Protokoll der Sitzung vom 26.04.2018

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag hat Frau Abgeordnete Sandra Redmann.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nur um mit dem Vorurteil aufzuräumen, dass wir jetzt erst den Antrag gestellt hätten: Bereits Ende 2016 haben wir einen Antrag zur Düngeverordnung

vorgelegt. Auch da haben wir das diskutiert. Es ist also nichts Neues, was wir hier vorstellen. Es muss auch niemand vor Überraschung vom Stuhl fallen.

Warum bringen wir ausgerechnet jetzt diesen Punkt? - Das kann ich Ihnen sagen: weil es eine Fachveranstaltung des Landes Schleswig-Holstein gab, zu der im Übrigen der Minister eingeladen hat. Wenn Fachveranstaltungen des Ministers und der zuständigen Leute, die da referieren, so uninteressant für Sie sind, dass man daraus nichts lernt, ist das in Ordnung. Für uns war es anders, wir haben Vorträge gehört, die uns durchaus mit dem einen oder anderen Aspekt zum Nachdenken gebracht haben. Wir haben neue Zahlen von der CAU gehört und einen Vortrag von Herrn Taube, den ich so in dieser Form - das muss ich gestehen - noch nie gehört habe. Der hat nämlich davor gewarnt, was hier in der nächsten Zeit nicht nur auf Bundesebene, sondern in Schleswig-Holstein passieren wird.

Dann kommt dazu - von Ihnen überhaupt gar nicht erwähnt, es wird verschwiegen, als spielte das irgendwie gar keine Rolle -, dass Minister Habeck jetzt den Entwurf einer Landesdüngeverordnung präsentiert, die sich in der Anhörung befindet und zu der es auch schon öffentliche Stellungnahmen gibt - im Übrigen fast alle sehr, sehr kritisch. Darauf beziehen wir uns und stellen einen Antrag. Wir haben gar kein Problem damit, das mit Ihnen gemeinsam im Ausschuss zu diskutieren. Wir stellen einen Antrag, um die Punkte noch einmal herauszugreifen, von denen wir meinen, dass sie nicht ausreichen. Ich verstehe also die Aufregung ehrlich gesagt gar nicht.

(Zurufe Hans-Jörn Arp [CDU] und Oliver Kumbartzky [FDP])

- Das ist ja schön.

Mich ärgert dann aber, lieber Herr Voß - ich wollte nicht den Vornamen nutzen -, dass man sich hier hinstellt und bei jedem Antrag, den die SPD-Landtagsfraktion stellt, die Große Koalition erwähnt. Noch - so dachte ich eigentlich - sind wir hier im Schleswig-Holsteinischen Landtag, und noch ist es unsere Aufgabe als Landtagsfraktionen, Anträge zu formulieren und zu stellen, die uns hier betreffen. Das ist unser Job, den machen wir hier. Was wir dann auf Bundesebene kritisieren oder nicht kritisieren, daraus kann man uns - so glaube ich - keinen Vorwurf machen.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Uns auch nicht!)

Wir haben mit diesem Antrag gerade gezeigt, dass wir auch der Großen Koalition sagen: Das reicht

(Flemming Meyer)

nicht aus, was ihr da auf den Weg gebracht habt. Sich dann aber hinzustellen, das zu kritisieren und dann in eigener Verantwortung eine Landesdüngeverordnung zu präsentieren, die noch schlechter ist als das, was die Große Koalition abliefert - da muss ich ehrlich sagen, dass ich mich dafür schämen würde.

(Beifall SPD)

Das Wort für die Landesregierung hat der Minister für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren, Dr. Heiner Garg.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Kollegin Redmann, vielleicht vorweg: Nun bin ich nicht Agrar- und Umweltexperte und auch nicht Agrar- und Umweltminister, aber wir wissen alle: Wenn ein Verordnungsentwurf in die Verbändeanhörung geht, dann ist das ein erster Entwurf. Dazu gibt es Stellungnahmen. Dann wird darüber beraten. Jetzt schon den Stab über eine Verordnung zu brechen, die noch nicht einmal im parlamentarischen Verfahren ist beziehungsweise die noch nicht einmal diskutiert wurde - das kann man so machen, aber das muss man nicht so machen. Jetzt schauen wir erst einmal, was ganz am Ende dabei herauskommt. Ich finde, das wäre ein faires Angebot.

(Beifall FDP und CDU)

Wir sind uns vermutlich fraktionsübergreifend darin einig, dass der Schutz des Grundwassers, aus dem bekanntermaßen zu 100 % unser Trinkwasser gewonnen wird, von elementarer Bedeutung ist. Dass wir regional unterschiedlich und insbesondere auf der Geest ein Problem mit Nitrateinträgen in das Grundwasser haben, ist ebenso bekannt. So sind 23 von insgesamt 55 Grundwasserkörpern im Land wegen zu hoher Nitratbelastung in einem schlechten chemischen Zustand.

