Wir sollten auch selbstbewusst über den Tellerrand des Saarlandes hinausschauen und einmal sehen, wie wir im Vergleich der anderen Bundesländer dastehen. Ein Bundesland, mit dem wir uns sehr oft vergleichen, ist das Nachbarland Rheinland-Pfalz. Trotz der guten Ausgangslage, die wir haben, haben wir weit weniger Standorte als Rheinland-Pfalz. Das gilt zum einen für die Bundeswehrstandorte, zum anderen aber auch für die Standorte alliierter Streitkräfte. Rheinland-Pfalz hat allein 30 Bundeswehrstandorte.
Gerade beim Vergleich mit anderen Bundesländern möchte ich auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 1992 verweisen. Dort hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich festgeschrieben, dass Standortentscheidungen des Bundes gebotene Maßnahmen sein können, um einem Haushaltsnotlagenland im Rahmen der bündischen Treue zu helfen. Dies, meine Damen und Herren, die bündische Treue, die Verantwortung des Bundes für die Gliedstaaten, ist ein besonderes Argument, das wir natürlich auch ins Feld führen, wenn der Bund selbst darüber entscheiden kann, in welchen Regionen, an welchen Standorten er Bundeswehrstandorte schließt oder aufrechterhält. Das sind also föderale Argumente, die wir zusätzlich ins Feld führen.
Aber das sind nicht alle Argumente, die wir haben. Mindestens so wichtig wie die wirtschaftlichen und föderalen Argumente ist die Tatsache, dass die Bundeswehr bei uns im Saarland tief verwurzelt ist. Viele Saarländerinnen und Saarländer dienen in den Standorten der Saarlandbrigade. 40 Prozent der Bundeswehrangehörigen im Saarland kommen aus
dem Saarland oder der näheren Umgebung. Das heißt, die Bundeswehr ist im Saarland tief verwurzelt. Es gibt eine emotionale Bindung der Menschen in den drei Standort-Kommunen zu den Soldaten, ein weiteres wichtiges Argument dafür, dass wir einen starken Standort im Saarland haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Abgeordnete Lafontaine hat eben - obwohl es überhaupt nicht zum Thema des heutigen Morgens gehört - angesprochen, dass Soldatinnen und Soldaten der Saarlandbrigade in Afghanistan im Einsatz sind. Ich finde, was er eben gesagt hat, kann man so nicht stehen lassen. Die Bundeswehr bekämpft in Afghanistan die Taliban. Die Taliban bieten Ausbildungslager für Terroristen der Al Kaida. Das heißt, die Taliban ermöglichen, dass Al Kaida-Terroristen dort ausgebildet werden und dass sie ihre Anschläge in Europa und den USA verüben können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Lafontaine, sollen wir tatenlos zuschauen wie in Afghanistan Terroristen ausgebildet werden, die dann bei uns in Europa, in Deutschland, Anschläge verüben? Das können wir nicht akzeptieren. Der Bundeswehreinsatz dient auch der Bekämpfung dieser Terroristen. Dazu hat die UNO mehrere Beschlüsse gefasst. Und deshalb will ich in aller Deutlichkeit sagen: Der Einsatz der Bundeswehr und somit der Einsatz unserer Soldaten der Saarlandbrigade ist eindeutig vom Völkerrecht gedeckt und mit dem Völkerrecht vereinbar.
Die Bundeswehr sichert in Afghanistan den Aufbau der Infrastruktur, sie sichert zum Beispiel den Aufbau von Schulen, den Bau von Straßen und Brunnen. Es gibt parallel ein Programm, bei dem Polizeibeamte bei der Ausbildung afghanischer Polizisten helfen. Auch saarländische Polizeibeamte sind regelmäßig in Afghanistan. Ich unterhalte mich mit ihnen, wenn sie von ihrem Einsatz zurückkehren. Sie sagen übereinstimmend, dass die Lage in Afghanistan noch schwierig ist, dass aber der Einsatz der internationalen Streitkräfte dazu beigetragen hat, dass die Situation der Zivilstruktur in Afghanistan besser geworden ist.
