Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die zweite Welle der Coronapandemie fordert weite Teile Europas und zunehmend auch Deutschlands erheblich heraus. In Schleswig-Holstein stehen wir Dank des klugen und entschlossenen Handels der Regierung und auch vieler Bürgerinnen und Bürger immer noch deutlich besser da als die allermeisten anderen Regionen in Deutsch
land und Europa, aber auch bei uns gibt es dringenden Handlungsbedarf. Es war allen Realisten unter uns immer klar, dass die Infektionszahlen im Herbst wieder ansteigen würden, wenn die Temperaturen sinken und wir wieder mehr drinnen sind.
Die Zahlen steigen aber viel zu schnell an und sind zu früh zu hoch. Es geht mittlerweile leider wieder darum, ob die Krankenhauskapazität, vor allem die Anzahl der Intensivbetten, auch in einigen Wochen noch ausreichen werden, ob wir katastrophale Zustände verhindern können, wie wir sie in einigen Ländern sehen mussten: in Italien, in Frankreich, jetzt beispielsweise auch in Belgien. Das wollen wir unbedingt verhindern. Wir sollten auch offen und ehrlich kommunizieren, dass dies jetzt unser Problem ist. Deswegen sollten wir den Bürgerinnen und Bürgern keine Angst machen, aber sehr deutlich über die Lage aufklären und darüber, wie problematisch sich die Lage auswirken könnte.
Auch bei uns steigen die Zahlen von Infizierten erheblich an, und die Einschläge kommen sozusagen spürbar näher. Teilweise merkt man das auch im persönlichen Umfeld. Wir kennen wieder oder erstmals Menschen, die erkrankt sind. Das war im Frühjahr zumindest in Schleswig-Holstein zeitweise nicht der Fall.
Der Altersdurchschnitt der Infizierten steigt, was besonders problematisch ist. Der großen Dynamik beim Infektionsgeschehen müssen wir wirksam begegnen. Wir müssen jetzt dringend auf die Bremse treten. Kollege Koch, ich sehe es ein bisschen anders als Sie. Zumindest bei uns kann man noch nicht davon sprechen - hoffentlich kommt das auch nicht -, dass die Pandemie außer Kontrolle geraten ist. Genau das müssen wir jetzt verhindern. Das ist der entscheidende Punkt.
Entscheidend für das Brechen der Welle ist, dass wir alle die nicht wirklich notwendigen sozialen Kontakte für eine gewisse Zeit wieder deutlich zurückfahren. Das ist schmerzhaft. Wir plädieren seit Monaten für Maßnahmen, die möglichst zielgenau, verhältnismäßig, logisch und rechtssicher sind. Das ist offen gestanden keine einfache Übung, aber das muss die Richtschnur unseres Handelns sein.
Ich kann und will es am heutigen Tage nicht verhehlen: Einen erneuten Lockdown wollten wir unbedingt verhindern.
Ich habe das am Dienstag auch sehr deutlich gesagt: „Einen Lockdown verhindert man nicht, indem man diesen verhängt“, wie es damals bereits einige deutlich vorgeschlagen hatten.
Wir hatten bereits Anfang der Woche Maßnahmen für Schleswig-Holstein beschlossen und verkündet, was der Oppositionsführer kritisiert hat. Damit ist zumindest deutlich geworden, was wir in dieser Phase gemacht hätten, wenn wir nicht bundesweit handeln würden.
Normalerweise freut sich eine Opposition über Transparenz. Sie haben jetzt die zu große Transparenz, die wir teilweise walten lassen, kritisiert. Das kann man machen.
Auf Bundesebene hat man nun einen teilweisen Lockdown verhängt. Unsere Maßnahmen wurden schon als hart wahrgenommen - auch in den eigenen Reihen. Was jetzt kommt, ist noch deutlich härter. Eine bundesweite Abstimmung - um das deutlich zu sagen - halten wir für erforderlich, aber es hätte durchaus andere, differenziertere Möglichkeiten für eine klare bundesweite Aktion gegeben, zum Beispiel mit einem erneuten Stufenmodell, das regionale Unterschiede im Infektionsgeschehen angemessener berücksichtigt und zum Beispiel Hotels und Gaststätten zumindest aktuell im Norden noch verschont hätte.
