Lediglich 22,3 Prozent der Teilzeitbeschäftigten geben an, dass sie eigentlich eine Vollzeitstelle gesucht, jedoch keine gefunden haben. So viel zu der Mär, alles sei prekär und von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht so gewollt. Viele haben persönliche Gründe dafür, dass sie genau diese Beschäftigungsform für ihre Lebensverhältnisse suchen. Deshalb wäre es mir sehr lieb, wenn wir von diesen Pauschalurteilen wegkämen und uns mehr in sachliche Diskussionen hineinbegäben, vor allem genauer beleuchten würden, wie wir in diesem Land leben.
In ihrem Septemberheft hat die IHK getitelt: SaarKonjunktur gewinnt weiter an Breite. Die Konjunkturdaten sind so, dass man sagen kann: Es stabilisiert sich, je weiter das Jahr voranschreitet. Darüber sind wir froh, darauf sind wir stolz. Wir können stolz auf unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sein, die genau diese Leistung in unserem Land erbringen, die die Fähigkeit und die Flexibilität haben, mit ihren Unternehmen zusammen eine solche innovative wirtschaftliche Schlagkraft zu entwickeln. Ich denke, auch diesen Weg müssen wir weiterentwickeln. Ich freue mich auf die Diskussion mit Ihnen und hoffe, dass Sie uns auch in dieser Sache weiterhin unterstützen. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Wegner. - Das Wort hat nun zur Begründung des Antrags der SPD-Landtagsfraktion, Drucksache 14/276, Herr Abgeordneter Eugen Roth.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Kollege Wegner, ich freue mich im Prinzip über Diskussionen, aber den Sinn dieser Diskussion habe ich ehrlich gesagt bis jetzt nicht gefunden. Ein Stück weit bin ich mit mir selbst nicht zufrieden, weil wir dazu auch noch einen Antrag gebastelt haben. Jetzt wird - letztendlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit - über einen Antrag diskutiert, dessen Überschrift und Ende wie folgt lauten: „Wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Trend fortsetzen. Der Landtag des Saarlandes fordert die Landesregierung auf, den eingeschlagenen Weg weiter voranzuschreiten und die ergriffenen Maßnahmen zur Wiederbelebung der saarländischen Wirtschaft fortzuführen.“ Da stellt sich mir die Frage, was hier jetzt eigentlich überhaupt passiert. Ich sage es einmal so: Es sind nach meiner Beurteilung Anträge, die die Welt und das Saarland im Grunde genommen nicht brauchen.
Wenn man dennoch versucht, sich mit der Materie zu befassen, dann ist es in der Tat so, dass wir aufgrund verschiedener Bedingungen bis jetzt besser durch die Krise gekommen sind, als es ursprünglich prognostiziert wurde. Dabei wissen wir eher, dass die Krise noch nicht beendet ist. Also jetzt schon zu sagen, es sei vorbei, ist etwas vermessen. Ich will mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, nur zwei Personen zitieren -, nicht dass Sie meinen, ich hätte das allein so gesehen. Ich zitiere zum einen aus einer Pressemitteilung des EU-Wirtschaftskommissars Olli Rehn, der in der gestrigen Ausgabe der „Welt“ Folgendes gesagt hat: „Ich halte die großen Wachstumsunterschiede innerhalb der Europäischen Union für problematisch. Das macht mir seit meinem ersten Arbeitstag Sorge.“ Es geht also um eine konjunkturpolitische Frage: Welchen Stellenwert hat der übergroße Export von Deutschland? Ist er nicht eventuell für das wirtschaftliche Gleichgewicht schädlich? Kann er nicht zu Destabilisierungen führen, die uns am Ende einholen werden? Weiter sagt Herr Rehn: „Wir haben wieder festen Boden unter den Füßen, aber wir dürfen noch nicht wieder in die Hände klatschen. Wir müssen wachsam bleiben.“ Also nichts von Jubel; eher wird zur Vorsicht gemahnt.
