Protokoll der Sitzung vom 24.08.2011

Sie reden gleich mal von einer „Deindustrialisierung“. Das hat mit der Realität überhaupt nichts zu tun. Das sind die Punkte, von denen ich rede. So sollte man es nicht machen, das schadet nämlich dem ganzen Land.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Ich will ein aktuelles Beispiel nennen - die Erwiderung von Heiko Maas auf die Rede von Annegret Kramp-Karrenbauer. Frau Kramp-Karrenbauer hat hier eine Würdigung des Bergbaus vorgetragen. Das war in Ordnung, das war richtig - ich muss ja nicht alle Positionen zum Thema Bergbau teilen -, aber das ist ja eigentlich das Thema der SPD und der LINKEN. Sie hat den Bergbau sehr positiv gewürdigt, auch im Sinne der Betroffenen und der Opposition. Und Sie haben es noch nicht einmal geschafft, da zu applaudieren.

(Lachen bei der LINKEN. - Lautes Sprechen.)

Auch das meine ich. Das ist ein weiterer Punkt, wie man eben nicht Opposition betreiben sollte. Aber, wie gesagt, gerade beim Thema Energiepolitik überziehen Sie seit Jahren.

(Lebhafter Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Zum Thema Bergbau. Als wir in Oppositionszeiten das Thema immer wieder auf die Tagesordnung gesetzt haben, kam immer wieder das Argument: Wenn wir im Saarland keinen Bergbau mehr haben, dann stehen sofort alle unsere Kraftwerke still, dann ist nämlich keine Kohle mehr da. Nun ist der Bergbau zu Ende, aber die Kraftwerke laufen immer noch, weil die Kohle von außen kommt. Das haben wir Ihnen damals schon gesagt.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) )

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Das haben Sie geschafft. Immer noch mit Kohle! - Weitere Zurufe von der LINKEN. - Starke Unruhe.)

Oder aber die Debatte um den Bau des Kohlegroßkraftwerks in Ensdorf, das wir als GRÜNE verhindert haben. Sie hatten da eine andere Position, das ist ja in Ordnung. Aber auch damals haben Sie argumentiert: Wenn dieses Kohlegroßkraftwerk in Ensdorf nicht kommt, bricht im Saarland die Energieversorgung zusammen. Es ist nicht gekommen, und siehe da, wir haben immer noch eine Energieversorgung, die relativ gut funktioniert.

Ein anderer wichtiger Punkt, der eben in ähnlicher Art und Weise angesprochen wurde, ist das Thema "Sparen und Schuldenbremse". Nun kann man ja der Regierung vorwerfen, dass sie das, was von den Prüfern in Sachen Sparen und Schuldenbremse angemahnt wurde, noch nicht so weit konkretisiert hat, wie es die Opposition gern hätte. Aber, Herr Maas, was mir eben insbesondere bei Ihnen, aber auch bei Oskar Lafontaine aufgefallen ist: Sie haben selbst keinen einzigen konkreten Vorschlag gemacht, egal worum es bei diesem ganzen Paket geht. Für mich gehört es zu einer konstruktiven Oppositionsarbeit, auch mal konkrete Vorschläge an Stellen zu machen, an denen es vielleicht unangenehm ist. Wir als GRÜNE haben das in unserer Oppositionszeit immer gemacht. Das vermisse ich bei Ihnen!

(Zurufe von den Oppositionsfraktionen.)

Sie begehen eine rhetorische Flucht nach Berlin; das macht Heiko Maas, das macht Oskar Lafontaine noch in viel stärkerem Maße. Wenn es darum geht, Einnahmen für das Land zu generieren, gibt es keine landesspezifischen Vorschläge, nein, dann reden Sie über die Vermögenssteuer, den Spitzensteuersatz,

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Ja!)

einen Entschuldungsfonds. Über all das kann und muss man ernsthaft diskutieren, aber all diese Dinge werden nicht in diesem Lande, sondern in Berlin entschieden. Auch da drücken Sie sich vor Ihrer Verantwortung!

(Beifall von den Regierungsfraktionen. - Abg. Linsler (DIE LINKE) : Man kann sich aber trotzdem dafür einsetzen.)

