Protokoll der Sitzung vom 26.04.2018

Für uns als politisch Handelnde ist an der Stelle auch Demut angesagt. Sicher: Die wenigsten hier im Haus standen in Verantwortung, als die folgenreichen Entscheidungen getroffen wurden. Die Tragik nahm 2002/2003 ihren Lauf, als sich Schleswig-Holstein und Hamburg von der Fusion ihrer Landesbanken einen Gewinn versprachen. Doch zur Ehrlichkeit gehört auch: Mit dem Wissen der vergangenen Jahre ist es leicht, die Entscheidungen unserer Vorgänger zu kritisieren.

Politik sollte sich auf Kernkompetenzen konzentrieren. Die Steuerung einer Geschäftsbank sollte zukünftig nicht dazugehören.

(Lebhafter Beifall im ganzen Haus)

Bei aller berechtigten Kritik auch der Öffentlichkeit sage ich darüber hinaus mit Blick auf die Vertragsverhandlungen auch ein ganz herzliches Dankeschön an unsere Finanzministerin Monika Heinold für das harte Streiten im Sinne der schleswig-holsteinischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Ich bin Ihnen, Frau Finanzministerin, insbesondere für Ihre Arbeit der letzten Monate sehr dankbar.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und Dr. Frank Bro- dehl [AfD])

Genauso gilt mein Dank den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Finanzministerium um Peter Däuber und Agnes Witte und insbesondere Staatssekretär Philipp Nimmermann. Ich sage es einmal in diesem Kreis hier: Ich war immer sehr froh, dass wir mit ihm einen wirklich ausgewiesenen Experten auf unserer Seite hatten, der diese schwierigsten Verhandlungen auf Augenhöhe führen konnte, sodass sich Hamburg in den Verhandlungen an SchleswigHolstein mit orientiert hat. Das ist ganz besonders Ihr Verdienst, Herr Staatssektretär Nimmermann. Vielen herzlichen Dank für Ihren Einsatz!

(Beifall)

Erst in der Rückschau erkennen wir die ganze Tragweite und müssen heute den Bürgerinnen und Bürgern die bittere Schlussrechnung präsentieren. Aber immerhin ist es auch eine Schlussrechnung. Es schmerzt mich und gewiss alle Mitglieder des Parlaments und der Landesregierung, dass das Engagement des Landes für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sehr teuer geworden ist. Dennoch: Der Verkauf ist für Schleswig-Holstein die wirtschaftlichste Möglichkeit. Und wenn wir uns erinnern: Vor einem Jahr haben es viele für unmöglich gehal

(Ministerpräsident Daniel Günther)

ten, dass überhaupt ein Kaufvertrag zustande kommt.

Da im Leben und in der Politik nichts alternativlos ist, will ich auch die Alternative zur heutigen Entscheidung benennen. Das wäre eine sofortige Abwicklung. Die wäre für Schleswig-Holstein sehr viel teurer. Nach dem wahrscheinlichsten Szenario beim Verkauf liegen die Lasten für Schleswig-Holstein bei rund 5,4 Milliarden €. Im Fall einer sofortigen Abwicklung könnten bis zu 7,5 Milliarden € auf das Land zukommen.

Im Jahr 2005 lag die Gewährträgerhaftung noch bei rund 165 Milliarden €, 2009 bei rund 65 Milliarden €. Das sind unvorstellbare Summen, über die wir hier sprechen. Heute liegt die Gewährträgerhaftung bei 2,2 Milliarden €. Alle Entscheidungen, die getroffen wurden, wurden vor dem Hintergrund der Gewährträgerhaftung Schleswig-Holsteins getroffen.

Für die Landesregierung sage ich ausdrücklich: Das Ergebnis der Beteiligung an der HSH Nordbank ist bitter für Schleswig-Holstein. Wir werden letztlich mindestens 5 Milliarden € zusätzliche Schulden bewältigen müssen.

