Protokoll der Sitzung vom 29.06.2017

(Beifall CDU - Widerspruch SPD)

Meine Damen und Herren, neben den erwähnten Punkten konnten wir viele weitere CDU-Forderungen im Koalitionsvertrag umsetzen. Ich will auf die Abschaffung der Pflicht zu Straßenausbaubeiträgen ebenso verweisen wie auf die vereinbarte Kündigung des Glücksspielstaatsvertrags. Wir werden mit der Schaffung eines Fonds für Barrierefreiheit eine Forderung umsetzen, die wir als CDU in den letzten fünf Jahren in jedem unserer Haushaltsanträge immer wieder vergeblich eingebracht haben. Beim Tariftreue- und Vergabegesetz werden wir auf vergabefremde Kriterien verzichten. Das Landesmindestlohngesetz läuft 2019 aus. Für die Sanierung kommunaler Sportstätten werden wir die Landesmittel im Durchschnitt auf über 4 Millionen € pro Jahr erhöhen.

Das alles haben wir miteinander vereinbart und dabei nicht zuletzt dank Finanzministerin Monika Heinold immer auch auf die Finanzierbarkeit dieses Koalitionsvertrags geachtet. Deshalb sind wir zuversichtlich, dass sich die strukturellen Mehrausgaben, die damit ohne Frage verbunden sind, im Rahmen der Finanzplanung der kommenden Jahre tatsächlich realisieren lassen.

(Jörg Nobis [AfD]: Konkret!)

(Tobias Koch)

Anfallende Jahresüberschüsse werden wir zuerst und vorrangig nutzen, um zusätzliche Investitionen von über 500 Millionen € umzusetzen. Wir werden dabei keine neuen Schulden machen, sondern im Gegenteil Schulden abbauen. Für die vorhandenen Altschulden des Landes werden wir einen festen Tilgungsplan erarbeiten, mit dessen Hilfe wir nach dem Auslaufen der Schuldenbremse im Jahr 2020 planmäßig mit der Tilgung unserer Altschulden beginnen.

Sie sehen, meine Damen und Herren, wir haben uns für die nächsten fünf Jahre viel vorgenommen. Gemeinsam werden wir das mit CDU, Grünen und FDP auch schaffen.

Ich will zum Abschluss auf das zurückkommen, was ich zu Beginn meiner Rede mit der Erinnerung an die Wahl von Peter Harry Carstensen zum Ministerpräsidenten im Jahr 2005 beschrieben habe. Auch damals hat niemand ahnen können, was für ein klasse Ministerpräsident aus Peter Harry Carstensen werden würde.

(Lachen SPD)

Daniel Günther hat nicht nur mit dem Wahlsieg selbst, sondern vor allem mit der Art und Weise, wie er anschließend damit umgegangen ist, bislang alles absolut richtig gemacht hat. In den Koalitionsverhandlungen hat er seine erste Feuerprobe mit Bravour bestanden und dabei genau die Vermittlerqualitäten, aber auch die Standfestigkeit an den Tag gelegt, die es für einen erstklassigen Ministerpräsidenten braucht.

Die CDU-Fraktion ist deshalb fest davon überzeugt, dass wir und Schleswig-Holstein von Ihnen, Herr Ministerpräsident, in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch viel Gutes zu erwarten haben. Wir freuen uns auf die gemeinsame Regierungszeit mit Grünen und FDP, mit Daniel Günther als Ministerpräsidenten und auf die Zusammenarbeit mit dem gesamten Kabinett. - Glück auf!

(Anhaltender Beifall CDU, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und FDP)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Fraktionsvorsitzende und Abgeordnete Eka von Kalben nun das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Günther, vielen

Dank für Ihre erste Regierungserklärung hier im Haus. Ich glaube, Sie haben mit diesen Worten deutlich gemacht, dass Sie der Ministerpräsident aller hier im Haus anwesenden Abgeordneten sein wollen, und das ist gut so. Vielen Dank dafür.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Lieber Daniel, bis vor zwei Monaten haben wir uns hier in den Haaren gelegen. Im Wahlkampf haben wir uns nichts geschenkt und unsere Unterschiede betont. Mit welcher Geschwindigkeit dann doch eine Annäherung erfolgt ist, wie sehr es möglich war, über eine gemeinsame Zielbeschreibung auch gemeinsame Projekte zu definieren, war überraschend; ich glaube, für viele von uns. Es gelang nur, weil wir als Menschen agiert haben, nicht als Taktiker. Dafür bedanke ich mich ausdrücklich.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Ein neues Bündnis beginnt. Spötter könnten Jamaika so zusammenfassen: Jeder kriegt ein Grundeinkommen, die Ausgaben für Cannabis werden dabei aus Präventionsgründen abgezogen, mit dem Rest kann man Glücksspiel spielen, und mit den Lizenzen sanieren wir den Landeshaushalt. Das ist natürlich Quatsch. Wahr ist aber, dass dieses Bündnis Neuland ist und ein Wagnis. Es wird nur dann ein gutes Bündnis werden, wenn wir wagen, Neues zu versuchen.

