Protokoll der Sitzung vom 13.11.2019

(Beifall SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt SPD)

Wir vom SSW verstehen deshalb Arbeitsmarktintegration als Teil eines integrierenden gesamtgesellschaftlichen Prozesses, denn das, was wir hier immer wieder aufgezeigt bekommen, ist, dass vor allem sprachliche und institutionelle Hürden die Integration geflüchteter Menschen erschweren. Integration geht eben nur, wenn man Arbeit hat, wenn man für sich selbst sorgen kann, wenn man für seine Familie sorgen kann. Erst dann gelingt Integration richtig, und genau das ist das Thema, das wir jetzt haben.

(Beifall SSW und Kay Richert [FDP])

Meine Damen und Herren, erst neulich habe ich ein Interview im Deutschlandfunk gehört, in dem es um die Ergebnisse einer Studie vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung geht. Darin wird zwischen mitgebrachten und institutionellen Hürden unterschieden. Die mitgebrachten Hürden wä

ren dann zum Beispiel mangelnde Sprachkenntnisse im Deutschen, mangelnde Fachkenntnisse für spezielle Berufe, fehlende Kenntnisse des deutschen Arbeitsmarktes und noch nicht entstandene Netzwerke. Von Traumata und psychischen Problemen, die auf der Flucht entstehen, ganz zu schweigen.

Institutionelle Hürden hingegen - die gibt es auch für diese Menschen, und die hindern sie auch an einer Arbeitsaufnahme - sind etwa hohe gesetzliche Auflagen, die wir hier definitiv haben und die auch die Anerkennung von Ausbildung und Berufen erschweren können. Es gibt auch komplizierte Vorgänge zwischen den verschiedenen Behörden. Man muss sich einmal auf der Zunge zergehen lassen, was diese Leute alles schaffen müssen, bevor sie überhaupt den ersten Fuß in einen neuen Arbeitsplatz setzen können.

Meine Damen und Herren, es geht nicht zuletzt auch um eine bundesweit komplexe Gesetzeslage. Allein die Tatsache, dass es unheimlich schwierig ist, rechtlich durchzusetzen, dass man überhaupt arbeiten gehen darf - wir reden ja gar nicht davon, dass die Leute nicht arbeiten wollen; sie wollen gern arbeiten, dürfen dies aber oft nicht -, verlängert die Verfahren zur Arbeitsaufnahme und lässt die Leute in einer Warteschleife stehen - was wirklich nicht gut ist.

Unsere Betriebe wollen auch Sicherheit haben, dass die Auszubildenden oder die Arbeitskräfte, die sie einstellen, nicht wieder abgeschoben werden. Ich meine, dass die Leute dann, wenn sie eine Arbeit oder Ausbildung aufgenommen haben, dann auch hierbleiben können sollten; denn das macht wirklich am meisten Sinn, meine Damen und Herren.

Bundesweit lässt sich im Übrigen feststellen, dass 35 % der Geflüchteten Jobs gefunden haben. Ich finde, es ist ein ziemlich toller Erfolg, dass Leute, die unsere Kultur hier nicht kennen, die unseren Arbeitsmarkt nicht kennen, die möglicherweise auch gar nicht den Ausbildungsstand haben, wie wir ihn hier haben, schon zu 35 % auf unserem Arbeitsmarkt angekommen sind. Das ist wirklich eine tolle Leistung.

(Beifall SSW und SPD)

Und ja, es stimmt: Viele beginnen mit Leiharbeit und erledigen Helfertätigkeiten in der Gastronomie, im Reinigungsgewerbe oder auf dem Bau, arbeiten also meistens im Niedriglohnbereich. Diese Jobs sind auch sehr konjunkturgefährdet. Das ist alles richtig, und trotzdem ist es ein Erfolg, dass wir die Leute untergebracht haben.

(Volker Schnurrbusch)

In Schleswig-Holstein sieht es nämlich ähnlich aus. Im Dezember 2018 sprachen wir von 9.603 sozialversicherungspflichtig beschäftigten Geflüchteten. Das ist in dem Jahr ein Anstieg um fast 3.200 Menschen, also von schlapp 6.500 auf 9.500. Etwas mehr als 3.000 Menschen waren zudem in geringfügiger Beschäftigung. In diesem Jahr haben wir von Januar bis August schon wieder 3.364 Geflüchtete in eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt bringen können, und 327 haben eine Ausbildung aufgenommen. Ich finde, das sind erst einmal tolle Zahlen, und das zeigt, dass der Trend wirklich nach oben zeigt. Die Anzahl steigt stetig. Nach dreieinhalb Jahren ist das wirklich ein Erfolg, egal bei welchem Prozentsatz wir hier nun genau liegen.

