so viel zuschießt - inzwischen rund 90 Milliarden € -, auch mit Blick auf die Folgen der Deutschen Einheit, zeigt, dass wir im Grunde schon ein Mischsystem haben. Deshalb müssen wir gar keine Debatte darüber führen, ob das eine oder das andere passiert. Vielmehr sind wir aus Gründen der Solidarität und Anerkennung von Lebensleistungen jetzt schon ein Stück dabei. Das sind ja riesige Beträge, die angesichts der demografischen Entwicklung weiter steigen werden.
- Das teile ich uneingeschränkt, natürlich ist das so. Ich teile auch Ihre Einschätzung, dass unabhängig davon, wie sich die Systeme in den kommenden fünf Jahren weiterentwickeln, der steuerfinanzierte Bundeszuschuss zur GRV weiter erhöht werden müssen.
Ich erwarte aber auch - das haben Sie in Ihrem Beitrag angesprochen -, unabhängig davon, welches Modell sich am Ende durchsetzt, dass gesamtgesellschaftlich geforderte und von einer großen Mehrheit getragene Leistungen steuerfinanziert werden. Das gälte im Übrigen auch - das kann ich Ihnen nicht ersparen - für die sogenannte Mütterrente. Ich finde es vollkommen richtig, Kindererziehungszeiten und gern auch Pflege von Angehörigen anzuerkennen. Das sind aber Leistungen für die gesamte Gesellschaft, und deswegen muss sich die gesamte Gesellschaft an deren Finanzierung beteiligen.
Bei der Arbeitsgruppe, die sehr konstruktiv gearbeitet hat, bei der verschiedene Modelle diskutiert worden sind, ging es um mögliche Varianten einer Grundrente im Sinne der zwischen den Unionsparteien und Sozialdemokraten im Bund verhandelten Grundrente. Die Einkommenssituation von Bezieherinnen und Beziehern von Altersrente zu verbessern, die trotz langjähriger Erwerbstätigkeit eine Rente erhalten, die zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht ausreicht, ist ein Ziel, das auch die Landesregierung und die Jamaika-Koalition ohne jede Einschränkung unterstützen. Eine Besserstellung gegenüber Personen, die niemals einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sind, die möglicherweise auch keine Kinder aufgezogen haben, die nie Angehörige gepflegt haben, aus der Logik der Sozialhilfe herauszulösen, ist ein Gebot der Stunde, dass man diese Menschen nicht länger aufs Sozialamt schickt.
Lieber Kollege Harms, die Konzepte unterscheiden sich. Das kann man auf zwei unterschiedliche Weisen machen. Entweder macht man überhaupt keine Bedürftigkeitsprüfung mehr. Das ist Ihr Konzept. Oder die Bedürftigkeitsprüfung findet im Hintergrund statt, sodass man nicht mehr zur Grundsicherungsstelle muss, sondern es nur noch eine Stelle, die gesetzliche Rentenversicherung, als Anlaufstelle gibt. Dann muss man sich ernsthaft darüber unterhalten, wie die Bedürftigkeitsprüfung aussehen soll. Da gibt es unterschiedliche Varianten. Ich glaube nicht, dass die heutige SGB-II-Bedürftigkeitsprüfung das Vorbild für diejenigen sein sollte, die an einer Bedürftigkeitsprüfung festhalten.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich abschließend eines sagen, und das sage ich ganz ernst und ohne Polemik: Das ist den Damen und Herren Abgeordneten vorbehalten. Als Landesregierung kann ich zu den vorliegenden Eckpunkten von Hubertus Heil wenig sagen. Sie liegen meinem Haus derzeit offiziell noch nicht vor. Selbstverständlich sind mir die Eckpunkte aus der Presse bekannt. Sie aus der Presse zu bewerten, wird, so finde ich, dem Anspruch allerdings wenig gerecht, hier eine fundierte Meinung der Landesregierung abzugeben.
