Protokoll der Sitzung vom 29.10.2020

Wir müssen alles tun, damit wir unser Gesundheitssystem nicht auf eine volle Belastungsprobe stellen. Eine normale Belastungsprobe ist für unser Gesundheitssystem schon ganz schwer. Aber jetzt geht es darum, unser Gesundheitssystem vor einer absoluten Belastung oder gar noch darüber hinaus zu schützen.

Ich möchte nur zwei Aussagen besonders herausheben. Ich finde es gut, dass Sie gesagt haben, dass wir die Vereinsamung in jedem Fall vermeiden müssen. Ich möchte auch darum bitten, alles zu tun, damit wir zu 100 % genug Schutzkleidung haben, falls die Lage noch schwieriger werden sollte. Das

(Dr. Kai Dolgner)

war ein weiterer zentraler Punkt, der damals als das größte Problem angesehen worden ist.

Ich gehöre zu denen, die eines intern schon mehrfach klar gesagt haben, und auch jetzt sage ich es deutlich: Ich finde, dass der Grad der Abwägung von Verhältnismäßigkeit und Grundrechten, Gott sei Dank, in den letzten Wochen zugenommen hat und inzwischen eine vernünftige Gewichtung bekommt. Das hatte ich zuvor ein Stück weit vermisst. Dieses möchte ich hier als eine erfreuliche Entwicklung einmal hervorgehoben haben.

Ein letzter Punkt: Natürlich ist das Parlament zentraler Ort von Entscheidungen. Ich will nicht wiederholen, was wir im Juni 2020 diskutiert haben, was wir alle in den Ausschüssen bereits seit März 2020 beraten, diskutiert und begleitet haben. Es trifft einfach nicht zu, dass das nicht geschehen sei. Ich möchte sowohl dem Herrn Ministerpräsidenten als auch dem Herrn Oppositionsführer ausdrücklich dafür danken, dass beide betont haben, dass an dem Prozess auch das Parlament verantwortlich beteiligt ist.

Ich schlage vor, dass wir die Mitte der vor uns liegenden vier Wochen dazu nutzen, uns von der Regierung darüber informieren zu lassen, wie sich die Sachlage dann darstellt, auch bundesweit, Ursachen, alles. Ohne zu wissen, was noch kommen würde, hatten wir im Ausschuss bereits am Donnerstag mit den ersten Überlegungen begonnen. Wenn wir nach zwei Wochen einen Zwischenbericht bekommen, dann können wir auch als Parlament sagen, was aus unserer Sicht an weiteren Entscheidungen getroffen werden muss. Ich glaube, das wäre ein hilfreiches Vorgehen für die nächsten vier Wochen. Dieses wollte ich Ihnen gern vorschlagen.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und vereinzelt SPD)

Ich glaube, jetzt habe ich keine Wortmeldung mehr übersehen. - Das scheint der Fall zu sein. Damit erkläre ich den Tagesordnungspunkt Regierungserklärung für beendet.

Nach Verständigung im Ältestenrat erfolgt die Abstimmung zu b), „Für Schleswig-Holstein - In der Krise halten wir zusammen!“, Antrag der Fraktionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten des SSW in der Drucksache 19/2492 und zum Alternativantrag des Abgeordneten Jörg Nobis und der Abgeordneten der AfD

in der Drucksache 19/2534, morgen im Rahmen der Haushaltsberatungen.

Nach Verständigung unter den Parlamentarischen Geschäftsführern erfolgt auch die Abstimmung zu c), „Corona-Pandemie wirksam eindämmen“, Antrag der Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP in der Drucksache 19/2506, zu einem späteren Zeitpunkt.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 31 und 33 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Bericht zur Lage an den Schulen im CoronaHerbst

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/2486

b) Pädagogische Bewältigung des Corona-Winters

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 19/2488

Wie ich sehe, wird das Wort zur Begründung nicht gewünscht.

Mit dem Antrag zu a) wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse zunächst darüber abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung gegeben werden soll. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Ich sehe, das ist einstimmig so beschlossen.

Für die Berichterstattung zu a) erteile ich dann für die Landesregierung der Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Karin Prien, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Jetzt ist die Stunde gekommen, in der wir zeigen müssen, dass es uns ernst ist mit der Aussage, dass Bildung Priorität hat, dass es eben keine Sonntagsreden waren, sondern dass es wirklich darum geht, die Schulen so lange wie möglich offen zu halten.

Jeder Tag, an dem unsere Schulen Präsenzunterricht für möglichst viele Schülerinnen und Schüler leisten, ist ein guter Tag. Ich will das auch begründen: Es ist ein guter Tag für unsere Schülerinnen und Schüler und für ihre Familien, und es ist ein guter Tag für die Bekämpfung der Pandemie. Denn die Daten, die wir, aber auch alle anderen Bundesländer inzwischen haben, auch die Bundesländer, die ein

(Werner Kalinka)

deutlich höheres Infektionsgeschehen haben, zeigen, dass der Anteil der Infizierten innerhalb von Schulen signifikant niedriger ist als der Anteil der Infizierten außerhalb der Schulen. Vor allem aber das ist noch viel wichtiger -: Die Ansteckung erfolgt deutlich seltener an Schulen als außerhalb von Schulen. Deshalb bleibe ich dabei: Schulen sind ein verhältnismäßig sicherer Ort.

