Protokoll der Sitzung vom 11.12.2019

Notwendige Sprengungen sollen unter Blasenschleier erfolgen. - Auch das ist im Grunde mittlerweile Stand der Wissenschaft, leider nicht der Technik. Der entsprechende Punkt Ihres Antrages enthält aber den Fehler, dass der Roboter, der entwickelt wurde, bislang als Forschungsroboter existiert und nicht dafür da ist, unter Wasser zu sprengen. Ich sagte es gerade schon: Gesprengt werden sollte nach Möglichkeit überhaupt nicht, weil dann der Sprengstoff im Wasser bleibt und sich damit in den Tieren anreichert. Er sollte also geborgen werden. Dafür ist dieser Roboter da, nicht für die Sprengung. Insofern ist dieser Spiegelstrich in Ihrem Antrag missverständlich.

(Zuruf Sandra Redmann [SPD])

Es ist über die Grenzwerte gesprochen worden. Ich glaube, dass man hier weitere Werte braucht, die nicht in Schleswig-Holstein festzulegen sind. Die internationale Zusammenarbeit wird im Rahmen des Meeresküstenarbeitsgruppe BLANO erfolgreich durchgeführt. Auch da brauchen wir keine zusätzlichen Hinweise. Wenn ich es richtig weiß, Frau Kollegin, ist der Umweltministerkonferenzbeschluss, den ich in der Sache so nicht teile, auf Antrag der SPD-Länder zustande gekommen. Insofern wäre dort vielleicht - wie soll ich sagen -

(Wortmeldung Sandra Redmann [SPD])

- Ja, dazu können Sie sich vielleicht zu Wort melden. Jedenfalls ist das mindestens eine schwierige Nummer.

Im Ergebnis würde ich sagen - ich sehe gerade, dass ich noch 5 Sekunden Zeit habe -, dass ich Ihnen für die Aufmerksamkeit danke. Ich bitte um Entschuldigung für die etwas unkonzentrierte Rede, ich habe vorhin eine etwas unangenehme Nachricht erhalten. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, FDP und SSW)

Das Wort für die CDU-Fraktion hat der Abgeordnete Klaus Jensen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wie sagt man immer so schön: Es liegt was in der Luft. Hier

(Marlies Fritzen)

liegt aber nichts in der Luft, in diesem Fall liegt etwas auf dem Meeresgrund der Nord- und Ostsee. Das ist nicht trival: Im und nach dem Zweiten Weltkrieg sind viele Tonnen konventionelle und chemische Kampfmittel aus Wehrmachtsbeständen in Nord- und Ostsee versenkt worden. Dort liegen sie nun und rotten seit über 70 Jahren vor sich hin. Die Gefährdung von Mensch, Umwelt und Natur durch diese Altlasten wächst allenthalben: Die Fischer können bei ihrer Arbeit schon bei kleinsten Berührungen Explosionen auslösen, Schweinswale durch die auftretenden Druckwellen verenden, Fische und Muscheln die austretenden Chemikalien in ihren Organen anreichern.

Das Problem ist nicht neu, aber es ist in den letzten Jahrzehnten unterschätzt oder - schlimmer noch vor sich hergeschoben worden. Aber wie so oft wird so ein Problem dadurch nicht kleiner, sondern nur sehr viel größer.

Was ist bisher passiert? - Schon vor etwa zehn Jahren hat sich der Schleswig-Holsteinische Landtag mit Giftgasgranaten südlich von Helgoland und Sprengungen in der Lübecker Bucht beschäftigt. Damals wurde eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe gegründet, die 2012 einen ersten vielseitigen Bericht mit dem Titel „Munitionsbelastung der deutschen Meeresgewässer - Entwicklungen und Fortschritt“ veröffentlicht hat. Es folgten weitere Fortschrittsberichte, die aber nicht wesentlich zur Lösung der Probleme beigetragen haben, sondern eher im Beschreiben der Gefahrensituation und dem Hinweis auf ein offensichtlich bestehendes Zuständigkeitsgerangel zwischen Bund und Ländern verharrt sind.

Meine Damen und Herren, ich komme zu dem Schluss: Es reicht jetzt. Wie lange können wir noch warten, um von der Problembeschreibung zur Lösung der Probleme zu kommen? Die Zeit läuft uns davon.