Wissen Sie, was mich in den letzten Jahren am meisten erschüttert hat, als Bilder aus Afghanistan zu uns gekommen sind? Es waren Bilder von kleinen Mädchen im Alter von sechs, sieben Jahren, denen die Taliban mit Säure ihr Gesicht verätzt haben, nur deshalb, weil sie zur Schule gegangen sind. Die Taliban wollen verhindern, dass kleine Mädchen zur Schule gehen. Sie verätzen ihnen das Gesicht. Was für menschenverachtende Verbrechen, die dort geschehen! Menschen, die so etwas tun, reagieren nicht auf gute Worte und gut gemeinte Appelle. Die verstehen leider nur die Sprache der Waffen. Dieser
Bundeswehreinsatz ist ein zutiefst humanitärer Einsatz. Unsere Soldatinnen und Soldaten helfen, dass die Menschenrechte in Afghanistan durchgesetzt werden!
Wir kommen zu den Abstimmungen. Ich lasse zunächst abstimmen über den Antrag 14/380 - neu und dann, wie beantragt namentlich, über den Antrag 14/381. Wer für den Antrag Drucksache 14/380 - neu - ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. Wer ist dagegen? Wer enthält sich der Stimme? Ich stelle fest, dass der Antrag Drucksache 14/380 - neu - bei Zustimmung der Koalitionsfraktionen und der SPDLandtagsfraktion sowie bei Enthaltung der Fraktion DIE LINKE einstimmig angenommen ist.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag 14/ 381. Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Nach § 69 Abs. 2 des Landtagsgesetzes ist auf Antrag einer Fraktion namentlich abzustimmen. Daher darf ich die Schriftführerin, Frau Astrid Schramm, bitten, die Namen der Abgeordneten einzeln aufzurufen.
(Namentliche Abstimmung) 1 Ich darf fragen, ob ein Mitglied des Hauses nicht aufgerufen worden ist. Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Stimmabgabe und bitte die Schriftführerinnen, mir das Abstimmungsergebnis zu übermitteln. (Die Schriftführerinnen zählen die Stimmen aus.)
Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Es sind 43 Stimmen abgegeben worden, davon 31 Nein-Stimmen und 11 Ja-Stimmen bei einer Enthaltung. Damit ist der Antrag mit Stimmenmehrheit abgelehnt.
Beschlussfassung über den von der SPDLandtagsfraktion, der CDU-Landtagsfraktion, der FDP-Landtagsfraktion und der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Die Großregion muss an Fahrt gewinnen! (Drucksache 14/378 - neu)
Zur Begründung des Antrages der SPD-Landtagsfraktion und der Koalitionsfraktionen Drucksache 14/378 - neu - erteile ich Herrn Abgeordneten Eugen Roth das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Am kommenden Montag, dem 24. Januar, findet der mittlerweile 12. Gipfel der Regierungschefs der Großregion statt. Ich möchte vor diesem Hintergrund und anlässlich des gemeinsamen Antrages, des Antrages, dem die Fraktionen von CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP beigetreten sind, mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident, aus der gemeinsamen Erklärung des 1. Gipfels, der am 20. September 1995 in Bad Mondorf in Luxemburg stattgefunden hat, zitieren: „Die europäische Idee gewinnt an Realität. Greifbarer als je zuvor ist heute die Chance, eine immer engere Union der Völker Europas zu verwirklichen. Im Rahmen dieses Integrationsprozesses kommt den Gebieten an den Binnengrenzen eine besondere Rolle zu: Gerade hier wächst Europa zusammen.“
Wir müssen aktuell leider feststellen, dass eine gewisse Euro-Skepsis, dass eine Europa-Skepsis in den Debatten die Oberhand gewinnt. Es wird in der Öffentlichkeit, an den Tischen und Stammtischen, mehr darüber philosophiert, dass man doch nicht für die Griechen und andere zahlen wolle. Es wird darüber gestritten und diskutiert, ob der Euro instabil sei. Bestimmte Kapitalvertreter haben ihre Sendboten ausgeschickt, die sogar schon den Euro ablösen wollten. Es wurde diskutiert, ob die D-Mark wieder eingeführt werden sollte, ob wir einen „Euro Süd“ und einen „Euro Nord“ schaffen sollten. Auch ein gewisser Herr Henkel taucht dann immer wieder, in nach meiner Ansicht unsäglicher Art und Weise, plötzlich wie Phönix aus der Asche auf. Alle diese Überlegungen bringen natürlich auch in unserer Region die Entwicklung der gemeinsamen Identität nicht voran, sondern belasten sie eher.
