Protokoll der Sitzung vom 15.06.2018

Zugegeben - das, was wir dort in den letzten Monaten erlebt haben, ist mehr als eine Verkettung unglücklicher Umstände. Defekte Kupplungen und Triebwagen, eine schadhafte Infrastruktur, Sturmschäden, eine Entgleisung auf der Strecke - mehr geht kaum noch. Leidtragende sind die Bahnkunden. Nach dem, was ihnen dort immer wieder abverlangt wurde, ist es ihnen zu Recht egal, warum die Züge nur unregelmäßig, verspätet oder gar nicht fahren. Sie sind betroffen und haben ein Recht auf Entschädigung.

(Beifall SSW und Kai Vogel [SPD])

Nachdem Minister Dr. Buchholz im Februar angekündigt hatte, dass das Land eine Sondervertragsstrafe wegen der Probleme auf der Marschbahn verhängen werde, akzeptierte die Bahn dies für den Monat Februar. Das Land, NAH.SH und DB Regio

haben sich auf eine Sonderentschädigung geeinigt. Pendler erhalten eine einmalige Sonderzahlung für den Monat Februar in Höhe 50 € beziehungsweise 75 €. Nach Aussage von Bahnsprecher Meyer-Lovis wird davon rege Gebrauch gemacht. So weit, so gut.

Für die Verspätungen und Ausfälle auf der Teilstrecke Itzehoe-Westerland in den Monaten März und April haben das Land und NAH.SH den Pendlern weitere Sonderentschädigungen nach dem Verfahren, wie es für den Monat Februar zur Anwendung kam, zugesagt. Die DB Regio akzeptiert diese Sondervertragsstrafe anscheinend nicht.

Um noch einen draufzusetzen, hat Minister Dr. Buchholz den Sondermalus gegenüber der DB Regio für den Monat Mai auf 500.000 € erhöht. Das ist eine Kompensation für die ungeplanten Zugausfälle und die Verspätungen, die hauptsächlich aufgrund der Schienenreparaturen entstanden sind. Auch dieses Geld soll demnach wieder dafür genutzt werden, Pendler zu entschädigen, wobei die Entschädigungszahlungen entsprechend angepasst werden. Wie sich die DB Regio hierzu positioniert, scheint klar zu sein. Begeistert und einsichtig werden sie kaum sein.

Für uns als SSW ist es durchaus nachvollziehbar, dass das Land der DB Regio entsprechende Sondervertragsstrafen auferlegt. Das Land zahlt für eine Leistung auf der Strecke, die jedoch nicht geliefert wird. Schleswig-Holstein wurde in Bezug auf die Marschbahn lange genug hingehalten. In der Zeit bis heute hat sich unter dem Strich nichts verbessert. Dieser Zustand ist unhaltbar. Deshalb sollen die Pendler auch entsprechende Entschädigungszahlungen bekommen.

Wir wissen: Es ist eine Aneinanderreihung verschiedenster Ursachen, die zu dem Bahnchaos auf dieser Strecke geführt haben. Inwieweit die DB Regio hierfür allein die Schuld trägt, möchte ich infrage stellen. DB Regio ist beispielsweise nicht verantwortlich für den schlechten Zustand des Streckennetzes oder der Weichen. Der DB Regio gehört auch nicht Wagenmaterial. Aber das Land hat einen Vertrag mit der DB Regio geschlossen. Deshalb sind sie es, die mit Strafzahlungen belegt werden.

Was passiert mit den Entschädigungen, auf die die Bahnkunden Anspruch haben, wenn die DB diese Zahlung nicht leistet? Darüber müssen wir uns wirklich einen Kopf machen. Ich will die DB Regio nicht in irgendeiner Weise in Schutz nehmen, ganz bestimmt nicht. Ich will auch nicht die Erstattung

(Volker Schnurrbusch)

der Bahnkunden infrage stellen. Aber wir müssen uns ernsthaft darüber Gedanken machen.

