Klar ist, dass wir auch in Hamburg um Verständnis dafür werben müssen, dass wir als gastfreundliches Tourismusland den Tagestourismus für eine ganze Zeit unterbinden müssen. Ich füge ganz ernsthaft hinzu: Mich freut weder das Denunziantentum einiger hier noch die Arroganz einiger dort. Uns liegt bei allem daran, dass wir mit unseren Nachbarn und Freunden in Norddeutschland so eng wie möglich kooperieren - vor und nach der Krise.
Ich freue mich aber, dass viele unserer Hinweise und Vorschläge aufgegriffen werden, so zum Beispiel bei der Erstattung der Kita-Gebühren oder der Beiträge für die Schulbetreuung an die Eltern, die durch ihren Einsatz erheblich dazu beitragen, die Krise zu meistern.
- Herr Kollege Vogt, das Gleiche gilt insbesondere für das Programm für Betriebe mit mehr als zehn Mitarbeitern, die nicht zum großen Verlierer der Krise werden durften. Bei all dem bin ich froh, dass Lösungen möglich sind. Wir haben sie vorgeschlagen.
Ich bedanke mich beim Ministerpräsident stellvertretend für die Ministerinnen und Minister, die in vielen Fällen schnell und unbürokratisch auf die vielen kleineren und größeren Hinweise der Abgeordneten meiner Fraktion reagiert haben.
Stolz bin ich im Übrigen auf meine Kolleginnen und Kollegen der SPD-Landtagsfraktion, die - überwiegend vom Homeoffice aus - unermüdlich und mit ganz großem Einsatz bei Anliegen aus ihren Wahlkreisen oder in ihrem fachlichen Zuständigkeitsbereich an der Lösung praktischer Probleme ganz normaler Bürgerinnen und Bürger gearbeitet haben. Ich bin sicher, dass dies eine Gemeinsamkeit der demokratischen Fraktionen in diesem Hause ist.
Herr Landtagspräsident, ich will nicht versäumen zu erwähnen: Auch die Zusammenarbeit im Ältestenrat unter den demokratischen Parteien ist im Augenblick vorbildlich, und dafür möchte ich mich bedanken.
Worauf kommt es in der nächsten Zeit an? - Eine breite Akzeptanz für die einschneidenden Maßnahmen bleibt der entscheidende Faktor. Das gilt für Familien, Ältere, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ebenso wie für die Wirtschaft im Lande. Daher braucht es bei einer Reihe von Punkten schnelle, plausible und verbindliche Antworten, die auch gut erklärt und kommuniziert werden müssen. So ist es heute. Die Öffnung oder Schließung von Geschäften im Einzelhandel muss nachvollziehbar sein und sich am konkreten Ansteckungsrisiko und nicht an Quadratmeterzahlen orientieren. Ansonsten wird es nicht nur politisch, sondern auch rechtlich schwierig.
Andauernde Einschränkungen, die insbesondere Familien treffen, müssen wegen ihrer einschneidenden Folgen besonders gründlich geprüft werden. Bei Weitem nicht jede Familie in Schleswig-Holstein wohnt in einem geräumigen Einfamilienhaus mit großem Garten. Wir freuen uns, wenn zumindest bei den Tierparks unsere Anregung aufgenommen wurde. Ich weiß gar nicht, was dagegen sprechen sollte, sie mit entsprechenden Abstandsregeln zu öffnen.
Wir verstehen aber nicht, wo das Problem mit den Kinderspielplätzen liegen soll. Gerade unter freiem Himmel lassen sich die Abstandsregelungen viel besser umsetzen als drinnen.
Es müssen übrigens Eltern dabei sein, die nicht auf ihr Handy gucken, rauchen oder sich mit anderen unterhalten, sondern darauf gucken, dass es vernünftig passiert. Das tun die meisten auch.
Abstandsregelungen sind auch in unserer so gebeutelten Gastronomie möglich. Diese braucht eine baldige Perspektive.
Schulen dürfen nicht alleingelassen werden, sondern brauchen schon vor Anfang Mai genaue Handreichungen zum Umgang mit der Pandemie. Wir müssen eine Situation vermeiden, bei der ab der kommenden Woche Lehrerinnen und Lehrer vor Schülerinnen und Schülern stehen und unsicher sind, wie sie sich verhalten sollen. Es geht in vielen Bereichen nicht nur um Erlasse und juristische Regelungen, sondern um praktische Handreichungen für die Verantwortlichen vor Ort - vom Schulbus bis zur Hygiene in der Schule.
Die Öffnung von Kitas muss gründlich vorbereitet werden, auch weil wir wissen, dass ein großer Teil der Beschäftigten selbst zur Risikogruppe gehört. Die Ausweitung der Notfallbetreuung ist begrüßenswert. Sie kann aber im Interesse der betroffenen Familien nur ein allererster Schritt sein.
