Im Übrigen hat sich einiges geändert, seit wir das letzte Mal diese Debatte geführt haben. Daran will ich an der Stelle schon erinnern: Wir haben in Schleswig-Holstein dramatisch gestiegene Asylzugangszahlen. Das ist hier in der Debatte ein bisschen zu kurz gekommen. Allein im Vergleich zum Vorjahreszeitraum haben wir über 90 Prozent mehr Menschen, die in unserem Land, in Schleswig-Holstein ankommen. Wir reden gleich beim nächsten Tagesordnungspunkt über die Unterbringungssituation. Ich will schon darauf hinweisen, dass die Situation auch in unseren Kommunen zunehmend schwierig wird. Das Schreiben der Oberbürgermeister, der Landrätinnen und Landräte, das wir bekommen haben, zeugt von dieser dramatischen Situation.
Ich will vorweg sagen: Das hat nichts mit fehlender Bereitschaft zu tun. Man muss bei jeder Gelegenheit betonen, wie viele Menschen sich in Schleswig-Holstein ehrenamtlich und hauptamtlich, wie sich unsere Kommunen wirklich mit großem Engagement, mit Hilfsbereitschaft dafür einsetzen, dass Menschen in unserem Land eine Bleibe finden. Das will ich an dieser Stelle vorweg setzen.
Diese Bereitschaft darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Kapazitäten endlich sind. 100 Flüchtlinge pro Tag sind es im Moment. Deswegen kann man sich ausrechnen: Bei der Zahl der gemeldeten Plätze in den Kommunen sind wir in vier bis fünf Wochen auch in Schleswig-Holstein in einer sehr, sehr schwierigen Lage.
Bei den enorm hohen Zahlen wird es absehbar problematisch werden, Aufnahme und Integration so sicherzustellen, wie es nach unseren humanitären Grundsätzen zwingend erforderlich ist.
Wir wollen Flüchtlinge nicht in Sporthallen unterbringen, weil wir wollen, dass da Sport gemacht wird.
Wir dürfen nicht daran vorbeireden, dass in solchen Zeiten natürlich Frust auf beiden Seiten entsteht: Frust bei den Menschen, die hier sind, aber ehrlich gesagt natürlich auch Frust bei den Menschen, die in unser Land kommen, wenn wir das nicht in der Art und Weise sicherstellen können. Deswegen will ich betonen, dass wir im Land alles tun, um unsere Kommunen zu unterstützen, dass Aminata Touré als zuständige Ministerin das macht. Wir haben unsere Finanzverantwortung im Land mit den Kommunen geklärt: Wer ist für was zuständig? Wir haben den Ausbau der Kapazitäten in den Erstaufnahmen zugesichert, an bestehenden Standorten, in Glückstadt 600 bis 800 Plätze, und ja: Wir haben die Ankündigungsfrist ein wenig herabgesetzt. Aber in Schleswig-Holstein haben wir zumindest solche Ankündigungsfristen. Wir sind weit besser als andere Bundesländer, weil wir unsere Hausaufgaben gemacht haben.
Das liegt in den Bereichen in der Verantwortung von Aminata Touré, und das macht sie auch in diesen herausfordernden Wochen außerordentlich stark.
immer gesagt, wir zeigten auf den Bund. Aber seien wir ehrlich: In der Frage liegt dort auch der entsprechende Schlüssel. Eine ungesteuerte Einwanderung überfordert unsere Gesellschaft. Natürlich ist es für uns alle miteinander unerträglich, zu sehen, wie viele Menschen Tag für Tag auf diesen Fluchtwegen sterben. Das zerreißt, glaube ich, das Herz eines jeden Menschen, auch hier in diesem Parlament, in dem wir sitzen. Es ist ein grausamer Spagat, vor dem die Europäische Union in diesen Bereichen steht. Wir werden aber Armutsmigration begrenzen müssen, damit wir unsere Kapazitäten in unserem Land auf diejenigen konzentrieren können, die wirklich verfolgt werden. Wir kommen nicht daran vorbei, dies an dieser Stelle wirklich auszusprechen.