(Beifall CDU, FDP und SSW)

Insofern war es genau richtig, dass die Küstenländer dieses Thema bei der Umweltministerkonferenz im November auf die Tagesordnung gesetzt haben. Die Räumung von Munitionsaltlasten ist mindestens eine nationale Aufgabe, eigentlich noch darüber hinaus. Bund und Länder, so haben wir gehört, haben sich klar zu ihrer Verantwortung bekannt, ihren Anteil daran zu leisten. - Hört, hört!

Was ist nun zu tun? - Zunächst muss gerade die Bundesregierung, namentlich das Umweltministerium mit Frau Schulze an der Spitze - dauerhaft Finanzmittel dafür zur Verfügung stellen.

(Thomas Hölck [SPD]: An der Spitze steht die Bundeskanzlerin! - Heiterkeit CDU)

Da fehlen zurzeit noch konkrete Zusagen. Da ist eine Prüfung von Finanzierungsoptionen für mögliche Maßnahmen eindeutig zu wenig. Deswegen zielt der Antrag der Jamaika-Fraktionen darauf ab, den Bund nicht nur zur Bergung der Munitionsreste in deutschen Gewässern zu bewegen, sondern auch deren Finanzierung und auch die Finanzierung der Überwachungs- und Kartierungsarbeiten dauerhaft zu sichern. Das ist zwingende Voraussetzung für eine erfolgreiche Bergung der zunehmend vor sich hin rostenden Munitionsreste.

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass austretende Giftstoffe aus diesen Munitionsresten besonders von Organismen wie Fischen und Pflanzen aufgenommen werden können. Untersuchungen in der Kieler Bucht haben bereits in einigen Plattfischarten Abbauprodukte des Sprengstoffs TNT nachgewiesen. Diese Tendenz wird sich künftig womöglich noch verstärken. Außerdem müssen wir unseren Fischern, die zurzeit ohnehin in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage sind - Stichwort: stark reduzierte Fangquoten in der Ostsee und Niedrigpreise für Krabben in der Nordsee - vor der Gefahr von Explosionen besser schützen. Kontrollierte Sprengungen sind besonders in hochsensiblen Schutzgebieten nicht die erste Wahl. Das zeigen jüngste Auswertungen auf die geschützten Schweinswale, die offenbar durch solche Sprengungen verendet sind. Es müssen auch neue innovative Projekte gefördert werden, die das Aufsuchen und Entschärfen solcher Munition umweltschonend ermöglichen, zum Beispiel durch moderne Robotertechnologien.

Meine Damen und Herren, Sie sehen: Es gibt eine Menge zu tun, um diesem schwerwiegenden Problem auf dem Grund der Meere beizukommen. Neben der Bundesregierung sollen auch die Anrainerstaaten der Nord- und Ostsee auf diesem Weg mitgenommen werden. Ich meine: Zehn Jahre Berichte sind genug. Jetzt muss es darum gehen, zu retten, was noch zu retten ist. Also: Anpacken statt rumschnacken! - Vielen Dank.

(Beifall CDU und Dennys Bornhöft [FDP])

Das Wort für die AfD-Fraktion hat der Abgeordnete Volker Schnurrbusch.

(Klaus Jensen)

Sehr geehrtes Präsidium! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Die Jamaika-Fraktionen haben ein Problem auf die Tagesordnung gesetzt, das wahrlich nicht neu ist und bei dem es gleichzeitig breite Übereinstimmung gibt, denn jeder möchte diese Art von Altlasten gerne loswerden. Die Nordsee ist mit über 1,3 Millionen t Munition belastet, in der Ostsee sind es rund 300.000 t. Noch gefährlicher sind wahrscheinlich die chemischen Kampfmittel wie Senfgas, Phosgen oder arsenhaltige Kampfstoffe. Allein in der Ostsee sollen noch rund 40.000 t solcher chemischen Kampfstoffe liegen, in der Nordsee sollen es 200.000 t sein.

So richtig überraschend kommt dieses Thema nicht. Schließlich haben sich die Jamaika-Partner bereits in ihrem Koalitionsvertrag darauf geeinigt, den Bund für die Beseitigung der Munitionsaltlasten stärker in die finanzielle Verantwortung zu nehmen. Das alles ist also altbekannt. Schon auf der 21. Ostseeparlamentarierkonferenz im August 2012 wurde bekannt, dass ab 2020 - also ab nächstem Jahr - mit zunehmender Korrosion der Fässer Giftstoffe austreten können. Dabei reichen nur 16 % der versenkten Giftstoffe aus, um das Leben in der Ostsee weitgehend zu töten.