Eine ganz wesentliche Ursache für die Gewässerbelastung ist in der landwirtschaftlichen Bodennutzung und der vielerorts zu hohen Düngung zu suchen. Ausweislich der im Nährstoffbericht der Universität Kiel aufgeführten Fakten haben wir kein Erkenntnis-, sondern ein massives Umsetzungsproblem. Im letzten Jahr wurde unter dem Druck des Vertragsverletzungsverfahrens vor dem EuGH nahezu das gesamte Düngerecht, im Konkreten das

Düngegesetz, die Düngeverordnung, die Anlagenverordnung und die Stoffstrombilanzverordnung überarbeitet beziehungsweise neu konzipiert. Ob die darin getroffenen Maßnahmen ausreichen, darf bezweifelt werden.

Da das Düngerecht aber zum großen Teil Bundesrecht ist, hat der Bundesrat nach Verabschiedung des benannten Düngepakets in einer Entschließung am 24. November 2017 die Bundesregierung gebeten, die ursprünglich nur für die Stoffstrombilanzverordnung vorgesehene Evaluierung auch auf die anderen düngerechtlichen Regelungen auszudehnen und bis zum Dezember 2021 die gewonnenen Erkenntnisse vorzulegen. Die Landesregierung hätte sich einen früheren Termin gewünscht, der war aber nicht umsetzbar. Eine Beschleunigung ist jetzt allenfalls noch zu erwarten, wenn der EuGH in seinem für die erste Jahreshälfte 2018 anvisierten Urteil gegen Deutschland entscheidet und im Lichte dieser Erkenntnisse eine nochmalige zeitnahe Verschärfung der düngerechtlichen Regelungen kommen müsste.

Die Bedeutung eines nachhaltigen und ressourceneffizienten Umgangs mit Nährstoffen im landwirtschaftlichen Betrieb und auf seinen Flächen ist unumgänglich und muss dabei die Marschroute sein. Die neuen gesetzlichen Regelungen bringen für die Landwirte, aber auch für den Vollzug umfangreiche neue Aufgaben mit sich und bedeuten einen bürokratischen Mehraufwand. Bei der Bewältigung dieser Aufgabe wird uns hoffentlich die Digitalisierung weiterhelfen. Bleibt zu hoffen, dass diesem bürokratischen Aufwand auch deutliche Erfolge im Bereich des Gewässerschutzes gegenüberstehen und nicht nur Papiertiger produziert werden.

Aber auch die Länder haben ihre Hausaufgaben zu machen. So steht, Frau Kollegin Redmann, die Umsetzung der in § 13 der Düngeverordnung den Ländern übertragene Ausweisung der sogenannten gefährdeten Gebiete für Stickstoff und Phosphat ebenso auf der Agenda wie die Umsetzung der in diesen Gebieten notwendigen zusätzlichen und über die allgemeinen Anforderungen der Düngeverordnung hinausgehenden Maßnahmen. Schleswig-Holstein hat als erstes Bundesland eine solche Landesverordnung entworfen. Die Verbändeanhörung ist abgeschlossen. Nun wird das zuständige Ministerium die Stellungnahmen der Landwirtschaft und Umweltverbände auswerten, und wir werden nach jetzigem Stand im Juni dieses Jahres die Verordnung im Kabinett beschließen.

(Sandra Redmann)

Natürlich gehören zu einer Umsetzung auch die finanzielle und die personelle Ausstattung der Vollzugs- und Beratungseinrichtungen. Den Beratungsbereich haben wir im Rahmen der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie und der zusätzlichen Gewässerschutzberatung in den sensiblen Gebieten in den letzten Jahren ganz erheblich aufgestockt und werden dieses für die P-Gebiete nochmals tun.

Bezüglich der Vollzugsaufgaben hat sich die Jamaika-Koalition darauf verständigt, das Personal zu verstärken. Hier laufen die Vorbereitungen. Die Stellenausschreibungen für die ersten neuen Kräfte sind bereits in der Vorbereitung. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Herr Minister hat die vorgesehene Redezeit unterschritten

(Beifall FDP, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zurufe)

um 1 Minute. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Antrag, Drucksache 19/675, dem Umwelt- und Agrarausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? Dann ist der Antrag mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW und der CDU gegen die Stimmen der Fraktion der AfD angenommen worden.

(Zuruf: Überwiesen!)

