Das Wort für die Landesregierung hat die Ministerin für Justiz, Europa, Verbraucherschutz und Gleichstellung, Dr. Sabine Sütterlin-Waack.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben heute Vormittag wieder einmal eine muntere Debatte erlebt. Es wird wieder einmal deutlich, wie die AfD versucht, politische Begriffe zu kapern und in ihrem Sinne zu definieren. Ich will jetzt nicht alles wiederholen, was gesagt worden ist; aber einige zentrale Erkenntnisse aus der Debatte will ich doch kurz festhalten.
Herr Nobis, Ihnen und Ihrer Fraktion geht es im Kern nicht um ein besseres Europa. Es geht Ihnen noch nicht einmal um ein anderes Europa. Wenn man genau hinsieht, stellt man fest: Es geht Ihnen schlichtweg um die Aufkündigung der europäischen Zusammenarbeit. Herr Schnurrbusch, daran ändern auch die Worte in Ihrem Kurzbeitrag nichts.
Laut Ihrem Antrag wollen Sie ein Europa als Wirtschafts- und Interessengemeinschaft souveräner Staaten erreichen. Sie wollen, wie auf Ihrem Parteitag in Riesa in diesem Jahr beschlossen, das Europäische Parlament abschaffen und die Rechtssetzungskompetenz ausschließlich bei den Nationalstaaten belassen. - Dieser Meinung kann man ja sein; aber dann sagen Sie das doch in Ihrem Antrag offen und ehrlich!
Hinter Ihrer Floskel von der „Gemeinschaft souveräner Staaten“ verbirgt sich die bekannte Forderung der AfD nach einem Rückbau der europäischen Zusammenarbeit. Die Formulierung aus Ihrem Wahl
programm - „Europa der Vaterländer“ - wird hier zwar nicht wiederholt; sie schwingt aber mit. Geschichtssensible Politiker wissen - das haben wir heute auch schon gehört -, dass diese Formulierung ursprünglich von Charles de Gaulle stammt. Sie bedeutet nicht mehr und nicht weniger als die ausschließliche Zusammenarbeit der Regierungen. Heute, 60 Jahre später, zeigt uns die Geschichte: de Gaulles Konzept hat sich überlebt.
Ihre Forderung zeigt eines: Sie leben, nicht nur was Europa angeht, in der Vergangenheit. Dass Sie das Europäische Parlament ablehnen - und damit die europäische Demokratie -, wissen wir. Aber was halten Sie denn vom Europäischen Gerichtshof und den einklagbaren Rechten? Auch darüber haben wir heute Vormittag schon viel gehört.
Dass Sie vom gemeinsamen Binnenmarkt und der Bewältigung der Herausforderungen durch die Globalisierung nicht viel halten, ist uns bekannt. Aber: Haben Sie einmal überlegt, warum die meisten Länder, die zunächst mit der EFTA nur lose die wirtschaftliche Zusammenarbeit ausprobiert haben, heute Mitglied der EU sind? Haben Sie sich einmal überlegt, warum die Rest-EFTA heute mit der EU im Europäischen Wirtschaftsraum assoziiert ist? Ich sage es Ihnen: Weil der Praxistest dieses Konzept für untauglich erklärt hat. Es funktioniert schlicht nicht. Aber die EU funktioniert! Die AfD verschließt die Augen vor der Realität.
Sie beschwören in Ihrem Antrag nebulös eine Gefahr für Gemeinden und Kommunen und die Verletzung des Subsidiaritätsprinzips durch einen „europäischen Superstaat“. Stattdessen wollen Sie eine „Gemeinschaft souveräner Staaten“, eben das „Europa der Vaterländer“ aus Ihrem Wahlprogramm. Ihr Schreckensgemälde vom Superstaat ist fern jeder politischen Realität.
Meine Damen und Herren, eine Gemeinschaft souveräner Staaten, ein ungehinderter Binnenmarkt und gleichzeitig Subsidiarität der Gemeinden und Regionen gehen genauso wenig zusammen wie der vegane Schlachthof.
Es geht Ihnen nicht um den Schutz der Gemeinden und Regionen, denn dann müssten Sie für einen rechtlichen Rahmen eintreten, der diesen Schutz garantiert. Das tun Sie aber nicht. Sie wollen nicht sehen, dass Europa das Grundprinzip dieses Schutzes schon lange verfolgt. Das haben wir heute schon
Auch hier folgen Sie Ihrem politischen Geschäftsmodell und beschwören einmal mehr eine Bedrohung, die es so nicht gibt. Unsere Landesverfassung enthält seit 2014 ein klares Bekenntnis zur europäischen Zusammenarbeit. Dieses Bekenntnis wurde in dem Bestreben beschlossen, „die grenzüberschreitende Zusammenarbeit … im vereinten Europa zu vertiefen“. - So steht es in der Präambel. Damit gibt uns die Landesverfassung einen klaren europapolitischen Auftrag. Die Landesregierung wird sich deshalb auch weiterhin aktiv für eine Vertiefung der europäischen Zusammenarbeit einsetzen, für eine demokratischere, sozialere Union, die sich als handlungsfähig gegenüber den aktuellen Herausforderungen - Stichwort Klimawandel - erweist, die nicht auf nationaler oder regionaler Ebene bewältigt werden können. Die Landesregierung wird sich für eine Europäische Union einsetzen, in der Entscheidungen nach dem Subsidiaritätsprinzip im Interesse unseres Landes, seiner Bürgerinnen und Bürger, möglichst bürgernah getroffen werden.
