Protokoll der Sitzung vom 19.02.2020

(Beifall SSW, CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Das Wort für die Landesregierung hat der Ministerpräsident Daniel Günther.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Es ist absolut notwendig, dass wir uns heute im Landtag mit der Situation in Thüringen auseinandersetzen. Ich will an dieser Stelle sehr deutlich sagen, dass wir einen kleinen Unterschied machen sollten: Wir sollten weniger problematisieren, dass die AfD einen demokratischen Kandidaten gewählt hat - weil wir uns nämlich nicht von denen abhängig machen sollten -, sondern das Problem ist, dass dieser Kandidat auf die Stimmen der AfD angewiesen war. Das ist der Sündenfall von Thüringen. Das ist der Eklat, der dort stattgefunden hat. Es ist notwendig, sich davon in aller Klarheit zu distanzieren.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Wenn immer noch die Hoffnung da ist, dass die AfD in Schleswig-Holstein sich irgendwann einmal von der AfD in Thüringen - auch von einem Herrn Höcke - distanziert, dann sollten wir diese Hoffnung spätestens nach dem Beitrag von Herrn Nobis heute begraben. Sie sind Brüder im Geiste, so wie Sie sich einlassen. Sie lassen sich genauso ein wie Herr Höcke. Da ist überhaupt kein Unterschied. Von daher ist es beschämend für uns alle, dass Sie im Schleswig-Holsteinischen Landtag sitzen. Wir müssen alle gemeinsam dafür kämpfen, dass Sie in Zukunft nicht mehr hier sitzen. Wir müssen die Wählerinnen und Wähler der AfD zurückgewinnen. Sie von der AfD denunzieren unsere Demokratie; Sie versuchen, unsere Demokratie lächerlich zu machen. Da sind Sie keinen Deut besser als Ihre Gesinnungsgenossen in Thüringen, lieber Herr Nobis.

(Lars Harms)

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Man muss feststellen - diesen Unterschied mache ich schon -, dass vielleicht der eine oder andere mit dem ersten Blick von außen auf Thüringen nicht sofort hundertprozentig erfasst hat, was da eigentlich passiert ist. Ich denke, das sollten wir Menschen auch zubilligen. Ich finde aber auch, wir sollten jetzt wachsamer werden, damit so etwas nicht wieder passiert.

Das wirklich Beschämende auch für mich als Christdemokrat ist aber, dass in Thüringen alle vorher gewusst haben, was da passiert. Alle haben vorher gewusst, wie die AfD sich verhalten wird, alle haben gewusst, dass die AfD die Demokratie lächerlich machen will, indem sie einen Kandidaten aufstellt, den ihre Abgeordneten bewusst alle nicht gewählt haben. Das haben alle vorher gewusst. Dass man trotzdem nicht gehandelt und das durchgezogen hat, dass meine Parteifreunde, die Christdemokraten in Thüringen, so einen ungeheuerlichen Vorgang mitgemacht haben, das ist das, was mich persönlich tief beschämt.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Deswegen möchte ich an der Stelle all denjenigen danken, die danach schnell reagiert haben. Ich finde, auch das ist wichtig, heute festzustellen. Man mag darüber streiten - Christopher Vogt hat das selbstkritisch angesprochen -, ob das schnell genug war. Aber die unmissverständliche Klarheit der FDP, eben diese Wahl sozusagen auch wieder gutmachen zu wollen, einen richtigen Schritt zu machen, das war ein wichtiges und notwendiges Zeichen. Ich bin verdammt stolz darauf. Das bin ich übrigens auch darauf, dass die Kanzlerin in dieser Frage Haltung gezeigt hat. Ihr hier etwas vorzuwerfen, ist wirklich perfide.

(Vereinzelter Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Weil sich zu Recht hier im Parlament und in Schleswig-Holstein insgesamt nach diesen Vorgängen die Augen natürlich auf CDU und FDP gerichtet haben, ist es so wichtig, dass wir - jetzt rede ich über die Christdemokraten -, aber insbesondere auch die FDP in Schleswig-Holstein - Heiner Garg, Christopher Vogt, alle, die Verantwortung tragen sich unmissverständlich davon distanziert und in aller Klarheit gesagt haben: Eine Zusammenarbeit mit der AfD wird es bei uns nicht geben! Ich bin allen bei der FDP in Schleswig-Holstein sehr dankbar dafür, dass dieses Bekenntnis so klar war.