Die Zeit drängt in den Bereichen. Deswegen sage ich auch zu den Anträgen zu Initiativen auf Bundesebene, die hier in den Landtag eingebracht worden sind: Unsere Konzentration wird in den Zeiten ehrlich gesagt eher darauf liegen, Verfahren zu vereinfachen, zu beschleunigen und zu gucken: Wie bekommen wir die Zahlen entsprechend begrenzt?
Deswegen kündige ich für die Landesregierung schon an, dass wir uns die Drei-plus-drei-Regelung, die im Juni ja nach hinten verlängert worden ist, noch einmal ansehen. Der Zeitraum wird für mobile Unterkünfte nicht reichen, weil es sich wirtschaftlich nicht lohnt. Das merkt man in jeder Kommune. Deswegen werden wir eine Bundesratsinitiative machen. Das sind die Stellschrauben, die wir von unserer Seite nutzen werden.
Deswegen sage ich zu dem Abstimmungsverhalten der Landesregierung: Die Bundesregierung hat ein Gesetz beschlossen, Georgien und die Republik Moldau entsprechend zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. Das ist auf der Grundlage einer Lagebeurteilung des Auswärtigen Amtes erfolgt. Das ist der Grund gewesen, dass wir als Landesregierung in diesem Einzelfall entschieden haben, dass wir an dieser Stelle auch im Bundesrat zustimmen werden. Ich sage es sehr deutlich: Immer dann, wenn von Bundesebene Gesetze beschlossen werden, wo es auf Bundesebene für richtig gehalten wird, dass entsprechend dieser Katalog der Herkunftsstaaten verändert wird, werden wir auf der Grundlage als Landesregierung jedes Mal genauso, wie es im Koalitionsvertrag geregelt ist, unser Abstimmungsverhalten festlegen. Daher ist es müßig, jetzt darüber
Ich sage an der Stelle: Es muss uns allen miteinander bewusst sein, was für eine enorme Herausforderung wir vor uns haben. Wir spüren doch das Auseinanderdriften der Gesellschaft – sicherlich in Schleswig-Holstein nicht so stark, wie es in anderen Bundesländern der Fall ist; aber das können wir doch nicht ignorieren.
Es ist unsere Aufgabe als Demokratinnen und Demokraten, den Menschen aufzuzeigen, dass wir bei diesem wichtigen Thema für die Zukunft unseres Landes in der Lage sind zu sagen, wie wir die Probleme konkret lösen. Das ist in diesen Zeiten unsere Aufgabe.
Deshalb möchte ich Sie nicht verschonen und – auch wenn wir bei solchen Debatten nicht immer nur über Geld sprechen sollten – darauf hinweisen, dass das natürlich auch etwas mit Geld zu tun hat. Weil der Schlüssel beim Bund liegt und er sozusagen Regelungen treffen kann, sage ich an der Stelle sehr, sehr klar: Bis heute ist sich der Bund bei diesem Thema immer noch nicht seiner finanziellen Verantwortung bewusst, seiner Verantwortung dafür, die Finanzierung sicherzustellen. Das muss ich leider an der Stelle so klar sagen, weil gestern immer wieder gesagt wurde, es gebe bestimmte Bereiche, wo sozusagen die Grünen dafür in Verantwortung seien, dass auf Bundesebene – aus Sicht der Oppositionsparteien – etwas nicht richtiggemacht werde. In diesem Fall sind es leider unser Bundeskanzler und auch unser Finanzminister. SPD und FDP haben hier eine besondere Verantwortung. Ich kann nur sagen: In allen Verhandlungen, die dort im Moment laufen, bewegt sich der Bund nicht einen einzigen Millimeter.
