Protokoll der Sitzung vom 08.03.2019

Mikroplastikeinträge einschränken

Antrag der Fraktionen von SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/1308 (neu)

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Stefan Weber für die SPD-Fraktion.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Einmal duschen mit etwas Duschgel, dann noch Haare waschen mit Shampoo, und schon strömen 100.000 kleinste Plastikpartikel in den Abfluss. Viele Produkte zur Körperpflege enthalten synthetisch hergestellte und mikroskopisch kleine Polymere: Körperlotionen, Deos, Aftershaves, Lippenbalsam, Puder und vieles mehr. Mikroplastik sind Plastikpartikel, die 5 mm oder kleiner sind. Oftmals haben sie durchaus eine Funktion. Duschgels und Cremes zur Körperpflege bilden einen dünnen Film und legen sich so angenehm auf die Haut. Die Kunststoffe im Shampoo umhüllen das einzelne Haar und erleichtern das Kämmen. Im Haarschaum schützt der Plastikfilm vor der Hitze des Föns. Andere Kunststoffe wie Polyethylen oder Nylonpolymere erhöhen im Lippenstift die Viskosität. Wenn wir also die Haare waschen oder duschen, spülen wir diese Inhaltsstoffe und damit auch die kleinen Plastikteile ab. So gelangen sie in den Abfluss und eben auch in den Wasserkreislauf. Die meisten Kläranlagen haben keine Filter, die diese Plastikartikel zurückhalten können. Das heißt, dass die Teilchen in die Flüsse und am Ende in das Meer gelangen. Das bedeutet

(Minister Hans-Joachim Grote)

wie für so viel anderen Plastikmüll: Endstation Meer.

Wie sich Mikroplastik auf die Ökosysteme im Meer auswirkt, ist bisher nicht genau geklärt, aber gut ist es bestimmt nicht. Muscheln und Fische nehmen es auf. In Seehunden ist es nachgewiesen. Mikroplastik ist aber auch im Honig und im Trinkwasser gefunden worden. Somit gelangen diese Teilchen in die Nahrungskette. Wir Menschen nehmen sie unter anderem beim Verzehr von Fisch auf. Bisher ist ungeklärt, wie sich das auf die menschliche Gesundheit auswirken könnte. Man braucht aber nicht viel Fantasie zu haben: Mikroplastik über die Nahrungsaufnahme direkt in den Verdauungstrakt des Menschen? Das hat langfristig bestimmt keine guten Folgen. Nach der Untersuchung vom Fraunhofer Institut für Umwelt vom Juni 2018 zu Mikro- und Makroplastik ist eine Wirkung auf den Menschen nicht auszuschließen.

Es gibt aber auch die Sekundärmikroplastik, die nämlich durch Abrieb von Makroplastik entsteht. Spätestens beim baldigen Wechsel von Winter- auf Sommerreifen wird vielen Autofahrern in diesem Frühjahr wieder auffallen, dass das Profil an den Reifen abgenommen hat. Über 100.000 t Reifenabrieb landen pro Jahr auf deutschen Straßen und gelangen von dort über die Kanalisation in Flüsse oder ins Erdreich. Sichtbar ist dies oft auch an den schwarzen Streifen auf den Straßen, die beim Bremsen oder beim rasanten Anfahren entstehen. Der weitaus größte Teil des Abriebs liegt jedoch kaum sichtbar als Feinstaub auf den Straßen und dann auch auf den Pflanzen. Welchen Folgen hat das für die Umwelt? Bei Niederschlägen wird der Reifenabrieb abgespült, gelangt in die Kanalisation oder direkt ins Erdreich. Hier muss in Zukunft weiter geforscht werden, um ein klares Bild davon zu bekommen, welche Bedeutung Reifenabrieb und die Elemente aus dem Reifenabrieb für die Organismen haben.

(Beifall SPD und Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Hier muss geprüft werden, wie wir einen Eintrag daraus in die Umwelt verringern können. All das legt nahe: Die Verwendung von Mikroplastik muss deutlich eingeschränkt und speziell in Kosmetika verboten werden.