Was die Studierenden betrifft, deren Minijob wegfällt, müssen noch praktischere Hilfen als zinslose Kredite erfolgen können. Arbeitsschutz wird in vielen anderen Bereichen eine entscheidende Frage sein: Wie können Beschäftigte in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, im ÖPNV, Beschäftigte mit viel Kundenverkehr oder an Stellen mit viel Kundenkontakt noch besser geschützt werden? - Das ist die Verantwortung der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sowie des Staates, gerade auch, was das Zur-Verfügung-Stellen von Schutzkleidung und die organisatorischen Regelungen für notwendige Abstandsregeln betrifft. Ganz besonders gilt das für alle, die hochwertige Schutzmasken im Gesundheitsbereich und anderswo dringend benötigen.
Beim einfachen Mund- und Nasenschutz ist es leichter. Aber auch hier müssen genügend Masken vorhanden sein, wenn wir wollen, dass diese im ÖPNV und Einzelhandel flächendeckend getragen werden.
Die Gefahr durch Corona darf nicht dazu führen, dass wir die Gefahr durch Isolation und Einsamkeit aus den Augen verlieren. Es gibt bedrückende Situationen in Heimen, wo ältere Menschen aus Verzweiflung an die Wände klopfen, weil sie ihre Angehörigen vermissen und darunter zu leiden haben. Das gibt es auch in Behinderteneinrichtungen.
Ja, es gibt auch viele positive Beispiele wie das der Lehrerin in Kiel, die einmal wöchentlich im Innenhof für die Bewohner des Altenheims singt. Es gibt auch andere beglückende Beispiele im Land. Wir alle aber wissen: Für ganz viele Menschen im Land sieht die Realität ganz anders aus. Die dürfen wir nicht vergessen, um die müssen wir uns kümmern, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Deshalb brauchen wir sehr bald Antworten für Menschen, nicht nur in Altenpflegeheimen, sondern auch in Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen. Auch hier benötigen die Verantwortlichen vor Ort plausible und verständliche Vorgaben, damit der ohnehin herausfordernde Arbeitsalltag nicht weiter erschwert wird, Besuchsregelungen verbessert und gleichzeitig die Risiken nicht vergrößert werden. Ich weiß, wie schwierig es ist, beides in ei
nem Satz zu formulieren, und trotzdem müssen wir beides tun. Es sind Menschen, über die wir reden, es sind unsere Eltern und Großeltern, von denen wir sprechen.
Das ist nur ein kleiner Teil der Herausforderungen, vor denen wir stehen. Es gilt, was immer gilt: Politik muss auf der Grundlage von Fakten entscheiden und ist gut beraten, dabei die Einschätzungen von Expertinnen und Experten zu berücksichtigen. Wohin eine Politik führt, die das komplett ignoriert, sehen wir gegenwärtig in den Vereinigten Staaten von Amerika.
Am Ende aber haben auch Experten unterschiedliche Meinungen, und es ist die Politik, die Entscheidungen fällen und vertreten muss. Diese Verantwortung kann uns niemand abnehmen, und das ist auch gut so. Dafür gibt es demokratisch gewählte Parlamente und Regierungen.
Im Übrigen füge ich hinzu: Der Sinn aller Politik besteht nicht darin, dass wir als Politiker uns gut fühlen, sondern darin, dass wir auch in diesen Zeiten mit Belastungen für die einen und vorsichtigen Entlastungen für die anderen das Leben der Menschen besser machen, wo immer wir es können.
Kluge Forscherinnen und Forscher werden in hoffentlich nicht allzu ferner Zukunft ein medizinisches Heilmittel gegen das Virus finden. Das beste Heilmittel gegen die Folgen der Krise haben wir bereits selbst: Zusammenhalt und Solidarität sind das Gebot der Stunde. Es gilt auf allen Ebenen, politisch wie privat, in der Nachbarschaft, indem man nicht nur an sich selbst denkt, sondern Rücksicht auf andere nimmt, sich im Zweifel einmal mehr erkundigt, ob Unterstützung benötigt wird, oder einfach anpackt. Es gilt auch gesellschaftlich, indem wir nicht in Denkmuster verfallen, die auf die Isolierung eines Teils der Bevölkerung setzen. Das können wir nicht tun. Im Gegenteil: Gerade jetzt müssen wir überlegen, wie wir Menschen, die wegen ihres Alters oder ihrer besonderen Risiken besonders betroffen sind, bestmöglich unterstützen können. Es gilt auch auf europäischer Ebene, wo unsere Partner keine markigen Sprüche brauchen, sondern Hilfe und Solidarität.
