Protokoll der Sitzung vom 07.03.2019

Meine Damen und Herren, begrüßen Sie mit mir auf der Besuchertribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtags Schüler und Schülerinnen des Johann-Heinrich-Voß-Gymnasiums aus Eutin. - Herzlich willkommen im Landtag!

(Beifall)

Das Wort für die Landesregierung hat der Minister für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren, Dr. Heiner Garg.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! In Wahrheit diskutieren wir hier über einen grundlegenden Webfehler der sozialen Pflegeversicherung. Diese wurde 1994 parlamentarisch verabschiedet, trat 1995 in

(Flemming Meyer)

Kraft, und 1996 wurden die ersten Leistungen ausgezahlt. Die damalige Pflegelandschaft in der Bundesrepublik war dadurch geprägt, dass ungefähr 70 % der Menschen in der eigenen Häuslichkeit versorgt wurden. Die Familienangehörigen, von denen sie gepflegt wurden, waren fast ausschließlich Frauen. Es sind genau diese Frauen, die heute in die Altersarmut geschickt werden.

(Vereinzelter Beifall SPD)

Im Bundesdurchschnitt wurden schon damals ungefähr 30 % stationär versorgt. Die Annahme, auf der das Finanzierungstableau der sozialen Pflegeversicherung damals beruhte, war genau diese Aufteilung: Es gibt ein großes familiales Pflegepotenzial, und das wird schon immer so weiter funktionieren. - Dabei wussten wir eigentlich längst, was demografischer Wandel bedeutet. Wir brauchen qualifizierte Frauen für den Arbeitsmarkt. Diese qualifizierten Frauen stehen dann selbstverständlich als familiäres Pflegepotenzial nicht mehr zur Verfügung. Wer vor diesem Hintergrund heute behauptet, dass die Pflegeversicherung keine grundlegende Finanzreform braucht, hat die Zeichen der Zeit schlichtweg nicht erkannt.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [fraktionslos])

Ich will im Übrigen daran erinnern, dass morgen Weltfrauentag ist, und ich will auch noch einmal daran erinnern, dass die Durchschnittsrente einer Schleswig-Holsteinerin derzeit um und bei 650 € beträgt. Die durchschnittlich zu schulternden Eigenanteile summieren sich heute schon auf monatlich über 1.500 €. Nun kann sich jeder, der einmal Rechnen gelernt hat, überlegen, was das eigentlich für diese Frauen, die in stationären Einrichtungen der Altenpflege leben, bedeutet. Das bedeutet natürlich, dass sie auf Hilfe zur Pflege angewiesen sind. Ich sage Ihnen ganz klar: Ich will nicht, dass diese Menschen in Zukunft weiterhin auf das Sozialamt geschickt werden.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, Dr. Frank Brodehl [AfD] und Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein [fraktionslos])

Dabei ist mir klar - ich verwende dieses Bild mit Absicht; Abgeordnete vor mir haben es schon skizziert -, es gibt bei entsprechender Bedürftigkeit in Wahrheit heute schon eine Steuerfinanzierung. Aus meiner Sicht aber stellt eine menschenwürdige Pflege - damit meine ich sowohl die Situation der Pflegebedürftigen als auch die Arbeitsbedingungen

für die Pflegerinnen und Pfleger - eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung für unsere älter werdende Gesellschaft dar. Gesamtgesellschaftliche Herausforderungen sind gesamtgesellschaftlich zu finanzieren, und das tut man in diesem System am besten, lieber Flemming Meyer, mit einer zusätzlichen steuerfinanzierten Säule, die verlässlich ist und dynamisiert wird.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Frau Abgeordnete Bohn hat ein bisschen schelmisch darauf hingewiesen, dass es in der Politik mit dem Copyright immer so eine Sache sei. Das macht aber gar nichts. Wir haben in der vergangenen Arbeitsund Sozialministerkonferenz eine tolle Diskussion gehabt. Dort gab es eine große, eine 15-LänderMehrheit für einen steuerfinanzierten Zuschuss. So weit herrschte Einigkeit unter den Kolleginnen und Kollegen.

Es gab ferner eine sehr progressive, weitergehende Initiative aus Schleswig-Holstein, der sich BadenWürttemberg angeschlossen hat. Wir wollten das System neu denken. Es ist in der Politik so, dass besonders fortschrittliche Ideen manchmal ein bisschen länger brauchen, um sich durchzusetzen.

Dass Hamburg - das will ich an dieser Stelle deutlich sagen - jetzt die Initiative ergriffen hat und aus den ASMK-Beschlüssen des vergangenen Dezember den Aufschlag für eine Bundesratsinitiative gemacht hat, der Schleswig-Holstein unmittelbar beigetreten ist, ist richtig. Es wäre ein starkes Signal, wenn sich auch noch andere sozialdemokratisch geführte Länder und, ich hoffe, auch unionsgeführte Länder sowie grüngeführte Länder dieser Initiative anschließen.

(Christopher Vogt [FDP]: FDP-geführte! - Zurufe SPD und SSW)

- Das, was Sie sich hier wechselseitig zuwerfen, geht alles von meiner Redezeit ab.

(Zurufe)

Das Wort hat der Minister.