Die ersten Schulden der 2009 gegebenen Garantie kommen bereits jetzt im Haushalt an. So sieht es der Entwurf zum Nachtragshaushalt vor, der Ihnen heute ebenfalls zur Entscheidung vorliegt. Der Entwurf sieht vor, dass Schleswig-Holstein in diesem Jahr zusätzliche Kredite in Höhe von bis zu 2,95 Milliarden € aufnehmen kann. Damit steigen die Schulden des Landes auf rund 29 Milliarden € im Kernhaushalt.

In den vergangenen 15 Jahren gab es viele Entscheidungen zur HSH Nordbank: die Zustimmungen zur Fusion der Landesbanken im Jahr 2003, das Rettungspaket im Jahr 2009, die Reduzierung der Sunrise-Garantie im Jahr 2011 mit der damit einhergehenden Eigenkapitallücke der Bank, die deshalb erforderliche Wiedererhöhung der Garantie im Jahr 2013 und in der Folge den Staatsvertrag zur Umsetzung der Verständigung mit der Europäischen Union im Jahr 2015. Auch diese Historie ist im vorliegenden Bericht dargestellt.

Nun haben wir die Chance, einen Schlussstrich zu ziehen. Damit endet die Beteiligung des Landes Schleswig-Holstein an einer international tätigen Geschäftsbank.

Der Finanzausschuss hat sich bereits einstimmig dafür ausgesprochen, dem Antrag der Landesregierung zuzustimmen. Das freut mich. Die Landesre

gierung ist davon überzeugt, dass dies für das Land die beste Option ist, um mit den Altlasten der Vergangenheit so vermögensschonend wie möglich umzugehen.

Ich bitte Sie herzlich um Ihre Zustimmung.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, Birgit Herdejürgen [SPD] und verein- zelt AfD)

Ich eröffne die Aussprache. - Für die CDU-Fraktion hat der Fraktionsvorsitzende, der Abgeordnete Tobias Koch, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich den letzten Akt dieses Dramas mit den wenigen positiven Aspekten einleiten, die es dabei zu nennen gibt.

Vor zweieinhalb Jahren hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass es überhaupt gelingt, einen Käufer für die HSH Nordbank zu finden. Schließlich galt es, die Bank als Ganzes zu verkaufen, inklusive aller nach wie vor vorhandenen Problemkredite, und das auch noch zu einem positiven Kaufpreis. Ich glaube, niemand hätte erwartet, dass es am Ende einen regelrechten Bieterwettkampf gibt, der den Kaufpreis auf 1 Milliarde € in die Höhe treibt. Schließlich gab es im Fall der WestLB nicht einen einzigen Käufer, der auch nur einen einzigen Euro zu zahlen bereit gewesen wäre.

Es gibt aus meiner Sicht zwei wesentliche Gründe dafür, dass der hinter uns liegende Verkaufsprozess derart erfolgreich verlaufen ist. Das ist zu allererst die Leistung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der HSH Nordbank selbst. Diese haben mit einem beschleunigten Abbau der Altlasten sowie gleichzeitig mit einem zeitgleichen Neugeschäft dafür gesorgt, dass die Bank überhaupt erst wieder attraktiv für potenzielle Käufer geworden ist.

Das ist zweitens aber auch Verdienst eines höchst professionell gestalteten Verkaufsprozesses selbst. An dieser Stelle will ich neben dem Namen unserer Finanzministerin insbesondere auch den Namen von Staatssekretär Dr. Philipp Nimmermann nennen. Wir alle - das gilt auch für den Hamburger Kollegen Scholz und Tschentscher - können uns überaus glücklich schätzen, dass wir einen derartig versierten Verhandlungsführer auf unserer Seite hatten. - Lieber Herr Dr. Nimmermann, Sie haben nicht nur fachlich fundiert komplexeste Vertragsge

(Ministerpräsident Daniel Günther)

staltungen mit den Bietern verhandelt, sondern aus unserer Sicht haben Sie vor allem auch den Landtag bei allen anstehenden Entscheidungen immer transparent eingebunden und informiert. Im Namen der CDU-Fraktion unser herzliches Dankeschön dafür.