Ich möchte - wiederum mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin - noch ein Zweites zitieren, das mir in diesem Zusammenhang wichtig ist. Es stammt aus dem Monatsmagazin „Mitbestimmung“, das, soviel ich weiß, alle Abgeordneten erhalten und von der Hans-Böckler-Stiftung herausgegeben wird. Es stehen manchmal sehr gute Artikel drin. Sie sind etwas länger als die von manchen Zeitschriften mit großen Buchstaben. Es gibt dort die Überschrift „Vor der Pleite - Wer rettet die Kommunen?“ - So viel zum Thema, wie gut es uns gehe und dass man so weitermachen solle.
Darüber hinaus möchte ich einen Artikel der Industriegewerkschaft Metall erwähnen, in dem steht, dass es sich bei den neuen Stellen oft um Leiharbeitjobs handele, die unsicher und schlecht bezahlt seien. Tatsächlich habe auch das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft im Juni 896.000 Zeitarbeitnehmer gezählt, was neuer Rekord sei. Demnach seien seit April 2009 mehr als 42.000 Leiharbeitsjobs entstanden. Viele der neu eingestellten Beschäftigten würden bereits zum dritten Mal ungerecht behandelt, so der zweite Vorsitzende der IG-Metall, Detlef Wenzel. Sie seien im letzten Aufschwung schlecht bezahlt worden, dann habe man sie rausgeschmissen und nun sollten sie erneut zu schlechten Bedingungen wieder ran.
Leider kann sich das Saarland dieser Entwicklung nicht entziehen. Kollege Wegner, Sie sagten einmal, ich sollte die Hefte der Arbeitskammer nicht so häufig in die Hand nehmen. Ich tue es aber trotzdem, weil sie die Arbeitsmarktstatistik etwas detaillierter analysieren als die Agentur der Regionaldirektion. Ich empfehle Seite 5 Ihrer Aufmerksamkeit. Dort ist das Thema Unterbeschäftigung erwähnt. Es werden die ganzen geförderten Jobs, Maßnahmen, die Kurzarbeit und so weiter erfasst. Anhand von Daten der Bundesagentur für Arbeit wird analysiert, dass wir mit Stand März 2010 eine Unterbeschäftigungsquote von insgesamt 61.288 Saarländerinnen und Saarländern hatten.
Das alles ist kein Pappenstiel. Das korrespondiert mit dem, was mit den Lebensälteren auf dem Arbeitsmarkt passiert. Hierzu haben der Handwerkskammerpräsident, ich in meiner anderen Funktion als DGB-Vorsitzender und der Vorgänger von Frau Kramp-Karrenbauer, Josef Hecken, ein Papier zur Förderung der Beschäftigung Lebensälterer unterschrieben. Leider ist es bei der Unterzeichnung geblieben. Unter dem Strich hat sich nichts getan, im Gegenteil hat sich die Langzeitarbeitslosigkeit, wie auch die Agentur für Arbeit festgestellt hat, bei den Arbeitsmarktfernen bei uns weiter verfestigt. Insbesondere bei den Lebensälteren - das beginnt ja ab etwa 50 Jahren, dazu würden dann auch sehr viele hier im Raum zählen - tut sich hinsichtlich der Arbeitsmarktperspektive, wenn sie einmal arbeitslos geworden sind, leider nicht viel. - Das alles setze ich in Beziehung zu den Aussagen, dass das Saarland so weitermachen solle. Diese Aussage halte ich für etwas gewagt.
Ich möchte einige weitere Aspekte ansprechen, die mir wichtig erscheinen. Eben ist von Bernd Wegner der Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer erwähnt worden. Ich bin einer, der nicht nur die Heftchen der Arbeitskammer liest, sondern auch sehr aufmerksam das Magazin der Industrieund Handelskammer „Wirtschaft im Saarland“. Dort sind sehr viele Informationen enthalten. Herr
Giersch hat dort für mich in einer offenen Form, wie ich sie bislang noch nicht gelesen hatte, die Frage der Eigenständigkeit des Saarlandes aufgeworfen. Dies geschah in seinem Artikel „An der Wegscheide -Eigenständigkeit oder Südweststaat“. Die Eigenständigkeit des Landes, wobei es von der Landesregierung immer heißt, man solle so weitermachen, alles sei gut, wird vom Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer öffentlich nachlesbar infrage gestellt. Er geht darauf ein, welche „Blut, Schweiß und Tränen“-Aktionen er eigentlich von der Landesregierung erwarten würde. Er schlägt etwas vor, sieht die Vorschläge aber nicht aufgenommen, weil man nicht auf seinen harten Kurs eingehen wolle. Das ist das Ganze von der Wirtschaftsseite her.