In allen diesen Debatten, die sehr auf Gewinnorientierung angelegt sind, die sehr monetär und finanziell strukturiert sind, geht ein Sachverhalt völlig unter: Wir haben eben, in anderem Zusammenhang, breit über die Thematik diskutiert, dass sowohl Europa insgesamt als auch unsere Region im Besonderen im Grunde das größte Friedensprojekt darstellen, das die Geschichte kennt. Es ist noch nicht allzu lange her, dass die Waffen gesprochen haben. Das ist heute ad acta gelegt. Es wird zusammengearbeitet. Es wird zum Wohle der Menschen, die hier in auf vier Nationalstaaten verteilten Teilregionen leben, koordiniert. Es werden Abstimmungen getroffen. Das ist gut so. Das ist ein gewaltiger Fortschritt, gerade auch im Sinne des „Friedensprojektes Europa“.
Die Stabilität des Euro ist ein Aspekt, auf den wir hier nicht relevant lenkend einwirken können. Die Stabilität des Euro ist allerdings durchaus ein
Aspekt, der auch uns umtreiben muss, denn sie betrifft auch uns, unsere Unternehmen und unsere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Deshalb ist es richtig, alles für die Stabilisierung des Euro zu tun. Diejenigen, die versuchen, den Euro zu destabilisieren, die darauf wetten wollen, dass der Euro in die Knie geht, sind in meinen Augen Finanzkriminelle. Dagegen muss die Europäische Gemeinschaft, dagegen muss aber auch unsere hiesige Gemeinschaft, gewissermaßen im „Testlabor“ Europas, geschlossen antreten.
Ein Problem haben wir mit der Identität in dieser Großregion. Ich kann, trotz allem Engagement, trotz des, wie ich meine, großen Engagements, nicht feststellen, dass sich in dieser Großregion bis dato eine gemeinsame Identität entwickelt hat. Spricht man über Europa, meint man eher Aspekte, wie ich sie eben angesprochen habe, etwa den Finanzmarkt. Spricht man über Europa, denkt man eher an die Côte d’Azur oder an Mallorca oder an London oder Paris als an das Hohe Venn, die Vogesen, die Eifel, die Luxemburger Schweiz oder die Saarschleife. In der Folge droht die Idee einer europäischen Modellregion im Herzen Westeuropas in den Mühlen des Alltags unterzugehen.
Wir erwarten daher vom 12. Gipfel, der am kommenden Montag in Völklingen im Weltkulturerbe stattfinden wird, dass von ihm für die elf Millionen Menschen, die in den vier Nationalstaaten in fünf beziehungsweise, wenn man die deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens gesondert zählt, sechs Teilregionen leben, ein wirklicher Impuls ausgeht. Wir erwarten einen Impuls für die rund 203.000 Grenzgängerinnen und Grenzgänger. Wir verzeichnen in der Großregion unter allen europäischen Regionen den größten Anteil an Grenzgängern. In ganz Europa gibt es ungefähr 700.000 Menschen, die diesseits einer Grenze wohnen und jenseits der Grenze ihre Arbeitsstelle gefunden haben und täglich dort arbeiten. Unter allen Regionen haben wir aber das größte Aufkommen an Menschen, die täglich über eine Grenze gehen, um zu arbeiten.
