Das Wort für die Landesregierung hat der Minister für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren, Dr. Heiner Garg.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Brodehl, während Ihrer ersten Rede ist mir fast der Kragen geplatzt, um es ganz deutlich zu sagen. Ich will Ihnen auch sagen, warum. Sie haben versucht, mit Ihrer Aussage, dass jeder sich selber prüfen möge, zu insinuieren, alle diejenigen, die Ihren Antrag nachher ablehnen werden, seien im Zweifel bereit, Kindesmisshandlungen billigend in Kauf zu nehmen. Was bilden Sie sich eigentlich ein!
Ich kann mich noch gut an Ihre Pressemitteilung erinnern, mit der Sie vor gar nicht allzu langer Zeit die Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz abgelehnt haben - auch mit fragwürdigen Begründungen. Also tun Sie hier nicht wieder so freundlich, als ob es Ihnen um den Schutz der Kinder gehe. Ihnen geht es um nichts anderes als darum, Angst zu schüren und zu verbreiten, auch mit Ihren komischen Wortmeldungen, die Sie heute zu diesem Thema beigetragen haben.
(Beifall FDP, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Dr. Frank Brodehl [AfD]: Vielleicht einmal zur Sache?)
Der Kinderschutzbund Schleswig-Holstein begrüßt übrigens ausdrücklich - das empfehle ich zur Lektüre - den Alternativantrag der Koalitionsfraktionen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, bei allen Erziehungsmethoden genießt selbstverständlich wie könnte es anders sein - der Schutz von Kindern vor sexuellen und jeglichen körperlichen Übergriffen oberste Priorität. Kinder vor Gewalt zu schützen ist übrigens keine juristische Grundsatzfrage, sondern die Handlungsmaxime für die gesamte Gesellschaft. Das muss auch so sein. Dies gilt insbesondere für die Beschäftigten in der Jugendhilfe. Die Gewährleistung des Kindeswohls muss bei allen Fragen der Erziehung immer an allererster Stelle stehen.
Die meisten Kinder haben ein Bedürfnis nach körperlicher Nähe zu vertrauten Bezugspersonen. Auch brauchen sie - natürlich - Möglichkeiten, zu rangeln und sich körperlich zu messen. So erkennen sie eigene Grenzen und lernen, die Grenzen anderer zu respektieren. Gleichwohl beinhalten Körperkontaktspiele immer auch das Risiko der Grenzüberschreitung und einer unangemessenen Nähe, die als übergriffig und damit als kindeswohlgefährdend eingestuft werden müssen. Solche Gefahren drohen insbesondere bei der Anwendung des sogenannten Original Play. Dem Konzept liegt keinerlei wissenschaftliche Erkenntnis zugrunde. Es basiert allein auf den Erfahrungen des amerikanischen Spielforschers Fred Donaldson; das hat bereits die Abgeordnete Rathje-Hoffmann angesprochen.
Bei dieser sehr fragwürdigen Methode besuchen fremde Erwachsene Kitas und Kindergärten, um dort mit Kindern zu spielen und zu balgen. Körperlicher Kontakt und Berührung stehen dabei im Vordergrund.
Die mediale Berichterstattung über Missbrauchsvorwürfe im Zusammenhang mit Original Play in Kitas in Berlin und Hamburg Ende Oktober hat
mein Haus unmittelbar und namentlich das Landesjugendamt dazu veranlasst, sofort auf die kommunalen Kinderschutzfachkräfte und, Anfang November, noch einmal auf die Aufsichtspersonen der Kreisheimaufsichten für Kindertageseinrichtungen, Trägerverbände und alle Kindertageseinrichtungen in Zuständigkeit des Landesjugendamtes zuzugehen und über die Gefahren von Original Play zu informieren. Bisher wurden keine Original-Play-Angebote in Kindertageseinrichtungen in SchleswigHolstein durchgeführt. Das ist zweifelslos richtig so, und das sehen auch Einrichtungen und Träger so, die wir kontaktiert haben. Dementsprechend haben wir zahlreiche zustimmende Reaktionen erhalten.