Es hat daher mehr Sinn, endlich eine politische Lösung herbeizuführen, die uns wirklich voranbringt, als jeden Monat neue und höhere Strafzahlungen zu verhängen. Diese helfen den Bahnkunden nämlich letztlich auch nicht. Die Bahn muss hier endlich etwas machen. Sie trägt als Gesamtkonzern die Verantwortung.

Wenn ich dann aus Berlin höre, dass der zweigleisige Ausbau der Strecke zwischen Niebüll und Klanxbüll erst noch in den vordringlichen Bedarf aufgenommen werden müsse und die Realisierung dann noch einmal - im optimalen Fall - zehn Jahre dauern werde, dann macht mich das nur noch sprachlos.

(Beifall SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Wenn ich dann noch höre, dass eine mögliche Zwischenlösung in Form einer Verlängerung der Überholspur erst in rund vier Jahren machbar sei, fällt mir gar nichts mehr ein. Wir reden hier über 400 m!

Wir brauchen unbedingt eine politische Lösung aus Berlin. Daran muss auch der Minister arbeiten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen hier im Landtag, bitte überzeugen Sie auch ihre Parteikollegen in Berlin, dass hier unbedingt etwas geschehen muss.

Kommen Sie bitte zum Schluss.

Laden Sie sie doch einmal auf eine Tour nach Sylt mit der Bahn ein. - Jo tak.

(Beifall SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Das Wort zu einem Kurzbeitrag hat die Abgeordnete Beate Raudies.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht um die Marschbahn, aber die fährt ja nicht nur bis Sylt, sondern auch bis Hamburg. Lieber Kollege Nielsen, Sie haben gesagt, die Pendler in Nordfriesland und Dithmarschen haben einen Anspruch darauf, dass die Züge pünktlich und ordentlich fahren. Diesen Anspruch haben auch die Pend

ler in den Kreisen Steinburg, Pinneberg, Segeberg, Lauenburg und alle, die in diesem Land mit der Bahn fahren.

(Zurufe CDU: Das hat er gesagt!)

Das ist ganz wichtig, denn nicht nur auf der Marschbahn sind Pendler unterwegs, sondern auf allen anderen Strecken:

(Zuruf Christopher Vogt [FDP])

von Hamburg nach Kiel, von Hamburg nach Lübeck, von Kiel nach Flensburg und zurück. Auch in den anderen Netzen läuft es nicht gut. Ich möchte das hier heute einmal sagen, damit uns das nicht überrascht wie Zieten aus dem Busch. Im Netz Mitte klappt es auch nur bescheiden: Allein in dieser Woche ist schon viermal etwas bei den Zügen passiert.

(Barbara Ostmeier [CDU]: Aber das hat er doch gesagt!)

Ich fahre dreimal in der Woche und komme selten über eine ganze Woche heil durch. Ich weiß langsam auch nicht mehr, was ich den Leuten erzählen soll. Die kommen aus Itzehoe und steigen in Elmshorn um. Sie lesen die Zeitung und freuen sich über die Entschädigung, fragen sich aber natürlich: Warum denn nicht für mich? Die Marschbahn fährt von Itzehoe bis Glückstadt und dann weiter nach Hamburg. Da müssen wir am Ende auch für diesen Bereich eine Lösung finden, denn die Verspätungen auf dieser Strecke führen dazu, dass es irgendwann in Richtung Hamburg nicht mehr weitergeht, weil die Kieler Züge warten müssen und da eins vom anderen abhängt.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Tietze?

Bitte, Andreas, gern - Herr Dr. Tietze.

(Heiterkeit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Raudies. - Ich bin voll bei Ihnen und unterstütze im Grunde genommen das, was Sie für die Pendler im Hamburger Raum sagen. Ich darf aber vielleicht doch eine Frage an Sie richten: Nehmen Sie einmal Elmshorn. Die Pendler dort haben natürlich die Möglichkeit, auch andere Züge zu nutzen. Neun Minuten

(Flemming Meyer)

nach der Marschbahn fährt der Kieler Express. Man kommt also nach Hamburg rein.