Diesen Erfolg, meine Damen und Herren, können wir allen Beteiligten zuschreiben: den Geflüchteten sowie den Ausbildungsbetrieben und Arbeitgebern, den staatlichen Strukturen, den Gewerkschaften und auch den ehrenamtlich Engagierten, besonders aber auch unseren berufsbildenden Schulen; denn die haben wirklich eine super Arbeit geleistet.

(Beifall SSW und SPD)

Wenn ich daran denke, wie wir es noch in der Küstenkoalition hinbekommen haben, dort Strukturen mit freien Trägern wie den Wohlfahrtsverbänden und den Kreishandwerkerschaften aufzubauen, um den Spracherwerb zu fördern und um die soziale Integration voranzutreiben und dann gleichzeitig auch berufliche Qualifikation zu ermöglichen, dann bin ich tatsächlich nachhaltig beeindruckt, dass wir das geschafft haben. Ich bin auch ehrlich beeindruckt, dass dieses Programm so weitergeführt wird.

Was wir jetzt nach wie vor brauchen, das sind Integrations- und Sprachkurse, fachliche Qualifizierungen, in einigen Fällen psychologische Begleitung und schlicht und einfach auch die Möglichkeit zur Begegnung. Wir müssen faire und genaue, aber auch zeitlich effektive Asylverfahren gewährleisten. Denn das ewige Warten macht etwas mit den Leuten. Sie bekommen keinen Job, keine Wohnung, verlieren die Motivation und die Perspektive. Genau das darf nicht sein.

Deshalb, meine Damen und Herren, brauchen wir außerdem weiterhin unsere DaZ-Klassen, VHSKurse und Alphabetisierungsprogramme. Wir müssen die Qualifikationsmöglichkeiten für den beruflichen Einstieg weiterentwickeln und die Berufsschulen für Geflüchtete bis 27 zugänglich machen. Dann kann man ja auch noch etwas eigennützig sagen: Wir brauchen endlich ein Verfahren zur Fest

stellung und Anerkennung von dem, was die Leute bereits können. Bestenfalls brauchen wir ein System, das bundesweit einheitlich angewandt werden kann. Die Kompetenzen der Leute müssen wir noch deutlich besser herausarbeiten; denn die können wir auch für uns nutzbar machen. Die Menschen bringen ja auch etwas mit, das auch gut für unsere Gesellschaft ist.

Es ist mir auch wichtig, dass wir bei diesem Thema geduldig bleiben. Der Weg der Arbeitsmarktintegration wird für Geflüchtete trotzdem ein langer bleiben. Das muss man sich ja nur einmal auch anders herum vorstellen. Wenn wir als Deutsche in ein anderes Land gehen müssten, deren gesprochene und geschriebene Sprache völlig anders ist als das, was wir kennen, und das sollten wir dann verstehen können lernen, wenn wir uns auf Ungewohntes einstellen müssen und Gepflogenheiten berücksichtigen müssen, die wir alle nicht kennen, dann wird das unheimlich schwierig. Wenn Sie mal sehen wollen, wie das ist, müssen Sie nur einmal das Fernsehprogramm durchzappen und sich vielleicht einmal „Goodbye Deutschland“ angucken. Dann werden Sie sehen, dass Deutsche noch nicht einmal in der Lage sind, sich in Spanien zu integrieren.

(Wortmeldung Volker Schnurrbusch [AfD])

Vor diesem Hintergrund ist es für einen Syrer, sich hier zu integrieren, wirklich eine ganz tolle Leistung.

(Beifall SSW)

Insofern kann man wirklich mit Fug und Recht sagen, dass wir das Problem als Land wirklich auch parteiübergreifend gut angegangen sind und es auch schon viele Geflüchtete wirklich ganz toll hinbekommen haben. Ich bin jedes Mal wieder begeistert, wenn ich sehe, was da geleistet wird, was da auch an Ehrenamt geleistet wird, meine Damen und Herren. So müssen wir weitermachen und nicht anders. Es ist gut, dass die Leute hier gut untergekommen sind. Wir machen so weiter, damit jeder hier in Schleswig-Holstein eine Chance bekommt.