(Beifall SPD und Dennys Bornhöft [FDP])

Zu Letzterem gibt es bereits einen Landtagsbeschluss von 2017, Drucksache 19/290. Passiert ist bis heute leider nichts. Daher freue ich mich, dass die demokratischen Kräfte dieses Landtages heute

noch einmal einen gemeinsamen und weitergehenden Antrag zu diesem wichtigen Thema auf den Weg bringen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall SPD, SSW und Dennys Bornhöft [FDP])

Vielen Dank, Herr Kollege. - Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Heiner Rickers.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kollegen! Lieber Herr Weber, das Problem ist nicht neu. Sie haben es uns noch einmal umfangreich beschrieben, und das ist auch gut so. Stetige Wiederholung sorgt durchaus für Erkenntnisgewinn und hoffentlich auch für die richtigen politischen Entscheidungen.

Fridays for Future, heute ist wieder einmal Freitag. Uns allen ist bekannt, dass uns durch die Demonstrationen auch junge Leute ein Stück weit mit auf den Weg geben wollen, wie wir deren und unsere Zukunft gemeinsam gestalten sollten. In einer Nachbesprechungsrunde bei uns in der JamaikaKoalition richtete ich an die Runde der jungen Leute die Frage: Wie stellt ihr euch die Zukunft vor? Wollt ihr allein durch Verzicht ein Stück weit die Welt verbessern? Die Antwort fand ich bezeichnend: Nein, nicht der Verzicht allein soll es sein, sondern es geht um die Gewissheit, dass die Politik bei ihren Entscheidungen berücksichtigt, dass wir in Zukunft auch nachhaltig anders konsumieren können. Genau das ist der Kern der Frage. Darauf dafür bin ich Ihnen dankbar, Herr Weber - zielt natürlich auch unser gemeinsamer Antrag ein Stück weit ab.

(Beifall Stefan Weber [SPD] und Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Vielen Dank. - Wir sind uns also alle darin einig, dass gerade auch Mikroplastik, aber auch Makroplastik vermieden werden muss. Die spannende Frage wird nach wie vor sein: Wie können wir das erreichen? Wir müssen daran denken, dass Wirtschaft auch Planungssicherheit braucht, dass wir Übergangsfristen brauchen. Wir müssen realistische Lösungen in der Politik aufzeigen. Aber wir sollten uns am Ende alle darin einig sein, dass wir entscheiden und auch verbieten müssen.

Ich will einen Punkt nennen, den wir landespolitisch durchaus als absoluten Erfolg verbuchen können. Sie werden sich an die Debatte um das Klärwerk in Schleswig und die Belastung der Schlei mit Makro- und Mikroplastik erinnern. Da haben wir

(Stefan Weber)

tatsächlich landespolitisch relativ schnell eine praxisrelevante Lösung gefunden, nämlich dadurch, dass wir das Landeswassergesetz entsprechend angepasst haben und dadurch per Verordnung erreicht haben, dass Plastikanteile in Speiseresten zukünftig nicht mehr in den Wasserkreislauf gelangen dürfen. Das war eine sehr gute gemeinsame Beschlusslage, und es war ein außerordentlicher Erfolg hier in Schleswig-Holstein.

(Beifall CDU)

Dass das Thema auch weltweit diskutiert wird, hat uns die heutige dpa-Pressemitteilung gezeigt: Ab Montag tagt die UN in einer fünftägigen Umweltkonferenz mit den Schwerpunkten Plastikmüllvermeidung, Vermüllung der Weltmeere. Die Frage ist: Wie können wir dabei politisch gemeinsam vorangehen? Deutschland wird hieran teilnehmen. Ich hoffe, wir sind uns einig und können etwas bewegen - im Sinne der Zukunft. - Ich danke herzlich für das Zuhören.