Ich habe kurz skizziert, wohin wir gehen und wohin wir auch mit der Bundesratsinitiative, zu der wir auch heute wieder aufgefordert werden, gehen. Da die Arbeit der Fachgruppen abgeschlossen ist, werden wir dies kurzfristig politisch in Gang setzen.
Ich nehme von dieser heutigen Debatte mit, dass es bei unterschiedlichen Konzepten und bei unterschiedlichen Ansätzen eine große Einigung der Demokratinnen und Demokraten gibt, dass Menschen, die in diesem Land hart gearbeitet haben, die Erziehungsleistung geleistet haben, die Menschen gepflegt haben, besser gestellt werden und dass diesen ein vernünftiger Lebensabend und ein Leben ohne Existenzangst ermöglicht werden soll. Wenn das die Quintessenz der heutigen Debatte ist, dann war es eine richtig gute Debatte, für die ich noch einmal Danke sage.
Der Minister hat die vereinbarte Redezeit um 4 Minuten überzogen. Diese Zeit steht jetzt allen Fraktionen zur Verfügung. - Ich sehe nicht, dass davon Gebrauch gemacht werden soll.
Bevor wir zur Abstimmung kommen, möchte ich die in der Rede von dem Abgeordneten Dr. Stegner vorgeschlagene Änderung des Antrags der SPD Drucksache 19/1235 noch einmal verlesen. Sie betrifft den ersten Satz des Antrags. Dieser lautet:
„Der Schleswig-Holsteinische Landtag begrüßt das Konzept von Bundesminister Hubertus Heil für eine steuerfinanzierte Grundrente für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die trotz jahrzehntelanger Arbeit - 35 Jahre -, Kindererziehung beziehungsweise Pflege von Angehörigen derzeit nur mit einer Mini-Rente rechnen können.“
Ich komme zur Abstimmung. Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden. Wer den Antrag Drucksache 19/1235 in der gerade verlesenen Fassung sowie den Alternativantrag Drucksache 19/1254 und den Änderungsantrag Drucksache 19/1258 an den Sozialausschuss überweisen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Dann ist die Überweisung an den Ausschuss gegen die Stimmen der AfD-Fraktion und der Abgeordneten von Sayn-Wittgenstein abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung in der Sache. Ich lasse über den Antrag der Fraktion der SPD, Drucksache 19/1235, in der geänderten Fassung abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dann ist dieser Antrag mit den Stimmen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, AfD und der Abgeordneten von Sayn-Wittgenstein gegen die Stimmen von SPD und SSW abgelehnt.
Ich lasse über den Änderungsantrag der Fraktion der AfD, Drucksache 19/1258, abstimmen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Ablehnungen? - Gibt es Enthaltungen? Dann ist dieser Antrag mit den Stimmen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD, SSW und FDP gegen die Stimmen der AfD und der Abgeordneten von Sayn-Wittgenstein abgelehnt.
Ich lasse über den Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, Drucksache 19/1254, abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen von CDU, BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW gegen die Stimmen der AfD bei Enthaltung der SPD und der Abgeordneten von Sayn-Wittgenstein angenommen.
Bevor wir zum nächsten Tagesordnungspunkt kommen, begrüßen Sie mit mir auf der Besuchertribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtags Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Elmschenhagen und die Bürgerbeauftragte des Landes SchleswigHolsteins, Samiah El Samadoni. - Herzlich willkommen!
Bericht der Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten des Landes Schleswig-Holstein bei dem Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtages Tätigkeitsbericht für das Jahr 2017
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Bericht ist erneut ein Spiegelbild wichtiger sozialer Probleme in unserer Gesellschaft. Ich darf der Bürgerbeauftragten und ihrem Team für die engagierte Arbeit herzlich Danke sagen.