Auch in ihrem Interesse erwarten wir, dass vom 12. Gipfel ein wirklicher Impuls für diese Region ausgeht. Wir erwarten, dass nicht einfach irgendwelche gedrechselten Erklärungen durchgewinkt werden. Wir erwarten vielmehr, dass man im Ergebnis feststellen kann, dass uns diese Region tatsächlich etwas wert ist. Das wird sich - das ist nun einmal so in einer Marktwirtschaft - auch daran zeigen, ob man bereit ist, dafür Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Das wird sich daran zeigen, ob man bereit ist, sich dieses Themas auch in der alltäglichen Politik im Sinne einer prioritären Querschnittsaufgabe anzunehmen, nicht nur im Sinne einer Zusatzaufgabe. Denn betrachtet man es nur als Zusatzaufgabe, gibt
Es gibt bereits einige Beispiele der guten und regelmäßigen Zusammenarbeit. Ich will stellvertretend den Interregionalen Handelskammer- und Handwerkskammerrat und die Interregionalen Gewerkschaftsräte und die gewerkschaftliche Plattform der Großregion nennen. Ich erspare mir, diese Wortungetüme, die Ergebnis zum Teil deutschsprachiger und zum Teil frankophoner Entwicklungen sind, hier zu erläutern. Ich möchte des Weiteren nennen die Grenzgängervereinigung, Le Comité de Défense des Travailleurs Frontaliers, den Wirtschafts- und Sozialausschuss der Großregion, den Interregionalen Parlamentarierrat, die mittlerweise regelmäßig durchgeführten Fachministerkonferenzen, den Gipfel der Regierungschefs. Es gibt auch kleinräumigere Kooperationen wie „Avenir SaarMoselle“ oder QuattroPole. Es gibt auch interessenorientierte Zusammenschlüsse, beispielsweise „Pont des Femmes“. Alle diese Beispiele belegen, dass sich doch einiges getan hat und dass es viele engagierte Frauen und Männer gibt, die an der Entwicklung dieser Region arbeiten.
Es gibt allerdings auch Rückschläge. Einen solchen sahen wir beim Interregionalen Presseinstitut IPI, das sich nunmehr aufgelöst hat, weil ihm die erforderliche Unterstützung, sogenanntes kleines Geld, verweigert wurde. Ich halte das für einen schweren Rückschlag, denn wir brauchen auch in den Medien eine gewisse Vernetzung, die den Fachjournalistinnen und -journalisten, die sich dieses Themas annehmen, verlorengehen wird. Deshalb erhoffen wir uns natürlich auch von diesem Gipfel einen Impuls, um dieses Anliegen voranzubringen. Um auch einmal zu sagen, wer sich in dieser Frage am meisten bewegen müsste: Das geht zuallererst an die Adresse von Rheinland-Pfalz.
Viele Vorschläge wurden gemacht. Ich will sie hier nur nennen, nicht näher darauf eingehen, denn auch das würde den Rahmen hier sprengen. Es gibt ganze Serien von Vorschlägen. Es gibt das Zukunftsbild 2020. Das ist eine sehr ambitionierte Perspektive für die Großregion, die gut erarbeitet, allerdings auch wirklich sehr hoch angesetzt war. Man ist darangegangen, das Vorhaben Zug um Zug abzuarbeiten. Unterhalb dieses hohen Niveaus gibt es beispielsweise die regelmäßigen Berichte des Wirtschaftsund Sozialausschusses an die Großregion. Beispielhaft möchte ich den Wirtschafts- und Sozialbericht nennen, der ein Labeling in der Region vornimmt; insoweit ist er in Europa einmalig. Es gibt gemeinsame Interreg-Projekte. Es gibt das Haus der Großregion. Es gibt die Interregionale Arbeitsmarktbeobachtungsstelle. Es gibt eine gemeinsame Polizeidienststelle in Luxemburg. Es gibt aber auch sehr niedrigschwellige Angebote, die das Zusammen
wachsen voranbringen, beispielsweise das gemeinsame Fußballturnier für Nachwuchsmannschaften der Großregion. Zu verweisen ist hier natürlich auch auf die Weiterentwicklung des Konzeptes für den Öffentlichen Personennahverkehr in der Großregion und auf die Hochschulkooperation, beispielhaft realisiert durch die „Universität der Großregion“.
Alle diese Berichte, Vorschläge und Initiativen müssen, wie auch viele Empfehlungen des Interregionalen Parlamentarierrates, etwa zum Moselschleusenausbau, der uns ja unmittelbar berührt, Zug um Zug in eine Umsetzung münden. Und das ist auch das größte Petitum, das dieser gemeinsame Antrag hat. Es darf nicht einfach weiter darum gehen, im Sinne eines Brainstorming noch viele kluge Vorschläge mehr zu machen. Wir haben ein ganzes Sammelsurium. Wir müssen Mechanismen finden, dass auch etwas umgesetzt wird. Entscheidend wird sein, dass die Menschen merken: Es passiert an dieser und jener Stelle tatsächlich etwas, die reden nicht nur, die schreiben nicht nur Papiere, sondern die setzen wirklich etwas um - Stichwort gemeinsame Polizeidienststelle. Dadurch wird diese Großregion auch erfahrbarer. Davon haben alle einen Vorteil.