An Schulen, meine Damen und Herren, gelingt übrigens auch die Nachverfolgung der Infektionsketten besser als außerhalb von Schulen. Auch das ist ein Beleg dafür, dass an den Schulen vorbildlich dokumentiert wird, dass die Hygieneregeln konsequent eingehalten werden. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle bei den Schulleitungen und bei den Lehrkräften ausdrücklich bedanken.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Dieser positive Befund gilt übrigens insbesondere für unsere Grundschulen, die in einem deutlich geringeren Maße als die weiterführenden Schulen von Infektionen an Schulen betroffen sind. Nur 18 % der Beeinträchtigungen an Schulen - damit meine ich, dass einzelne Kohorten oft einen oder zwei Tage wegen Verdachtsfällen oder auch einmal wegen eines positiven Falles nach Hause geschickt werden müssen - betreffen Grundschulen, obwohl 50 % unserer Schulen Grundschulen sind.

Aber, meine Damen und Herren, das heißt natürlich nicht, dass wir das Infektionsgeschehen an den Schulen nicht sehr genau und Tag für Tag beobachten müssen. Das tun wir in sehr enger Abstimmung mit den Gesundheitsbehörden, den Gesundheitsämtern und den Schulämtern. Wir werden natürlich auch diese Zahlen, von denen ich Ihnen jetzt berichtet habe, zusammen mit anderen Bundesländern noch einmal einer wissenschaftlichen Studie unterziehen. Wir haben gerade heute Morgen in der KMK entschieden, dass wir das so tun wollen.

Aber schon jetzt können wir sagen - das war ja die Frage, und diese Frage wurde zu Recht auch öffentlich diskutiert -: Der Corona-Regelbetrieb in Kohorten hat sich bewährt, meine Damen und Herren. Wir machen das in Schleswig-Holstein nun seit Anfang Juni 2020 und das hat sich bewährt. Darüber hinaus bieten die Kohorten an Schulen gerade in den Jahrgängen 1 bis 6 eine Sicherheit, die insbesondere im privaten Bereich bei Treffen von Schülerinnen und Schülern eben nicht gewährleistet werden kann.

Unsere Kinder und Jugendlichen brauchen gerade in dieser schwierigen Situation, gerade auch - der

Herr Oppositionsführer hat es angesprochen - im kommenden Herbst und Winter, die Normalität des Schulalltags. Sie brauchen das soziale Miteinander, und sie brauchen ihre Freundinnen und Freunde zumindest an den Vormittagen und den ganzen Tag über an den Schulen.

Wir müssen auch die psychosozialen Auswirkungen dieser Krise, gerade mit Blick auf die junge Generation, mit bedenken und immer im Blick haben.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Ich will nicht zu pathetisch werden, aber Kinder und Jugendliche sind im März 2020 über Nacht zu Zeitzeuginnen und Zeitzeugen eines Ausnahmezustands geworden. Nicht in allen Familien können Eltern ihre Kinder in dieser Situation emotional auffangen. Vor allem diese Kinder brauchen die Präsenz in Schulen.

Wir müssen jetzt in der kritischen Pandemiephase den Empfehlungen aller großen Forschungsgesellschaften nach noch in dieser Woche entsprechend weitere Schutzmaßnahmen treffen. Denn auch die Schulen sind sich ihrer Verantwortung gerade in den nächsten Wochen sehr bewusst und tragen ihren Teil zu den gesellschaftlichen Maßnahmen der Pandemiebekämpfung bei. Wir werden deshalb an weiterführenden Schulen die Maskenpflicht für die nächsten Wochen konsequent fortsetzen. Sie wird uns helfen, unsere Schulen bestmöglich zu schützen und den Präsenzunterricht für alle Schülerinnen und Schüler solange wie möglich zu gewährleisten.

Meine Damen und Herren, Sie wissen, ich bin selbst Mutter, und das prägt auch mein politisches Handeln. Deshalb fällt es mir schwer, und es ist mir schwergefallen, über die Frage der Maskenpflicht an Grundschulen zu entscheiden. Wir müssen hier besonders sorgsam zwischen dem Gesundheitsschutz und dem, was wir gerade den jüngeren Kindern abverlangen können, abwägen. Wir haben aber nach dieser Abwägung und in enger Abstimmung mit den Gesundheitsbehörden entschieden, dass wir befristet und erst ab einer Inzidenz von 50 auch für Grundschüler eine Maskenpflicht im Unterricht anordnen werden. Wir werden diese Maßnahme besonders eng überwachen und überprüfen. Weitere Ausnahmeregelungen haben wir vorgesehen. Auch hier gilt, meine Damen und Herren, diese Maßnahme ist im Verhältnis immer noch das mildere Mittel im Vergleich zu Schulschließungen oder anderen Maßnahmen, an die man in diesem Zusammenhang denken könnte.