Ich will zweitens auch die Schuldenbremse und Gespräche erwähnen, die wir in anderen Funktionen miteinander führen. Vor nicht allzu langer Zeit hat mir der stellvertretende Ministerpräsident und Finanzminister Peter Jacoby gesagt, wir stünden vor einer epochalen Wende. Herr Jacoby, das habe ich mir gut gemerkt, denn das bedeutet, dass der Helm jetzt fester gebunden werden muss. Es wird so schwer, wie es noch nie war. So habe ich das Ganze für mich übersetzt. Wenn wir also in Runden gehen, in denen die Existenzfrage aufgeworfen wird, verstehe ich nicht, wie man einen solchen mehr oder minder inhaltsleeren Antrag vorlegen kann, in dem man sagt, die Landesregierung und das Saarland sollten so weitermachen. Ich glaube, wir alle werden parteiübergreifend Diskussionen zu führen haben, zu denen das, was wir im Moment haben und was wir uns um diese Uhrzeit antun, ein laues Lüftchen ist. Denn es wird noch ganz anders kommen.
Ich möchte auf einige Aspekte unseres Antrages eingehen, den wir am Ende doch gestellt haben. Zum einen gehen wir davon aus, dass die Landesregierung - und da scheint sich mittlerweile Besserung einzustellen - endlich auch wieder die klassischen Industrien als Motor des Landes ansieht. Der Wirtschaftsminister nickt, was ich mit gewisser Freude und Genugtuung sehe, denn es war nicht immer so. Zu gewissen Zeiten hieß es nur noch „Klick auf“ statt „Glück auf“. Jetzt kann man über „Glück auf“ mit Sicherheit noch diskutieren. Ich allerdings nicht, denn ich habe eine sehr feste Position. Für mich gibt es auch weiterhin noch „Glück auf“. Die andere Seite ist, dass es ein elementarer Fehler war, dies als Gegensatz aufzubauen. Es war ein elementarer Fehler, durch den dem Land bei der Wirtschafts- und Strukturpolitik viel Zeit verloren gegangen ist.
Wir hatten zeitweise enorme Wachstumsraten von rund 4 Prozent Bruttoinlandsprodukt. Peter Müller wurde damals Ministerpräsident des Jahres. Zu diesem Bruttoinlandsprodukt hat allein die saarländische Stahlindustrie 1,6 Prozent beigetragen. Es war
also die Montanindustrie, die hier geholfen hat. Wer hätte das vor kurzer Zeit noch gedacht? - Kein Mensch. Wir wissen nicht, ob Sie in diesem Punkt noch einmal schwanken oder stehen bleiben werden. Es muss aber auf jeden Fall dabei bleiben. Denn ohne diese Industrie haben wir garantiert keine Chance. Das gilt genauso für die Kraftwerke, die wir hier haben. Natürlich gibt es eine Debatte über die Energieversorgung. Natürlich gibt es eine Debatte, welche Alternativen zu den klassischen fossilen Energieträgern vorhanden sind. Es darf aber nicht passieren - ein Argument, das in der Steinkohle-Debatte auch immer zu kurz kam -, dass wir die industriellen Partner verlieren. Wenn sie verschreckt werden, weil sie glauben, der Standort sei für sie nicht mehr finanzierbar - wobei es immer nur um Geld geht -, und sie weg sind, dann ist es wirklich nicht so, dass vier andere an der Ecke stehen, um das Gleiche noch einmal zu tun. Ist die Industrie erst einmal weg, ist sie auch weg. Aus diesem Grund war das Verfahren bei der Steinkohle ein historischer Fehler. Die industriellen Partner DSK und Evonic Power werden nicht mehr draufsatteln. Wer glaubt, die Partner würden dies tun, ist nicht von dieser Welt. Auch dies muss also anders gehandhabt werden als in der Vergangenheit.
