Protokoll der Sitzung vom 17.06.2020

Das Land hat hierfür 75 Millionen € zur Verfügung gestellt. Wir haben zudem Maßnahmen ergriffen, um die Notbetreuung in den Kitas im Land so gut wie möglich sicherzustellen und auch die gute Betreuungslandschaft finanziell zu unterstützen. So werden wir die Kita-Betriebskostenfinanzierung an die Kreise und kreisfreien Städte vollständig auskehren, auch wenn die Leistungen durch die Träger nicht in vollem Umfang erfüllt werden konnten.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auch betonen, dass es wegen des Engagements und der Kreativität vieler Kita-Leitungen und aller Fachkräfte im Land gelungen ist, den Notbetrieb und seine Ausweitung bis hin zum Regelbetrieb zu organisieren. Ich will deswegen die Gelegenheit nutzen, mich auch bei allen Trägern, bei den Verbänden, allen Leitungen und Fachkräften für ihren Einsatz für die Kinder und Familien in Schleswig-Holstein während dieser Pandemie von Herzen zu bedanken.

(Beifall FDP, SSW, vereinzelt CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mir ist bewusst, dass viele Entscheidungen, wahrscheinlich sogar die meisten Entscheidungen dieser Landesregierung und insbesondere des Gesundheitsministeriums vielen sehr viel abverlangt haben. Die gute Nachricht für alle Kinder und alle Familien ist, dass wir bereits seit einigen Wochen in den Kitas und Schulen Schritt für Schritt zur Normalität zurückkehren. Wir werden bereits ab dem 22. Juni, also noch vor Beginn der Sommerferien, in den Kitas in den Regelbetrieb übergehen können. Das ist für Eltern, aber auch für die Kinder ein wichtiges Signal nicht nur bezüglich der Verlässlichkeit, sondern auch dahin gehend, dass endlich wieder der Anspruch auf frühkindliche Bildung erfüllt werden kann. Als eines der ersten Bundesländer hat Schleswig-Holstein auch die Schulen wieder geöffnet.

Auch das war für viele Familien bereits eine spürbare Entlastung.

(Vereinzelter Beifall FDP, CDU und BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Bereich der frühkindlichen Bildung ging es uns sehr frühzeitig darum, eine rechtzeitige Perspektive für Öffnungen zu bieten. Mit dem Vier-Phasen-Modell ist uns das gelungen. Dieser Fahrplan hat allen Beteiligten aufgezeigt, in welchen Schritten wir zur Normalität in den Einrichtungen zurückkehren können. Wir mussten dabei gleichermaßen die Ziele des Infektionsschutzes, die Bedarfe von Eltern, Kindeswohlaspekte, Bildungsgerechtigkeit und den gesundheitlichen Schutz der Beschäftigten berücksichtigen. Dieses Modell haben wir ebenfalls in die Abstimmungen zwischen Bund und Ländern eingebracht, und es ist nun der Gestaltungsrahmen für alle Länder. Schleswig-Holstein ist hier, und darauf bin ich ein bisschen stolz, vorweggegangen und hat über die Grenzen des Bundeslandes hinaus maßgeblich am Prozess der Öffnung der Kitas mitgewirkt.

Lassen Sie mich an der Stelle auch den Kolleginnen und Kollegen auf Ministerebene und der Bundesfamilienministerin danken. Auch in der Krise war über sämtliche Parteigrenzen hinweg - die Orientierung am Sachziel und am Notwendigen Maßstab und nicht politisches oder parteipolitisches Kleinklein.

(Beifall Dennys Bornhöft [FDP] und Jette Waldinger-Thiering [SSW])

Meine sehr geehrten Damen und Herren, selbstverständlich haben wir den Kita-Bereich auch in unserer regionalen Teststrategie berücksichtigt. Wer allerdings das Familienpaket aus Schleswig-Holstein darauf reduziert, an dem ist unbemerkt vorbeigegangen, was wir ansonsten für die Familien auf den Weg gebracht haben.

Ich will an dieser Stelle abschließend sagen: Ich bin selbstverständlich auch dem Bund ausgesprochen dankbar, dass er entschlossen gehandelt und den Familien unter die Arme gegriffen hat. Zum Leid der Unionskolleginnen und -kollegen hören Sie ja selten Lob über die Große Koalition. An dieser Stelle sage ich: Es war richtig, die Bezugsdauer für die Entschädigungszahlung bei Verdienstausfall durch die notwendige Betreuung von Kindern aufgrund behördlich angeordneter Betretungsverbote in den Kitas und Schulen pro Elternteil von sechs auf zehn Wochen – also maximal auf 20 Wochen und bei Alleinerziehenden auf 20 Wochen auszu

(Minister Dr. Heiner Garg)

weiten. Außerdem ist der Kinderzuschlag in einen Notfall-Kinderzuschlag umgewandelt worden. Die Beantragung von Grundsicherungsleistungen ist vereinfacht worden, und das Elterngeld ist für Eltern angepasst worden, die in systemrelevanten Berufen arbeiten. Eltern, die Kindergeld beziehen, erhalten zudem einen Bonus von 300 € für jedes Kind.