Der Leiter des Landesjugendamtes hat sich in einem Schreiben vom 11. November 2019 noch einmal an alle Trägerinnen und Träger von Kindertagesstätten und Jugendhilfeeinrichtungen in Schleswig-Holstein, an alle Jugendämter, die kommunalen Landesverbände sowie die Fachverbände des Kinderschutzes in Schleswig-Holstein gewandt und klar über die ablehnende Haltung des Landesjugendamtes zu Original Play informiert. Das Landesjugendamt hat sämtliche adressierten Beteiligten gebeten, alle Entscheidungen vor Ort im Hinblick auf die Einhaltung des Kinderschutzes zu treffen.
Es gilt, grundsätzlich sicherzustellen, dass Kindertagesstätten als geschützte Räume für Kinder behandelt werden. Die Diskussion um Original Play werden wir noch einmal zum Anlass nehmen, um das allgemeine Schutzniveau zu überprüfen. Behördliche Verbote müssen hinsichtlich des Adressatenkreises der inhaltlichen Regelung allerdings bestimmt sein. Allgemeine Verbote von Maßnahmen, die in keiner Einrichtung vollzogen werden, sind von der Ermächtigungsgrundlage des § 45 ff. Sozialgesetzbuch VIII nicht erfasst. Bezogen auf Original Play bedeutet das: Sofern und soweit es in keiner Einrichtung konkret angewandt wird, kann auch der Empfänger einer behördlichen Verfügung nicht bestimmt werden.
Es mag den Herren der AfD passen oder nicht: Wir leben in einem Rechtsstaat. In Schleswig-Holstein ist ein Verbot daher derzeit nicht erforderlich und auch nicht verhältnismäßig. Es scheitert an der Bestimmtheit der Einrichtung beziehungsweise des Trägers. Im Übrigen sind aus diesem Grund mit Ausnahme von Brandenburg keine juristischen Verbote im klassischen Sinne bekannt. Die politische und fachliche Ablehnung des Konzeptes ist davon ausdrücklich nicht betroffen. - Ich bedanke mich für die ansonsten ausgesprochen konstruktive Debatte.
Ich lasse zunächst über den Antrag der Fraktion der AfD, Drucksache 19/1858, abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Abgeordneten der AfD-Fraktion. Wer ist dagegen? - Das sind die Abgeordneten von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, FDP und CDU. Wer enthält sich? - Die Abgeordnete von Sayn-Wittgenstein. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Ich lasse jetzt über den Alternativantrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, Drucksache 19/1893, abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist dann einstimmig so beschlossen.
Ich erteile dem Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus, Dr. Bernd Buchholz, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was lange währt, wird endlich gut. Zahlreiche Fehlversuche hat es in Schleswig-Holstein gegeben, ein landesweit gültiges Semesterticket einzuführen. Nun ist es gelungen. Dafür bin ich außerordentlich dankbar, denn dieses Semesterticket leistet nicht nur etwas für die Studierenden, die damit den öffentlichen Personennahverkehr nutzen können, sondern vor allem auch für den Hochschulstandort Schleswig-Holstein.
Unter der Moderation des Nahverkehrsverbundes NAH.SH haben die Verhandlungen zwischen Ministerium, den Vertretern der Verkehrsunternehmen und den Vertretern der Studierenden stattgefunden,
nachdem das Land signalisiert hat, dass es bereit ist, mit 9 Millionen € eine Anschubfinanzierung vorzunehmen. Daraus ist eine Einigung geworden, über die ich mich sehr freue: 55.000 Studierende nehmen jetzt an diesem Semesterticket teil. Allein die Fachhochschule Westküste mit ihren 2.000 Studierenden konnte sich nicht überreden lassen, die Studierenden dort haben es nicht gewollt. Sie können erst 2023 mitmachen. Ich gehe davon aus, dass man in den nächsten Monaten in Heide darüber nachdenken wird, warum man das eigentlich so getan hat. Das Angebot, das hier gemacht wird, ist attraktiv.