Zu glauben, jeder könne für sich am besten aus der Krise herauskommen, wäre ein fataler Fehler. Nationalismus, fiskalpolitische Hartherzigkeit und Belehrungen gegenüber unseren südeuropäischen Nachbarn waren schon in der Finanzkrise falsch, und sie sind es auch heute. Das sage ich auch als
Am vergangenen Wochenende hat der Herr Bundespräsident eine bemerkenswerte Ansprache gehalten: Die Coronapandemie sei eine Prüfung für die Menschlichkeit, die das Schlechteste, aber auch das Beste in den Menschen hervorrufe. Da liegt Frank-Walter Steinmeier genau richtig: Während die einen auf dringend benötigte Hilfe warten, ergaunern sich andere unberechtigte Unterstützung. Während die einen uneigennützig helfen, versuchen andere, aus der Not einen Reibach zu machen oder Desinfektionsmittel zu klauen. Zum Glück überwiegen die guten und ermutigenden Beispiele. Dafür sollten wir dankbar sein.
Viele reden in diesen Tagen davon, zur Normalität zurückzukehren. Das gilt auch für die einschneidenden Eingriffe in Bürgerrechte durch exekutives Handeln. Hier muss das Parlament baldmöglichst mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit die Notwendigkeit dieser Maßnahmen überprüfen. Ich muss übrigens sagen: Da muss auch wieder Zeit für ordentliche Ausschussberatungen sein, und Fragen und Nachfragen müssen mit vernünftigem zeitlichen Aufwand beantwortet werden.
Ich bin mir sicher, dass die Zeit nach der Krise mehr bieten muss als eine Rückkehr zur bisherigen Normalität. Wie unter einem Brennglas zeigt die Coronapandemie, dass bestimmte Denkmuster in unserer Gesellschaft nicht zukunftsfähig sind. Es ist für kaum jemanden ein Problem, wenn das iPhoneLadekabel in China produziert wird, denn darauf kann man im Zweifel verzichten. Es wird aber für viele zu einem Problem, wenn Schutzmasken quasi ausschließlich in China produziert werden und in der Krise auf Effizienz getrimmte Lieferketten kollabieren. Darauf kann im Zweifel niemand verzichten. Medikamente kosten weniger, wenn sie in Niedriglohnländern produziert werden, aber es ist falsch.
Die Pandemie zeigt uns, dass es am Ende mehr braucht als einen Schönwetterstaat, in dem die Dinge funktionieren, solange die Sonne scheint. Ein starkes und öffentliches Gesundheitssystem ist kein Nice-to-have, sondern rettet im Zweifelsfall Leben.
Ich hoffe sehr, dass so manche Debatte über Privatisierung und Ökonomisierung nach den Erfahrungen, die wir gerade machen, der Vergangenheit angehören wird. Die gleiche Leopoldina-Akademie, die jetzt bedenkenswerte Vorschläge gemacht hat, hat noch vor Kurzem die Schließung vieler unrentabler Krankenhäuser empfohlen, was zum Glück nicht umgesetzt wurde.
Ich wünsche mir auch, dass wir den Begriff „systemrelevant“ neu definieren. Zu oft wurden Banken damit gemeint, fast nie jedoch die Kassiererin im Supermarkt um die Ecke, der Pfleger im Krankenhaus, die Angestellte im ambulanten Dienst, der Lkw-Fahrer oder die Reinigungskraft, die nach dem Feierabend der meist besser bezahlten Kollegen die Türklinken im Büro desinfiziert. Ich hoffe sehr, dass sich ein Umdenken nicht nur in der Wertschätzung für diese Berufe niederschlagen wird. Lob, Applaus und Einmalzahlungen sind okay. Notwendig sind aber bessere Entlohnung und strukturell verbesserte Arbeitsbedingungen. Verdient sind die schon lang.
Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Wir alle bekommen in diesen Tagen Zuschriften von Menschen, die den Sinn der Einschränkungen bezweifeln, die fragen, ob in Anbetracht der vergleichsweise geringen Zahl der Opfer in Deutschland die Maßnahmen verhältnismäßig seien, die Klagen anstrengen gegen das, was wir tun. Das stellt uns vor ein Problem, denn wir wissen nicht mit Sicherheit, wie die Situation wäre, wenn wir nicht so gehandelt hätten.
Wir werden den Vorwurf darum nie ganz entkräften können. Wir können aber mit diesem Vorwurf sehr viel besser leben, als wenn wir in Kiel, Lübeck oder Flensburg Zustände gehabt hätten wie in Bergamo, Barcelona, Straßburg oder dieser Tage in New York. Meine sehr verehrten Damen und Herren, daran sollten wir uns immer erinnern, wenn wir das gemeinsam tun, was getan werden muss. - Vielen herzlichen Dank.