Sie können sagen: Ja, damit hätte man schon viel früher beginnen können. - Das ist immer richtig, aber es ist kein Grund, dagegen zu stimmen, wenn man das hier beantragt. Es ist doch eigentlich ein Hammer, dass Menschen immer noch für ihre Ausbildung bezahlen müssen. Eigentlich müssten sie alle Geld für die Ausbildung bekommen, und das auch in der Höhe des Mindestlohns. Das ist unsere Überzeugung. Wir beantragen solche Dinge, und Sie lehnen sie ab. Sie lassen die Menschen im Stich. Das ist unsozial, das ist die falsche Priorität, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Gemessen an den finanziellen Möglichkeiten ist Ihre Bilanz zum zweiten Haushalt wirklich mager. Schleswig-Holstein rutscht beim Wirtschaftswachstum auf Platz 13. Gerade einmal drei Bundesländer sind noch schlechter als unser Land; was für eine peinliche Zwischenbilanz für Ihre maximal breitbeinigen Ankündigungsminister, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Es braucht übrigens gar keine Fantasie, um uns darauf hinzuweisen, woran das liegt. Das liegt daran, dass Sie bei der Windbranche sozusagen auf der Bremse gestanden haben. Das Thema, bei dem wir einmal richtig gut gewesen sind, das haben Sie wegen Ihrer Wahlversprechen, die Sie nicht einhalten können, gegen die Wand gefahren, Arbeitsplätze gefährdet und ein Null-Wachstum erreicht. Das ist das, was uns daran hindert, in der Tabelle, die ich gerade zitiert habe, einen besseren Platz einzunehmen, als wir das tun.
Dabei liegt in diesem Bereich die Wertschöpfungschance Nummer eins. Das ist nämlich der Bereich, in dem es um erneuerbare Energien und Klimaschutz geht. Das ist der Bereich, in dem wir unter der SPD-geführten Regierung Tabellenführer waren. Sie haben uns mit Ihren gebrochenen Wahlversprechen zurückgeworfen. Das merken alle Menschen in diesem Land. Wir sind, was dieses Thema angeht, nur noch Mittelmaß. Darüber können Sie nicht hinwegreden.
Ja, es gab in dieser Woche noch eine Umfrage. Sie ergab, dass in Zeiten, in denen es immer mehr Pendler gibt, der Nahverkehr an Akzeptanz verloren hat. Auch das ist ein Punkt: weniger Kunden, geringere Zufriedenheit, schlechtere Pünktlichkeit. Ökologisch ist das Wahnsinn, und das Bahnchaos entgleitet dem Minister zusehends. Wenn schon die Bahn nicht pünktlich ist, so ist doch Herr Buchholz immer pünktlich, wenn die PR-Termine und die Pressekonferenzen anstehen. Das können die Menschen sehen. Ansonsten verschlechtern sich die Dinge, sie verbessern sich nicht. Herr Kollege Koch, 15 Monate sind, was dieses Thema angeht, keine Verbesserung, sondern eine Verschlechterung. Das muss man deutlich feststellen.
Aber die Geschichte kennen wir schon seit 252 Jahren. Ich habe eine Berliner Großmutter, daher weiß ich das. So alt ist nämlich die im Berliner Volksmund gebräuchliche Redewendung „Dazu hat
Buchholz kein Geld.“ Das geht zurück auf den Hofetats- und Rentmeister Buchholz, der von 1706 bis 1793 gelebt hat und es zum Ärger vom König Friedrich II. nicht geschafft hat, die schadhaft gewordenen Brücken in Berlin instand zu setzen. Nun sind die Brücken von damals die A 20 von heute, und, Herr Ministerpräsident, ich will Sie nicht vergleichen mit Friedrich dem Großen,
aber Sie sehen daran, dass die Malaise schon bei den Vorfahren Ihres Wirtschaftsministers begonnen hat. Sie ist bis heute geblieben. Der Unterschied ist nur, dass die Ausrede vom fehlenden Geld heute nicht mehr passt. Das Geld haben Sie inzwischen, aber er steckt seine Haupttätigkeit eben in PR-Aktivitäten und eben nicht in solides Handeln.
Aber diese Regierung hat einen kleinen Trost. Sie hat bei dem Jahresempfang der Landespressekonferenz gleich drei Enten für ihre Öffentlichkeitsarbeit abgeräumt. Das muss ich neidlos anerkennen. Das zeigt aber, wo die Hauptaktivitäten dieser Landesregierung liegen. Nein, von einem Aufbruch ist bei Ihnen wenig zu merken, trotz aller Trompetenklänge aus der Regierungspressestelle.