Nur damit allen klar ist, worum es geht: Wir hatten früher ein System, wo steigende Zahlen dazu geführt haben, dass sich der Bund stärker in die Verantwortung einbringt. Der Bund hat seine Verantwortung an der Stelle jetzt gedeckelt. Das heißt, mit den steigenden Zahlen und, weil jetzt nicht mehr so viele Menschen aus der Ukraine, bei denen der Bund sich mehr eingebracht hat, sondern aus anderen Ländern kommen, kommen wir in die Situation, dass der Bund uns – zulasten von Land und Kommunen – bei dem Thema finanziell im Regen stehen lässt.
Ich sage an der Stelle ganz klar: Wir werden diese Herausforderung finanziell mit allen Regelungen nur hinbekommen, wenn wir einen Schulter
schluss der Demokratinnen und Demokraten hinbekommen. Deshalb ist meine herzliche Bitte, dass Sie bei den Finanzfragen auch auf Ihre Bundesparteien Druck ausüben. Denn an der Stelle brauchen wir definitiv Unterstützung.
Wenn es gelingt, dass wir auf europäischer und auf Bundesebene kluge Wege finden, bin ich mir sicher, dass wir bei uns in Schleswig-Holstein mit dem, was wir aufgebaut haben und leisten können, mit den Menschen, die in unserem Land sind, diese Herausforderungen auch bewältigen können. Aber das geht nur gemeinsam. – Vielen Dank.
Die Landesregierung hat ihre Redezeit um fünfeinhalb Minuten erweitert. Diese Redezeit würde theoretisch auch allen Fraktionen zur Verfügung stehen.
Ich begrüße zunächst aber erst einmal herzlich eine neue Besuchergruppe, die Landfrauen aus Bredstedt-Reußenköge. – Herzlich willkommen im Schleswig-Holsteinischen Landtag!
Der SSW hat beantragt, seinen Alternativantrag in den Ausschuss zu überweisen. Oder geht es um beide Alternativanträge?
Okay. – Dann lasse ich zunächst darüber abstimmen. Wer der Ausschussüberweisung des Alternativantrags des SSW in der Drucksache 20/1435 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von SPD, FDP und SSW. Wer lehnt das ab? – Das sind die Fraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist die Ausschussüberweisung abgelehnt.
Wenn Sie es mir erlauben, machen wir weiter mit der Abstimmung. Ich lasse über den Alternativantrag der Fraktion des SSW, Drucksache 20/1435, in der Sache abstimmen. Wer dem zustimmen will,
den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von SPD und SSW. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP. Damit ist der Antrag mehrheitlich abgelehnt.
Ich lasse dann über den Antrag der Fraktion der FDP, Drucksache 20/1359 (neu), abstimmen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die FDP-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – Das sind alle anderen Fraktionen: CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW. Damit ist der Antrag der Fraktion der FDP abgelehnt.
Ich lasse nun über den Alternativantrag der Fraktionen von CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abstimmen; das ist die Drucksache 20/1412. Wer ihm zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Das sind die Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP. Wer stimmt dagegen? – Das sind die Fraktionen von SPD und SSW. Damit ist der Antrag angenommen. Wir sind mit diesem Tagesordnungspunkt fertig.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Mit dem Antrag wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich lasse zunächst darüber abstimmen, ob der Bericht in dieser Tagung gegeben werden soll. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Das ist einstimmig. Das war ein bisschen zögerlich, aber wohl doch einstimmig. Vorsichtshalber: Gibt es Gegenstimmen oder Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall.
Dann erteile ich das Wort für die Landesregierung der Ministerin für Soziales, Jugend, Familie, Senioren, Integration und Gleichstellung, Frau Ministerin Aminata Touré.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der Ministerpräsident hat es eben gerade dargestellt: Die Zahlen steigen. Sie steigen so rasant, dass das nicht nur bei uns in Schleswig-Holstein, sondern in der gesamten Bundesrepublik und in der Europäischen Union erneut