Ich könnte jetzt noch auf vieles eingehen, Herr Maas. Sie haben zu Recht die Hartz-4-Debatte angesprochen, da gibt es viele Defizite. Als wir aber als saarländische Landesregierung und als GRÜNE Anfang des Jahres versucht haben, in diesem Bereich Verbesserungen durchzuverhandeln - wer ist uns denn da auf Bundesebene in den Rücken gefallen beim Thema „Equal Pay/Mindestlohn“? Das waren die Sozialdemokraten, die mit der Bundesregie

rung Deals gemacht haben, die wir nicht gemacht hätten! Auch das muss erwähnt werden.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Wir haben jetzt als Regierungsparteien einen Vorstoß gemacht in Richtung einer Reform des Volksbegehrens. Diese Vorschläge liegen Ihnen vor, da müssten Sie ja mitstimmen. Da haben Sie eine ganz zentrale Mitverantwortung, ohne Sie kann es nicht gehen.

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Es geht uns nicht weit genug.)

Ich bin gespannt, wie Sie mit diesem Thema umgehen werden, ob wir es im Saarland mit Ihnen zusammen schaffen werden, auch hier einmal Volksbegehren möglich zu machen. Das haben Sie zu entscheiden. Ich hoffe, die SPD entscheidet nicht noch einmal so negativ wie beim Thema Gemeinschaftsschule.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen. - Abg. Rehlinger (SPD) : Haben Sie schon mal mit „Mehr Demokratie“ gesprochen?)

Ich merke, es geht schon los, Frau Rehlinger.

(Abg. Rehlinger (SPD) : Selbstverständlich. Sprechen bei den Oppositionsfraktionen.)

Ihre Grundthese ist ja: Bei dieser Jamaika-Regierung klappt gar nichts, sie kriegt nichts zustande. Ich will deshalb noch mal an ein paar Dinge erinnern, die diese Regierung in den letzten anderthalb Jahren bereits auf die Reihe gekriegt hat.

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Mit unserer Hilfe.)

Das ging los mit der Abschaffung der Studiengebühren. Das ist ein zentrales Wahlkampfthema der GRÜNEN, der SPD und der LINKEN gewesen. Wir haben es durchgesetzt, Sie haben dagegen gestimmt. Thema Bildungspolitik, Gemeinschaftsschule: Die ist da. Wir haben es geschafft, dass die Bildung wieder ganz nach vorn gestellt wird bei der Debatte um den saarländischen Landeshaushalt, indem die demografische Rendite im System bleibt. Das führt dazu, dass wir mehr Ganztagsschulen haben, dass wir ein Kooperationsjahr haben, dass wir zum Musterland für die Mehrsprachigkeit geworden sind. Wir haben die Wahlfreiheit eingeführt bei der Schullaufbahnempfehlung. Die Stundentafel ist durch Klaus Kessler reformiert worden. Wir haben ein neues Programm gestartet "Fördern statt Sitzenbleiben". All diese Dinge sind auf den Weg gebracht worden.

Den Masterplan Energie habe ich gerade angesprochen. Er bedeutet Strukturwandel im energiepolitischen Bereich mit allem, was daranhängt. Da geht es auch um neue Anlagen, natürlich um Windkraftanlagen. Herr Lafontaine ist leider nicht da. Da geht

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) )

es natürlich auch um die Modernisierung des saarländischen Kraftwerksparks. Aber, Herr Maas: Opposition kann eben nicht bedeuten, dass ich entweder das tue, was die Linkspartei will, oder das kritisiere, was die Regierung macht. Opposition muss auch bedeuten, dass es einen konstruktiven dritten Weg geben muss; so muss eine eigenständige Oppositionsarbeit aussehen. Und Sie sehen, Herr Maas: Wenn ich so etwas sage, habe ich noch gewisse Träume.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Vor zwei Wochen fand hier die Wahl der neuen Ministerpräsidentin des Saarlandes statt. Es gab einen Versuch der Opposition, diese Wahl zu verhindern.

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Wieso?)

Dieser Versuch ist gescheitert. Nach allem, was man so hört, war Herr Lafontaine im Vorfeld da sehr rührig und aktiv. Er musste auch - so wurde es kolportiert - Herrn Maas davon überzeugen, überhaupt zu kandidieren. Der hat es dann auf Anraten von Lafontaine getan.

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Hat er mit Ihnen geredet? Dass Sie sich enthalten?)