Die Frage der Zukunft der sozialen Sicherung angesichts von Digitalisierung und Roboterisierung, die Frage, was in Zukunft Arbeit ist und wer welche hat, die Frage nach Freiheit versus Sicherheit und der finanziellen Basis des Staates sind - zusammen mit der Bekämpfung des Klimawandels und der Integration - die großen Zukunftsaufgaben. Es wären eine Ehre und ein Ausrufungszeichen, wenn unser Jamaika an der Förde Beiträge zur Lösung dieser großen Fragen leisten könnte.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, diese neue Wahlperiode ist für meine Partei bereits die dritte Regierungskonstellation in Schleswig-Holstein. Heute starten wir in eine für uns völlig neuartige Regierungskonstellation, für die es bislang kein brauchbares Vorbild gibt. Dabei will ich dem Saarland seine Bedeutung nicht absprechen, doch ich bin recht optimistisch, dass wir das Schicksal von „Saarmaika“ zumindest nicht in dieser Form teilen werden.

(Zuruf Wolfgang Kubicki [FDP])

(Tobias Koch)

- Na ja. - Unser Jamaika im Norden löst überregional Interesse und hier und da auch Stirnrunzeln aus. Es ist sicher keine Blaupause für den Bund. Dafür ist das inhaltliche Fundament, auf dem wir dieses Bündnis aufgebaut haben, zu landesspezifisch.

Meine Damen und Herren, die äußeren Rahmenbedingungen, unter denen wir in dieser Regierung starten, haben sich in den letzten Jahren verschoben. Großbritannien wird die Europäische Union verlassen, die Union selbst befindet sich in einer Zerreißprobe. Ein windiger Donald Trump wird überraschend zum US-Präsidenten gewählt, die Türkei entwickelt sich vom EU-Beitrittskandidaten rasend schnell zu einem autokratischen Staat. Der Konflikt im Nahen Osten explodiert, und eine Beilegung der Konflikte scheint weiter entfernt denn je. Das Elend, das von Krieg, Umweltzerstörung und den negativen Auswirkungen der Globalisierung schon lange verursacht wird, wurde in den letzten fünf Jahren greifbar. Es schwappte buchstäblich über das Mittelmeer bis vor unsere Haustür. Das Ausmaß von Umweltzerstörung und Klimawandel ist dramatischer denn je und wird, wenn es so weitergeht, bald schon unumkehrbar sein.

Meine Damen und Herren, all das ist heute Normalität, und all das verstärkt den Druck auf die liberale Demokratie. Neue Parteien kommen und gehen, etwa die PIRATEN. Sechs-Parteien-Parlamente sind normal. Zweierbündnisse sind seltener geworden. Heute regieren in den 16 Ländern Deutschlands zwölf unterschiedliche Regierungskonstellationen, und die SPD selbst regiert auch in allen möglichen Regierungskonstellationen, unter anderem im Bund mit der CDU. In Zeiten von wachsendem Populismus und Bauernfängerei, von Ignoranz und alternativen Fakten stehen alle demokratisch gesinnten politischen Kräfte in der Verantwortung, unsere liberale Demokratie zu stützen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Deshalb, und das sage ich ausdrücklich an alle gerichtet, sollte man vor Wahlen keine Bündnis-Ausschließeritis machen. Es ist nämlich so wichtig, dass das Votum der Wählerinnen und Wähler ernst genommen wird. Deshalb sind wir alle in der Verantwortung, auch Bündnisse auszuloten, die erst einmal ungewöhnlich und vielleicht auch schwierig sind.

Ein Jamaika im Norden kann zu dieser Kultur einen wertvollen Beitrag leisten, weil wir anhand von Inhalten neue Wege ausloten und nicht im gegenseitigen Beißreflex verharren. Jamaika hat das Potenzi

al, Brücken zu bauen, wo bisher politische und gesellschaftliche Gräben sind.

(Zuruf: Über die Elbe!)

Es kann gegenseitiges Verständnis und Offenheit fördern, vereint in dem Bestreben, das Beste für alle Menschen in unserem Land zu erreichen. In den vergangenen Wochen ist es uns gelungen, aus teils diametral entgegenstehenden Ideologien und Vorstellungen heraus einen Zukunftsplan für dieses Bundesland zu entwickeln, den wir ab heute verwirklichen wollen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Der vereinbarte Koalitionsvertrag ist nur ein erster, wenn auch großer Schritt auf der langen Reise, die uns bevorsteht. Es wäre naiv zu erwarten, dass alle noch ungeklärten Fragen und alle noch offenen, unbestimmten Formulierungen und Prüfaufträge, diese wurden hier mehrere Male dazwischengerufen, Dissense und Finanzierungsvorbehalte sich im laufenden Betrieb geräuschlos werden klären lassen. Uns allen ist - glaube ich - klar, dass künftig noch sehr viel mehr Arbeit vor uns liegt und dass viel Geduld und all das Verständnis, das wir füreinander aufbringen können, nötig sein werden, um diese Koalition erfolgreich durch die nächsten fünf Jahre zu steuern.

