Protokoll der Sitzung vom 27.09.2019

(Beifall FDP)

Für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Volker Schnurrbusch das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Die Kennzeichnung von Nahrungsmitteln mit Nährwertangaben ist seit Jahren umstritten, dabei ist das Thema von hoher Bedeutung für die Bürger und für die Gesundheit. Ernährung und Gesundheit hängen nun einmal zusammen: Du bist, was du isst.

Krankenkassen, Verbraucherschützer und Ärzte sprechen sich deswegen auch aus gutem Grund für eine klare Kennzeichnung von Lebensmitteln aus. Die Verbraucher sollen schnell erkennen, woher die Lebensmittel kommen und ob die enthaltenen Nährstoffe positiv bewertet sind. Das Thema ist aktuell, das jedenfalls lassen die drei Anträge vermuten. Es ist jedoch keineswegs neu. Schon vor zehn Jahren sprach sich die Mehrheit der Bürger für eine Nährwertampel aus. Die damals verantwortliche Bundesministerin hat es jedoch versäumt, eine entsprechende Regelung durchzusetzen. Schon damals hat sich die Politik viel vorgenommen, umgesetzt wurde bis heute nur wenig.

Dabei meinen auch wir, dass Politik hier endlich handeln muss. Rund ein Drittel der Kosten im Gesundheitswesen - das sind mehr als 70 Milliarden € - werden dafür aufgewendet, die Folgen von Über

(Stephan Holowaty)

gewicht, Herz- und Kreislaufproblemen oder andere Folgen falscher Ernährung zu behandeln.

Die Aufklärung über Nährwerte und Inhaltsstoffe ist also wichtig, zumal Kaufentscheidungen oft irrational getroffen werden. Kaum einer verfolgt beim Lebensmitteleinkauf langfristige Ziele oder Strategien, sondern kauft aufgrund von plötzlichen Impulsen ein. Da kann Politik mit einem einfachen Siegel versuchen, entgegenzusteuern. Ein einfaches, leicht verständliches, gut platziertes Positiv-Siegel kann Wissensdefizite von Verbrauchern und die Informationsvorsprünge der Lebensmittelindustrie ausgleichen.

Einen zusätzlichen QR-Code, wie er hier gerade vorgestellt worden ist, halte ich auch für eine sehr gute Idee, zumal das Smartphone schon lange zum Einkaufsbegleiter geworden ist, Stichwort: Foto statt Einkaufszettel.

Den SSW-Antrag lehnen wir ab, weil er uns zu wenig konkret ist. Auch den SPD-Antrag sehen wir als wenig zielführend an. Er ist auf den Nutri-Score fokussiert, doch der Nutri-Score ist eine rein nährwertbezogene Aussage. Eine gesundheitsbezogene Aussage ist diesem Siegel nicht unmittelbar zu entnehmen. Dem Jamaika-Antrag können wir daher zustimmen. Er favorisiert keines der aktuell diskutierten Modelle explizit und berücksichtigt angemessen die Interessen der kleinen und mittelständischen Betriebe.

(Unruhe)

Herr Schnurrbusch, darf ich Sie kurz unterbrechen?

Liebe Kollegen, darf ich um ein bisschen mehr Ruhe bitten? - Danke schön.

Es geht doch um ein so wichtiges Thema! - Wir von der AfD würden jedoch die Möglichkeit einer freiwilligen nationalen Regelung bevorzugen. Der Verbraucher soll Lebensmittel schnell bezüglich ihrer gesundheitsbezogenen Eigenschaften einordnen können. Wir setzen uns daher für ein positives Kennzeichnungsmodell nach schwedischem Vorbild ein. Das sogenannte Keyhole-Siegel - Keyhole:

Schlüsselloch - wird bereits seit 1989 erfolgreich in Norwegen, Schweden, Dänemark und Island eingesetzt und hat sich dort bewährt. Wir hoffen, dass das im Rahmen der Ministerkonferenz auch Berücksichtigung findet. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Für die Landesregierung erteile ich der Ministerin für Justiz, Europa, Verbraucherschutz und Gleichstellung, Frau Dr. Sütterlin-Waack, das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die farbliche Darstellung der Nährwertqualität auf Lebensmittelverpackungen diskutieren wir seit mehr als zehn Jahren unter dem Begriff Ampelkennzeichnung. Verbraucherinnen und Verbraucher wünschen sich die Ampel. Verbraucher- und Gesundheitsorganisationen fordern sie. Als Verbraucherschutzministerin wünsche ich mir auch ein verständliches und einheitliches Modell, um Nährwerte zu kennzeichnen. Deshalb ist es gut, dass der SSW diese Debatte im Landtag angestoßen hat.

Meine Damen und Herren, im Ziel sind wir uns einig, allerdings sind wir auf dem Weg zu einer Lösung schon ein Stückchen weiter, als der Antrag des SSW es vermuten lässt. Eine Studie der Universität Göttingen ist 2017 zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Kennzeichnung mit Ampelfarben den Verbraucherinnen und Verbrauchern hilft, gerade dann, wenn es beim Einkauf schnell gehen muss, wenn die Zeit fehlt, sich die Inhalte der Lebensmittel genau anzusehen und durchzulesen.

Auf unserer Konferenz der Verbraucherschutzministerinnen und -minister im Mai haben wir ausführlich über dieses Thema gesprochen und dabei detaillierte Vorschläge zur Ampelkennzeichnung entwickelt. Nichts und nobody is perfect. Wir haben vielleicht noch nicht die perfekte Ampelkennzeichnung, aber wir haben Vorschläge, die den gesünderen Einkauf erleichtern. Und wir haben die Bundesregierung aufgefordert, sich in der Europäischen Union für die ergänzende, vereinfachende und gut erkennbare Kennzeichnung von Lebensmitteln einzusetzen.