Ich sage das ganz offen, denn es macht keinen Sinn, dass ich das verhehle. Wir müssen sehen, dass wir in vielen Bereichen - leider nicht in allen - klüger sind, mehr über das Virus, die Virusausbreitung gelernt haben als im Frühjahr.
Viele Gastronomen, viele Hotel- und Pensionsbesitzer haben sich wirklich vorbildlich verhalten, übrigens auch aus eigenem Interesse heraus.
Menschen haben mir gesagt: Ich habe doch kein Interesse daran, dass mein Restaurant, mein Hotel irgendwann als Negativbeispiel in der Zeitung auftaucht. - Beim Beherbergungsverbot wurde teilweise gesagt: „Guck doch einmal nach Timmendorfer Strand“. - Ja, man sollte einmal genauer hinschauen. Es war Personal, das das Virus eingetragen hat. Man hat sehr schnell und besonnen reagiert. Das finde ich wirklich vorbildlich. Das zeigt, dass die
Reaktion funktioniert hat. Das muss man auch einmal deutlich sagen. Das ist kein Negativbeispiel, sondern ein Positivbeispiel.
Alle Experten sagen uns eigentlich, dass die Pandemiebekämpfung trotz der Lichtblicke beispielsweise bei der Entwicklung von Impfstoffen ein Marathonlauf bleiben wird. Deshalb ist ein zweiter Lockdown wirklich hart. Viele Menschen, darunter auch ich, hatten gehofft, dass dies nicht notwendig sein würde. In der dunklen Jahreszeit ist das natürlich auch noch etwas anderes als im Frühjahr, als wir noch Glück mit dem Wetter hatten, als man sich draußen aufhalten konnte.
Besonders wichtig ist uns, dass Schulen und Kitas dieses Mal geöffnet bleiben sollen. Das ist von elementarer Bedeutung für die Kinder und Jugendlichen und natürlich auch ihre Eltern. Die jungen Familien haben im Frühjahr die Hauptlast des Lockdowns getragen. Das sollten wir nicht vergessen.
Auch der Einzelhandel - abseits des Lebensmitteleinzelhandels - soll unter Auflagen geöffnet bleiben. Das finden wir richtig. Wir sollten auch verschiedene Fehler aus dem Frühjahr vermeiden. Das sind vermeintlich kleine Stellen. Das wurde eben teilweise schon angesprochen. Für viele Menschen ist das enorm wichtig.
Ich meine zum Beispiel die Beerdigungen. Ich habe gerade gestern aus meinem Familienkreis erfahren, dass jemand gestorben ist. Eine Beerdigung mit zehn Leuten ist wirklich schwierig, weil Kinder und Enkelkinder nicht dabei sein können. Deswegen sollten wir dort anders reagieren. Wir sollten bei den Geburten anders reagieren, die Väter sollten dabei sein können. Wir sollten auch an die einsamen Menschen im Heim denken. Ich denke, das ist mittlerweile Konsens. Das sollten wir beachten.
Zutiefst verärgert mich die Tatsache, dass die sehr harte bundesweite Reaktion letztlich die Folgen vieler Versäumnisse der letzten Monate ist. Man hat gestern auch eine Chance verpasst. Ich meine die privaten Feierlichkeiten, die Zusammenkünfte und so weiter. Ich muss ganz ehrlich sagen: Viele Bundesländer haben in den letzten Monaten - ich bin froh, dass wir nicht dazugehören -, teilweise bis zuletzt Veranstaltungen und Feiern zugelassen, die
Tobias Koch und andere haben die Infektionszahlen in den verschiedenen Regionen Deutschland angesprochen. Am Anfang, in den Frühjahrsferien konnte man auf die Ischgl-Heimkehrer, auf die Hamburger verweisen. Das war am Anfang teilweise Glück beziehungsweise ein Stück weit Zufall. Die Entwicklung in den letzten Monaten aber ist - obwohl mancher versucht, den Eindruck zu erwecken - kein Zufall. Das hat ganz klar mit den Dingen zu tun, die wir beschlossen und durchgesetzt haben. Das muss man ganz klar sagen.