Lassen Sie mich diesen kurzen Bericht mit Folgendem abschließen: Das digitale Stadtmagazin der HHW in Hamburg ist in seinem ersten Semesterticketvergleich über alle Bundesländer hinweg - unter Berücksichtigung des Preis-Leistungs-Verhältnisses, des Geltungsbereiches, der Zusatzleistungen und der Erreichbarkeit naheliegender Großstädte zu dem Ergebnis gekommen, dass das Semesterticket der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel am besten abschneidet. Ich finde, dies ist ein Prädikat. Ich bedanke mich bei allen Beteiligten und freue mich darüber, dass dieses Mittel jetzt endlich im Personennahverkehr für die Studierenden in diesem Land zur Verfügung steht. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich bemühe mich, mich kurz zu fassen. Ich glaube, dass wir mit diesem Semesterticket einen großen Erfolg erzielt haben. Schon lange wurde darüber diskutiert. 2010 wurde an der CAU ein Vorschlag diskutiert. Da sollte das Semesterticket etwas mehr als 400 € kosten. Jetzt haben wir ein Semesterticket, das 124 € kostet. Mit all den Aspekten - Klimaschutz, aber auch Wirtschaft, ein Praktikum machen -, die damit verbunden sind, ist es ein riesiger Erfolg, dass wir das auf den Weg bringen konnten.
Als Zweites möchte ich etwas ansprechen, dass ich wichtig finde. Es hat mich sehr gewundert, dass uns die Studierendenparlamente und der AStA 15 Jahre lang in jeder Debatte gesagt haben: Wir wünschen
uns ein landesweites Semesterticket. - Wenn es dann aber dazu kommt, dass so etwas diskutiert wird und es entschieden werden muss, haben uns diejenigen, die es vorher gefordert hatten, nicht eindeutig unterstützt, sondern gesagt: Wir wissen gar nicht ganz genau, ob wir es wollen.
So etwas muss man in der Debatte schon einmal ansprechen. Wer die Verkehrswende möchte und sich für den Klimaschutz einsetzen will, muss es auch dann tun, wenn es ein kleines bisschen wehtut und Widerstände gibt. Das ist ein wichtiger Punkt, den man einmal erwähnen muss.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich gebe zu, Herr Minister, Sie haben mich überrascht, denn normalerweise sind Sie der Garant für 3 bis 4 Minuten mehr Redezeit.
Es ist gut, dass es in Schleswig-Holstein endlich ein Semesterticket gibt. Wir hätten uns dies bereits in der letzten Legislaturperiode gewünscht. Als Küstenkoalition hatten wir uns bereits auf den Weg gemacht. Die finalen Gespräche zogen sich dann wegen der unterschiedlichen Positionen bis in diese Legislaturperiode hin. Insofern hoffe ich, dass wir uns darauf einigen können, dass wir als Küstenkoalition für das Semesterticket den Weg bereitet haben und Sie es in dieser Wahlperiode finalisiert haben.
Die Kosten für das aktuelle Semesterticket sind für die einzelnen Studierenden durchaus eine Herausforderung. Sie werden sich in den kommenden Jahren noch erhöhen: Der Jahresbeitrag der Studierenden steigt von 248 € auf 307 € pro Jahr. Das Land gewährt einen Zuschuss, um den Preis langsam anwachsen zu lassen. Dabei darf man nicht übersehen,
dass die Budgets der meisten Studierenden nicht ganz so üppig sind und eine solche Summe, die in zwei Halbjahresraten fällig ist, nicht so nebenbei geschultert werden kann.
2020 soll es eine Untersuchung darüber geben, wie weit das Semesterticket genutzt wird und ob der jetzt angesetzte Preis realistisch ist. Es verbleiben Fragen. Was soll denn geschehen, wenn die Nutzung im ersten Jahr deutlich hinter den Erwartungen zurückbleibt? Was wird geschehen, wenn die Studierenden das Ticket deutlich intensiver nutzen als angenommen? Lassen die Verkehrsunternehmen sich das dann bezahlen? Wenn ja, in welcher Höhe? Ich weiß, dass bei den Studierendenvertretungen durchaus schon, wenn jemand anruft, gesagt wird: Lieber, du fährst möglichst wenig damit, damit es nicht irgendwann teurer wird. - Trotzdem ist man gespannt, welche Entwicklung es nehmen wird.
Wie kann man den Studierenden finanziell unter die Arme greifen, wenn sie das Ticket nicht finanzieren können? - Es gibt eine Härtefallregelung. Ich habe mir das gerade noch einmal auf der Seite der CAU angeschaut. Genau die, die aus der Regelung knapp herausfallen, kratzen aufgrund dieser Kosten am eigenen finanziellen Limit. Hier muss vermutlich nachgebessert werden. Jedenfalls wird dies häufig von Studierenden an mich herangetragen: Guckt da bitte noch einmal darauf, es ist durchaus eine finanzielle Herausforderung.