Protokoll der Sitzung vom 16.05.2019

Verschärfung der Basler Konvention Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/1476

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Stefan Weber das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Mülltrennen ist Deutschland Spitzenklasse. Doch Deutschland, das Mutterland der Mülltrennung, produziert so viel Plastikmüll wie kein anderes Land in Europa. 18,16 Millionen t Verpackungsmüll haben die Deutschen im Jahr 2016 produziert. Das berichtete das Umweltbundesamt. Darin sind sowohl die Abfälle aus Industrie als auch aus privaten Haushalten eingerechnet. Maria Krautzberger, Präsidentin des Umweltbundesamts, sagt dazu - ich zitiere -:

„Wir produzieren viel zu viel Verpackungsmüll - ein trauriger Spitzenplatz in Europa.“

Dass der Verbrauch trotz vieler Maßnahmen nicht sinkt, hat viele Gründe. Ein Beispiel sind zusätzliche Funktionen der Verpackung wie Dosierhilfen oder aufwändige Verschlüsse. Diese benötigen mehr Material und machen das Recyceln schwerer. Zudem setzt sich der Trend fort hin zu kleineren Portionen statt Großverpackungen und zu Versandhandel, anstatt vor Ort zu kaufen.

Glas, Papier, Blech, Pappe und Plastik sind nicht nur Müll, sondern auch wertvolle Rohstoffe. Im Idealfall entsteht ein Kreislauf, in dem nichts verschwendet wird und vieles wieder neu verwertet werden kann. Bei den meisten Stoffen klappt das ganz gut, nicht jedoch beim Plastik. Nur ein Teil davon landet wie gewünscht in den Recyclinganlagen, die Flaschen, Verpackungen, Tüten und Einweggeschirr aus Plastik in Kunststoffpellets verwandeln. Der große Rest verschmutzt dagegen die Weltmeere oder wird ins Ausland exportiert, wo der Abfall einfach ohne Schutzvorkehrungen verbrannt oder deponiert wird und die Umwelt ruiniert.

Jährlich werden gut 1 Million t Plastikabfälle von Deutschland ins Ausland exportiert.

Deutschland hat sich lange nicht dafür interessiert, was mit dem Wohlstandsmüll seiner Bürger ge

(Werner Kalinka)

schieht. Länger ignorieren können wir dieses Problem allerdings nicht.

(Beifall SPD, Marlies Fritzen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Flemming Meyer [SSW])

Nachdem China als größter Importeur von Plastikmüll 2018 einen Importstopp für Plastikmüll verhängt hatte, ist das Problem zum ersten Mal sehr deutlich geworden, denn 50 % aller Plastikabfälle landeten dort. Aber was ist passiert? Ein Umdenken? - Nein. Die Müllentsorgung hat sich einfach in andere Länder verschoben, vor allen Dingen nach Malaysia, Thailand und Vietnam. Nach den gravierenden Auswirkungen brennender Müllberge in Malaysia verschiebt sich das Problem weiter nach Indien und Indonesien. Aber auch die Türkei hat keine Importeinschränkung verhängt.

Das Verbot von Plastiktellern, Trinkhalmen und anderen Wegwerfprodukten aus Kunststoffen in der Europäischen Union ist zwar ein erster Schritt, doch dieser reicht nicht aus, solange weiterhin Verpackungsmüll in rauen Mengen produziert und exportiert wird.

Zu begrüßen ist deshalb die Verständigung von 187 Staaten vom vergangenen Wochenende. Die Vertragspartner des Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung haben sich auf drei Punkte geeinigt: Jedes Land muss künftig vor dem Export von Plastikmüll genau angeben, welche Inhaltsstoffe dieser aufweist. Gehandelt werden darf nur noch vorsortierter, gesäuberter Plastikmüll, der entsprechend recycelbar ist. Importierende Staaten sollen bei der Verarbeitung besser gefördert werden. Zudem verpflichten sich die Vertragsstaaten, die globale Produktion von Plastik zu reduzieren.

Das ist ein ermutigender Schritt. Jetzt wird es darauf ankommen, dass dies in den einzelnen Ländern auch entsprechend umgesetzt wird. Der Erfolg hängt von funktionierender Kontrolle ab.