(Beifall CDU und vereinzelt FDP)

Vielen Dank. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht jetzt die Abgeordnete Marlies Fritzen.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Tat ist Mikroplastik seit einiger Zeit in aller Munde - das kann man durchaus wörtlich nehmen. Der Kollege Weber hat es beschrieben. Denn immer mehr Mikroplastik gelangt durch alle möglichen Verwendungsformen in die Umwelt. Die Partikel sind so klein, dass sie zum Beispiel aus Kläranlagen nicht vollständig herausgefiltert werden können, und Kunststoff insgesamt ist so langlebig, dass er in der Natur nur sehr langsam abgebaut wird; tatsächlich braucht es hierzu Jahrhunderte. Am Ende landen diese Stoffe in Fischen und anderen Meerestieren, und schließlich finden sich solche Partikel auf unserem Teller und in unseren Mägen.

Allerdings ist Kunststoff aus unserem Alltag kaum wegzudenken. Dieses Material ist flexibel, formund einsetzbar. Ein Totalverbot jeglicher Nutzung ist daher nicht realistisch. Auf das Problem der Autoreifen ist bereits hingewiesen worden. Man wird nach Alternativen Ausschau halten müssen - aber man wird ja nicht davon ausgehen können, dass wir zukünftig alle zu Fuß laufen.

Absurd ist es allerdings - das haben Sie hier auch schon mehrfach angesprochen -, dass die besonders

langlebigen Kunststoffe zuhauf für sehr kurzfristige Nutzungen eingesetzt werden - meist werden sie sogar nur ein einziges Mal genutzt; denken wir beispielsweise an Verpackungen.

Es gibt aus meiner Sicht Anwendungsbereiche, in denen der Plastikverbrauch drastisch gesenkt beziehungsweise verboten gehört. Auch der Kollege Rickers hat dies gerade angesprochen. Ich bin sehr dankbar, dass es da kein Denkverbot gibt, sondern dass klar ist, dass man auch an solche Steuerungselemente denken muss. Dies gilt für Einweggeschirr; es gilt für das Problem von Mikroplastik in Kosmetika. Dies gilt aber auch für Plastiktüten, ohne die ich habe das selbst bereits ausprobiert - ein Einkauf durchaus möglich ist.

Ich bin nicht für ein Verbot um des Verbotes willen, sondern ich bin für ein Verbot, weil es an vielen Stellen freiwillig ganz offensichtlich nicht klappt.

Da erinnere ich immer wieder gerne an die Diskussion um die Frage: „Soll man beim Kaufmann 10 Pfennig“ - ich habe mich nicht versprochen „für eine Plastiktüte erheben?“ - Dies würde ja dazu führen, dass die Menschen, die dort einkaufen, wieder Körbe oder Taschen mitbringen. Diese Debatte ist in dem Lebensmittelladen des Ortes, aus dem ich stamme, nämlich in Coesfeld, im Jahr 1974 tatsächlich geführt worden - natürlich nicht nur dort -, nämlich als es die Ölkrise gab. Heute diskutieren wir über dieses Thema immer noch - 40 Jahre später! Das ist doch unfassbar.

(Vereinzelter Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich glaube daher, dass es dringenden Handlungsbedarf gibt, und ich freue mich sehr, dass wir uns darin einig sind.

Wenn man sich vorstellt, dass 32 Millionen t Plastikmüll jährlich weltweit in die Umwelt gelangen man kann dies umrechnen und kommt darauf, dass dies rund eine Lkw-Ladung Plastik pro Minute ist -, dann ist das doch unglaublich. 2018 hat sich der Anteil der Kunststoffverpackungen - und das, obwohl wir jetzt verstärkt darüber diskutieren - um 4 % erhöht.

Ob die Initiativen der Bundesumweltministerin Schulze, die ja einen Fünfpunkteplan vorgelegt hat und Gespräche mit Produzenten, Lebensmittelmärkten und Drogeriemärkten angekündigt hat, zu einem Ergebnis führen, wird man sehen. Denn auch da wird erst einmal wieder auf Freiwilligkeit gesetzt. Das finde ich vom Prinzip her auch richtig; ich habe aber, um ehrlich zu sein, nicht allzu große

(Heiner Rickers)

Hoffnungen, dass man damit tatsächlich weiterkommt.

