Dazu wird es auch weitere Gespräche geben. Ich kann zumindest für meine Fraktion sagen, dass wir hierzu weitere Vorschläge erarbeiten und uns in jedem Fall an den Diskussionen beteiligen werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, trotz allem hoffe ich, dass der Notfall nicht eintritt. Also, bleiben Sie alle gesund.
(Beifall SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und Doris Fürstin von Sayn- Wittgenstein [fraktionslos])
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung und schlage vor, über den Antrag in der Sache abzustimmen. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich sehe, das ist einstimmig so beschlossen.
Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW Drucksache 19/2430
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Wer von Ihnen kann sich an den 11. März 2011 erinnern?
Kein Grund zur Freude, aber ein Datum, das bei uns allen sichtlich Spuren hinterlassen hat, auch in der politischen Entscheidung.
Die zweite Frage - die geht ganz besonders an meine geschätzten Kolleginnen und Kollegen der Grünen-Fraktion -: Hätten Sie, hättet ihr damit gerechnet, dass wir nach diesem schrecklichen Ereignis am 11. März 2011 tatsächlich so weitreichende Entscheidungen zum Thema Atomausstieg treffen? Diese Frage beantworte ich gleich lieber selbst. Ihr hättet es nicht erwartet. Trotzdem ist es Wirklichkeit geworden.
Damit beschäftigen wir uns heute in einem geeinten Antrag, und für diesen geeinten Antrag möchte ich mich bedanken, nicht nur bei meinen Koalitionskollegen, sondern natürlich auch ganz besonders bei
der SPD-Fraktion und bei den Abgeordneten des SSW. Es geht um die Endlagersuche in Deutschland. Das ist ein klarer gesellschaftlicher Auftrag. Es gibt eine Bundesgesellschaft für Endlagerung, eine Gesellschaft zur Suche von Endlagern. Auf Bundesebene ist beschlossen worden, dass das mit finanziellen Mitteln hinterlegt und ein sogenannter Endlagerfonds mit einer Gesamtsumme von bisher 24 Milliarden € eingerichtet wird. Unter der Verantwortung des Bundesumweltministeriums ist von 2012 bis 2014 erarbeitet worden, in welcher Form nun vorgegangen werden soll.
Es gibt zwei Zweige. Ich beschränke mich auf den Zweig für die Endlagersuchgesellschaft für hochradioaktive und radioaktive Stoffe. Sie wissen um die Geschichte von Salzgitter, Schacht Konrad, oder von der Asse-GmbH - die mit den Fässern, die dort im Wasser schwimmen und wieder geborgen werden müssen. Insofern hat die Erfahrung gezeigt, dass die Standortauswahl in Deutschland nicht so einfach werden wird.
Im sogenannten Standortauswahlgesetz aus dem Jahr 2017 hat sich Deutschland dazu bekannt, dass das, was es an Problemen mit radioaktiven Stoffen gibt, tatsächlich in einem Endlager auf eigenem Hoheitsgebiet in Deutschland geklärt und gelöst werden soll. Das heißt: Wir sind alle gemeinsam verpflichtet, Verantwortung zu übernehmen und auf deutschem Gebiet dementsprechend Möglichkeiten zu erarbeiten, um ein Endlager für den sicheren Einschluss dieser radioaktiven Stoffe zu finden.
Es gibt einige Grundvoraussetzungen. Herr Studt, ehemals Innenminister, SPD, hat uns dankenswerterweise zweimal aufklären können, zum einen in einer öffentlichen Veranstaltung hier im Landtag und zum anderen im Umwelt- und Agrarausschuss. Das war ein ganz hervorragender Vortrag. Herr Studt hat uns dargestellt, dass es einige Grundvoraussetzungen gibt. Ein Endlager muss aus heutiger Sicht für eine Million Jahre sicher sein. Die Rückholbarkeit der dort eingelagerten radioaktiven Stoffe muss gegeben sein. Tiefengeologisch muss das Gestein, der Ton oder das Salzgestein, geeignet und eine Bergbarkeit, eine Nutzbarkeit der dortigen Lager für mindestens 500 Jahre gegeben sein. Das ist die Grundvoraussetzung, um auf deutschem Gebiet ohne Vorurteile in einer Planungsphase 1 die Gebiete, die geeignet sein könnten, abzustecken.
Der Zwischenbericht vom 28. September 2020, also vor gut vier Wochen, hat ergeben, dass 54 % der Bundesfläche - nach dieser ersten Findungsphase auf einem weißen Blatt Papier als Landkarte - dafür geeignet wären. Der Aufschrei ist zu Recht in der
Bevölkerung groß: Warum wir? Warum nicht die anderen? Keiner möchte ein Endlager vor der Tür oder bei sich in der Region haben. Aber dieser erste Schritt ist notwendig, damit man weiß, auf welche Gebiete man sich konzentrieren kann.
In einem zweiten Schritt wird der Standort mit den Regionen bestimmt, eingebunden mit Öffentlichkeitsarbeit. Die übertägige Betrachtungsweise wird dort einziehen, und die Öffentlichkeit wird eingebunden. Das erfolgt in mehreren Veranstaltungen vor Ort. Berücksichtigt werden immer die Infrastruktur, die Bevölkerungsdichte, die Abstände zu Gewässern, Oberflächengewässern und so weiter.