Deshalb wollen wir Anregungen für die Realisierung. Zunächst einmal muss eine klare Prioritätensetzung in den regionalen und nationalen Parlamenten erfolgen. Das sagt sich so einfach, das ist es aber nicht. Wir - die sogenannten Europafreaks - wissen, dass viele denken: „Lass die mal reden, das wird an uns vorübergehen.“ Das muss sich ändern, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir müssen Schwerpunkte setzen bei den Grenzgängerinnen und Grenzgängern, denn sie leben Europa. Da müssen administrative und soziale Benachteiligungen abgebaut werden. Ich darf ein Beispiel nennen: Jetzt ist über die zuständige Stelle der Deutschen Rentenversicherung die Rente für Grenzgängerinnen und Grenzgänger für fünf Jahre nachbesteuert worden, was diese nicht mitgekriegt haben. Die Nachzahlung ist bei vielen kleinen Renten in der Summe nicht mehr leistbar. Solche Dinge müssen einfach kommunikativ besser laufen. An der Stelle hat sich auch der saarländische Finanzminister eingeschaltet, wofür ich ausdrücklich dankbar bin.
Wir müssen eine konkrete Erfahrbarkeit der Großregion schaffen. Zum Beispiel gibt es das Projekt Bürgerportal, das jetzt in der Pilotphase ist. Ich habe eben Rheinland-Pfalz kritisiert, jetzt muss ich es loben. Das Projekt wurde von Rheinland-Pfalz mit angestoßen, weil es zunächst einmal die Finanzierung übernommen hat. Hier kann man auf Knopfdruck alles Mögliche in der ganzen Region finden, und nicht nur aufgeteilt nach Teilregionen. Solche Projekte müssen vorangetrieben werden. Die Tourismusprojekte - dazu gibt es Gutachten - müssen umgesetzt werden. Es ist klar: Das Ganze ist mehr als die sie
ben Teile. Es gab das Projekt Kulturhauptstadt 2007, das Symbol war der blaue Hirsch. Da haben die Luxemburger eine Vorleistung erbracht. Das sind Dinge, die die Großregion erfahrbar machen.
Die Sprache des Nachbarn ist ein Thema. Da gibt es eine Initiative des Kultusministeriums, die das Französischlernen betrifft. Man muss sehen, ob das reichen wird. Kontinuität in diese Arbeit hineinzubringen, wird das Schwierigste sein, auch bei der Debatte „Kernregion oder erweiterte Region“. Deshalb ein Vorschlag aus dem Zukunftsbild 2020, das hier im Hause eigentlich schon Konsens ist: Wir wollen einen Generalsekretär oder eine Generalsekretärin für die Großregion. Ich sage das so locker - diejenigen, die sich damit befassen, wissen, dass das eine größere diplomatische Anstrengung erfordern würde. Zunächst müsste man einmal eine für diese außerordentliche Rolle geeignete Persönlichkeit finden und sie dann, Kollege Jost, so in die diplomatischen Gespräche einbringen, dass wirklich alle Partnerinnen und Partner das akzeptieren. Aber man sollte nicht wegen der Schwierigkeit der Aufgabe das ganze Ziel aus den Augen verlieren. Ich finde, es wäre ein Signal am kommenden Montag wert, sich seitens der Regierungschefs dazu zu äußern.
Das gemeinsame Budget müsste gesteigert werden. Es gibt ja zarte Ansätze über gemeinsame INTERREG-Programme. Das ist aber wirklich nur ein zartes Pflänzchen. Es müsste auch in allen Teilregionen speziell zuständige und ausgestattete Regierungsressorts geben. Das ist im Saarland schon einige Zeit der Fall. Luxemburg hat einen Minister der Großregion benannt, den Kollegen von Herrn Toscani, Minister Halsdorf. Man muss sie auch als Großregionsminister in der Presse erfahren können. Da gibt es noch ein bisschen Steigerungspotenzial. Wichtig wäre jedenfalls, dass alle das so machen. Wir wissen, dass das wegen der unterschiedlichen staatlichen Strukturen und der unterschiedlichen Probleme in den Ländern schwierig ist. In Belgien/Wallonien werden Diskussionen geführt, ob das Land überhaupt zusammenhält. Der Aufbau des Staates in Frankreich ist ganz anders als bei uns. Das ist schwierig. Umso besser, umso diplomatischer müssen wir damit umgehen.
