Protokoll der Sitzung vom 17.05.2019

(Beifall SPD und SSW)

Das Wort für die Landesregierung hat der Minister für Inneres, ländliche Räume und Integration, HansJoachim Grote.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind uns, glaube ich, nicht nur als Landesregierung, sondern alle einig ob der besonderen Bedeutung der Energiewende, gerade auch für unser Land. Aber einige Dinge möchte ich hier gerne doch noch einmal klarstellen.

Ich mache hier jetzt keine Werbung für eine Zeitung. Aber am 6. Mai 2019 stand im „Hamburger Abendblatt“ ein einseitiger Artikel mit der Überschrift „Warum die Windbranche in der Krise steckt“. Da ist nicht mit einem Satz die Frage des Moratoriums in Schleswig-Holstein angesprochen worden, sondern es ging um die grundsätzliche Situation.

Ich kann hier auch die emotionale Debatte verstehen - das ist ja auch die Aufgabe eines solchen Hauses -; aber es kann doch jetzt niemand ernsthaft sagen: „Da gibt es 4.000 Einwände, die arbeiten wir nicht ab und damit setzen wir das Verfahren aus, sondern wir entscheiden jetzt irgendetwas.“ Und dann passiert mit einem Mal, dass wir hinterher irritiert sagen: „Jetzt ist alles vorbei.“

(Beifall CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, ein solches Verhalten ist vielleicht gut für eine Schlagzeile. Aber es hilft uns in der Sache nicht einen einzigen Meter weiter. Vor einem Jahr haben Sie als Hohes Haus das Moratorium für raumbedeutsame Windkraftanlagen bis zum 5. Juni 2019 verlängert. Schon damals sagte ich, dass wir alle - und das meine ich wirklich - wissen, dass wir uns mit dem Moratorium in einem verfassungsrechtlichen Spannungsfeld bewegen. Dennoch sind wir der Auffassung, dass eine weitere Verlängerung die bessere Lösung ist. Es gibt die Möglichkeit des Instruments der individuellen Versagung. Aber das ist ein viel aufwändigeres Verfahren, das auch nicht so transparent wie dieses Moratorium ist.

Dem schleswig-holsteinischen Modell ist im Übrigen mittlerweile auch das Land Brandenburg gefolgt. Vor wenigen Wochen hat der Brandenburgische Landtag ebenfalls ein Windkraft-Moratorium beschlossen. Das Entscheidende ist: Zum Moratorium gehört auch und insbesondere die Zulassung von Ausnahmen. Mit der Ausnahmesteuerung kann in Schleswig-Holstein weiter ein geregelter Ausbau der Windenergie stattfinden, ein Ausbau, der die Interessen der Energiewende und der Windenergieunternehmen im Blick hat, genauso - und das ist nicht zu vergessen - wie die berechtigten Anliegen der betroffenen Bürgerinnen und Bürger.

Die hierfür erforderliche Planung ist unbedingt schutzbedürftig, um die Interessen der Anliegerinnen und Anlieger und der verschiedenen Gruppen, die für die Windenergie sind, wieder in Einklang zu bringen. Daher ist es notwendig, dass wir das Moratorium noch einmal verlängern - in dem Wissen all der Probleme, die dieses in sich trägt.

Wir arbeiten weiterhin mit Hochdruck an der Erstellung der neuen Wind-Regionalpläne. Bis zum Auslaufen des Moratoriums im Juni werden wir das Verfahren aber nicht abschließen können. Dies ist dem komplexen und umfassenden Planungsprozess geschuldet.

Der vorliegende Gesetzesentwurf ermöglicht es, das Moratorium nun bis zum 31. Dezember 2020 zu

(Dr. Ralf Stegner)

verlängern. Damit hat die Landesplanung die Möglichkeit, einen rechtssicheren und auch akzeptierten Plan zu erstellen.

Ich möchte Ihnen noch einmal die Beweggründe und die Notwendigkeiten darlegen: Im Sommer 2018 hatte die Landesplanung einen zweiten Entwurf der Regionalpläne Windenergie erarbeitet. Zu diesem Entwurf sind bis zum 3. Januar dieses Jahres mehr als 4.000 Stellungnahmen eingegangen. Jede einzelne Stellungnahme wird von der Landesplanung ausgewertet und im Detail beantwortet. In den nächsten Wochen werden diese Aufgaben zum Abschluss kommen.