(Ministerin Karin Prien)

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Mit dieser Maskenpflicht, aber auch mit unserem Hygieneprogramm schützen wir die Gesundheit von Schülerinnen und Schülern und - das möchte ich betonen - von Lehrkräften. Die Landesregierung stellt den Schulträgern einen Betrag von knapp 15 Millionen € zur Verfügung. Die Anträge werden inzwischen umfangreich gestellt. Gegenstand der Antragstellung sind in erster Linie Maßnahmen, die ganz konkret über die Beschaffung die Lehrkräfte schützen.

Meine Damen und Herren, wir alle, auch die Schülerinnen und Schüler und ihre Eltern, haben es selbst in der Hand, den schulischen Alltag solange wie möglich zu schützen. Das bedeutet aber auch, und das will ich an dieser Stelle heute deutlich sagen: Es geht jetzt unter anderem darum, Freizeitaktivitäten einzuschränken. Ich appelliere an alle Schülerinnen und Schüler, an ihre Familien, an Schulleitungen und Lehrkräfte: Bitte vermeiden auch Sie in den nächsten Wochen jeden verzichtbaren Kontakt, der über den Schulbetrieb hinausgeht.

Wie schon im Rahmenkonzept vorgesehen, das wir Ende Juni 2020 veröffentlicht haben, bereiten sich die Schulen intensiv darauf vor, auch bei einem massiven Anstieg der Infektionszahlen punktuell und regional in das Distanzlernen oder in ein Wechselmodell zu gehen. Auch deshalb treiben wir - und darüber haben wir im Bildungsausschuss gesprochen - intensiv auf allen Feldern den Ausbau der Digitalisierung mit aller Macht, mir sehr viel Geld und sehr viel zusätzlichen Ressourcen voran.

Bei einer Befragung des Ministeriums an 380 repräsentativ ausgewählten Schulen, die allerdings auch schon aus Mitte September 2020 stammt - Sie wissen, dass in ein paar Wochen momentan sehr viel passiert -, haben drei Viertel aller befragten Schulen schon erklärt, dass sie verbindliche Kommunikationswege vereinbart haben. Zwei Drittel aller Befragten haben dazu digitale Kommunikationswege vorbereitet und wollen diese im Präsenzunterricht erproben oder haben sie bereits erprobt. Mehr als die Hälfte der befragten Schulen verfügt bereits über Absprachen zur Bewertung von Unterrichtsbeiträgen in der Distanz. Das ist der Stand von Mitte September, und da hat sich inzwischen viel getan. Unsere Schulaufsichten, die wir gerade zu diesem Zweck verstärkt haben, sind seitdem hinterher, dass die Personen, die sich mit diesen Fragen schwerer tun, in den Stand versetzt werden, diese Leistungen dann zu erbringen, wenn sie gebraucht werden.

Dafür, meine Damen und Herren, stellen wir ihnen die notwendigen personellen Ressourcen zur Verfügung. Es geht darum, die Schulen überall dort, wo sie es in dieser Pandemie brauchen, zu unterstützen, damit sie auch die Mehrarbeit, die sie jetzt leisten müssen - und an den Schulen wird sehr viel mehr gearbeitet - leisten können.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und Beate Raudies [SPD])

Es geht nicht nur darum, fehlende Lehrkräfte zu ersetzen, auch wenn das Ganze über das Vertretungsbudget abgerechnet wird. Es geht darum, dass Schulen Konzepte besser erarbeiten können, dass es besser koordiniert werden kann. Es geht darum, dass es Entlastungen bei den Pausenaufsichten oder im Klassenraum gibt. In all diesen Situationen können unsere Mittel eingesetzt werden, und die Schulen machen davon erfreulicherweise inzwischen umfangreich Gebrauch.

Lassen Sie mich angesichts der Antragslage, die wir heute haben, einen Satz deutlich sagen: Der Spielraum, den wir Schulen und Lehrkräften damit verschaffen, ist von großer Bedeutung für die pädagogische Bewältigung der Pandemie, und das nicht nur im Winter. Denn, und das betone ich, Lehrkräfte gestalten den Unterricht nach dem Schulgesetz in eigener pädagogischer Verantwortung.

Sie brauchen kein Ministerium, das ihnen haarklein vorschreibt, welche Unterrichtsthemen sie an welchem Tag zu behandeln haben oder etwa pädagogische Vorgaben zur Einführung von Tages- und Wochenplänen macht.

(Beifall Dr. Frank Brodehl [fraktionslos])

Im Übrigen darf ich zu diesem Thema betonen: Gerade Tages- und Wochenpläne helfen eben nicht denjenigen, die besonders intensive Unterstützung brauchen, denn gerade die kommen damit nicht gut zurecht.

Lehrkräfte, meine Damen und Herren, sind akademisch gut ausgebildete Expertinnen und Experten, die eine sehr anspruchsvolle Tätigkeit eigenverantwortlich durchführen. Das ist uns allen eingängig mit Blick auf die Schulschließung bewusst geworden.