Was ich mir wünschen würde, wäre weiter ein mehr oder weniger barrierefreier Zugang zu Sicherheitsund Sozialstrukturen. Und ich hätte noch einen anderen Wunsch - etwas, das man nicht fordern kann. Wir sagen: „Wir sind eine Region, wir sind befreundet.“ Es wäre gut, wenn auch die Regierungschefs, also die „Number Ones“ mehr informelle Kontakte pflegen würden. Ich sage „informell“, denn nur, wenn man sich kennt, wenn man sich auch mal zwischen offiziellen Terminen trifft, sich unterhält, kann man den anderen einschätzen, nur dann geht es voran. Das ist die Kunst der Diplomatie. Mir ist bekannt
vom deutsch-französischen Dialog Merkel-Sarkozy, dass zum Beispiel im Bereich Oberrhein/Elsass sehr enge Kontakte bestehen. Die schaffen es immer, ein Thema einzuspielen. Wir sind noch nicht so weit. Wir müssen daran arbeiten. Die Grundvoraussetzung ist aber, dass sich so unterschiedliche Menschen wie Juncker, Masseret, Peter Müller, Kurt Beck und die Wallonen, je nachdem, wer dort gerade regiert, auch mal informell treffen. Jetzt schmunzeln einige, deswegen spreche ich davon. An dieser mangelnden Diplomatie krankt natürlich auch das ein oder andere.
Abschließend möchte ich die Hoffnung äußern, dass am Montag keine Gipfelroutine eintritt. Es wäre das Schlimmste, was passieren könnte, dass das administrativ versumpft. Der Charme dieser europäischen Modellregion - Modellregion im umfassenden Sinne, also auch ganz besonders im Sozialen - sollte noch einmal herausgestellt werden, bei allen Debatten, die es im Vorfeld gab, die nicht unproblematisch waren, auch was die Übernahme der Gipfelpräsidentschaft betrifft. Ich bin der Auffassung, man müsste auch im Sozialbereich ein Best-Practice-Modell schaffen. Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist das der Mindestlohn. Ich bin auch sicher, dass ich das in zwei Jahren hier nicht mehr zu fordern brauche; dann wird er realisiert sein. Gerade in diesem Fall gibt es eine gute Argumentationsgrundlage, denn die Nachbarn haben es gemacht. Mittlerweile fordert sogar die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft den Mindestlohn. Also es steht alles Kopf. Man könnte die Großregion nutzen, um über seinen Schatten zu springen. Wir hätten bessere Argumente als andere in Deutschland.
Wir müssen uns um die Eindämmung atypischer prekärer Beschäftigung kümmern. In der Region werden Putzkolonnen von hier nach dort gegeneinander ausgespielt. Wir müssen bestehende Errungenschaften absichern, unter anderem die interregionale Arbeitsmarktbeobachtungsstelle und den Wirtschafts- und Sozialbericht. Das hängt teilweise an einzelnen Personen; wenn die nicht mehr da sind, wackelt die ganze Angelegenheit. Hier muss Kontinuität hineinkommen. Man müsste die Politiken abstimmen in Wirtschafts-, Sozial- und Umweltfragen. Ich möchte nur den Bereich der Industriepolitik erwähnen. Ein kleiner Exkurs: Man hat immer gesagt, Lothringen macht es sehr gut, die haben den Bergbau rechtzeitig abgeschafft. Die Konsequenz davon ist leider, dass es dort die größte Arbeitslosigkeit in der ganzen Region gibt. So ein ganz vorbildhafter Vorgang war das also nicht; es gibt Riesenprobleme damit.
Außerdem muss man das gesellschaftliche Leben und Zusammenwachsen fördern, zum Beispiel über Vereine und den Sport. Mir fehlt da an manchen
Stellen - ich sage das als Handballer - ein bisschen die Vorbildfunktion der Fußballmannschaften. Da gibt es ja einige Möglichkeiten. Nicht nur die C-Jugend des FC Saarbrücken und die C-Jugend des FC Kaiserslautern könnten gegeneinander spielen. Warum treten nicht auch einmal in irgendeinem Cup der Großregion die ersten Mannschaften an? Das würde riesige Beachtung finden. Da müsste doch etwas möglich sein.