Es geht bei diesen Initiativen nicht in erster Linie um Mikroplastik, aber es geht auch um Mikroplastik. Daneben geht es natürlich immanent - das ist auch schon von allen Kollegen hier angesprochen worden - immer auch um Makroplastik.

Aus meiner Sicht müssen wir zu einer echten Kreislaufwirtschaft kommen. Deutschland ist hier Schlusslicht; 60 % der Abfälle werden immer noch verbrannt, statt dass man sie sinnvoll verwertet. Auch das neue Verpackungsgesetz, über das wir auch schon mehrfach gesprochen haben, ändert daran nichts. Es beschreibt zwar Ziele - die durchaus auch ambitioniert sind -, sieht jedoch keine Sanktionen vor, wenn diese Ziele nicht erreicht werden.

Produzenten müssen sehr viel stärker in die Verantwortung genommen werden, wenn es um den Ressourcenverbrauch geht, und zwar sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht. Wenn diese nämlich den von ihnen produzierten oder in die Welt gesetzten Müll zurücknehmen müssten, dann davon bin ich überzeugt - würden sie endlich ernsthaft Gedanken dazu anstellen, wie es gelingen kann, Kosten zu sparen und weniger Müll zu produzieren. Das jetzige Duale System hat nicht funktioniert; wir brauchen da eine Verschärfung.

Wir sind als Jamaika mit den Kolleginnen von SPD und SSW der Meinung, dass die Bundesratsinitiativen aus Hamburg und Thüringen sowie Bayern in die richtige Richtung weisen. Weniger Mikroplastik, weniger Plastik, das ist mehr Umwelt- und Gesundheitsschutz. Dies muss unser aller Ziel sein.

Meine Damen und Herren, die Wege dorthin dürfen gern freiwillig beschritten werden. Am Ende müssen Sie aber wirksam sein. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt CDU)

Vielen Dank. - Für die FDP-Fraktion hat der Kollege Dennys Bornhöft das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es wurde nun schon einiges zum Thema Mikroplastik gesagt; unter anderem wurde gesagt, dass dies vor wenigen Jahren noch gar kein Thema in der Öffentlichkeit gewesen ist. Zwar ist schon damals von Wissenschaftlern und Umweltschützern auf die Problemlage hingewiesen wor

den; so richtig hellhörig wurde man aber auch in Deutschland erst vor gut eineinhalb Jahren, als überregionale Medien titelten: „Forscher finden erstmals Mikroplastik in Stuhlproben von Menschen“. Hierdurch ist nun nachweisbar, dass Mikroplastik tatsächlich im menschlichen Körper angekommen ist. Man muss sich also fragen: Woher kommt denn das Mikroplastik?

Das Duschgel wurde schon erwähnt; mittlerweile findet man Mikroplastik aber bereits als winzig kleine Partikel in der Luft. Auf der Welt gibt es mittlerweile keinen einzigen plastikfreien Bereich mehr; selbst in der Antarktis werden Spuren von Plastik gefunden.

Es ist also offensichtlich: Kunststoff ist allgegenwärtig, und Kunststoff ist ja auch kaum wegzudenken. Man sollte einen deutlichen Unterschied machen zwischen Plastikartikeln, die für eine einmalige Nutzung gedacht sind und hinterher weggeschmissen werden, und Plastikmaterial, das beispielsweise in einem Gebäude verbaut ist, in Türen oder auch in Pkw. Plastik findet also ganz breite Einsatzmöglichkeiten in unserem Alltag.

Große Probleme haben wir natürlich - auch das kennt man nicht nur von Debatten, sondern man sieht es auch, wenn man durch Gemeinden läuft durch die vielen To-Go-Becher oder Plastikflaschen, die es überall gibt und die, obwohl sie teilweise pfandpflichtig sind, nicht wieder dorthin zurückkehren, wo sie hingehören.