Protokoll der Sitzung vom 22.01.2020

Ich als bekennender Autofahrer - das wissen viele wohne über einen Kilometer von der nächsten Bushaltestelle entfernt, auf der anderen Seite von Kiel, an der Stadtgrenze.

(Zuruf [SPD]: Über einen Kilometer?)

- Ja. - Wenn ich mit Anzug unterwegs bin, laufe ich normalerweise zehn bis zwölf Minuten, um zur Schwentine-Fähre zu kommen. Die kennen Sie vielleicht, Herr Habersaat. Die haben Sie vielleicht schon einmal gesehen, wenn Sie nach draußen gucken, falls die Debatte nicht in Ihrem Sinne ist.

(Zuruf [SPD]: Sogar schon gefahren!)

- Sogar gefahren? Schön!

(Beate Raudies [SPD]: Ich laufe auch mit Stöckelschuhen zur Bushaltestelle!)

Sobald man den E-Scooter kostenlos mitnehmen kann, werden sicherlich noch mehr Menschen, auch bekennende Autofahrer, darauf umsteigen. Insofern wäre es schön, wenn das landesseitig begleitet würde, was wir ja vorhaben. Die Verkehrsbetriebe sollten offener sein, was die kostenlose Mitnahme angeht. Dann werden deutlich mehr Menschen diese Möglichkeit nutzen und die eine oder andere Tonne CO2 - über dieses Thema haben wir heute Vormittag schon gesprochen - einsparen. - Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU und Burkhard Peters [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Wort für die Landesregierung hat der Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus, Dr. Bernd Buchholz.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Debatte ist symptomatisch dafür, wie wir in Deutschland mit Mobilitätsfragen umgehen.

(Beifall FDP, CDU und Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das gilt übrigens nicht nur für diese, sondern auch für viele andere Fragen.

Lieber Flemming Meyer, es ging ja nicht eben schnell, bis der Bundesverkehrsminister im Sommer vergangenen Jahres eine Verordnung in Kraft gesetzt hat. Bereits im Jahr 2014 hatte das Bundesverkehrsministerium die Bundesanstalt für Straßenwesen - BASt - aufgefordert, die Grundlagen dafür zu schaffen, dass Elektrokleinstfahrzeuge möglichst kategorisiert und zugelassen werden. Nach flotten fünf Jahren - fünf Jahren! - der Diskussion gelang es in Deutschland, das, was überall um uns herum, in Wien, in den Benelux-Ländern, in Tel Aviv, in San Francisco, gang und gäbe war, in einen rechtlichen Rahmen zu fassen. Dies geschah vor dem Hintergrund einer Diskussion, die im Wesentlichen die Risiken thematisierte; auch heute haben wir es wieder erlebt. Nicht wenige möchten jedes Risiko einer neuen Technologie ausschließen. Zudem wird häufig gefordert, das Vorhaben müsse zu einem großen Weltthema passen. Der Gedanke, dass man einfach auch einmal Freiheiten genießen darf, kommt zu selten auf. Wir sollten uns den Chancen widmen, die diese Kleinstfahrzeuge eröffnen. Das wäre eine begrüßenswerte Herangehensweise.

Herr Kollege Tietze, ich bin ganz überrascht von den liberalen Grundzügen, die bei Ihnen durchscheinen.

(Heiterkeit FDP und Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Diese Aspekte müssten die Diskussionen in Deutschland begleiten.

Die Landesregierung, das kann ich jedenfalls sagen, betrachtet diese Elektrokleinstfahrzeuge als Chance, als Möglichkeit, die letzte Meile tatsächlich anders abzudecken. Dies gilt gerade für die ländlichen Räume und nicht nur für die urbanen Zentren.

(Beate Raudies [SPD]: Genau!)

Das ist doch einmal etwas! Denken wir nicht immer nur über die Probleme nach, die andere Bundesländer haben, sondern schauen wir, wie wir Mobilität in den ländlichen Bereichen eines Landes wie Schleswig-Holstein modern gestalten können. Ge

(Dennys Bornhöft)

rade dort ermöglichen solche multimodalen Systeme das Verbinden von öffentlichem Personennahverkehr mit dem Individualverkehr, eben auch mit Kleinstfahrzeugen. Sind das nicht einfach Chancen, die man nutzen sollte?