Wir haben seit etwa 10 Jahren eine konstante Zahl von jährlich 3.400 bis 3.700 eingehenden Anliegen, von denen etwas über 90 % berechtigt sind. Ich glaube, es verdient einmal eine Erwähnung, dass die Bearbeitung, und damit meine ich nicht nur die Bearbeitung der Akten, sondern auch die menschliche Zuwendung für diejenigen, die Probleme haben, viel Einfühlungsvermögen, Zuhören und die Suche nach Wegen und Hilfen von Ihnen und Ihren Mitarbeitern bedeutet. Ich glaube, das gehört noch einmal ganz besonders hervorgehoben.
Was ist bei dem Bericht besonders hervorstechend? Mir ist die Betonung aufgefallen, dass viele Betroffene mit dem Formulardschungel besonders viele Probleme haben. Ich glaube, das ist ein Punkt, dem wir stärkere Bedeutung beimessen müssen.
- Frau Kollegin Pauls, wissen Sie, das sehe ich ganz sportlich. Warten Sie mal ab, über Ihre verständliche Sprache kommen wir auch noch ins Gespräch. Das werden wir gern machen, den Ball nehmen wir gern auf. Das ist vollkommen richtig. Ich kann dem nur hinzufügen: Schauen Sie, das ist ein Teil der Gesetzgebung im Sozialrecht. Das ist nur ein kleiner Teil.
Man kann es natürlich halten wie Hermann Höcherl. Hermann Höcherl war ein CSU-Bundesminister. Er sagte: Ich kann ja nicht jeden Tag mit dem Gesetz unter dem Arm herumlaufen. Aber man kann sich danach richten müssen. Dann zeigt sich, wie kompliziert diese Dinge sind. Das kann kaum noch einer durchschauen, besonders nicht diejenigen, die in Schwierigkeiten sind und Not haben.
Also, die Vereinfachung von Vorschriften und der Sprache ist dringend nötig. Wir müssen sicherlich auch darüber nachdenken, ob wir bei Behördengängen so etwas wie Bürgerlotsen - oder wie auch immer man diese bezeichnen würde - stärker ins Auge fassen müssen.
Zweitens ist mir aufgefallen, dass sich die sozialen Probleme in bestimmten Bereichen verfestigt haben. Das ist deutlich erkennbar. Auch wenn es keine Neuigkeit ist, haben Sie es noch einmal besonders dokumentiert. Wir müssen aufpassen, dass sich die betroffenen Bürger nicht als wehrlos empfinden. Das ist ein wichtiger politischer Punkt. Positiv soll hier erwähnt werden, dass die Behörde allein durch ihr Tätigwerden in einer Reihe von Fällen hat helfen können.
Eines möchte ich hervorheben, gerade nach der Debatte von vorhin: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unseren Sozialbehörden, Kommunalverwaltungen und anderen Verwaltungen leisten gute Arbeit. Auch sie haben es nicht leicht, mit den komplizierter werdenden Vorschriften umzugehen. Auch das gehört einmal gesagt.
Sozialbehörden sind keine Behörden zweiter Klasse. Dort arbeiten genauso hochengagierte Leute wie anderswo. Es fällt ihnen manchmal schwer, Entscheidungen zu treffen, die sie aber nach den Vorschriften, die sie gar nicht beschlossen haben, treffen müssen. Auch das möchte ich zumindest erwähnen. Der Gesetzgeber sollte die Zahl der Vorschriften verringern.
Zu den wesentlichen inhaltlichen Punkten kann ich nur noch stichwortartig vortragen, da ich nur noch
Erster Punkt: Eine wesentliche Frage ist, inwieweit das Vermögen von Eltern beziehungsweise Kindern angerechnet werden soll. Das ist ein immer wichtiger werdendes Thema in der Pflege und in anderen Bereichen.
Zweiter Punkt: Wir verzeichnen zunehmend Probleme von Selbstständigen mit Blick auf die Beitragszahlung für die Krankenversicherung.