Protokoll der Sitzung vom 29.06.2017

Drittens: innere Sicherheit. Nicht nur das Sicherheitsgesetz liegt aufgrund innerkoalitionärer Streitigkeiten auf Eis. Sie wollten die zweite Einsatzhundertschaft. Sie wollten mehr Wasserschutzpolizei. Sie wollten mehr Polizeistationen im ländlichen Raum, als Ihr Innenminister Schlie das damals eingeleitet hatte. Das Letzte wird geprüft; von der Wasserschutzpolizei ist nicht mehr die Rede.

Wir wollten die Entlastung von älteren Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten beim Schichtdienst. Das opfern Sie für die zweite Einsatzhundertschaft. Ich finde das die falsche Schwerpunktsetzung.

(Beifall SPD)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, Herr Ministerpräsident, ich will gern zugeben, dass mei

(Dr. Ralf Stegner)

ne Erwartungen trotz all der Schwärmerei - vielleicht parteibedingt - nicht allzu groß waren. Was man aber doch ein wenig mit Erschrecken feststellen muss, ist die fehlende sozialpolitische Sensibilität, wenn man Ihren Vertrag anguckt. Herr Ministerpräsident Günther, Sie haben mehrmals betont, dass Sie Ökologie und Ökonomie versöhnen möchten. Wo bleibt bei Ihnen die dritte Seite, die soziale Gerechtigkeit? Die bleibt auf der Strecke, und das werden wir Ihnen in diesem Haus nicht durchgehen lassen.

(Beifall SPD)

Wenn man Ihnen zuschaut: Landwirte und Feldhasen werden von einem Minister Habeck in schwarzen Ketten versöhnt, aber für die Probleme, Sorgen und Nöte anderer Menschen haben Sie keine Antworten.

(Lachen CDU und FDP)

Da gibt es viel zu tun. Beispiel: steigende Mieten. Die Mietpreisbremse wirkt nicht ausreichend. Statt sie zu verschärfen, wie das auch die Bundes-Grünen fordern, schaffen Sie diese ab. Herzlichen Glückwunsch an Haus & Grund!

(Beifall SPD)

Die Mieten können weiter ungehindert steigen. Wo bleibt das Grundgesetz? Eigentum verpflichtet, meine Damen und Herren, das steht im Grundgesetz, und das sollte auch so sein.

Sie müssen sich doch auch den Problemen aus der Mitte der Gesellschaft widmen. Die sehen Sie offenbar ganz woanders - ja, jetzt kommt es -: Immerhin, die Zockerlobby wird mit der neuen Koalition zufrieden sein, da bin ich ganz sicher, weil Sie das Glücksspielgesetz ja wieder ändern.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wunderbar!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, alles in allem lassen der Koalitionsvertrag und Ihre Rede heute insgesamt keinen Politikwechsel erwarten. Wie das in der Realität aussehen wird, werden wir abwarten müssen.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Da verdienen Sie sich 100 Tage Schonfrist - wie jede neue Regierung. So richtig optimistisch sind Sie ja offenbar nicht einmal selbst. Kürzlich konnten wir die Bilanz der Koalitionsverhandlungen aus dem berufenen Mund des Kollegen Kubicki lesen. Ich zitiere wörtlich:

‚,Die Union lege auf Professionalität bei den Verhandlungen keinen großen Wert. ‚Mit de

nen kann man fast alles sofort verhandeln, aber sie werden sich an die Vereinbarungen nicht unbedingt halten‘, sagte Kubicki. ,Mit den Grünen, aber auch mit der SPD muss man lange reden und verhandeln. Aber wenn etwas abgehakt ist, dann wird es auch eins zu eins umgesetzt.‘“

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie könnte ich dem Herrn Alterspräsidenten bei seiner großen Erfahrung in diesen Dingen inhaltlich widersprechen?

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

Aber es ist schon eine köstliche Pointe, dass ausgerechnet der Großvater der liberalen Braut schon am Tag der Hochzeit in die Robe des Scheidungsanwalts schlüpft. Das klingt doch sehr nach ,,Bye, bye, Butterfly“, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Heiterkeit und Beifall SPD)

Das ist keine Zuversicht.

Auch bei der weiblichen Verwandtschaft des schwarzen Bräutigams herrschte Unruhe. Erst gibt die Frau Kollegin Ostmeier vollmundig Interviews und erklärt, sie traue sich das Amt der Justizministerin zu.

(Barbara Ostmeier [CDU]: Ja!)

Dann erfährt sie aus der Zeitung, dass es eine andere wird. Zu guter Letzt werden die Versprechungen der Frau Ostmeier zur Entlastung der Justiz bei den Verhandlungen gleich mit einkassiert. - Das verspricht ja Freude pur.

Ob man so mit den Frauen in der Fraktion umgehen sollte, Herr Kollege Koch, wenn man nur drei davon hat, weiß ich wirklich nicht. Frauenförderung bei der SPD sieht anders aus, wirklich anders.