Wir haben hier wirklich ernstzunehmende Probleme in den Meeren und damit auch in unserem Bundesland. Probleme gibt es übrigens nicht nur unter Wasser, sondern auch an den Küsten: Weißer Phosphor, der stark dem Bernstein ähneln kann, wird immer wieder von Badegästen aufgesammelt und führt in der Folge zu schweren Verletzungen. Schießwolle am Strand, die aus dem Meer angespült wird, wird oft mit Steinen verwechselt und aufgesammelt. Auch im Umgang damit kann man sich verletzen. Die Inhaltsstoffe, unter anderem TNT, sind krebserregend und stellen eine echte Gefahr für Menschen dar. Krebs kommt leider auch schon bei bestimmten Fischarten vor, bei der Kliesche zum Beispiel, die in der südlichen Nordsee weit verbreitet ist.

Wenn wir es mit dem Schutz der Meere und der Menschen ernst meinen und uns die gigantische Problematik der Weltkriegsmunition vor Augen führen, sollte auch der Bundesregierung endlich klar werden, dass sie handeln muss. Es ist eben nicht genug, die Altlasten nur zu kartieren, sie müssen endlich auch geborgen oder notfalls gesprengt werden, wenn es nicht anders geht.

Der Antrag der Jamaika-Koalition hat aus unserer Sicht zwar nur appellativen, um nicht zu sagen

symbolischen Charakter, aber das Thema ist zu ernst, um sich dem deswegen zu verschließen. Daher stimmen auch wir ihm im Prinzip zu. Allerdings bringt der Antrag der SPD-Fraktion, der kurzfristig heute in der Mittagspause verteilt worden ist, die Sache deutlich detaillierter auf den Punkt als Jamaika. Allen Punkten, die hier aufgelistet sind, können wir zustimmen.

(Zuruf Sandra Redmann [SPD])

- Ja, das muss man einmal sagen. Das kommt nicht oft vor, Frau Redmann, aber in dem Fall muss ich sagen: Der Antrag geht weit darüber hinaus und ist auch besser, wobei die Grenzwerte für die Schadstoffe, die sich aus der Munition ergeben, zwar festgelegt werden - das muss auch sein -, doch hat die UMK - soweit ich weiß; das wird der Minister sicher gleich sagen - die Bundesregierung bereits aufgefordert, Fisch- und Muschelfleisch zu untersuchen. Erst wenn man eine Faktenlage hat, kann man über Grenzwerte reden. Das sähe ich schon einmal als in der Mache an. Weiterhin sehen wir Aktionsbedarf bei der Harmonisierung der Kampfmittelräumungsgesetze von Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen. Auch da gibt es Handlungsbedarf. Bei der Rücknahme der Beschlüsse vom November würden wir jetzt nicht mitgehen.

Der Antrag bietet eine Menge Diskussionsbedarf. Deswegen würden wir uns sehr freuen, wenn beide Anträge heute in den Umwelt- und Agrarausschuss überwiesen werden könnten. Dann können wir dort noch einmal zusammen mit dem Minister darüber reden. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Das Wort für die Abgeordneten des SSW hat der Abgeordnete Flemming Meyer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Für uns in Schleswig-Holstein als Land zwischen Nord- und Ostsee ist die Problematik in Bezug auf Weltkriegsmunition in den Meeren nicht neu. Das Thema holt uns immer wieder ein, auch hier im Landtag. Wir kennen das Problem seit Langem, und wir wissen, dass die Räumung der Munitionsrückstände mit zunehmender Zeit immer problematischer wird.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Munition achtlos in Nord- und Ostsee versenkt. Die

Entsorgung der Munition und Kampfmittel im Meer war seinerzeit die billigste, aber auch die verantwortungsloseste Lösung, um das Material loszuwerden, nach dem Motto - das haben wir schon ein paar Mal gehört -: Aus den Augen, aus dem Sinn. Doch die fatale Entscheidung von damals holt uns heute immer wieder ein.