(Beifall SPD)

Wie in der Begründung unseres Antrags ausgeführt, bleiben Deutschland und Europa trotz dieses Schrittes in der Verantwortung, ihren Plastikmüll selbst zu sortieren, zu recyceln und zu entsorgen. Vielleicht reduziert das auch unseren hohen Verbrauch. Die Bundesregierung sollte deshalb den Export von Plastikmüll generell verbieten und solche Verbote auch auf EU-Ebene durchsetzen.

(Beifall SPD)

Der Alternativantrag der Jamaika-Koalition ist in der Sache richtig. Uns geht er aber nicht weit genug. Jetzt ist Handeln angesagt. Ich würde gern mit Ihnen beide Anträge im entsprechenden Ausschuss diskutieren und beantrage deshalb Überweisung in den Umwelt- und Agrarausschuss. - Vielen Dank.

(Beifall SPD und SSW)

Für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Heiner Rickers das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kollegen! Sehr geehrter Herr Weber, Ihr Antrag Sie sind erst im letzten Drittel Ihrer Rede auf den Kern des Antrags eingegangen - schießt wieder einmal über das Ziel hinaus. Ich will Ihnen einige Beispiele nennen, bei denen es auf EU-Ebene oder auf globaler Ebene durchaus sinnvoll sein kann, Kunststoff zu exportieren, auch wenn er als Müll oder Abfall deklariert ist, wenn er im aufnehmenden Land weitergenutzt, also recycelt werden kann oder durch moderne Produktionsabläufe sogar chemisch recycelt werden kann - siehe Spanien. Das könnte für uns in der Zukunft ein durchaus gängiger Weg sein. Deswegen ist ein generelles Verbot des Exports von Kunststoffen und Plastikmüll aus unserer Sicht eindeutig abzulehnen.

(Beifall CDU und FDP)

Ich komme zu den Beispielen, die Sie in Ihrer Rede nicht berücksichtigt haben.

Es gibt nach wie vor einen Riesenexport von alten, bei uns nicht verwertbaren Fahrzeugen, insbesondere Autos, die, als Müll deklariert, bei uns beim Wiederverwerter landen, in den Export gehen und den Lebenszyklus eines Fahrzeugs durchaus sinnvoll erhöhen, sodass die CO2- oder die Klimabilanz positiv werden kann. Was ist daran verwerflich?

(Beifall CDU und FDP)

Es gibt Medizintechnik mit einem hohen Anteil an Kunststoffteilen.

Es gibt auch alte Brillen mit Kunststoffgestellen, die exportiert werden, die bei uns hier eingesammelt werden, als Müll deklariert werden, die bei uns in die Entsorgung gehen müssten und die trotzdem eine vernünftige Verwertung finden.

Es gibt auch Teile von Windenergieanlagen beziehungsweise ganze Anlagen. Sie kennen die Flügel aus Kunststoff, die, über den Entsorger als Müll de

(Stefan Weber)

klariert, im Rahmen des Exports ihren Lebenszyklus im Ausland durchaus noch 15, 20 oder 30 Jahre verlängern können

(Zuruf Sandra Redmann [SPD])

und damit in der Gesamtklima- und Umweltdiskussion eine positive Bilanz ergeben und somit ihren Sinn erfüllen würden. Das haben wir in Ihrer Rede nicht gehört.

(Sandra Redmann [SPD]: Dann deklariert man das nicht als Müll!)

Mit der Forderung nach einem generellen Exportverbot - da wiederhole ich mich - springen Sie weit über das Ziel hinaus.

Wir fordern in unserem Alternativantrag - das haben Sie zum Teil genannt -, die Basler Konvention, die am letzten Wochenende verabschiedet wurde, in mehreren Punkten zu verschärfen. Wir fordern die Landesregierung auf, auf Bundes- und EU-Ebene darauf hinzuwirken.

Inhaltsstoffe von Kunststoffen, Verunreinigungen all das muss deklariert werden, wenn es als Abfall in ein ausländisches Zielland geht. Es muss beim Export ein Nachweis geführt werden über Verwertungsmöglichkeiten, Weiternutzung, Recycling oder vernünftige thermische Verwertung. Es muss nachgewiesen werden, dass am Zielort der anfallenden Exportmengen Recyclinganlagen vorhanden sind. Ich gebe ich Ihnen ein Stück weit recht, dass bei uns die Recyclingindustrie ausgebaut werden muss, um unsere Recyclingquote erhöhen zu können.

Hinsichtlich innovativer Entwicklungsmöglichkeiten habe ich Spanien genannt, ein chemisches Recycling, Kunststoffe - mit einem zurzeit noch hohen Energieaufwand - wieder in Kunststoffe zurückzuverwandeln. Auch das muss ein Ziel sein. Das wollen Sie mit Ihrem heutigen Antrag politisch nicht.