Was wir im Rahmen der Auswertung jetzt schon wissen, ist dieses: Es wird zu Änderungen der Flächenkulisse kommen, die einen dritten Planungsentwurf erforderlich machen werden. Genau das haben wir hier im Januar bereits angekündigt.

Die Landesplanung erstellt deshalb parallel zur Auswertung bereits einen dritten Entwurf, der voraussichtlich bis Ende dieses Jahres fertiggestellt sein wird. Auch dieser Entwurf wird in eine Anhörung gehen - gehen müssen -, um allen Bürgerinnen und Bürger erneut die Möglichkeit der Beteiligung zu geben. Das ist unser Rechtssystem, das wir auch nicht aushebeln können. Ziel ist es, die Regionalpläne in der zweiten Hälfte des Jahres 2020 in Kraft treten zu lassen.

Meine Damen und Herren, die Windenergie an Land soll zur Erreichung der klaren Klimaschutzziele unseres Landes bis 2025 einen Beitrag von 10 GW installierter Leistung liefern. Die erarbeitenden Pläne werden dies unverändert ermöglichen.

Es bedarf aber auch entsprechender genehmigungsfähiger und vollständiger Anträge seitens potenzieller Investoren sowohl dann, wenn die Pläne rechtskräftig sind, als auch im jetzigen Stadium, in dem es um Ausnahmen geht.

Um diese Ziele zu erreichen, werden wir auch weiterhin diese Ausnahmegenehmigungen für den erforderlichen Ausbau der Windenergie erteilen, und zwar parallel zum laufenden Planungsprozess. Bislang sind 433 Ausnahmen für Windkraftanlagen erteilt worden. Das zeigt, dass der Windkraftausbau trotz des Moratoriums vorangeht.

Meine Damen und Herren, eines muss ich an dieser Stelle auch sagen: Nicht nur das Stellen eines Antrags ist das Entscheidende, sondern das Stellen eines genehmigungsfähigen und vollständigen Antrags ist die Grundlage für eine dann zu erteilende Ausnahme.

Auch wenn ich verstehen kann, dass der eine oder andere ungeduldig wird, wir entscheiden das nicht über die Köpfe der betroffenen Bürgerinnen und Bürger hinweg. Planungssicherheit ist absolut notwendig.

(Beifall CDU und FDP)

Und dennoch ist auch mit diesem Gesetzentwurf der Ausbau der Windenergie in Schleswig-Holstein weiter möglich und - ich sage es bewusst - ausdrücklich gewünscht. Windenergiegewinnung ist eine Zukunftstechnologie für unser Land. - Ich danke Ihnen.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Der Herr Minister hat die vorgesehene Redezeit um gut 2 Minuten erweitert. Ich sehe jedoch nicht, dass eine Fraktion von dem erweiterten Rederecht Gebrauch macht; denn weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe somit die Beratung.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung zu a): Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP in der Drucksache 19/1347. Wer dem Gesetzentwurf zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? - Damit ist dem Gesetzentwurf mit den Stimmen der Fraktionen der CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der AfD gegen die Stimmen der Abgeordneten des SSW bei Stimmenthaltung der SPD-Fraktion in der Fassung der Drucksache 19/1426 angenommen.

(Werner Kalinka [CDU]: Fast einstimmig!)

Wir kommen zur Abstimmung zu b): Begleitantrag zur Änderung des Landesplanungsgesetzes, Antrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, Drucksache 19/1374. Der Ausschuss empfiehlt, den Antrag in der Drucksache 19/1374 anzunehmen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! Enthaltungen? - Wie stimmt die AfD-Fraktion ab?

(Volker Schnurrbusch [AfD]: Mit Nein!)

- Mit Nein. Damit ist der Antrag in der Drucksache 19/1374 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der Abgeordneten des SSW gegen die Stimmen der AfD-Fraktion und bei Enthaltung der Fraktion der SPD angenommen.

(Werner Kalinka [CDU]: Auch fast einstim- mig!)

(Minister Hans-Joachim Grote)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 35 auf:

Pflicht zur Teilnahme am Schulunterricht stärken Antrag der Fraktion der AfD Drucksache 19/1456

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat für die AfD-Fraktion der Abgeordnete Dr. Frank Brodehl.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Schüler, die freitags nicht zur Schule, sondern zu einer „Fridays-for-future“Demo gehen, haben es gut; denn ihnen wird dieser Verstoß gegen die gesetzliche Schulpflicht nicht nur nachgesehen, nein, sie werden für den Verstoß auch noch ausdrücklich gelobt, und zwar von der Landesregierung, die den Verstoß als gelebte politische Beteiligung bezeichnet, oder auch von der SPD, die das Gleiche als gelebte politische Bildung feiert.