Herr Kollege Koch, Sie haben die Bundespolitik angesprochen und gesagt, die Sozialdemokratie setze da auf Koalitionsbruch. Ich fand es interessant, dass Ihr Kollege Schlie aus China per Presse mächtig den Rücktritt von Herrn Seehofer und seine Entlassung gefordert hat. Ich fand das bemerkenswert. Das hat bestimmt ganz China beeindruckt und Frau Merkel vielleicht auch.
Aber der Kern ist doch: Das ganze Theater, das wir auf der Berliner Bühne haben, das geht doch nicht von der Sozialdemokratie aus. Das geht von einer irrlichternden rechtsdrehenden CSU aus und von einer schwachen Kanzlerin, die in ihrer Union überhaupt nichts mehr zustande kriegt. Das ist doch das, was dabei herauskommt und was man hier festzustellen hat, meine sehr verehrten Damen und Herren.
- Zwischenrufe aus der FDP nehme ich besonders gern entgegen, denn dort hat man sich im letzten Jahr entschlossen, sich nicht an der Regierungsverantwortung zu beteiligen. Aber Sie versuchen, Bei
fang in den Sümpfen zu machen, in denen diskutiert wird. Das bezieht sich auf Redebeiträge des Kollegen Kubicki, der gesagt hat, es liege sozusagen an dem Satz von Frau Merkel „Wir schaffen das“, wenn durch Chemnitz Hitlergruß zeigende marodierende Hooligans ziehen. Solche Bemerkungen zeigen, dass die FDP nicht regierungsfähig ist, um Ihnen das einmal klar zu sagen. Sie müssen sich zurückhalten, was solche Punkte angeht.
Nein, es liegt nicht an der Sozialdemokratie. Die Zeiten sind wirklich sehr schwierig. Ich kann Ihnen nur sagen: Verantwortung zu übernehmen, ist durchaus eine komplizierte Angelegenheit, aber man darf dieses Land den Rechten nicht überlassen, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Deswegen glauben wir schon, dass es notwendig ist, sich um die realen Probleme zu kümmern, die die Menschen haben, und die haben eben eher etwas mit sozialer Sicherung zu tun. Die haben etwas mit guter Arbeit zu tun. Herr Kollege Koch hat die Ängste angesprochen, die die Menschen vor Digitalisierung haben. Unser Job ist aber dann doch, dafür zu sorgen, dass die Arbeitsplätze sicher bleiben, dass die Tarifbindung bleibt, dass man die Leute ordentlich bezahlt. Dann philosophiert man nicht darüber, dass die Renten nicht finanziert werden können, sondern man sorgt dafür, dass die Leute ordentlich verdienen, damit sie die Beiträge und Steuern bezahlen können. Dann kann die Rente nämlich auch finanziert werden, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Stattdessen fallen Sie über die Sozialdemokratie her, wenn wir so etwas sagen. Ich kann Ihnen nur sagen: Soziale Sicherheit ist für Menschen am Ende eine Frage der Demokratie. Wenn ich mich nicht mehr darauf verlassen kann, dass - wenn ich hart arbeite - das Geld am Ende reicht, um eine Rente zu bekommen, von der ich ordentlich leben und meinen Lebensstandard halten kann, wenn ich mir nicht mehr sicher sein kann, dass die Risiken, die jeder hat, nämlich arbeitslos, pflegebedürftig oder schwer krank zu werden oder im Alter zurechtkommen zu können, dann müssen diese Probleme solidarisch gelöst werden und nicht mit dem kapitalgedeckten Unsinn, der sofort platzt, wenn wir den nächsten Börsencrash haben.
aber ich nenne das solidarisch und richtig. Menschen helfen Menschen, das ist immer noch unsere Überzeugung, und dafür sollten wir Politik machen.
Deswegen muss ich sagen: Frau Finanzministerin, da war ein bisschen viel Bullerbü in Ihrer Rede. Man kann das alles so beschreiben, dass die Welt wunderbar ist, dass alles prima ist und dass wir mit guten Dingen vorangehen. Wenn man in den großen Linien denkt, dann kann man zwar sagen: Klar, den Deutschen geht es besser als anderen, manche Länder würden sich unsere Sorgen wünschen. Aber dass wir in einem Land wie Deutschland immer noch Kinderarmut haben, das ist doch eine Schande, die wir ändern müssen.
Wir finden es immer noch vor, dass Menschen es schwer haben und dass wir die Falschen abschieben. Wir schieben auch aus Schleswig-Holstein Menschen ab, die in Ausbildung und Arbeit sind, statt die Straftäter abzuschieben. Das ist eine Schande. Das muss man doch ändern, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Dass Menschen sich ihre Wohnungen nicht mehr leisten können, aber Bauern teilweise Grundstücke verkaufen, die Bauerwartungsland werden, und dann über Nacht zu Millionären werden, ist doch eine Schande. So etwas muss man doch ändern. Wie ist das eigentlich mit der Sozialpflicht des Eigentums? Wie ist das eigentlich mit unserem sozialen Zusammenhalt? Wie ist das eigentlich mit der Vielfalt? Wir haben gestern hier ganz wüste Reden über Mangel an Toleranz gegenüber der Vielfalt gehört. Vielfalt ist eine Bereicherung unserer Gesellschaft. Einfalt bedroht uns, nicht Vielfalt, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.