Eine Europarede am heutigen Tag geht nicht, ohne die Ergebnisse des gestrigen Tages kurz zu erwähnen. Das haben Sie heute schon gemerkt. Die Konservative Partei hat die absolute Mehrheit der Mandate im Unterhaus gewonnen. Aber: Es sind zwar 45 Sitze mehr als vor der Wahl - nach aktuellem Stand 362 von insgesamt 650 Sitzen. Das sind aber nur 1,2 Prozentpunkte der Stimmen mehr als bei der letzten Wahl. Das muss man sich immer vor Augen halten. Das ist, wir wissen es alle, die Krux des Mehrheitswahlrechtes: The winner takes it all.
Die pro-europäischen Fraktionen aber sind zersplittert. Ich will Sie hier jetzt nicht mit den Ergebnissen der anderen Parteien behelligen. Im Ergebnis sehen wir aber für Europa - das ist bitter -: Es wird sich wenig ändern, denn der Austrittsprozess läuft.
Boris Johnson hat wenige Stimmen mehr bekommen, aber viele Sitze mehr. Ob er seine großartigen Versprechen halten kann, ist fraglich. 350 Millionen £ sind angeblich der Betrag, den Großbritannien in einer Woche an die EU überweist. Das wollte er in das Gesundheitssystem stecken. Dieses Versprechen musste er schon zurücknehmen.
Die tiefe Spaltung in Großbritannien bleibt bestehen, wir haben es gehört, und ich habe es im Sommer, als ich da war, selbst erlebt. Der Grund war die europafeindliche Kampagne, die oft herzlich wenig mit der Wahrheit zu tun hatte.
Meine Damen und Herren, ich komme jetzt zum Antrag der AfD zurück: Gegen solche Kampagnen werden wir uns in diesem Haus, in Schleswig-Holstein und in Deutschland wehren. - Vielen Dank.
Die Ministerin hat die vorgesehene Redezeit um 2 Minuten erweitert. Diese Zeit stünde jetzt theoretisch allen anderen Fraktionen zur Verfügung. Ich sehe jedoch nicht, dass hiervon Gebrauch gemacht wird. Daher schließe ich die Beratung.
(Zuruf: Innen- und Rechtsausschuss und Eu- ropaausschuss! - Hartmut Hamerich [CDU]: Innen- und Recht federführend!)
- Federführend dem Innen- und Rechtsausschuss und mitberatend dem Europaausschuss. Wer dem so zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Enthaltungen? - Gegenstimmen? - Damit ist es einstimmig so angenommen.
Ebenfalls erkrankt ist die Abgeordnete Sandra Redmann von der SPD-Fraktion. Auch ihr wünschen wir gute Besserung.
Das Wort zur Begründung wird nicht gewünscht. Mit dem Antrag wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Somit lasse ich zunächst darüber abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung gegeben werden soll. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Damit ist dies einstimmig so beschlossen worden.
Ich erteile für die Landesregierung dem Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus, Dr. Bernd Buchholz, das Wort.
leicht aber in einer etwas anderen Form, als es sich die Antragsteller gedacht haben. Der neue Mobilfunkstandard der fünften Generation - nichts anderes heißt 5G - bietet, das sehen wir sicherlich alle gemeinsam so, enorme Potenziale. Technisch bedeutet 5G, dass wir in der Endausbauphase gegenüber dem jetzigen Standard LTE eine tausendfache Datenrate im Mobilfunk haben, bis zu 10 Gbit/s. Wir werden eine zehnfach niedrigere Latenzzeit haben, das ist das Zurückspielen zwischen Endgerät und dem jeweiligen Server. Die Latenzzeit wird unter 1 ms liegen. Gleichzeitig werden wir eine hundertfach größere Vernetzung von Geräten haben, die das Internet of Things erst ermöglicht.
Damit sind inhaltlich völlig neue Anwendungen im Bereich von Industrie 4.0, Smart Farming, intelligenten Energienetzen, autonomen Fahren und Smart City denkbar und möglich. Es gibt eine Fülle weiterer Anwendungen, von denen wir heute noch gar nicht absehen können, wie sie aussehen werden. Das sind technische Weiterentwicklungen, die man heute noch gar nicht sieht. Es ist deshalb wichtig, dass Schleswig-Holstein so schnell und gut wie möglich am Ausbau der 5G-Netze teilnimmt.