(Beifall SSW)

Herr Abgeordneter, gestatten Sie -

(Lars Harms [SSW] verlässt das Rednerpult)

- Nein. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Ich stelle zunächst fest, dass der Berichtsantrag in der Drucksache 19/1707 durch die Berichterstat

(Lars Harms)

tung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat. Es ist kein Antrag gestellt worden. Damit ist der Tagesordnungspunkt erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 20 auf:

Sonderzahlung statt Weihnachtsgeld - Angebot der Beschäftigten annehmen!

Antrag der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/1740

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat für die Abgeordneten des SSW der Abgeordnete Lars Harms.

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

„Wo wir beim Weihnachtsgeld am Ende landen, wissen wir heute nicht. Aber wir haben ja noch ein halbes Jahr Zeit, um uns da zu verständigen.“

- Das sagte Ministerpräsident Günther am 10. Januar dieses Jahres der Deutschen Presseagentur. Weiter fügte er an:

„Es ist unser Wille, eine Besoldungsstruktur zu schaffen, die im Ländervergleich standhält. Gerade dort, wo uns Fachkräfte fehlen, brauchen wir eine vernünftige Besoldung.“

(Beifall CDU)

Geblieben ist von diesen Versprechungen nichts. Auch knapp ein Jahr später gibt es keine Einigung mit den Beamten des Landes, und auch von einer Besoldungsstruktur, die im Ländervergleich standhält, sind wir weit entfernt.

Selbst wenn die kleinen Zusagen des Landes greifen werden, wird sich das Bezahlungsniveau für die Beamten des Landes im Ländervergleich im unteren Mittelfeld bewegen. Das bedeutet, dass wir immer noch gegenüber anderen Bundesländern benachteiligt sind und wir somit viel schlechtere Möglichkeiten haben, qualifiziertes Fachpersonal zu bekommen und zu halten. Es reicht also nicht die Erkenntnis, dass wir eine vernünftige Besoldung brauchen, wenn wir Fachpersonal haben wollen. Die Landesregierung muss dann eben auch das nötige Geld dafür in die Hand nehmen.

Mal ehrlich: Es sollte auch gerecht in unserem Land zugehen, und ist es gerecht, den Menschen zu

versprechen, dass Einschnitte aufgehoben werden, wenn sich die wirtschaftliche Lage bessert, und es dann nicht zu tun? „Versprechen nicht zu halten“ so würde man als Elternteil sagen -, „ist ungezogen. Das macht man nicht.“ Und hier sollte auch die Landesregierung ein Vorbild sein. Sonst darf man sich nicht wundern, wenn sich niemand mehr auch nur an irgendetwas hält. Verlässlichkeit und Ehrlichkeit sind doch Tugenden, die wir alle gut finden. Dann muss man diese Tugenden auch nachleben, wenn es um ein Versprechen für die eigenen Beschäftigten geht.

(Beifall SSW und vereinzelt SPD)

Natürlich kann man immer wieder sagen, dass Geld alleine nicht glücklich macht und dass allgemeine Arbeitsbedingungen auch wichtig sind. - Ja, stimmt. Aber wenn ich fast ein gesamtes Monatsgehalt einsacke mit dem Versprechen, dass es dieses dann, wenn es uns bessergeht, zurückgibt, dann, finde ich, muss da auch einmal etwas kommen. Schließlich haben wir Rekordeinnahmen.

Auch hier mal ehrlich: Dass der Beamtenbund nun anbietet, auf zwei Drittel dieser Zusage verzichten zu wollen, wenn man nur endlich überhaupt etwas bekommen würde, deute ich eher als verzweifelten Appell an die Vernunft dieser Koalition. Als Interessenvertretung der Beschäftigten haben der Beamtenbund, aber auch die Gewerkschaft Komba und die Fachgewerkschaften eine enorme Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung bewiesen. - Hierfür, meine Damen und Herren, ausdrücklich mein herzlicher Dank an die Beschäftigten!

(Beifall SSW und vereinzelt SPD)

Den Vorschlag der Beamten kann man nicht wirklich abweisen. Anstatt mit insgesamt 147 Millionen € würden sich die Beschäftigten auch mit insgesamt 48 Millionen € zufriedengeben.

Dann sagt man sogar noch, man würde dies in drei Schritten über drei Jahre einführen dürfen. Mehr Entgegenkommen geht nun wirklich nicht. Wäre das das Ergebnis von monatelangen Verhandlungen seit Januar gewesen, dann wären eigentlich alle zufrieden gewesen. Stattdessen macht die Landesregierung hier dicht und lässt sich auf gar nichts ein. So, finde ich, geht man nicht mit den Beschäftigten um. Das ist ungezogen. Das macht man nicht.