(Beifall und Heiterkeit SPD - Zurufe CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ob die angekündigten Veränderungen zulasten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, in Schulen und Kitas, bei Familien und Kindern, in der Flüchtlings- und Integrationspolitik oder bei der Energiepolitik zu Verschlechterungen führen oder folgenlose Formelkompromisse darstellen, wird sich ebenso zeigen wie, was von der Dialogkultur der Regierung Albig übrig bleibt. Sie haben übrigens über Demografie und über viele andere Dinge nicht geredet. Zum Beispiel über die europäischen Herausforderungen haben Sie kaum gesprochen. Das sind eigentlich die Themen, zu denen wir von Ihnen Antworten erwarten.

(Dr. Ralf Stegner)

Koalitionsvertrag und Regierungserklärung belegen jedenfalls: Ein Zukunftsbündnis hat sich in der schwarzen Ampel wahrlich nicht gefunden. Ausgehandelt wurde ein Machtverhältnis zwischen den einzelnen Programmpunkten dreier Parteien. Dabei wurde weder der Schritt gewagt, gemeinsam etwas Neues zu versuchen, noch wurden Konflikte überzeugend gelöst. Es ist nicht gelungen, eine Zukunftsidee für Schleswig-Holstein zu entwickeln. Die ,,taz“ sagte, es sei ein Bündnis des kleinsten gemeinsamen Nenners. Ich zitiere:

„Zahlreiche Formelkompromisse enthalten Sprengkraft, Risse wurden mit Geld zugekleistert, kaschiert mit mehr als einer halben Milliarde zusätzlicher Euros.“

Die finanzpolitische Solidität der Küstenkoalition wird dem Koalitionsfrieden der schwarzen Ampel geopfert. Wehe, wenn die ersten Bewährungsproben anstehen, die Steuern sinken oder die Zinsen steigen.

(Zuruf CDU: Das sagt der Richtige! - Weite- re Zurufe CDU und FDP)

Die schwarze Ampel wird prüfen, Finanzierungsvorbehalte diskutieren und sich hier und da vielleicht irgendwann auch einigen. Von Anpacken ist keine Rede mehr. Andere sollen jetzt die Arbeit machen. Der Ministerpräsident will nur noch „möglich machen“, wie er heute gesagt hat.

Ich halte es da mit Olof Palme, der gesagt hat: ,,Politk heißt etwas wollen“. Wo ist eigentlich Ihre Idee für die Zukunft Schleswig-Holsteins, Herr Ministerpräsident? Was wollen Sie eigentlich?

Ich gebe Ihnen recht, Herr Vizepräsident Andresen: Diese schwarze Ampel mag ein Bündnis für begrenzte Zeit sein. Im Gegensatz zu Ihrem Parteifreund Herrn Habeck finde ich diese Erkenntnis übrigens nicht besonders dumm, sondern eher eine richtige und ehrliche Selbstanalyse.

Der Honeymoon, meine sehr verehrten Damen und Herren, sei Ihnen wirklich von Herzen gegönnt. Wir sind nicht die Spaßbremse bei der Hochzeit,

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sie sind auch gar nicht eingeladen!)

es sei Ihnen wirklich herzlich gegönnt, aber die Schmetterlinge im Bauch werden wohl oder übel vergehen und die romantischen journalistischen Harfenklänge werden Sie vielleicht auch nicht dauerhaft begleiten.

(Unruhe)

Herr Ministerpräsident, lassen Sie mich zum guten Schluss noch den Fortgang der Geschichte aus Schillers Glocke, also das traurige Ende, schildern:

,,Mit dem Gürtel, mit dem Schleier Reißt der schöne Wahn entzwei. … Die Liebe muss bleiben, Die Blume verblüht, Die Frucht muss treiben.“

Ob diese Frucht am Ende die süße Erdbeere aus dem Wonnemonat Mai ist oder doch wohl eher der saure Apfel, in den die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes beißen müssen, das werden wir bald zu sehen bekommen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Meine Kolleginnen und Kollegen von der SPDLandtagsfraktion und ich werden mit Selbstbewusstsein und ohne zu hadern unsere neue Aufgabe als neue und die demokratische Oppositionsfraktion hier im Haus annehmen. Wir werden die Regierung kontrollieren, wir werden seriöse Alternativen aufzeigen, und wir werden die Widersprüche in Ihrem Dreier-Machtbündnis herausarbeiten. Einziger Maßstab für unsere Arbeit ist, das Leben der Menschen in Schleswig-Holstein besser zu machen. Denn das allein macht den Sinn demokratischer Politik aus. - Vielen herzlichen Dank.

(Lang anhaltender Beifall SPD)

Meine Damen und Herren, bevor ich für die CDUFraktion dem Fraktionsvorsitzenden der CDU, dem Abgeordneten Tobias Koch, das Wort erteile, möchte ich mit Ihnen auf der Tribüne Schülerinnen und Schüler aus der Elsa-Brandström-Schule in Elmshorn begrüßen. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Ministerpräsident! Kaum jemand hätte vor einem halben Jahr geglaubt, dass ich diese letzten beiden Worte der Begrüßung an einen CDU-Ministerpräsidenten richten würde. Schon eine Regierung nach einer Wahlperiode wieder abzulösen, ist etwas Besonderes. Bei den vorangegangenen Landtagswahlen wurden zudem durchweg die bisherigen Amtsinhaber bestätigt. Nicht so bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein. Deshalb möchte ich zuallererst Ihnen, Herr Ministerpräsident, noch einmal den

(Dr. Ralf Stegner)