Wir lehnen Ihren Antrag nicht ab, sondern haben uns darauf verständigt, das Ganze im Ausschuss aufzuarbeiten. Unser aller Ziel muss sein, das, was wir herstellen, im Kreislauf unterzubringen und global Kunststoffe entweder zu verwerten oder die Produktion so zu reduzieren, sodass wir Kunststoffe nachhaltig verwerten. - Herzlichen Dank.

(Beifall CDU und FDP)

Für die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Abgeordnete Marlies Fritzen das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Hölck, ein jeder kehre vor seiner Tür, hat Goethe schon gewusst. Ich stimme dem Kollegen Weber gern zu: „Aus den Augen, aus dem Sinn“ - das Vogel-Strauß-Motto greift auch beim Müll zu kurz. Wir haben keinen Planet B, und unser hausgemachter Müll kommt, wenn er nicht umweltgerecht recycelt oder entsorgt wird, über die Meere und die Nahrungsmittel wieder zu uns zurück. Auch ethisch finde ich es nicht verantwortbar, dass nur 20 % der Weltbevölkerung in unserer Wohlstandswelt 80 % der weltweiten Ressourcen plündern und anschließend den Müll den Menschen in den Entwicklungsländern vor die Füße kippen. Auf den ersten Blick würde man also dem SPD-Antrag bedenkenlos zustimmen wollen.

Der zweite Blick schaut genauer hin. Müll - egal, ob aus Plastik oder aus anderem Material - kann auch wertvoll sein. Nicht zuletzt deshalb wollen wir die Wiederverwertungsquote erhöhen. Erdöl, das zum Beispiel in Form einer Plastiktüte nur einmal gebraucht und weggeworfen wird, ist reine Ressourcenverschwendung. Plastik, das mehrmals gebraucht und am Ende zu neuen Produkten verarbeitet wird, ist ökologisch und ökonomisch sinnvoller eingesetzt.

Es ist - der Kollege Rickers hat darauf hingewiesen - eine weltweit handelbare Ware, und sie hat ihren Preis. Sortenreines Plastik wird auf dem Markt derzeit mit 700 € pro Tonne gehandelt. Länder wie die Türkei nutzen es als Second-Hand-Rohstoff.

Also doch alles gut und Plastikmüll eine Ware wie jede andere? - So weit würde ich nicht gehen. Am Beispiel der Türkei zeigt sich nämlich auch der ganze Wahnsinn dieses Marktes. In der Türkei selber wird kein Müll getrennt, geschweige denn recycelt. Tonnenweise wird Müll importiert, unter anderem aus Deutschland, während der eigene Dreck in der Landschaft landet. Aus anderen Entwicklungsländern kennen wir Bilder von mit Plastik vermüllten Flüssen und Meeren. In dieselben Länder liefern wir unseren Plastikabfall. Man darf zweifeln, ob er tatsächlich sortenrein ist und die Kontrollen ausreichen. Da gebe ich Ihnen vollkommen recht.

Ich habe aus grüner Sicht also durchaus Sympathie für die Stoßrichtung Ihres Antrages.

Allerdings - jetzt kommen die Feinheiten - darf verschmutzter Plastikmüll auch heute schon nicht exportiert werden. Dazu brauchten wir nicht die Verschärfung der Basler Konvention. Plastikmüll gilt

(Heiner Rickers)

und jetzt kommen wir zu dem Punkt der Kontrollen - nicht als gefährlicher Abfall und wird entsprechend nicht angemeldet. Das heißt, flächendeckende Kontrollen, wie Sie sie wollen, sind gar nicht möglich, weil man gar nicht weiß, wo wann welcher Plastikmüll transportiert wird.

Zuständig sind im Übrigen auch nicht das Land, sondern die Polizei und der Zoll. Auch das sollten wir im Ausschuss gerne einmal voneinander trennen und genau betrachten.

Die jüngst beschlossene Verschärfung der Basler Konvention für eine umweltgerechte Abfallentsorgung begrüßen wir ausdrücklich. Ich denke, darüber sind wir uns in diesem Haus auch alle einig. Damit können Kontrollen zielgerichteter durchgeführt werden, weil nämlich dann tatsächlich angemeldet und deklariert werden muss. Das ist gerade schon gesagt worden.