(Beifall CDU, FDP und vereinzelt SPD)

Im Ergebnis bleibt die HSH Nordbank mit einem erheblichen Teil der Arbeitsplätze erhalten. Die Belastungen für den Landeshaushalt fallen selbst im schlimmsten Fall um 1 Milliarde € niedriger aus als die 8 Milliarden €, von denen realistischerweise vor zwei Jahren auszugehen war. Es gab ja auch namhafte Landespolitiker, die sogar mit einem Gesamtschaden von 20 Milliarden € und somit von jeweils 10 Milliarden € für jedes Bundesland gerechnet hatten. Diese Befürchtungen bewahrheiteten sich jetzt nicht.

Damit, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wir dann aber auch am Ende der positiven Meldungen angelangt. Die jetzt höchstwahrscheinlich auf den Landeshaushalt zukommende Belastung von 5,4 Milliarden € ist nämlich trotz alledem ein desaströses, deprimierendes Ergebnis mit folgenschweren Auswirkungen.

Meine Damen und Herren, in den vergangenen fünf Jahren hat Schleswig-Holstein knapp 1 Milliarde € an Altschulden getilgt. Bei diesem Tempo wird es über 30 Jahre dauern, nur um den durch die HSH Nordbank entstandenen Schaden zu beseitigen.

Umso wichtiger ist jetzt, die Erarbeitung eines Schuldentilgungsplans in Angriff zu nehmen, wie ihn der Landtag in seiner letzten Tagung auf Antrag der Fraktionen von CDU, Grünen und FDP einstimmig befürwortet hat.

Der Schuldenberg des Landes wird auf über 30 Milliarden € anwachsen. Darüber hinaus werden die zusätzlichen Zinsausgaben den politischen Handlungsspielraum gravierend einengen.

Dank des derzeitigen Zinsniveaus mögen es anfänglich vielleicht „nur“ 50 Millionen bis 70 Millionen € jährlich an zusätzlichen Zinsbelastungen sein. Aber auch dieses Geld wäre bei Kinderbetreuung, Bildung und Infrastrukturausbau weitaus besser aufgehoben als jetzt für die Erblasten der HSH Nordbank.

(Beifall CDU, FDP und Dr. Marret Bohn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Mit dem heute ebenfalls zu beschließenden zweiten Nachtragshaushalt sorgen wir immerhin dafür, dass die Zinsausgaben so niedrig wie möglich gehalten

werden, indem wir die Kredite nicht über die hsh finanzfonds AöR, sondern direkt beim Land aufnehmen und an dieser Stelle somit von den etwas günstigeren Konditionen der öffentlichen Hand profitieren.

Aber nicht nur bei den Zinsausgaben, sondern auch bei der Verkaufsentscheidung insgesamt geht es nicht mehr um das Ob, sondern nur noch um die Höhe der Belastungen, die auf den Landeshaushalt und damit auf die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zukommt. Es gilt abzuwägen zwischen dem von der Landesregierung befürworteten Verkauf auf der einen Seite und auf der anderen Seite der Abwicklung der HSH Nordbank.

Was muss man sich im Falle einer Abwicklung vor Augen führen? Man muss sich vor Augen führen, dass in diesem Fall kein einziger Arbeitsplatz erhalten bliebe. Man muss sich zweitens vor Augen führen, dass eine Abwicklung heute nicht mehr in Eigenverantwortung der Eigentümer erfolgen würde, wie das auch bei der WestLB der Fall war, sondern eine Abwicklung zum heutigen Zeitpunkt würde den strengen Vorgaben des einheitlichen europäischen Bankenabwicklungsmechanismus unterliegen. Das wiederum hätte gravierende Folgen auch für die Gläubiger der HSH Nordbank, sprich für alle Sparkassen, Versicherungen und Pensionsfonds, die aufgrund der Regelungen mit ihren Einlagen herangezogen werden würden.

