Protokoll der Sitzung vom 16.05.2019

Ich unterbreche die Sitzung bis 15 Uhr.

(Unterbrechung: 13:18 bis 15:01 Uhr)

Die anwesenden Kollegen haben ihre Plätze eingenommen. Dann können wir jetzt starten.

Bevor wir in die Tagesordnung einsteigen, begrüßen Sie gemeinsam mit mir auf der Besuchertribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtags Mitglieder der Seniorenunion Eckernförde sowie Mitglieder der Frauengruppe der Kirchengemeinde St. Heinrich. - Seien Sie uns herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 33 auf:

Mündlicher Bericht zum Bildungsbonus an den PerspektivSchulen in Schleswig-Holstein Antrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/1452

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Mit dem Antrag wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse zunächst darüber abstimmen. Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Wie möchte die AfD stimmen?

(Jörg Nobis [AfD]: Wir möchten das auch!)

- Sie möchten das auch? Gut. Dann ist das einstimmig so beschlossen.

Ich erteile somit das Wort für die Landesregierung der Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Kultur, Frau Karin Prien.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich freue mich, dass ich heute die Gelegenheit habe, Ihnen über unser PerspektivSchul-Programm zu berichten. Für die Landesregierung ist es ein zentrales Projekt, Schulen, die aufgrund ihrer sozialen Zusammensetzung ihrer Schülerschaft und ihres sozialen Umfelds besondere Herausforderungen zu schultern haben und damit Besonderes leisten - das will ich an dieser Stelle betonen -, besonders zu unterstützen.

Das ist ein wesentlicher Beitrag zu mehr Bildungsgerechtigkeit in Schleswig-Holstein, und ich bin fest davon überzeugt, dass er Wirkung entfalten wird und genau dort ankommt, wo er gebraucht wird.

(Minister Hans-Joachim Grote)

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und AfD)

Wir sind das erste Flächenland, das diese Herausforderung anpackt und ein solches Programm landesweit startet. Ich bin sicher, andere werden in den nächsten Jahren folgen. Warum werden sie das tun? Weil es eine zentrale Herausforderung der Bildungspolitik in Deutschland ist, Schulen an solchen Standorten mehr Chancengerechtigkeit zu gewährleisten.

Mehr als 50 Millionen € stellen wir bis zum Jahr 2024 für das PerspektivSchul-Programm zur Verfügung. Insgesamt werden 60 Schulen im ganzen Land davon profitieren.

Die ersten 20 PerspektivSchulen haben wir in der vergangenen Woche zu einer Auftaktveranstaltung nach Kiel eingeladen, die auf eine breite und überaus positive Resonanz gestoßen ist.

Das Programm trifft den Nerv, weil die Herausforderungen an einigen Schulen eben schneller gewachsen sind als an anderen, aber alle Schulen gute Arbeit leisten wollen. Wir wollen da unterstützen, wo es nötig und gewünscht ist.

Die erste Herausforderung bei unserem PerspektivSchul-Programm ist es, zu definieren, welche Schulen den größten Bedarf haben; subjektiv gibt es da natürlich unterschiedliche Wahrnehmungen.

Bisher haben wir keinen landesweiten Index zur sozialräumlichen Einordnung von Schulen zur Verfügung. Deshalb haben wir das Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik beauftragt, einen PerspektivSchul-Index zu erarbeiten.

Kriterien für den PerspektivSchul-Index bei den Grundschulen waren unter anderem der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Deutsch als Zweitsprache, der Anteil von Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die VERA-Ergebnisse in Mathematik und Deutsch sowie der Anteil der Schüler, die eine Klasse wiederholen. Bei den Gemeinschaftsschulen werden auch die Ergebnisse der zentralen Abschlüsse und die Quoten der Schülerinnen und Schüler ohne Abschluss berücksichtigt.

Andere Daten, die wir gern schulscharf berücksichtigt hätten, konnten wir beziehungsweise das IPN aus Gründen des Datenschutzes leider nicht verwenden.

Auf Basis unseres PerspektivSchul-Indexes wurden die ersten teilnehmenden Schulen ermittelt: neun in

Kiel, zwei in Lübeck, zwei in Neumünster, zwei in Flensburg, zwei in Rendsburg und jeweils eine in Pinneberg, in Husum und in Geesthacht.

Eine realistische Möglichkeit übrigens, die ausgewählten Schulen nicht transparent zu machen, gab es bei Licht betrachtet nicht. Aber natürlich gab es im Vorfeld bei manchen Bedenken, dass die Schulen durch die Hervorhebung als PerspektivSchule stigmatisiert würden, als Problemschulen gebrandmarkt würden.

Genau das, meine Damen und Herren, ist erfreulicherweise nicht passiert; das zeigte auch unsere Veranstaltung am letzten Mittwoch. Die Schulen freuen sich über die Chance und nehmen die Auswahl als Auszeichnung an. Das finde ich gut und richtig.

Ich bin davon überzeugt, dass man nur dann, wenn man Probleme klar benennt, erfolgreich an einer Lösung arbeiten kann. Das tun wir mit diesem Programm.

Ich nehme wahr, dass die erste Resonanz der PerspektivSchulen selbst durchweg positiv ausgefallen ist. Die Schulen wollen die großen Chancen für ihre Schulentwicklung nutzen, die ihnen mit dieser zusätzlichen Unterstützung geboten wird.

Was haben wir hier genau vor? - Die ersten 20 Schulen erhalten bis 2024 insgesamt 25,5 Millionen €; das ist der längste Zeitraum. Zum Schuljahr 2020/21 werden weitere 20 Schulen dazukommen, die 10 Millionen € erhalten werden. Schließlich kommen zum Schuljahr 2021/22 weitere 20 Schulen hinzu, die dann 6 Millionen € bekommen.