Olaf Scholz hat sich bei diesem Thema gemeinsam mit anderen sehr große Verdienste erworben. Das war zu Zeiten der Großen Koalition. Scholz war ein Minister, der mit exzellenter Fachkenntnis aufwarten konnte. Er war bis ins Detail informiert. So konnte er gewisse Dinge vorantreiben, von denen manch anderer nicht einmal wusste, dass man sie machen kann. Ich bitte, dies zu berücksichtigen. Bei uns im Saarland war es so, dass wir von der Kurzarbeit erheblich stärker betroffen waren als andere Bundesländer. Wir hatten in der Spitze 35.000 Kolleginnen und Kollegen in Kurzarbeit. Sie hatten erhebliche Einkommenseinbußen. Jetzt wird wieder gefeiert. Dazu will ich nebenbei anmerken, dass wir, wenn wir im Saarland nicht diesen überdurchschnittlich hohen gewerkschaftlichen Durchdringungsgrad hätten, so viel Kurzarbeit gar nicht organisiert bekommen hätten. Das Ganze wäre dann so nicht gelaufen. Ich wünsche mir manchmal, dass so etwas einmal honoriert wird.
Das Thema gesetzlicher Mindestlohn als absolute Lohnuntergrenze könnte dazu dienen, im positiven Sinne Furore zu machen. Als Jean-Claude Juncker dies gefordert hat, bin ich fast vom Hocker gefallen andere bestimmt auch, jedoch auf eine andere Seite. Ich gehe zumindest davon aus, dass Herr Juncker, der eher kein Linksradikaler ist, sich schon überlegt, was er da sagt. In diesem Dreiländereck sind wir die einzigen, die so etwas immer noch nicht
Ich komme zum Schluss. Ich möchte noch darauf hinweisen, dass wir zusätzlich zu den ökonomischen und arbeitsmarktpolitischen Problemen, die ich aufgezeigt habe, auch ein Problem damit haben, dass lange Zeit der Wettbewerb über die Anbieterseite geführt werden sollte. Man hat also gesagt, wenn wir günstiger, billiger werden, machen wir ein besseres Geschäft; da geht mehr rein und raus. Das ist natürlich die Leimrute. Wir müssten das Label „Gute Arbeit“, das ein bestimmtes wissenschaftliches Szenario beinhaltet für die Bewertung von Arbeitsplätzen, was ein guter Arbeitsplatz ist und was nicht, als Gütesiegel im Saarland einführen. Dies insbesondere dann - darüber haben wir heute Morgen debattiert -, wenn öffentliche Gelder zum Einsatz kommen.
Ein Letztes. Ich glaube - und da kann vielleicht Heinz Bierbaum noch etwas dazu sagen, der versteht mehr davon -, dass wir im Saarland mit dem Motto „Weiter so“ nicht gut beraten sind. Ich bin kein studierter Ökonom, aber ich habe einmal gelernt, dass das Saarland die Konjunktur weder in Deutschland noch in Europa geschweige denn in der Welt in irgendeiner Form beeinflussen kann. Das hat mir einmal Heiner Flassbeck gesagt, anlässlich einer Diskussionsrunde „Saarland 2010“, an der auch Peter Müller teilgenommen hat. Das war eine interessante Reihe im Jahr 2000. Ich hatte damals die irrige Vorstellung, wir könnten vielleicht etwas für die Konjunktur machen. Der Heiner Flassbeck hat mir sehr beredt erklärt, dass das gar nicht geht.
Wenn das so ist, müssen wir insbesondere auf Ebenen, wo wir herankommen, dafür sorgen, dass bei der Finanzkrise, die immer noch wie ein Damoklesschwert über uns hängt und die jederzeit wieder ausbrechen kann - dann haben wir den gleichen Schlamassel wieder, egal wie viele runde Tische wir machen, wie viele Konjunkturprogramme wir auflegen und so weiter -, dass dort der Hahn zugedreht wird. Dort muss man die Initiative ergreifen und dafür sorgen, dass, ähnlich wie wir es heute Morgen im Kleinen für die Grenzgängerinnen und Grenzgänger diskutiert haben, wirksame Instrumente eingesetzt werden, damit das Casino nicht nur noch einmal poliert und anschließend womöglich wieder eröffnet wird, volle Pulle, und wir morgen wieder die gleichen Probleme haben.