Wie schnell aber das 5G-Netz ausgebaut wird, ist zunächst eine Frage der Mobilfunknetzbetreiber, denn der Mobilfunkausbau ist in Deutschland Aufgabe der Privatwirtschaft. Im Sommer haben wir es ja erlebt: Der Staat ist losgegangen, und die Ausschreibungen haben stattgefunden. Die entsprechenden Frequenzbänder sind verteilt, aber ausgebaut wird in diesem Land nun einmal privat. Das mag man finden, wie man will. Man mag es gut oder schlecht finden, dass dabei 6,5 Milliarden € per Auktion von dem Mobilfunknetzbetreibern eingesammelt worden sind. In Frankreich hat man die Netze den Privatunternehmen kostenlos zur Verfügung gestellt, um eben nicht in die Gefahr zu kommen, dass Investitionsmangel herrscht, sondern tatsächlich in den Ausbau zu gehen. In Deutschland hat man es anders gemacht.
Wir haben im Zuge des Verfahrens versucht, auf die Vergabe einen gewissen Einfluss zu nehmen, weil uns sehr daran gelegen ist, dass - anders als beim Ausbau von LTE - gerade die ländlichen Räume nicht vernachlässigt werden: nicht nur, indem die Versorgungsauflagen - ich komme gleich dazu nicht zu gering sind. Man hätte durch eine intelligente Gestaltung der Ausschreibung - zum Beispiel über Negativauktionen am Anfang - dafür sorgen können, dass diejenigen Gebiete, die eigenwirtschaftlich eben nicht zu betreiben sind, von den Betreibern zuerst - gegebenenfalls auch für einen ne
gativen Preis - ersteigert werden müssen, um dann im nächsten Los zu sagen: Okay, jetzt kommen die lukrativen Gebiete dazu, und dann gucken wir einmal, wie die Gesamtpakete aussehen.
Im Bundesrat hatten wir dies beantragt und hatten dafür sogar eine Mehrheit. Die Bundesnetzagentur hat sich nicht zu diesem Verfahren durchringen können. Jetzt haben wir quasi dasselbe, wie wir es bei den LTE-Netzen haben: Wir haben Versorgungsauflagen. Die sind allerdings deutlich höher als bei den LTE-Netzen. Nach diesen Auflagen müssen die Mobilfunknetzbetreiber 98 % aller Haushalte sowie die Bundesautobahnen und Bundesstraßen bis zum Jahr 2022 respektive 2024 mit 100 Mbit/s im Download versorgen - immerhin.
Die Landesstraßen und wichtigen Wasserstraßen müssen bis 2024 mit 50 Mbit/s versorgt werden, Hauptschienenwege bis 2022 mit 100 Mbit/s, weitere Schienenwege bis 2024 mit 50 Mbit/s, zusätzliche Straßen im 5G-Bereich mit einer Latenzzeit von unterhalb 10 ms. Die Betreiber müssen 1.000 5G-Basisstationen und 500 Basisstationen in sogenannten weißen Flecken bis 2022 aufbauen.
Dieser vorgegebene Rahmen muss zwingend eingehalten werden. Wir wissen, dass wir auch in Schleswig-Holstein etwa beim LTE-Netz diesen vorgegebenen Rahmen zwar ausgefüllt bekommen haben, aber nur theoretisch. Wir haben zwar eine 98-prozentige Haushaltsabdeckung im LTE-Netz. Man muss aber feststellen: Das ist nur eine 75-prozentige Flächenabdeckung und sorgt in Wahrheit dafür, dass wir an manchen Stellen im Land ganz oft das Netz verlieren und die berühmten Funklöcher besichtigen können.
Nicht wir, Herr Dunckel, planen, deswegen können wir auch nicht sagen, wann wo welche Frequenzen verteilt werden. Deshalb hat die Landesregierung es sich zur Aufgabe gemacht, unter diesem gegebenen Rahmen diesen Prozess engmaschiger zu begleiten, als es in der Vergangenheit passiert ist. Deshalb habe ich zu Beginn des Jahres die Mobilfunknetzbetreiber an einen Tisch geholt und darum gebeten, dass man uns - wohlgemerkt: auf freiwilliger Basis, einen Anspruch darauf habe ich nicht - die Daten ihrer Ausbauplanung zur Verfügung stellt.
Es geht erstens um die Bestandsdaten für das, was für Masten an Sendeleistungen zur Verfügung steht, und zweitens eben auch darum, wie ihre Ausbauplanungen zum Stopfen der Funklöcher sind.
Da das LTE-Netz die Basis dafür ist, wie wir hinterher 5G ins Land bekommen, ist es ganz wichtig, dass wir zunächst einmal darauf aufbauend die entsprechenden Funklöcher stopfen und die Netze insgesamt dicht verteilt bekommen. Voraussetzung für jeden einzelnen 5G-Mast ist - und erwartet wird -, dass wir in Deutschland mindestens 8.000 zusätzliche Masten errichten und parallel dazu eine noch viel höhere Zahl an sogenannten Small cells, also kleinen Sendeantennen, die die Sendersignale darüber hinaus erweitern. Dass dieses auf der Basis von LTE aufbaut, veranlasst uns dazu, zunächst einmal dafür zu sorgen, dass dieser Ausbau besser als in der Vergangenheit gelingt, alle Funklöcher möglichst geschlossen werden und im Land möglichst eine flächendeckende Abdeckung entsteht.