Die Erkenntnisse über das, was auf dem Meeresboden liegt, sind heute bereits recht umfangreich. Auch wenn bisher nicht alles untersucht ist, haben wir einen recht guten Überblick. So liegen - wie schon gesagt - schätzungsweise 300.000 t Munition in der Ostsee verteilt. In der Nordsee befinden sich rund 1,3 Millionen t. Wir reden also wirklich nicht über Kleinkram. Es geht um konventionelle Munition und chemische Waffen, an denen der rostige Zahn der Zeit nagt. Neben der Detonationsgefahr ist mittlerweile das Durchrosten der Munition zu einem Problem geworden. Dadurch werden lebensgefährliche Inhaltsstoffe im Wasser und in Sedimente freigesetzt, die sich entsprechend auf Flora und Fauna auswirken. Das alles wissen wir bereits.

Es gibt nationale und internationale sowie interdisziplinäre Arbeitsgruppen, die sich mit der Problematik beschäftigen, die eine Fülle an Stellungnahmen und Gutachten herausgebracht haben. Es gibt nationale und internationale Resolutionen zu den Munitionsaltlasten. Warum also haben wir das Thema wieder auf der Tagesordnung? Nicht, dass es sich nicht lohnt, das Thema zu diskutieren - das tut es auf jeden Fall, und es ist dringend erforderlich -, aber der Grund ist, dass der Tod von 18 Schweinswalen mit einer Sprengung von Minen im Naturschutzgebiet Fehmarnbelt in Zusammenhang gebracht wird. Damit wurde die Problematik neu befeuert, und wir sind aufgefordert, den politischen Druck zu erhöhen, um das Problem endlich anzugehen. Damit meine ich nicht, dass wir noch mehr Papier zusammentragen und Informationen sammeln sollten - auch das ist richtig und wichtig -, sondern jetzt geht es darum, wirklich zu handeln.

(Jette Waldinger-Thiering [SSW]: Genau!)

Wir haben uns in diesem Jahr bereits mehrfach und vertiefend im Ausschuss mit dem Thema befasst. Dabei wird immer wieder deutlich: Es muss etwas geschehen. Einfach wegsprengen kann nicht die erste Priorität sein. Hier brauchen wir umweltschonendere Methoden bei der Kampfmittelbeseitigung. Die Methoden, die Munition zu entschärfen und zu bergen, gibt es - Stichwort: Unterwasserentschärfung mittels Roboter -, aber es gibt sie nicht zum Nulltarif; das kostet Geld. Bei der Menge von Munition reden wir über richtig viel Geld. Schätzungen

gehen dabei in die Milliarden. Damit wird schnell klar, warum das alles so lange dauert und da keiner wirklich ran will, aber so geht es ganz einfach nicht weiter.

Für mich ist schon klar, dass Schleswig-Holstein und die anderen Küstenländer mit diesem Problem nicht alleingelassen werden dürfen. Das können wir alleine nicht stemmen. Hier hat gerade auch der Bund eine Verantwortung. Darum begrüßen wir, dass Umweltminister Albrecht bei der Umweltministerkonferenz eine Gesamtstrategie zur Beseitigung von Munition im Meer auf die Tagesordnung gesetzt hat. Es ist wichtig, auch den anderen Ländern deutlich zu machen, mit was für einem Problem wir alle es zu tun haben.

Die Entsorgung der Munition im Meer war seinerzeit verantwortungslos und die vermeintlich billigste Lösung. Wir wissen heute, dass wir das Problem nicht aussitzen können. Das wäre ebenso verantwortungslos, denn wir schaffen damit Probleme, die später nicht absehbar sind. Daher ist es dringend geboten, endlich zu handeln.

Wir können dem Koalitionsantrag zustimmen. Im Antrag der SPD finde ich fast alle Punkte richtig und wichtig, aber bei dem Teil, in dem es um Kompensationsmittel geht, haben wir teilweise eine andere Haltung.

(Serpil Midyatli [SPD]: Was? Flemming, ich bin enttäuscht!)

Bei der Abstimmung über den SPD-Antrag werden wir uns daher enthalten. - Jo tak.

(Beifall SSW, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Wir kommen zu den Kurzbeiträgen. Das Wort hat die Abgeordnete Doris von Sayn-Wittgenstein.

(Unruhe)