Ich würde mich also freuen, wenn dort eine Initiative käme. Das „Weiter so“ reicht mir nicht, reicht uns nicht. Man muss bei den Problemen, die real da sind, ansetzen und sie bekämpfen. Man darf nicht nur sich selbst auf die Schulter klopfen. Das tut einem vielleicht persönlich gut, hilft aber dem Saarland und den Menschen hier nicht.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Roth. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat der Herr Abgeordnete Prof. Dr. Heinz Bierbaum von der Fraktion DIE LINKE.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat habe auch ich, als ich zum ersten Mal den Antrag gelesen habe, mich gefragt, wofür er denn eigentlich gut sein soll, ob wir jetzt als Landtag beschließen sollen, dass der Aufschwung weitergeht oder nicht. Ich habe es dann aber anders gesehen. Ich denke, es wäre die Gelegenheit, sich ernsthaft über die Anlage von Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik auseinanderzusetzen. Von daher bedauere ich, dass wir das zu einem Zeitpunkt machen, zu dem weder die Öffentlichkeit noch diejenigen, die hier sitzen, die volle Aufmerksamkeit für dieses Thema haben, selbst wenn man sich nach so einem langen Debattentag darum bemüht.
Deswegen will ich mich auf wenige Punkte beschränken. Tatsächlich haben wir gegenwärtig eine Situation, die durchaus besser ist, als man am Anfang des Jahres befürchten musste. Es wird bundesweit damit gerechnet, dass es zu einer Zunahme des Bruttoinlandsproduktes um nicht nur 1,4 oder 1,5 Prozent kommt, sondern es ist davon die Rede, dass es 3 Prozent sein könnten. Deutschland würde sozusagen die Wirtschaftslokomotive in Europa darstellen. Auch die Saarland-Zahlen - darauf ist verwiesen worden - sind mit den angepeilten 4 Prozent, wie sie von der IHK dargestellt wurden, nicht schlecht.
Allerdings - das will ich auch deutlich sagen - kann man heute noch nicht von einem wirklich nachhaltigen, sich selbst tragenden Aufschwung sprechen. Dazu sind die Zahlen alle noch zu unsicher. Dazu war auch die Krise des letzten Jahres viel zu tief. Die meisten Zahlen sind bekannt. Auf eine, die das Saarland betrifft, will ich besonders hinweisen. Das Saarland hat ja einen sehr starken Einbruch erlebt, von daher ist es übrigens kein Wunder, dass wir jetzt wieder etwas besser aussehen. Man muss sich klarmachen, dass im Saarland im Jahr 2009 die Bruttowertschöpfung des verarbeitenden Gewerbes um 25 Prozent zurückging. Wenn Herr Wegner und Sie darauf hinweisen, dass die Stahlindustrie um 63 Prozent zugelegt hat, muss man wissen, dass der Umsatz von Saarstahl sich im Jahr 2009 halbiert hat, dass man dort einen Auftragseingang gegen null hatte. Von daher ist es kein so großes Wunder.
Man muss sich klarmachen, dass wir nach wie vor erhebliche Risiken haben. In der Tat ist es so, dass das Saarland wesentlich vom Export abhängt und vom Export profitiert, dass eben deshalb, durch mangelnden Export, im letzten Jahr der Einbruch
In der Septemberausgabe von Le Monde diplomatique kann man einen Artikel mit der Überschrift „Pyrrhussieg für die deutsche Wirtschaft“ lesen. Damit ist gemeint, dass die Probleme, die der Krise zugrunde lagen, längst nicht vorbei sind. Und wir haben ein Problem in Europa mit den Erfolgen Deutschlands auf dem Exportsektor, weil das zu einem Ungleichgewicht in der Außenwirtschaft führt. Das Ergebnis ist eine Politik, die für Deutschland sehr problematisch ist, weil wir gar kein Wachstum in Europa haben, insbesondere in Südeuropa, sondern weil wir in erster Linie vom Boom in Asien profitieren, vor allem in China. Dies kann sehr instabil sein und das muss man mit berücksichtigen.