Wenn ausgerechnet in Berlin-Mitte mit mehreren 100 Leuten Partys stattfinden, die noch genehmigt waren, wenn ich sehe, dass in Sachsen ein Kulturfestival stattfindet, ohne Mundschutz, dicht an dicht, das einen Monat lang laufen sollte, wenn ich sehe, dass in Stadien um die 10.000 Menschen sind, dann muss ich ganz ehrlich sagen: Da hat man verantwortungslos gehandelt. Dafür habe ich kein Verständnis. Es ist mehr als ärgerlich, dass wir das jetzt ausbaden müssen.
Ich bin auch froh darüber, dass wir in SchleswigHolstein ein wirklich kluges Veranstaltungskonzept entwickelt haben, Matthias Badenhop und Heiner Garg. Ich hoffe, Daniel Günther, dass unser Veranstaltungskonzept für Schleswig-Holstein in den nächsten Monaten eine Blaupause für den Bund insgesamt ist. Man sollte sich vielleicht eine Scheibe davon abschneiden und daraus lernen. Das sage ich, ohne arrogant wirken zu wollen.
Wir haben gestern in der FDP-Fraktion sehr intensiv darüber beraten, wie wir mit diesem bundesweiten Paket umgehen. Wir saßen bei der Ministerpräsidentenkonferenz nicht mit am Tisch. Wir hatten nur kurzzeitig einen Ministerpräsidenten; ich will das nicht wieder hervorholen. Wir haben teils erhebliche inhaltliche und rechtliche Bedenken. Damit sind wir offenkundig nicht allein, nicht nur hier in diesem Haus, sondern auch unter Experten, auch namhaften Virologen, wie wir auch gestern Abend und heute Morgen gehört haben. Das sollte man offen ansprechen.
tung für unser Land. Das ist der einzige Grund. Ich sage es aber auch ganz deutlich: Das fällt uns alles andere als leicht.
Die Vorbereitung der Ministerpräsidentenkonferenz durch die Bundesregierung war kein Ruhmesblatt, um es freundlich auszudrücken. Ich gehe davon aus und hoffe sehr, dass das, wenn wir das trotz erheblicher Bauchschmerzen aus Verantwortung für unser Land mittragen, bundesweit umgesetzt wird. Ansonsten macht das keinen Sinn, und dann war es das letzte Mal, dass man so eine Aktion gemacht hat. Dann bringt das nämlich nichts.
Ich hoffe sehr, dass man die Rechtssicherheit des bundesweiten touristischen Beherbergungsverbots, das es nun tatsächlich ist, genau geprüft hat.
Gestern Mittag war noch nicht klar, welche Ausgleichszahlungen es für die Betroffenen geben soll. Betroffen sind ja tatsächlich auch Kulturbetriebe und weitere. Eka von Kalben hat es zu Recht angesprochen.
Die Bundesregierung ist jetzt in der Pflicht, schnellstmöglich - ich sage: in den nächsten Tagen dafür zu sorgen, dass die versprochenen Hilfen für Unternehmen, Selbstständige, Vereine und Einrichtungen schnell und unbürokratisch fließen können und Klarheit darüber herrscht, dass das Geld auch ankommt.
Es darf nicht zu unnötigen Liquiditätsproblemen kommen. Die Abwicklung muss sehr schnell geklärt werden. Es geht um sehr viele wirtschaftliche Existenzen in unserem Land.