- In den Ausschuss überwiesen, Entschuldigung.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 7 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Schulgesetzes

Gesetzentwurf der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/670

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Grundsatzberatung und erteile der Frau Abgeordneten, Jette Waldinger-Thiering, vom SSW das Wort.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alle Kinder haben das

Recht auf gute Bildung und auf ein selbstbestimmtes Leben. Ich denke, hier sind wir uns grundsätzlich einig: Bildung ist der Schlüssel, wenn es darum geht, den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen. Ein regulärer Abschluss ist sehr oft der Schlüssel zu einem wirklich würdevollen Leben. Nicht zuletzt deshalb ist das Recht auf Bildung in unserer Landesverfassung verankert. Ich sehe es als unsere klare Pflicht an, sicherzustellen, dass alle Kinder und Jugendlichen im Land zu diesem Recht auf Bildung kommen - ohne Wenn und Aber und ohne Ausnahmen. Deshalb haben wir die vorliegende Ausweitung der Schulpflicht über eine Änderung des Schulgesetzes eingebracht.

Die besondere Situation von Kindern und Jugendlichen, die in Erziehungshilfeeinrichtungen leben, hat vermutlich alle Anwesenden beschäftigt. Sie war ja nicht nur hier im Plenum, sondern auch im Untersuchungsausschuss zu den Friesenhof-Heimen oder am Runden Tisch „Heimerziehung“ Thema. Aus guten Gründen ging es hier um mehr als um die Frage nach dem Zugang zu Bildung. Doch beschäftigt mich und meine Partei seit Längerem, wie wir die Situation von Heimkindern verbessern können ganz konkret durch gute Bildung oder einen gelungenen Übergang in eine Ausbildung.

Es gibt so einige Baustellen im Bereich der Heimerziehung, aber auch mit Blick auf die Beschulung ist klar, dass längst nicht alles reibungslos läuft. Zwar ist es ungemein schwierig -

(Die Mikrofonanlage fällt kurz aus - Zurufe)

- Halt, die Uhr anhalten!

(Heiterkeit)

Es ist zwar ungemein schwierig, an genaue Zahlen zu kommen, aber laut Kinderschutzbund und einer Reihe anderer Experten werden zumindest nicht alle Kinder und Jugendliche aus Heimen beschult. Bei uns sind rund 3.000 junge Menschen aus anderen Bundesländern untergebracht. Höchstens 5 % von ihnen kommen nach Schätzungen nicht zu ihrem vollen Recht auf Bildung - und zwar deshalb, weil unser Schulgesetz für sie nur eine Kann-Bestimmung vorsieht. Auch wenn sie hier schon Jahre leben, können sie eine öffentliche Schule besuchen, können aber auch anderweitig beschult werden. Da für sie keine Schulpflicht besteht, werden sie auch nicht gezählt. Verschiedene Landesregierungen mögen also den subjektiven Eindruck haben, dass rege von dieser Kann-Regelung Gebrauch gemacht werde. Genauer weiß oder wusste es allerdings keiner.

(Minister Dr. Heiner Garg)

Unabhängig von der Zahl der betroffenen Kinder und Jugendlichen hat die Gesetzeslage jedenfalls folgende praktische Auswirkung: Einige Schulen nehmen diese sogenannten auswärtigen Kinder und Jugendlichen nach einer Einzelfallprüfung in den Regelunterricht auf. Andere nehmen sie auf, beschulen aber auf einer Minimalbasis oder erwarten im Übrigen eine Beschulung im Heim. Wieder andere nehmen generell keine Heimkinder auf, obwohl diese in ihrem Bezirk leben. Die Heimleitung muss also versuchen, den Beweis dafür zu erbringen, dass ein Kind problemlos genug ist, um freiwillig von der Schule aufgenommen zu werden.

Ehrlich gesagt sind solche Zustände nicht nur aus bildungs- und sozialpolitischer Sicht inakzeptabel. Wir meinen, dass das Land hier dringend Klarheit schaffen muss. Zum einen mag eine heiminterne Beschulung zwar nicht per se schlecht sein, in vielen Fällen aber führt sie eben nicht zu einem vergleichbaren Abschluss. Zum anderen ist die Frage der Regelbeschulung auch eine Frage der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Der Zugang zur öffentlichen Schule bedeutet auch gesellschaftlichen Anschluss. Diese Form der Teilhabe sollten sich Kinder und Jugendliche aus Heimen nicht auch noch erkämpfen müssen, sie haben es häufig schwer genug.

Ich wiederhole mich gern und weise ausdrücklich darauf hin: Alle Menschen in unserem Land haben ein Recht auf Bildung. Kein Kind und kein Jugendlicher darf daher vom Besuch einer öffentlichen Schule ausgeschlossen werden.

(Beifall SSW, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In Einzelfällen mag es natürlich Gründe geben, die gegen einen regulären Schulbesuch sprechen. Grundsätzlich aber müssen alle im schulpflichtigen Alter, die bei uns leben, schulpflichtig sein. Hierdurch hätten wirklich alle Menschen im weiteren Bildungs- und Lebensverlauf annähernd gleiche Chancen, und das muss in unserem Interesse sein. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.