Es ist vom Kollegen Roth zu Recht darauf hingewiesen worden, dass auch die Ursachen der Bankenkrise nicht beseitigt sind. Wir haben übrigens heute den zweiten Jahrestag der Pleite von Lehman Brothers. Da wäre es vielleicht gut ein bisschen nachzudenken, ob denn wirklich alles dafür getan worden ist, die Ursachen der Finanzkrise zu bekämpfen. Ich bin der Auffassung, dass zwar einige kosmetische Reparaturen vorgenommen worden sind, dass aber das Problem nicht wirklich angepackt, geschweige denn gelöst worden ist.
Nun komme ich zum Arbeitsmarkt. In der Tat sind wir beim Arbeitsmarkt nicht so stark eingebrochen, wie das vorausgesagt war. Dies hat natürlich wesentlich mit dem Thema Kurzarbeit zu tun. Da ist es nicht nur die Politik, die den Weg freigemacht hat, sondern es waren die Vereinbarungen zwischen den Unternehmen, den Gewerkschaften und den Betriebsräten, die dazu wesentlich beigetragen haben.
Hinzu kommt - darauf hat die Arbeitskammer hingewiesen -, dass wir bei der Bewertung des Arbeitsmarktes nicht nur die offiziellen Arbeitslosenzahlen nehmen dürfen, sondern dass wir uns die sogenannte Unterbeschäftigung anschauen müssen. Dann sind wir bei einer Zahl von rund 60.000, und nicht bei den 30.000, 35.000, von denen gegenwärtig die Rede ist.
Außerdem - und das erleben wir gegenwärtig in den Betrieben - führt der Aufschwung nicht zu nachhaltigen Arbeitsplätzen, sondern es ist vor allem die Leiharbeit, die davon profitiert. Das ist ein Übel, über das wir schon öfters gesprochen haben. Deswegen sind wir der Auffassung, dass hier Maßnahmen ergriffen werden müssen. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass wir nach wie vor einen großen Sektor prekärer Arbeit haben und dass das erhebliche Risiken für den Arbeitsmarkt mit sich bringt.
Weil wir diese Risiken haben und weil wir auch diese Probleme auf dem Arbeitsmarkt haben, darf es nicht heißen „Weiter so“. Damit aus den Auf
schwungtendenzen ein wirklich nachhaltiger, sich selbst tragender Aufschwung wird, muss die Politik verändert werden. Das ist die Voraussetzung. Nicht „Weiter so“, sondern eine andere Politik.
Ich komme gleich dazu. Vorschläge hat ja auch die Arbeitskammer gemacht, beispielsweise in ihrem Bericht an die Landesregierung in zwölf Punkten. Ich will nun gar nicht über diese einzelnen Punkte im Detail reden, möchte aber doch feststellen, dass durchaus einige wichtige Orientierungen enthalten sind.
Als ersten Punkt will ich das Thema Industriepolitik ansprechen. Wir alle sind uns wohl einig, dass das Saarland ein Industrieland ist, dass die Industrie der Motor der wirtschaftlichen Entwicklung im Saarland ist.
Das gilt auch mit Blick auf den Export, aber nicht nur für diesen. Nur langsam. Ich kann aber jedenfalls nicht erkennen, dass es hier ein Konzept für eine nachhaltige, für eine aktive Industriepolitik gibt. Zu diesem Themenbereich gehört übrigens auch die Energiewirtschaft im Saarland, und damit sprechen wir auch über Binnenfaktoren. Aber auch ein wirklich nachhaltiges und umfassendes Energiekonzept, das wichtiger Bestandteil einer aktiven Industriepolitik wäre, kann ich nicht erkennen.
Ich rate Ihnen, die Probleme nicht zu unterschätzen. Um es einmal konkret zu sagen: Halberg Guss ist noch nicht über den Berg. Ich hoffe, dass das funktionieren wird. Bei SaarGummi haben wir erhebliche Probleme, die angepackt werden müssen. Es geht mir darum, dass das koordiniert wird.