Auch diese Maßnahmen des Bundes - ich will das ausdrücklich sagen - sind richtig, denn es muss darum gehen, dass Familien auch finanziell ordentlich durch diese Krise kommen. Dafür haben sich der Bund und die Länder eingesetzt. Schleswig-Holstein war bei diesen Maßnahmen an Bord und hat sie mit unterstützt, liebe Frau Abgeordnete Midyatli. Ich freue mich darüber, dass es gelungen ist, dieses Paket zu beschließen. Es ist ein gutes Paket für die Familien in Schleswig-Holstein. - Herzlichen Dank Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall FDP, CDU, vereinzelt BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall Jette Waldin- ger-Thiering [SSW])

Der Minister hat die Redezeit um 3 Minuten erweitert. Ich sehe aber nicht, dass davon jemand Gebrauch machen will. - Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, schließe ich die Beratung.

Wir kommen zur Abstimmung. Ich lasse zuerst über den Antrag der Fraktion der AfD, Drucksache 19/2218, abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? - Dann ist dieser Antrag gegen die Stimmen der AfD-Fraktion und der Abgeordneten von Sayn-Wittgenstein abgelehnt worden.

Wir kommen dann zur Abstimmung über den Alternativantrag der Fraktion der SPD, Drucksache 19/2259. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Das sehe ich nicht. Dann ist dieser Antrag gegen die Stimmen von SPD und SSW abgelehnt worden.

Ich lasse dann über den Antrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, Drucksache 19/2221, abstimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Dann ist dieser Antrag mit den Stimmen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP, AfD und der Abgeordneten von Sayn-Wittgenstein gegen die Stimmen der SPD bei Enthaltung des SSW so angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 17 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften

Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/2243

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Grundsatzberatung und erteile für die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Abgeordneten Ines Strehlau das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn so viele Fraktionsnamen auf einem Antrag stehen, heißt das, dass wir eine große Einigkeit haben. Ich freue mich, dass das bei diesem Thema so ist; denn wir bringen heute einen Gesetzentwurf ein, mit dem kommunalpolitische Beschlüsse auch unter Coronabedingungen gefasst werden. Wir stärken unter anderem die digitalen Beteiligungsmöglichkeiten und schaffen Rechtssicherheit für die Finanzierung von eigenen digitalen Endgeräten von Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern.

Corona hat auch die kommunalpolitische Arbeit kalt erwischt. Von einem Tag auf den anderen gab es Kontaktbeschränkungen und Betretungsverbote von öffentlichen Gebäuden, was die Kommunalpolitik erst einmal ziemlich zum Erliegen gebracht hat.

Das Innenministerium hat schnell reagiert und klarstellende Erlasse an die Kommunen herausgegeben. Es wurde empfohlen, Sitzungen abzusagen beziehungsweise ihre Zahl auf das unbedingt notwendige Maß zu reduzieren. Gleichzeitig wurde klargestellt, dass Kommunalpolitik von den Kontaktbeschränkungen ausgenommen war. Sitzungen durften - allerdings unter den geltenden strikten Hygieneauflagen - stattfinden. Aber vor allem das Infektionsrisiko hielt die Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker verständlicherweise davon ab, sich in Präsenzsitzungen zu treffen.

Sitzungen per Video- oder Telefonkonferenz konnten stattfinden, allerdings nur als Beratungssitzung. Beschlüsse durften nicht gefasst werden. Das lässt die Gemeindeordnung bisher nicht zu. Und das war das Problem.

(Minister Dr. Heiner Garg)

Deshalb haben wir Grüne uns auf die Suche nach Gesetzentwürfen gemacht, von denen wir lernen können, und sind in Baden-Württemberg fündig geworden. Dort war gerade ein Gesetz zu digitalen Abstimmungen verabschiedet worden. Dieses Gesetz haben wir in der Jamaika-Koalition weiterentwickelt.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Meine Damen und Herren, man sagt, Krisen seien die Zeit der Exekutive. Dazu scheinen sich auch einige Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Landrätinnen und Landräte sowie Amtsdirektorinnen und Amtsdirektoren gezählt zu haben. Sie legten ihr Recht, Eilentscheidungen zu treffen, zum Teil eher großzügig aus.

Die Bereitschaft der Verwaltungen, zumindest Video- oder Telefonkonferenzen zur Beratung durchzuführen, war sehr durchwachsen. Es gibt Kommunen, die das vorbildlich organisiert haben und so die Selbstverwaltung in die Entscheidungen einbezogen haben. Aber es gibt auch Kommunen, in denen Fraktionen darum kämpfen mussten, dass Videooder Telefonkonferenzen stattfinden.

Das Innenministerium hatte zwar klargestellt, dass Eilentscheidungen von Verwaltungsleitungen nur getroffen werden dürfen, wenn sonst ein schwerer, praktisch nicht wiedergutzumachender Schaden entsteht und eine Sitzung der Gemeindevertretung nicht möglich ist. Aber es gab durchaus Fälle, in denen die notwendigen vorherigen Absprachen mit den Fraktionen nicht wirklich gelungen waren.