(Zuruf Serpil Midyatli [SPD])

Als AfD können wir uns dieser euphemistischen Bewertung nicht anschließen. Wir nennen die Dinge beim Namen, genauso wie der kleine Junge in dem bekannten Märchen „Des Kaisers neue Kleider“. Sie alle kennen es. Als er den nackten Kaiser sieht, sagt er als einziger die Wahrheit: „Aber der hat ja gar nichts an!“ Wir halten es genauso. Schüler, die während der Unterrichtszeit demonstrieren, schwänzen den Unterricht. Punkt.

(Beifall AfD)

Es ist für diese Tatsache zugleich völlig irrelevant, ob für oder gegen etwas demonstriert wird. Den Schülern genau das in aller Klarheit freundlich und deutlich zu erklären, haben wir bereits vor der ersten Demo Mitte Dezember gesagt. Alles andere, so meine damalige Warnung, kann von den Schülern nur missverstanden werden. Die denken doch, wenn der Unterricht geschwänzt wird, um für politische Ziele zu demonstrieren, ist das spätestens dann in Ordnung, wenn der Protest allseits ausdrücklich begrüßt wird, und sie denken, dass der Verstoß gegen die Schulpflicht ja wohl auch akzeptiert werden muss, weil es um ein höheres Ziel, um einen höheren Zweck geht.

Meine Damen und Herren, dass der Zweck die Mittel heiligt, ist eine Argumentation, die schon seit Urzeiten immer wieder für Unheil gesorgt hat. Dass sich aber die obersten Repräsentanten des Staates angefangen von diesem Haus über die Bundeskanz

lerin bis hin zum Bundespräsidenten - diese Argumentation zu eigen machen, ist ein Einschnitt, ist ein Paradigmenwechsel, den wir nicht akzeptieren dürfen.

(Beifall AfD)

Wenn ein Staat darüber auch nur den Hauch eines Zweifels aufkommen lässt, dass seine Gesetze nicht für alle Bürger gleichermaßen gelten, dann wird ein zentraler Rechtsgrundsatz ad absurdum geführt. Schüler, die für die Ziele der „Fridays-for-Future“Demo demonstrieren, statt zur Schule zu gehen, verstoßen gegen das Schulgesetz. Dieser Verstoß darf vom Staat nicht anders bewertet und geahndet werden als jedes andere unentschuldigte Fehlen auch.

Genau in diesem Spannungsfeld bewegen wir uns. Sie kennen den Rendsburger Fall aus dem Jahr 2016. Hier hatten Eltern ihren Jungen nicht mit auf einen Klassenausflug in eine Moschee geschickt, und zwar aus weltanschaulichen Gründen, und deshalb mussten sie zuletzt ein Bußgeld zahlen. Wird bei „Fridays-for-Future“ der gleiche Maßstab angelegt? - Nein, das wird nicht gemacht, und wir alle wissen auch genau warum. Weil der Verstoß hier in Abhängigkeit nach dem dahinterliegenden politischen Motiv bewertet wird. Genau das, meine Damen und Herren, besonders von der SPD - ich merke Ihre Unruhe -, verbietet sich in einem Rechtsstaat.

(Unruhe)

Wenn das Schule macht, werden wir in Zukunft erleben, wie der Staat darüber entscheidet, was eine richtige und was eine falsche Gesinnung ist. Das hatten wir schon - ein unerträglicher Gedanke.

(Zurufe SPD)

Noch ist Zeit, gegenzusteuern. Wir alle stehen dafür in der Verantwortung. Was, meine Damen und Herren, ist zu tun? Schauen wir nicht weg, wenn für den kommenden Freitag einmal mehr eine Demonstration in der Schulzeit angekündigt wird. Fordern wir die Schüler unmissverständlich zur Rückkehr in den Unterricht auf. Eine freundliche, deutliche Ansage in der Sache schließt nicht aus, dass in der Schule im Unterricht selbst verstärkt über den Klimawandel gesprochen wird.

(Anhaltende Unruhe)

Noch wichtiger ist aber in dieser Situation, einmal eine Metaebene einzunehmen und mit den Schülern darüber zu sprechen, was hier eigentlich passiert. Wozu führt es, wenn sich die Initiatoren der Demo