Diese Möglichkeit haben die Menschen zwischen Niebüll und Westerland nicht. Die sind in extremer Weise auf diese Verbindung angewiesen. Wie würden Sie so eine Entschädigung unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten gestalten? Jemand, der eine Monatskarte hat, sagt: Okay, ich ärgere mich über die Verspätung - das kann ich auch total verstehen -, aber ich nehme halt neun Minuten später den Zug aus Kiel nach Hamburg und komme auch weiter.

- Herr Dr. Tietze, wenn Sie noch eine Sekunde gewartet hätten, wäre ich darauf eingegangen. Natürlich gibt es aus unserer Region andere Möglichkeiten - theoretisch zumindest. Wenn man weiß, wie viele Personen bei uns in den Zügen fahren, weiß man, dass es mit Theorie und Praxis schwierig ist, wenn ein Zug mit 500 Plätzen nicht kommt und die 500 Menschen in einen anderen Zug einsteigen sollen. Das ist praktisch etwas schwieriger, auch wenn man dann nur eine halbe Stunde wie die Sardinen in der Büchse steht und nicht drei Stunden wie in Richtung Sylt.

Ich will aber nicht in Abrede stellen, dass die Situation in Nordfriesland deutlich dramatischer ist. Ich will nur wiedergeben, was mir dreimal in der Woche auf dem Bahnsteig entgegengehalten wird. Ich finde, irgendwann müssen wir dafür auch eine Antwort finden. Das war mein Punkt. - Vielen Dank.

(Beifall SPD, SSW und Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [AfD] - Dr. Andreas Tiet- ze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielen Dank!)

Für die Landesregierung hat der Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus, Dr. Bernd Buchholz, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Situation auf der Marschbahn ist innerhalb des letzten Jahres nicht besser, sondern schlechter geworden. Herr Vogel hat es gesagt, und das muss ich auch nicht einräumen, das ist Fakt. Sie ist in Bezug auf Pünktlichkeitsquoten und Ausfälle von Zügen eindeutig schlechter geworden. Lassen

Sie uns am Anfang der Debatte eines gemeinsam als Learning aus der Debatte mitnehmen.

(Zuruf Regina Poersch [SPD])

Das ist das Ergebnis, wenn man Infrastruktur über Jahre hinweg einfach liegen lässt.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, AfD und SSW)

In diesem Falle trägt DB Netz dafür die Verantwortung, in einem anderen Fall tragen wir als Land die Verantwortung, zum Beispiel für die Landesstraßen oder im Bereich unserer Bildungseinrichtungen. Wer es zu guten Zeiten unterlässt, richtig in die Infrastruktur nachzuinvestieren, darf sich nicht wundern, wenn ihm so etwas vor die Füße fällt. Wir besichtigen zurzeit das Ergebnis einer verfehlten Politik der letzten 10 bis 15 Jahre. Das ist das Erste.

(Beifall FDP, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und AfD)

Das Zweite ist, dass die Opposition aus einem normalen politischen Reflex heraus versucht, dem zuständigen Minister aus diesem Umstand etwas vorzuwerfen. Das ist auch nicht ungewöhnlich.

(Christopher Vogt [FDP]: Das hätte ich nie gemacht! - Heiterkeit)

- Der Kollege Vogt sagt, er hätte es nicht gemacht, es ist aber in Ordnung. Ich hätte mir aber gewünscht, Herr Vogel, dass Sie versuchen, das vielleicht mit einer gewissen Substanz zu tun. An dieser Substanz fehlt es Ihrem Antrag leider - wenn Sie mir gestatten, das zu sagen.

Was Sie hier fordern, ist in Bezug auf eine Verbesserung des Zustandes auf der Strecke auch noch kontraproduktiv. Sie müssen sich bitte mit mir noch einmal in diesen Gedanken hineinversetzen: Ich habe festgelegt, dass Entschädigungen für Pendler aus Strafzahlungen gegen die Deutsche Bahn gezahlt werden. Der Kern liegt in der Strafzahlung gegen die Deutsche Bahn, denn die soll endlich handeln. Wenn ich jetzt Ihrem Antrag folge und einfach aus Landesmitteln Entschädigungen an die Pendler zahle, welchen Druck übe ich damit auf die Deutsche Bahn aus?