Ja, es ist einfach so, dass man sagen muss: Die großen Probleme, über die wir eigentlich reden müssten, kommen vergleichsweise selten vor. Ich neide Ihnen das wirklich nicht. Sie haben unverschämt viel Glück, was die Einnahmensituation des Landes angeht. Aber Glück heißt nicht, zuzusehen, wie die Zeit vergeht, und überzeugt davon zu sein, dass die Zeit für einen arbeitet. Besser wäre es, selbst gute Arbeit abzuliefern und den Bürgerinnen und Bürgern zu den wichtigen sozialen Themen praxistaugliche Antworten zu geben und sich um die zu kümmern, die wirklich unsere Hilfe brau
chen. Diese tauchen in der Rede der Finanzministerin und auch in der des CDU-Fraktionsvorsitzenden - hier ist meine Erwartung auch niedriger - ohnehin praktisch gar nicht auf. Das sind die ganz normalen Leute, die sich darauf verlassen wollen, dass wir ihnen helfen und dass es sich lohnt, sich anzustrengen für unser Gemeinwesen.
Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Bei allem parteipolitischen Streit, den wir hier haben, eines eint uns schon, jedenfalls fast alle in diesem Haus: Wir haben momentan eine Bedrohung von rechts. Sie haben über Europa gesprochen. Die Nationalisten nehmen überall wieder Anlauf.
Das sind die, die gegen Wohlstand und Frieden sind. Wir verdanken Wohlstand und Frieden einem Europa, das den Nationalismus zurückgewiesen hat nach zwei schrecklichen Kriegen im letzten Jahrhundert.
Heute sitzen wieder Leute in den Parlamenten, die gegen Minderheiten hetzen, und die Demokratie macht es ihnen in Teilen leicht. Wir müssen die Sorgen, die die Menschen haben, aufgreifen und mit Antworten versehen, die praxistauglich und gerecht sind. Wir dürfen uns nicht hauptsächlich um die kümmern, die am meisten haben oder am lautesten schreien, sondern um die, die unsere Hilfe am meisten brauchen.
Politik für sozialen Zusammenhalt zeigt sich in den Fragen: Wie stehe ich zum Thema gute Arbeit, was tue ich für die Bildungschancen der Kleinsten? Wie kümmere ich mich darum, dass mehr bezahlbarer Wohnraum vorhanden ist? Inwiefern behandele ich solche Herausforderungen wie den Klimawandel, indem ich den Klimawandel nicht nur theoretisch beschreibe, sondern konkret etwas dagegen tue. Sie zeigt sich, wenn ich im Übrigen nicht nur in den Kleinheiten meines eigenen Landeshaushaltes denke, sondern wenn ich mir dessen bewusst bin: Wenn wir Deutsche nicht zur globalen Gerechtigkeit beitragen, dann werden sich noch viel mehr Menschen auf den Weg machen und zu uns flüchten, weil wir denen nämlich nicht verwehren können, was wir selbst haben, nämlich Wohlstand und Frieden.
Das ist eine Frage von Gerechtigkeit. Das ist eine Frage von Teilen. Das ist eine Frage von Mit-gutem-Beispiel-Vorangehen, wenn ich an Waffenex
porte, Handelspolitik, Kinderarbeit, Klimaschutz und andere Themen denke. Darüber zu reden, das im Kleinen mit den richtigen Maßnahmen zu tun, sich dafür einzusetzen, dass es in unserem Land gerecht zugeht - das ist unsere Aufgabe.
Ich gönne Ihnen Ihr Glück, dass Sie mit den Einnahmen haben. Sie machen auch manches richtig; ich habe es in meiner Rede erwähnt. Dafür kritisieren wir Sie nicht. Aufgabe der Opposition ist es aber, Alternativen aufzuzeigen. Wir haben sie - bei dem Thema Kita und Bildung, bei dem Thema gute Arbeit, bei dem Thema Umgang mit den Beschäftigten, bei allen sozialen Themen. Sie werden damit leben müssen, dass wir entsprechende Anträge stellen. Sie mögen sie mit Ihrer Mehrheit ablehnen. Wir werden trotzdem das, was wir richtig finden, weiter mit Leidenschaft in diesem Haus vertreten. Vielen herzlichen Dank.
Meine Damen und Herren, begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtags Vertreterinnen und Vertreter der Polizeidirektion für Aus- und Fortbildung und für die Bereitschaftspolizei Eutin. - Herzlich willkommen hier im Landtag!