In einer dritten Phase geht das ganze Verfahren in eine untertägige Betrachtung, und das wird gefühlt noch mindestens 15 Jahre dauern, bis wir dorthin kommen.
Grundsatz ist immer in Phase 1: Geologie geht vor Geografie. Das habe ich beschrieben. Die geografischen Datensätze, die heute aus Bergbauämtern oder in den Statistiken der Umweltämter vorliegen, werden dazu herangezogen. In den beiden weiteren Phasen wird dementsprechend gearbeitet.
Oberste Priorität muss haben, dass wir vorurteilsfrei an das Verfahren herangehen. Das bekunden wir mit unserem Antrag. Ein Standort mit höchstmöglicher Sicherheit für die Endlagersuche muss gefunden werden. Der politische Auftrag ist klar, und die Verantwortung übernehmen wir gemeinsam. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Standortsuche für ein Endlager für hochaktiven Atommüll ist aus mehreren Gründen schwierig. Auf der einen Seite ist es verständlich, dass niemand gerne so ein Atommülllager, ein Endlager vor der
eigenen Haustür haben möchte. Auf der anderen Seite können wir den Müll auch nicht einfach „wegreden“. Wir können die atomare, energetische Vergangenheit nicht ausblenden, wir können sie nicht vergessen machen. Wir werden die Herausforderung der sicheren Lagerung der radioaktiven Stoffe gesamtgesellschaftlich lösen müssen.
Bei der aktuellen Debatte um den frei gemessenen Bauschutt aus den AKW sehen wir deutlich, wie brisant dieses Thema ist. Deshalb sind wir alle darauf angewiesen, dass die Standortsuche nicht nach politischen Mehrheiten erfolgt. Wir suchen den Standort, der am sichersten ist und geologisch die besten Voraussetzungen bietet.
Vor über 40 Jahren wurde Gorleben als Endlager politisch bestimmt. Wir alle kennen die Kämpfe, die daraufhin folgten. Nun wurde Gorleben sogar von der Liste der infrage kommenden Regionen gestrichen. Das sollte uns eine Lehre sein.
2013 wurde ein faires und transparentes Verfahren beschlossen. Wir folgen dem sogenannten Standortauswahlgesetz für eine wissenschaftsbasierte und nachvollziehbare Standortauswahl. Für uns zählen Wissenschaft, Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Beteiligung. Die Debatte soll ergebnisoffen geführt werden. Wenn wir im Verfahren merken, dass wir auf dem falschen Weg sind, brauchen wir den Mut, zu korrigieren und wieder einen Schritt zurückzugehen.
Die Herausforderungen sind groß. Eine Million Jahre muss das radioaktive Material sicher verwahrt bleiben. Es müssen geologische Untersuchungen im Untergrund getätigt werden. Wir müssen schauen, wie die Grundwasservorkommen sind, wir müssen schauen, wie einstige Kohleabbauregionen und Ballungsräume berücksichtigt werden. Es müssen alle möglichen Auswirkungen des Klimawandels in die Überlegungen einbezogen werden. Ein Endlager in Gebieten mit Überflutungsgefahr muss ausgeschlossen werden.
Wichtig ist auch: Im Standortwahlgesetz ist zu Recht eine nationale Verantwortung bei der Entsorgung des Atommülls verankert.
Es ist richtig, dass wir uns von unserem Entsorgungsproblem nicht einfach freikaufen können. All jenen, die heute wieder zur Atomkraft zurück wollen, sollte die Debatte um die Endlagersuche eine Warnung sein.
Es gibt keine verantwortungsvolle Alternative zur Energiewende. Grundsätzlich sind 74 % der Landesfläche Deutschlands geologisch geeignet und werden in die Endlagersuche einbezogen. Das verdeutlicht die gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die hinter diesem Projekt steht. Nur mit Transparenz und einem offenen Verfahren können wir auf die Akzeptanz der Bevölkerung hoffen.
Es werden sich noch viele Fragen ergeben, Sorgen gehört und Einwände bedacht, bevor der Bundestag im Jahr 2031 über ein Endlager beschließen wird. Deshalb ist eine öffentliche Darstellung und Erklärung der Gründe unbedingt notwendig. Wir benötigen einen sicheren Lagerort für 1 Million Jahre und nicht nur bis zum Ende einer Legislaturperiode.
Doch von Solidarität und gemeinsamer Verantwortung scheint die bayerische Staatsregierung nicht viel zu halten. Sie wählt das politische Wünsch-dirwas und die bequemste Lösung - Hauptsache, Bayern muss keine Verantwortung tragen. Im bayerischen Koalitionsvertrag steht:
„Wir denken beim Schutz unserer Heimat über Generationen hinaus. Wir sind überzeugt, dass Bayern kein geeigneter Standort für ein Atomendlager ist.“
So kann es nicht laufen. Wer wie die Bayern von der Atomkraft profitiert hat, muss jetzt auch Verantwortung übernehmen. Die bayerische Aluminiumindustrie hat von dem Atomstrom profitiert. Sie müssen sich der Verantwortung stellen.