Umgekehrt möchte ich nicht, liebe SPD und lieber SSW, dass unsere gute und vertraute Zusammenarbeit der Vergangenheit in der neuen Legislaturperiode komplett abbricht. Wir haben für die Küstenkoalition Wahlkampf gemacht, und die fünf gemeinsamen Jahre waren fünf gute.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

Ich verzichte darauf, jetzt hier auf polemische Wortbeiträge und persönliche Auseinandersetzungen einzugehen. Für mich bleibt es wichtig, dass wir auch zukünftig hier im Haus gut zusammenarbeiten, und ich hoffe, dass das wieder gelingen wird.

Wir wollen auf unserer Politik der Küstenkoalition aufbauen und gemeinsam mit Jamaika neue Akzente setzen. Wir wollen das Klima und unsere natürlichen Ressourcen besser schützen. Wir wollen durch gute Bildung und Chancengleichheit Entfaltung ermöglichen. Wir wollen angesichts einer sich verändernden internationalen Lage regionale Entwicklungen in einem globalen Bewusstsein gestalten. Wir wollen modernisieren und sanieren. Wir haben ambitionierte Pläne dahin gehend, wie wir die Digi

(Eka von Kalben)

talisierung aktiv gestalten. Wir wollen die innere Sicherheit wahren und dafür sorgen, dass alle sich auch sicher fühlen. Zugleich wollen wir entschlossen unseren liberalen Rechtsstaat verteidigen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Ich glaube, Sie nehmen es mir auch als ehemaliger flüchtlingspolitischen Sprecherin ab - diese Funktion wird unsere neue Kollegin Frau Touré übernehmen -: Wir wollen eine mindestens so humane, weltoffene Integrationspolitik machen wie die Küstenkoalition. Lieber Herr Günther, ich danke Ihnen sehr für die Worte, die Sie gestern für unsere vorherige Regierung gefunden haben. Ich bin guter Dinge, dass Sie zusammen mit unserem neuen Innenminister Herrn Grote weiterhin eine gute Politik machen werden. Vielen Dank dafür.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Unser Koalitionsvertrag sagt, die Wirtschaft soll mehr Wachstum entwickeln, doch zeitgleich sollen auch unsere natürlichen Lebensgrundlagen geschont und geschützt werden. Wir wollen nichts weniger, als Ökonomie und Ökologie besser in Einklang bringen. Das ist ein hoher Anspruch, den wir an uns selbst gestellt haben. Ob dies nun eine wohlfeile Floskel ist, oder ob wir diesen Anspruch mit Inhalt füllen, wird sich daran messen lassen, ob es uns gelingt, über die Gräben der Hardcore-Umweltund Tierschutzlobby oder der Hardcore-Agrarlobby hinweg eine Politik durchzusetzen, die erstens unsere natürliche Lebensgrundlage schützt, das Wasser, die Luft, den Boden, zweitens dem Artenschwund wirksame Maßnahmen entgegensetzt und drittens Bäuerinnen und Bauern, darüber hinaus aber auch allen Menschen im ländlichen Raum ihr wirtschaftliches Auskommen ermöglicht.

Unser Koalitionsvertrag ist dafür eine gute Grundlage. Die wichtigen Verbesserungen, die wir mit der Küstenkoalition im Bereich Naturschutz, im Landeswassergesetz, im Bereich Jagd mit der bleifreien Jagd eingeführt haben, werden wir beibehalten. Jamaika wird nicht nur die Verkehrs- und digitale Infrastruktur, die Sie, Herr Günther, erwähnt haben, ausbauen, sondern auch die Infrastruktur für die Tiere. Das Ziel, auf 15 % der Landesfläche Biotopverbund herzustellen, werden wir erreichen. Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag zum Artenschutz.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir haben eine hohe Achtung für die Leistung der Menschen, die in der Landwirtschaft arbeiten. Wer uns kennt, weiß: Wir legen niemanden an die Ketten. Billiges BauernBashing wird es mit uns nicht geben.

(Zuruf SPD: Hört, hört!)

Uns geht es darum, wie wir für die Landwirtschaft und mit der Landwirtschaft eine vielfältige Agrarstruktur mit überlebensfähigen Betrieben erreichen können, wie wir faire Marktbedingungen mit angemessenen Erzeugerpreisen herstellen können, wie wir überall tiergerechte Haltungsformen erreichen wollen, wie wir eine Reduzierung der Nährstoffüberschüsse aus Düngung und vielfältige Fruchtfolgen herbeiführen wollen für eine Landschaft, in der es sich zu leben lohnt. Auf diese Herausforderung freue ich mich. So kann es klappen mit Jamaika.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)