(Vereinzelter Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Wir Demokraten dürfen uns hier nicht auseinanderdividieren lassen. Wenn wir ehrlich miteinander sind, wenn unser Ziel ist, dass die AfD gar keine Basis mehr hat und hier nicht mehr im Landtag sitzt, dann müssen wir uns hier im Parlament nicht mehr um Rechtsradikale kümmern, aber natürlich ist es auch unsere Aufgabe als Parteien, die Wählerinnen und Wähler wieder zu den demokratischen Parteien zurückzuholen. Deshalb sollten wir es uns nicht gegenseitig schwer machen, sondern immer im Einklang miteinander sein. Diese Aufgabe haben wir gemeinsam wahrzunehmen, das ist unsere Verantwortung, und deshalb dürfen wir uns in keinem einzigen Punkt hier auseinanderdividieren lassen.

(Beifall CDU, vereinzelt SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Meine Damen und Herren, wir haben das schon einmal geschafft. Wir hatten hier schon einmal eine rechtsradikale Partei im Schleswig-Holsteinischen Landtag, die Deutsche Volksunion in den 90er-Jahren. Damals haben wir es gemeinsam miteinander geschafft, dass dieser Spuk nach vier Jahren beendet worden ist. Ich will, dass wir gemeinsam dafür kämpfen, dass dieser Spuk AfD im Schleswig-Holsteinischen Landtag 2022 ein Ende nimmt. Dafür werde ich persönlich kämpfen, und ich hoffe, wir Demokraten machen das gemeinsam. Wir können das schaffen!

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Schleswig-Holstein hat in der Bundesratspräsidentschaft gesagt, unser Motto ist: Mut verbindet. Ich glaube, dieser Mut sollte uns alle miteinander verbinden, auch heute uns Demokraten miteinander verbinden. Dieser Mut verbindet übrigens auch Menschen in Sülfeld, die sich Rechtsextremen - das macht mich stolz - als Gemeinde und Gesellschaft entgegenstellen, die nicht weichen, die sagen: So etwas hat in unserem Ort überhaupt keine Zukunft, dagegen gehen wir gemeinsam an!

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Deswegen dürfen wir uns überhaupt nicht klein machen. Wir sind mehr als die.

Schleswig-Holstein ist ein weltoffenes Land, auf das wir verdammt stolz sein können. Wir haben Minderheiten in unserem Land, die wir als Bereicherung empfinden. Darauf sind Schleswig-Holstei

(Ministerpräsident Daniel Günther)

nerinnen und Schleswig-Holsteiner stolz. Wir sind so unglaublich viele überzeugte Europäerinnen und Europäer hier bei uns in Schleswig-Holstein, die sich jedem Nationalismus entgegenstellen. Bei uns in Schleswig-Holstein macht es keinen Unterschied, wo jemand herkommt, welche Hautfarbe er oder sie hat, welchem Geschlecht er angehört oder welche sexuelle Orientierung er hat. Es ist doch großartig, dass wir in Schleswig-Holstein ticken, wie wir ticken.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Deshalb ist meine herzliche Bitte an alle, die es mit der Demokratie gut meinen: Bestärken wir genau diese Menschen, die mutig sind! Seien wir selbst auch mutig und stellen wir uns denjenigen entgegen, die unsere Gesellschaft spalten wollen. Wenn wir das gemeinsam machen, dann bin ich überhaupt nicht bange, dass das, was wir in unserem Antrag formuliert haben, gilt: Bei uns haben Rechtspopulismus, Rechtsradikalismus und Rassismus keine Chance. Gemeinsam werden wir das schaffen!

(Anhaltender Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.

Meine Damen und Herren, begrüßen Sie gemeinsam mit mir auf der Besuchertribüne des Schleswig-Holsteinischen Landtages Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschule Am Schiffsthal aus Plön und eine weitere Gruppe des ImmanuelKant-Gymnasiums aus Neumünster. - Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!

(Beifall)

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:

Modellregion Schlei

Antrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP Drucksache 19/1956 (neu)

Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/2009

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Abgeordnete Marlies Fritzen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wie unter einem Brennglas bündeln sich die Umweltsünden der Vergangenheit und der Gegenwart an der Schlei. Wir haben heute nicht zum ersten Mal dieses Thema auf der Tagesordnung. Wir haben über die Themen Plastikmüll, hochgiftige Industrierückstände, die seit Jahrzehnten das Gewässer verunreinigen, Sorgen um den Hochwasserschutz und die Überdüngung des Gewässers diskutiert. Wie gesagt, zum wiederholten Male in dieser und in anderen Legislaturperioden haben wir über diese Themen gesprochen. Aber zum ersten Mal nehmen wir heute eine mögliche Lösung in den Blick. Und deshalb ist das hier und heute - wie ich finde - ein guter Tag für die Schlei.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW, vereinzelt CDU, FDP und Beifall Birte Pauls [SPD])