Vor dem Hintergrund dessen, was ich kurz geschildert habe, will ich mich für die sich abzeichnende große parlamentarische Mehrheit ausdrücklich bedanken. Sie hilft, weil wir im Bund - das sage ich

(Minister Dr. Heiner Garg)

jetzt in Richtung der beiden Fraktionen, die hier in unterschiedlicher Rolle sitzen, Frau Abgeordnete Pauls - noch ein ganz dickes Brett bohren müssen, um uns mit dieser berechtigten Forderung für unsere pflegebedürftigen Menschen durchzusetzen. Die Große Koalition erkennt derzeit, dass für vieles von dem, was sie in den Koalitionsvertrag geschrieben hat, auf einmal das Geld fehlt. Ich nenne nur die Schulgeldfreiheit bei Gesundheitsberufen. Da fangen die Länder jetzt an, den Koalitionsvertrag der Großen Koalition zu erfüllen. Das kann es nicht sein. Wir brauchen hier den Bund im Boot. Wir brauchen die Steuerfinanzierung.

(Beifall FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich danke Ihnen ausdrücklich für die breite parlamentarische Unterstützung durch alle demokratischen Kräfte hier im Haus. Aber ich würde mich genauso darüber freuen, wenn Sie sehr engagiert bei Ihren Bundestagsfraktionen, bei Ihren Bundesministerinnen und Bundesministern dafür werben, dass diese richtige Forderung in dieser Legislaturperiode tatsächlich umgesetzt werden kann.

(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Der Minister hat die vereinbarte Redezeit um 1 Minute 30 Sekunden überzogen. Ich sehe aber im Moment nicht, dass eine der Fraktionen von der zusätzlichen Redezeit Gebrauch machen möchte. Weitere Wortmeldungen liegen also nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, die Alternativanträge Drucksachen 19/1134 und 19/1336 an den Sozialausschuss zu überweisen.

(Zurufe: Nein! - Volker Schnurrbusch [AfD]: Doch, es wurde beantragt!)

- Der Abgeordnete Schaffer hat das beantragt.

(Zurufe)

Wer der Überweisung in den Ausschuss zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Danke. Dann ist die Überweisung in den Ausschuss gegen die Stimmen der AfD und der Abgeordneten Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung in der Sache. Ich lasse zunächst über den Alternativantrag der Fraktion der AfD, Drucksache 19/1334, abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzei

chen. - Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? Das ist nicht der Fall. Dann ist der Antrag gegen die Stimmen der AfD und der Abgeordneten Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein abgelehnt.

Ich lasse dann über den Alternativantrag der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW, Drucksache 19/1336, abstimmen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Dann ist der Antrag mit den Stimmen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW gegen die Stimmen der AfD und der Abgeordneten Doris Fürstin von Sayn-Wittgenstein angenommen.

(Beifall CDU und FDP)

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 12 und 43 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Bericht zu den Kosten für das Land Schleswig-Holstein für Dienstleistungen im Rahmen von Stützung und Verkauf der HSH Nordbank AG

Antrag der Fraktion der AfD Drucksache 19/1238

b) Beteiligungsbericht 2018

Bericht der Landesregierung Drucksache 19/1214

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Mit dem Antrag zu a) wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse also zunächst darüber abstimmen, ob dieser Bericht gegeben werden soll. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist einstimmig so beschlossen.

Ich erteile nun das Wort für die Landesregierung der Finanzministerin Monika Heinold; es geht um die Berichte zu diesen beiden Tagesordnungspunkten.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In fünf Minuten zwei kurze Berichte. Zunächst zum Beteiligungsbericht. Sie wissen, dass die Beteiligung des Landes an Unternehmen Teil unserer verantwortungsvollen und vorausschauenden Wirtschafts-, Struktur- und Standortpolitik ist. Es gibt 36 Unternehmen, an denen wir beteiligt sind; 26 davon werden als besonders bedeutend eingestuft.

(Minister Dr. Heiner Garg)

Dort sind über 21.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig. Für Schleswig-Holstein ist das viel.

Sie haben den Beteiligungsbericht erhalten und haben mit Sicherheit auch schon hineingeschaut wenn dies noch nicht der Fall ist, dann tun Sie das; es lohnt sich.

Ich möchte insbesondere auf einen Punkt eingehen, weil hier eine gute und eine schlechte Botschaft enthalten sind, nämlich auf den Punkt „Frauen in Führungspositionen“. Die gute Botschaft ist, dass wir in den Aufsichts- und Verwaltungsräten bei unseren bedeutenden Landesbeteiligungen deutlich besser geworden sind. Bei den Vertreterinnen und Vertretern liegt der Frauenanteil inzwischen bei 48 %. Das ist gut. 2013 lag er noch bei 33 %; hier geht es also voran. Keine gute Botschaft ist, dass unter den Geschäftsführungen und Vorständen nur vier Frauen unter 42 Personen als Geschäftsführerinnen tätig sind; hier sind wir also bei Weitem nicht dort, wo wir sein wollen und sein müssen. Die Quote liegt unter 10 %. Hier müssen wir besser werden. Das ist nicht einfach, aber wir arbeiten daran.