(Beifall FDP und CDU)

Herr Kollege Vogel ist nicht mehr da. Er hat anderes vor; aber das macht nichts. Wir müssen zu einer anderen Grundeinstellung kommen. Von einigen hört man vorwurfsvoll: Jetzt fahren Leute mit diesen E-Scootern und wollen dabei auch noch Spaß haben!

(Heiterkeit FDP - Dennys Bornhöft [FDP]: Unerhört!)

Das ist offenbar furchtbar. Da wollen doch Menschen Spaß haben. Das ist ja ganz schrecklich!

Die nächste Äußerung, die hier kam, folgte dem Motto: Schon sitzen Start-ups in den Startlöchern und wollen damit Geld verdienen!

(Heiterkeit FDP und Dr. Andreas Tietze [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Zuruf FDP: Oh Gott! Das geht ja gar nicht!)

Ogottogott! Das ist ja furchtbar!

(Heiterkeit FDP)

Meine Damen und Herren, mein Magen zieht sich zusammen. Ich sage: Ja, Leute dürfen Spaß haben, auch im Bereich Mobilität. Ja, Leute dürfen in einer sozialen Marktwirtschaft auch Geld verdienen. Ja, das ist eine gute Idee.

(Beifall CDU, FDP und vereinzelt BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Mobilität modern auszugestalten, ist etwas, was wir uns alle auf die Fahne schreiben sollten. Diese Landesregierung wird ganz konstruktiv begleiten, was es an Möglichkeiten gibt.

Die Mitnahmemöglichkeiten von entsprechenden Fahrzeugen in Bussen und Bahnen sind zu gewährleisten. Das ist selbstverständlich. Bislang habe ich auch noch von keinem Problem im Land Schleswig-Holstein gehört.

(Beifall FDP, CDU und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn die Elektrokleinstfahrzeuge die Größe eines Fahrrades erreichen, dann werden sie schlicht und ergreifend wie ein Fahrrad behandelt und man muss eine Fahrradkarte lösen. Das ist von der Platzwegnahme auch gerechtfertigt. Wenn sie kleiner sind als Fahrräder, ist die kostenlose Mitnahme schon

heute in der Regel gewährleistet. Wir werden das in die Beförderungsbedingungen der NAH.SH zum 1. April 2020 in entsprechender Art und Weise aufnehmen. Auch das werden wir konstruktiv begleiten.

Zum Ende möchte ich noch eins sagen: Ich bin hier Prediger der Freiheit.

(Heiterkeit - Werner Kalinka [CDU]: Aber nicht der einzige!)

Als Prediger der Freiheit erlaube ich mir aber auch zu sagen, die andere Seite der Medaille der Freiheit ist die Verantwortung. Auch daran dürfen wir einmal denken.

(Vereinzelter Beifall CDU)

Verantwortung, meine Damen und Herren, sollte der Staat nicht permanent jedem Individuum vorgeben. Verantwortung darf man auch für sich selbst übernehmen.

(Beifall CDU)

Wer ein Elektrokleinstfahrzeug benutzt und es anschließend auf die Straße schmeißt, weil es nicht sein Eigentum, sondern gesharet ist, wird seiner Verantwortung im Umgang mit dieser Freiheit nicht gerecht. Den kann man dann auch mit einem Bußgeld - darauf ist zu Recht hingewiesen worden - ermahnen.

Die Grundlage von all dem findet sich, Herr Kollege Tietze, in unserer Straßenverkehrsordnung. In § 1 steht:

„(1) Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.

(2) Wer am Verkehr teilnimmt, hat sich so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder, mehr als nach den Umständen vermeidbar, behindert oder belästigt wird.“ Das ist die Wahrnehmung von Verantwortung. Diese gestatten wir in diesem Land auch den Menschen mit Elektrokleinstfahrzeugen. Sie haben die Freiheit, sie so zu nutzen, wie sie es wollen. Aber wir sagen auch: Bitte geht damit verantwortungsbewusst um. - Herzlichen Dank. (Beifall FDP, CDU und vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Minister hat die vereinbarte Redezeit um knapp 1 Minute überschritten. Diese Zeit steht jetzt theo

(Minister Dr. Bernd Buchholz)

retisch allen Fraktionen zu. Ich sehe nicht, dass davon Gebrauch gemacht wird. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 19/1794 an den Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen.

(Unruhe)