Die EU schreibt bereits eine verpflichtende Nährwertkennzeichnung von vorgepackten Lebensmitteln vor. Das haben viele hier heute schon ausführlich erläutert. Das beschränkt sich jedoch auf Nähr

(Volker Schnurrbusch)

werte in Worten und Zahlen. Grafische Formen oder Symbole sind darüber hinaus möglich, wobei der Gesetzgeber dies den Lebensmittelkonzernen das ist wichtig - nur empfehlen kann.

Das Max Rubner-Institut hat im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft elf Kennzeichnungsmodelle wissenschaftlich untersucht. Das Ergebnis: Jedes Modell hat seine Vorund Nachteile. Entscheidend ist der eigene Fokus bei der Auswahl eines Systems. Das ist für mich wenig überraschend, denn klar ist: je übersichtlicher, desto weniger differenziert. Es kommt also auf die richtige Balance an: nicht zu detailreich, aber auch nicht zu vereinfacht und damit bevormundend.

Aktuell werden in ganz Deutschland rund 1.600 Verbraucherinnen und Verbraucher zu den vier Kennzeichnungsmodellen befragt, von denen wir heute schon mehrfach gehört haben. Diese Umfrage schreibt die EU uns vor, und die Ergebnisse sollen in einem entsprechenden Verordnungsentwurf münden. So haben wir das auch auf der Konferenz der Fachministerinnen und Fachminister geplant. Über den Erfolg des erwählten Modells entscheidet dann auch eine entsprechende Informations- und Aufklärungskampagne. Bei uns in Schleswig-Holstein das ist bereits gesagt worden - werden wir zudem darauf achten müssen, dass auch kleine und mittelständische Betriebe unterstützt werden, wenn sie denn das neue Modell umsetzen.

Die Bundesregierung bemüht sich um ein verständliches und einheitliches Modell. Das unterstützen wir. Dabei können die Verbraucherinnen und Verbraucher mitreden. Das unterstützen wir erst recht. Landtag und Landesregierung gehen bei diesem Thema Hand in Hand. - Vielen Dank.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und AfD)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, über die Anträge in der Sache abzustimmen.

(Beate Raudies [SPD]: Wir haben Überwei- sung beantragt!)

- Welcher bitte?

(Beate Raudies [SPD]: Die SPD-Fraktion hat beantragt, alle Anträge zu überweisen!)

- Gut, dann nehme ich das zurück. Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 19/1614 sowie die

Alternativanträge Drucksachen 19/1713 und 19/1729 dem Umwelt- und Agrarausschuss und mitberatend dem Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Damit ist das einstimmig so beschlossen.

Die Parlamentarischen Geschäftsführer haben sich darauf geeinigt, dass zum Tagesordnungspunkt 22 keine Aussprache stattfindet, sondern die Reden zu Protokoll gegeben werden. Ferner werden die Tagesordnungspunkte 27, 28 und 31auf die November-Tagung verschoben.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 29 auf:

Schleswig-Holstein als sicherer Hafen

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/1708

Schleswig-Holstein ist und bleibt ein sicherer Hafen und steht auch zukünftig an der Seite aufnahmebereiter Kommunen

Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/1735

Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die SPDFraktion hat die Abgeordnete Serpil Midyatli.

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Seenotrettung ist kein Verbrechen!

(Beifall SPD, Eka von Kalben [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Jette Waldinger- Thiering [SSW])

Mit unserer Initiative wollen wir, dass SchleswigHolstein ein sicherer Hafen wird. Dem Engagement der Zivilbevölkerung ist es zu verdanken, dass bereits mehrere Kommunen in Schleswig-Holstein sichere Häfen sind. Das ist leider auch bitter nötig, denn aktuell ertrinkt jede sechste Person während des Fluchtversuchs über das Mittelmeer. Seit 2014 sind mehr als 17.000 Menschen vor den Toren Europas ertrunken. Allein 2019 waren es 590 Menschen. Wir wollen heute ein deutliches Zeichen setzen und als erstes Bundesland ein sicherer Hafen werden.

(Beifall SPD)

(Ministerin Dr. Sabine Sütterlin-Waack)

Uns allen ist bewusst, dass wir nicht alle Menschen in Schleswig-Holstein werden aufnehmen können. Aber solange es keine europäische Lösung gibt, solange Rettungsschiffen das Anfahren sicherer Häfen verwehrt wird, können und wollen wir nicht länger Augenzeuge dieser humanitären Katastrophe sein.

(Beifall SPD, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall Jette Waldinger-Thie- ring [SSW] - Wortmeldung Dr. Frank Bro- dehl [AfD])

Schleswig-Holstein leistet bereits sehr viel. Ausdrücklich möchte ich hier das Landesaufnahmeprogramm für besonders schutzbedürftige Menschen nennen, das Sie vereinbart haben. Nach dem Bericht des Staatssekretärs im Innen- und Rechtsausschuss kennen wir nun die ersten Zahlen und wissen, dass es bald losgehen kann. Es ist eine ganz besondere Aufgabe, die Menschen tatsächlich auszuwählen, die zu uns kommen können, wenn man hört, dass über 400.000 Menschen in diesen Lagern leben und auf Rettung warten.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein. - Das ist ein starkes Zeichen. Heute können wir ein weiteres starkes Zeichen setzen, dass unsere humanitären und christlichen Werte nicht nur Lippenbekenntnisse sind, sondern dass wir auch handeln. Damit wollen wir unsere Haltung zum Ausdruck bringen, dass wir von der Bundesregierung und dem Europäischen Parlament - und ich begrüße ausdrücklich die Europaabgeordnete Delara Burkhardt hier