Jede PerspektivSchule erhält einen Sockelbetrag von 25.000 € und außerdem ein schülerbezogenes Budget. Zudem stehen Mittel für die Vernetzung im Stadtteil, ein Startpaket und ein Back-Office im Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur sowie natürlich die Unterstützungsstruktur des IQSH zur Verfügung.

Diese Mittel können die PerspektivSchulen auf unterschiedliche Weise für die für sie genau richtige Art und Weise verwenden, generell für neue Projekte, für Kooperationen und Personal sowie für bereits laufende Aktivitäten der Schulen. Die Schulen sollen eine möglichst breite Wahlmöglichkeit haben, um ihren spezifischen Bedürfnissen und Anforderungen gerecht werden zu können.

Jenseits der zusätzlichen finanziellen Förderung erhalten die PerspektivSchulen jedoch weitere wichtige Unterstützung. Das Institut für Qualitätsentwicklung an Schulen Schleswig-Holstein bietet Unter

(Ministerin Karin Prien)

stützung im Rahmen von Programmen wie „Niemanden zurücklassen“, dem Schul-Feedback sowie den didaktischen Training oder Coachings. Von der Schulaufsicht werden die PerspektivSchulen beispielsweise durch besondere Beratungsangebote, durch Hilfe zur Vernetzung und durch Fortbildungsangebote unterstützt.

Da uns in diesem Zusammenhang auch die Arbeit in den städtischen Quartieren besonders wichtig ist, stehen auch für diese wertvolle Vernetzungsarbeit Ressourcen zur Verfügung. Hier werden auch die nicht am Programm teilnehmenden Schulen eines Stadtteils einbezogen.

Eine gewichtige Rolle wird schließlich die kulturelle Bildung spielen. So können die Grundschulen teilnehmen am Projekt „Musikalische Grundschule für Schleswig-Holstein“, initiiert von der Bertelsmann Stiftung.

Wir arbeiten mit der Wübben Stiftung zusammen, die ihr impakt-Programm aufgelegt hat, das Schulleitungen von Brennpunktschulen in NordrheinWestfalen erfolgreich unterstützt. Auch diese Expertise werden wir in unser Programm einbeziehen und für Schleswig-Holstein so anpassen, dass es zu uns passt.

Eine wissenschaftliche Evaluation wird uns wichtige Erkenntnisse bringen, wo wir auf dem richtigen Weg sind und wo wir nachsteuern müssen.

Parallel werden wir uns am Bundesprogramm für Schulen mit besonderen Herausforderungen beteiligen. Die Eckpunkte dieses Programms befinden sich noch in der Abstimmung.

Lassen Sie mich mit der Bemerkung schließen, dass diese zentralen Herausforderungen unseres Bildungssystems an unseren PerspektivSchulen gemeistert werden müssen. Wir stellen uns dem. Dem stellen wir uns aus der gemeinsamen Überzeugung, dass jedes Kind, jeder Jugendliche einen Anspruch auf eine seiner Begabung und Neigung entsprechende Förderung hat. Wir wollen dafür sorgen, dass diese die Förderung auch erhalten. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Die Ministerin hat die vorgesehene Redezeit um 1 Minute erweitert. Diese Minute steht jetzt allen anderen Fraktionen zur Verfügung.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die CDUFraktion hat der Abgeordnete Tobias Loose.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich sehr über den Bericht unserer Bildungsministerin, den wir gerade gehört haben.

Die Unterstützung von Schulen in Stadtteilen und Quartieren mit besonderen Herausforderungen geht nun endlich los. Viele Parteien aus diesem Haus hatten das Thema bereits im Landtagswahlkampf aufgegriffen. Jamaika hat dies im Koalitionsvertrag festgehalten, und von unserem Landtag ist die Initiative für den Bildungsbonus ausgegangen. Im letzten Haushalt haben wir dafür gegenüber der ursprünglichen Planung sogar zusätzliches Geld bereitgestellt. Gerade deshalb möchte ich auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Bildungsministerium - Herr Stäcker ist ja heute hier, nehmen Sie das gern mit - herzlich danken. Denn es ist ein besonderer Druck entstanden, dass Sie diesen Bildungsbonus sozusagen so aufgegleist haben. Herzlichen Dank dafür.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, SSW, vereinzelt SPD und Beifall Dr. Frank Brodehl [AfD])

Nun wird es konkret. Wir können uns freuen, dass der Bildungsbonus endlich eingeführt wird. In der vergangenen Woche gab es eine Auftaktveranstaltung für die ersten 20 PerspektivSchulen, die von dem Programm profitieren werden. Eine angespannte Vorfreude lag in der Luft. Das konnten alle, die aus diesem Haus an der Veranstaltung teilgenommen haben, spüren. Die Lehrkräfte, Schulleitungen und Schulräte, die dort waren, waren hochinteressiert und motiviert. Von Anfang an war klar: Geld allein wird den Schulen nicht helfen, es geht um viel mehr.

Gast auf der Veranstaltung war auch die Schulleiterin der Rütli-Gemeinschaftsschule aus Berlin. Manche erinnern sich vielleicht daran: Diese Schule wurde 2006 durch einen Brandbrief bundesweit als Problemschule bekannt. Die Schule ist mittlerweile zu einem Erfolgsmodell für Schulentwicklung geworden. Klar wurde, dass wichtige Erfolgsfaktoren für erfolgreiche Schulen in solchen Lagen die Schulleitung, die Lehrkräfte selber natürlich und auch - die Ministerin hat es vorhin schon etwas ausgeführt - die Vernetzung im Umfeld der Schule sind. Natürlich geht es auch immer wieder um die

(Ministerin Karin Prien)

Ausstattung. Aber - wie gesagt -: Es geht nicht nur um Geld.