand, hätte man

sagen können: Kurz vor knapp noch einmal in den Koalitionsvertrag geschaut, wir hauen jetzt noch einmal einen raus. - Da stand auch nur drin, man wolle es prüfen.

(Kay Richert [FDP]: Aus Versehen verges- sen wahrscheinlich!)

Herr Meyer, das Gleiche gilt für Sie. Sie stellen sich hin und sagen: Ja, wir wollten das, und wir sind dabei. - Ich zitiere aus Ihrem Koalitionsvertrag. Darin stand:

„Im Rahmen des Schleswig-Holstein-Tarifs werden wir … neue Anreiz-Tarife, wie zum Beispiel … Semestertickets und“

- jetzt wird es spannend

Arbeitnehmertickets … prüfen.“

Ich weiß nicht: Vielleicht haben Sie geprüft. Aber das Ergebnis ist keinem Menschen bekannt gegeben worden. Eingeführt wurde nichts.

(Zuruf Lars Harms [SSW])

Jetzt ist es ganz einfach, sich hier hinzustellen und zu sagen, es sei Klientelpolitik für Studenten, die das Ticket am Ende solidarisch selbst finanzieren wollen. Da frage ich mich, wo da die Klientelpolitik ist. Da sollten Sie sich ganz ehrlich hinterfragen, wie Sie mit den Studenten in diesem Land umgehen, wenn Sie da jetzt so tun, als ob das irgendein Dünkel sei, wenn sich Studenten in einer Solidargemeinschaft ein Ticket leisten.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Im Gegensatz dazu steht im jetzigen Koalitionsvertrag: Wir streben ein landesweit gültiges Semesterticket an. Es steht auch noch darin, dass man den HVV mit einbeziehen wolle, also eine deutlich weiter gehende Position.

Jetzt zu kritisieren, dass sich der eine oder andere etwas überrumpelt fühlt? - Sicher: An der Kommunikation kann man an dem einen oder anderen Punkt arbeiten. Das haben wir mit der LandesASten-Konferenz ausgeräumt. Wir haben beide gemeinsam verabredet: Wir ziehen an einem Strang. Wir werden politische Schützenhilfe leisten. Wir sind bereit, Geld in das System zu geben, damit wir ein günstiges, leistungsstarkes Ticket hinbekommen und am Ende nicht ein Redebeitrag folgt wie der vom 15. Mai 2014, in dem der Kollege Habersaat hier im Landtag sagte:

„Die Frage nach einem Semesterticket hätte ich am liebsten so gelöst gesehen, dass wir

(Flemming Meyer)

ein landesweites Semesterticket haben. Das wollen aber unsere Studierenden nicht, weil für ein landesweites Semesterticket hohe Zuzahlungen vonseiten der Studierenden erforderlich sind …

Ich kann durchaus verstehen, dass Kieler Studenten nicht bereit sind, mehrere Hundert Euro für die Möglichkeit zu zahlen, nach ich nehme eine Stadt aus meinem Wahlkreis - Glinde oder Brunsbüttel zu fahren.“

Wenn Sie tatsächlich über mehrere 100 € nachgedacht haben, jetzt aber von 99 € sprechen, dann erklärt sich natürlich, warum wir einen Antrag haben. Sie können gern dagegenstimmen. Aber das in die Klientelpolitik-Ecke zu schieben und jetzt so zu tun, als ob man hier Arbeitnehmer ausschließen möchte? - Da sind Sie in Ihrer letzten Koalition an den eigenen Ansprüchen gescheitert.

Herr Kollege, die Uhr!

Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen. Wir packen an und wollen dieses Semesterticket auf den Weg bringen. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Das Wort zu einem weiteren Dreiminutenbeitrag hat der Abgeordnete Kai Vogel von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kilian, ich habe im Gegensatz zu Ihnen zwar kein Jura studiert,

(Zuruf Lukas Kilian [CDU])

aber ich bin schon einen Moment länger dabei. Insofern können Sie natürlich auch nicht wissen, was eventuell bereits für Gespräche in den letzten Jahren geführt worden sind. Das trifft auf den Kollegen Richert auch zu, aber lieber Andreas Tietze, auf dich trifft es definitiv nicht zu. Du weißt genau, dass wir in der Küstenkoalition intensive Gespräche über das Thema Semesterticket geführt haben. Du weißt genau, dass wir auch darüber gesprochen haben, dass das natürlich in irgendeiner Art und Weise Landesgeld kosten wird. Aber ob es bei einem

Verhandlungsstand sinnvoll ist, wo es darum geht, dass die Verkehrsunternehmen gemeinsam mit den Studierenden im Augenblick versuchen auszuhandeln, was so ein Semesterticket kostet, und sich die Landesregierung dann hinstellt und sagt: Ja, wir geben noch so und so viel Millionen hinzu? - Genau die gleiche Diskussion haben wir vor Jahren geführt mit deinem Kollegen Matthiessen, der auch in der Öffentlichkeit herumposaunte und wo wir gesagt haben: Das hilft überhaupt nichts.

Wenn ich - wie es hier der Kollege Richert getan hat - 9 Millionen € nenne, die die Landesregierung bereit sei, dafür bereitzustellen, warum sollten die Verkehrsunternehmen dann auf einmal weniger als 9 Millionen € fordern? - Natürlich wird dann mehr gefordert. Deswegen ist es verhandlungstaktisch absolut ungeschickt, hier in dieser Art und Weise mit Summen zu agieren.