- Vielen Dank. Ich freue mich total. Weil wir das nicht kleiner machen wollen als es ist, nennen wir das Ganze sogar „Modellregion Schlei“. Das, was wir vorhaben, ist nicht komplett neu. Auch darüber haben wir schon häufiger gesprochen. Aber es kann ein Muster dafür werden, wie man miteinander dicke Bretter bohrt und Umwelt- und Naturschutz nicht nur in Sonntagsreden wichtig findet, sondern auch unter der Woche tatsächlich umsetzt.

Ausgehend vom Integrierten Schleiprogramm, das in den Kreisen Schleswig-Flensburg und Rendsburg-Eckernförde entwickelt wurde, schaffen wir als Land eine Organisationsstruktur vor Ort, die an die Lokale Aktion Schlei angebunden ist.

Die zusätzlichen Personalstellen werden vom Land und den Kreisen finanziert. Ich sage hier ausdrücklich: Ich bin sehr dankbar dafür, dass die Kreise im vergangenen Jahr, Ende letzten Jahres die entsprechenden Haushaltsbeschlüsse dazu gefasst haben und wir uns gemeinsam auf diesen Weg machen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, der ökologische Zustand der Schlei ist schlecht. Die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie werden hier nicht erfüllt. Eine Verbesserung ist nur zu erreichen, wenn man das gesamte Einzugsgebiet der Schlei in den Blick nimmt. Wir brauchen flächenhaft wirksame Maßnahmen zur Nährstoffreduzierung.

(Ministerpräsident Daniel Günther)

Über 75 % der Flächen um die Schlei herum werden landwirtschaftlich genutzt, überwiegend durch Ackerbau. Die Einträge durch Stickstoff liegen im Bereich der Koselauer Au doppelt so hoch wie erlaubt, und in der Füsinger Au - das sind die beiden Auen, die in die Schlei entwässern - immer noch weit höher als erlaubt. Phosphat wird in der Füsinger Au im Übrigen in 14-facher Höhe als erlaubt eingeleitet. Ich sage noch einmal - das ist auch dem Schlei-Bericht zu entnehmen -: Wir haben hier eine gewaltige Aufgabe vor uns. Sie zu bewältigen, kann nur gemeinsam gelingen.

Das Grundprinzip der Arbeit der Lokalen Aktionen heißt Kooperation. Das ist das Stichwort für die Modellregion Schlei: gemeinsam etwas vor Ort schaffen, das Landnutzung und Schutz von Umwelt verbindet. Die Bereitschaft der Landwirte ist vorhanden. Ich habe noch letzte Woche mit Mitarbeitern der Lokalen Aktion telefoniert. Mir wurde noch einmal bestätigt, was schon die Autoren des Schlei-Programms immer wieder formuliert haben: Es gibt Gespräche vor Ort. Man ist auf einem gutem Weg. - Was wir brauchen, sind passende Maßnahmen, die gemeinsam entwickelt werden müssen.

Wie das gelingen kann, zeigt beispielhaft die Lokale Aktion in der Eide-Treene-Sorge-Niederung mit KUNO. Das Bündnis aus Naturschützern, Landwirten, Kommunen und Verbänden ist dort seit 2008 tätig und hat das Ziel, einvernehmlich Projekte zu entwickeln, um die Artenvielfalt in der Kulturlandschaft zu fördern, die Landwirtschaft maßgeblich an dieser Arbeit zu beteiligen und vor allem für diese Arbeit zu honorieren.

Die Diskussionen über die Art und Weise unserer Landwirtschaft, die wir aktuell sehr intensiv führen, zeigen sehr deutlich, ein „Weiter so“ kann es nicht geben. Ein „Weiter so“ macht unsere Ökosysteme kaputt. Das halten auch die Landwirtinnen und Landwirte ökonomisch nicht durch.

Wir brauchen endlich eine echte Agrarwende. Dazu müssen die EU-Subventionen vom Kopf auf die Füße gestellt werden und Leistungen für das Gemeinwohl auskömmlich bezahlt werden.

Gewässer- und bodenschonende, vielfältige Landwirtschaft ist der einzige Ausweg aus diesem Dilemma. In der Modellregion Schlei kann dies gebündelt ausprobiert werden. Darüber freue ich mich ganz besonders.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte zum Schluss auf den Änderungsantrag eingehen, den die Kolleginnen und Kollegen von