So wollte ein Bürgermeister per Eilentscheidung den Haushalt beschließen, ohne ernsthaft zu versuchen, eine Sitzung der Gemeindevertretung stattfinden zu lassen. Die vorliegenden Änderungsanträge sollten auch unberücksichtigt bleiben.

Oder, da keine Ausschusssitzung stattfand, wurde eine Baugenehmigung nach § 34 Baugesetzbuch ohne Information an die Politik erteilt, obwohl sich der B-Plan in Aufstellung befand. Es konnte kein Veto eingebracht werden, und es konnten keine Bedingungen zum Beispiel für Klima- und Naturschutz festgelegt werden.

Bei vielen Themen gab es aber auch keine Entscheidung. Das führte in Kommunen zu Verzögerungen in wichtigen Bereichen der Daseinsvorsorge. So konnte über Bebauungspläne - zum Beispiel für Kitas - nicht entschieden werden.

Dies alles zeigt: Die Gemeindeordnung muss angepasst werden. Es muss in Ausnahmezeiten die

Möglichkeit geben, auch Sitzungen mit Beschlüssen digital stattfinden zu lassen. Diese Möglichkeit schaffen wir mit unserem Gesetzentwurf. Dabei setzen wir auf Freiwilligkeit. Ich bin sicher, dass viele Kommunen die Chance nutzen werden, Sitzungen per Video- oder zur Not als Telefonkonferenz stattfinden zu lassen.

ITVSH und Dataport sind dabei, ein Programm für die Kommunen zu entwickeln, das auch die Öffentlichkeit der Sitzungen herstellt. Einwohnerinnen und Einwohner können dann zum Beispiel über PC oder Telefon die Sitzung verfolgen. Die Öffentlichkeit der Sitzungen muss auch digital gewährleistet werden. Natürlich können die Kommunen auch Programme anderer Anbieter nutzen, wenn die datenschutzrechtlichen Bedingungen erfüllt werden.

Wie geht es jetzt weiter? - Wir werden über die Sommerpause die Anhörung zum Gesetzentwurf durchführen. Da die kommunalen Landesverbände den Gesetzentwurf ausdrücklich unterstützen, können wir zügig danach entscheiden. Nach der Sommerpause haben wir dann unsere Kommunalordnungen einen Schritt weiter in die digitale Zukunft gebracht. - Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und FDP)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Kai Dolgner.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist meine tiefe demokratische Überzeugung, dass Demokratie auch im Krisenfall funktionsfähig bleiben muss. Dazu gehört selbstverständlich auch die kommunale Selbstverwaltung, auch wenn diese übrigens, Frau Kollegin, ebenfalls zur Exekutive gehört. Deshalb war es auch richtig und wichtig, dass der Innenminister schnell klargestellt hatte, dass sich die Kontaktbeschränkungen selbstverständlich nicht auf die kommunale Selbstverwaltung beziehen können. Es ist eine unserer Grundfesten, dass auch in Krisenzeiten die demokratische Legitimationskette nicht unterbrochen wird. Und das ist auch gut so.

Auf der anderen Seite sind unsere gewählten kommunalen Vertreterinnen und Vertreter zu einer Sitzungsteilnahme auch verpflichtet, was insofern problematisch ist, als sich viele ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger mit erhöhtem Risiko für unsere Kommunalparlamente zur Verfügung gestellt haben

(Ines Strehlau)

und dort einen größeren Anteil haben dürften als in der allgemeinen Bevölkerung.

Mit der schon seit den 90er-Jahren entwickelten Videokonferenzlösung - die erste wurde 1993 auf der CeBIT vorgestellt - gibt es die technischen Voraussetzungen schon länger, um dieses Problem zu lösen.

In meinem Kreis wurde mein nicht mehr ganz so jugendlicher Leichtsinn durch die Verwaltungsjuristen jäh ausgebremst, die mich darauf aufmerksam machten, dass dazu leider eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage fehlen würde. Also baten wir am 13. Mai die Landesregierung, uns im Innen- und Rechtsausschuss zu dem Thema zu berichten.

Da viele Bedenken hatten, den Kommunen irgendwelche Lösungen überzustülpen, bat ich das Innenministerium um eine Formulierungshilfe, dass die Kommunen das Ob und Wie im Rahmen der kommunalverfassungsrechtlichen Grundlagen in der Hauptsatzung selbst bestimmen können. Das hat den Vorteil, dass man kommunale Selbstverwaltung hat, und über die Genehmigungspflicht der Hauptsatzung bei der Kommunalaufsicht hat man noch eine kleine Kontrolle über eventuell überbordende Kreativität in der kommunalen Selbstverwaltung; so etwas gibt es ja auch manchmal.

Drei Wochen später lag die Formulierungshilfe auf dem Tisch, wofür ich mich ausdrücklich bei Herrn von Riegen - der ist leider nicht hier; deshalb sollte man meinen Dank an ihn weitergeben - und bei seinem hervorragenden Team bedanken möchte.