Für den Landtag kann und darf aber gleichwohl allein die Frage entscheidend sein, welche Lösung die für den Landeshaushalt und damit die Steuerzahler vermögensschonendste ist. Hier sind es zwei Faktoren, die gegen eine Abwicklung und für einen Verkauf sprechen:

Das ist zum einen natürlich der Kaufpreis, der bei einer Abwicklung logischerweise nicht erzielt werden würde, sodass dem Land in diesem Fall sein Anteil von 500 Millionen € am Verkaufserlös entgehen würde. Zum anderen ist im Falle der Abwicklung der dann zum Tragen kommende Restbetrag aus der Gewährträgerhaftung inklusive Pensionsverpflichtungen zu nennen. Aus diesen etwas mehr als 3 Milliarden € inklusive Pensionsverpflichtungen könnten über 600 Millionen € Belastungen auf Schleswig-Holstein zukommen. Zusammengenommen wäre das somit ein Vorteil von über 1 Milliarde € für den Landeshaushalt bei einem Verkauf gegenüber einer Abwicklung.

Dies setzt immer voraus, dass ein Verkauf überhaupt zustande kommt. Das setzt auch voraus, dass der Übergang vom Einlagensicherungssystem der

(Tobias Koch)

Sparkassen auf das der Privatbanken gelingt. Der Herr Ministerpräsident hat darauf hingewiesen, dass insoweit noch eine endgültige Entscheidung aussteht. Sollte der Verkauf der HSH Nordbank an dieser Stelle scheitern, wäre das ein großes Drama nicht nur für die Länder, sondern für das gesamte deutsche Finanzsystem. Ich möchte deswegen die Erwartung äußern, dass sich die Sparkassen an dieser Stelle ihrer Verantwortung bewusst sind.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Meine Damen und Herren, an den zuvor genannten Zahlen können Sie sehen, welche Bedeutung der Gewährträgerhaftung für die Entscheidungsfindung immer noch zukommt - und das 13 Jahre nach ihrem eigentlichen Ende. Von den bis zum Jahr 2005 gemachten Zusagen über gigantische 165 Milliarden € sind heute nur noch rund 3 Milliarden € Gewährträgerhaftung übrig. Aber selbst auf diesen kleinen Rest entfällt immer noch mehr als die Hälfte des Vorteils, der bei einem Verkauf gegenüber einer Abwicklung entsteht.

Ich betone das deshalb so nachdrücklich, weil daran noch einmal sehr deutlich wird, weshalb im Jahr 2009 beim damaligen Stand der Gewährträgerhaftung von 65 Milliarden € eine Rettung der HSH Nordbank zwingend notwendig war. Eine Abwicklung zum damaligen Zeitpunkt hätte SchleswigHolstein aufgrund seines Anteils von 20 % an der Gewährträgerhaftung bis zu 13 Milliarden € kosten können. Die jetzt eintretende und wirklich schmerzhafte Belastung des Landeshaushalts mit höchstwahrscheinlich 5,4 Milliarden € ist deshalb nicht die Folge der Rettungsmaßnahme im Jahre 2009, sondern die Folge der in den Jahren 2003 bis 2007 gemachten Fehler.

Der Satz von Heide Simonis: „Wir waren damals ganz besoffen vom Erfolg“, bringt das zutreffend zum Ausdruck. Im Nachhinein, aus heutiger Perspektive, muss man feststellen: Die Gründung der HSH Nordbank war die folgenschwerste Fehlentscheidung, die der Landtag jemals getroffen hat.

(Beifall CDU, FDP und vereinzelt AfD)

Es war von Anfang an die falsche Weichenstellung, eine betuliche Landesbank zur internationalen Geschäftsbank mit zweistelligen Renditeerwartungen und Börsenplänen auszubauen. Die vermeintlich clevere Ausnutzung der Gewährträgerhaftung bis zum Frühjahr 2005 hat sich anschließend als lebensbedrohlicher Bumerang erwiesen.

Meine Damen und Herren, bei aller Deutlichkeit dieser Worte bitte ich Sie, diese gleichwohl nicht als einseitige Schuldzuweisung zu verstehen, sondern als nüchterne Tatsachenfeststellung aus heutiger Perspektive heraus. Denn niemand kann ehrlicherweise von sich behaupten, dass er bei eigener Regierungsverantwortung die damaligen Entscheidungen mit Sicherheit anders getroffen hätte. Das gilt für Politiker jeglicher Couleur genauso wie für alle klugen Kommentatoren in der Öffentlichkeit.