Aber der ganze Versuch ist schiefgegangen. Es war letztendlich so - das ist natürlich ein Wermutstropfen für die Jamaika-Koalition -, dass bei der Abstimmung eine Stimme gefehlt hat. Was dazu geführt hat, dass beim Abstimmungsverhalten diese Stimme fehlte, können wir natürlich nicht wissen. Wären wir aber so wie Sie notorische Verschwörungstheoretiker, würden wir Ihnen jetzt alles Mögliche vorwerfen und unterstellen, was Sie bei uns normalerweise immer tun: geheime Absprache, Manipulationen, Intransparenz, das gesamte Paket. Nun wollen wir nicht unbedingt mit Ihnen verglichen werden, deshalb nur so viel dazu: Mit Stil und Anspruch auf eine Regierungsfähigkeit hat das alles, was Sie veranstaltet haben, nichts zu tun.

(Beifall von den Regierungsfraktionen. - Lachen und Sprechen bei den Oppositionsfraktionen.)

Aber immerhin hat es die Linkspartei fertig gebracht, der neuen Ministerpräsidentin zu gratulieren. Allerdings sollte man diesem Vorgang keine zu große Bedeutung beimessen, weil die Linkspartei mittlerweile nahezu jedem gratuliert, das haben wir in den letzten acht Tagen sehr intensiv mitbekommen. Sogar Regierungschefs von ganz fernen Ländern, zwar nicht gerade von Jamaika, aber von Inseln ganz in der Nähe.

(Beifall von den Regierungsfraktionen. - Spre- chen und Unruhe bei der LINKEN.)

Die Chefgratulanten der Linkspartei durften zum Anlass dieser Gratulationen auch die eine oder andere Havanna-Zigarre rauchen.

(Zuruf von der LINKEN: Oh, wie peinlich!)

Nehmen Sie es mir nicht übel, selbst ich als überzeugter Nichtraucher würde an dieser Stelle sogar eine Ausnahme beim Rauchverbot machen.

(Oh-Rufe von der LINKEN. - Vereinzelt Beifall.)

Diese Landesregierung - das hat Frau Kramp-Karrenbauer in ihrer Regierungserklärung zum Ausdruck gebracht - hat einen Weg nach vorne eingeschlagen. Wir wollen in diesem Lande weiter auf Veränderung und Verbesserung setzen. Wir wollen die sogenannte dritte technologische Revolution nach vorne bringen, nämlich den Umbau der Energieerzeugung. Wir wollen eine Aufwertung des Wissenschaftsund Innovationsstandortes Saarland. Wir wollen eine ökologische Flankierung der Politik und auf diesem Weg auch eine Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen im Saarland erreichen. Wir wollen neue Arbeitsplätze mit der Energiewende schaffen. Das alles sind richtige Schritte in Richtung Strukturwandel - es ist sehr schade, dass Herr Lafontaine immer noch nicht da ist -, das alles hat rein gar nichts mit der Verspargelung der Landschaft zu tun. Die Logik, die Oskar Lafontaine eben zum Thema Windkraft an den Tag gelegt hat, ist genau nach dem Motto: Wasch mich, aber mach mir den Pelz nicht nass. Ich bin für erneuerbare Energien, aber bitte nicht bei uns!

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

So kann man mit diesem Thema nicht ernsthaft umgehen. Strukturwandel bedeutet nämlich Energiepolitik. Wenn ich an die erwähnte Verschandelung der Landschaft denke, dann denke ich an die Energiepolitik der SPD und von Oskar Lafontaine in den vergangenen 20 bis 30 Jahren im Saarland. Was hat das optisch gebracht? Ich rede jetzt nur von der Optik: Großkraftwerke, Fördertürme, Bergehalden, Absinkweiher, all das hat die Landschaft in viel stärkerem Maße optisch belastet als Windkraftanlagen, von denen jeder weiß, dass eine Energie erzeugt wird, die den Menschen und der Natur dient und keine Zerstörung herbeiführt. Man muss sich vor allen Dingen die Frage stellen, wie die Landschaft in diesem Land in 30 oder 40 Jahren ohne die erneuerbare Energie aussähe. Sie wäre verbrannt und verdorrt. Wir brauchen diese Anlagen, dafür muss man auch gewisse Nachteile in Kauf nehmen. Wir sind bereit, dies zu tun.

Noch einen Satz gerichtet an Herrn Lafontaine: Spargelbauer ist ein ehrenwerter Beruf, und Spargel schmeckt auch ganz gut. - Noch eine kurze Notiz, die eben reingegeben worden ist, am Ende meiner Rede. Es rief gerade jemand aus der Verwaltung in Mettlach an und hat uns mitgeteilt, dass genau der Windpark, den Lafontaine in Abrede gestellt hat, von ihm selbst 1999 genehmigt worden ist. So viel zum

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) )

Thema Oskar Lafontaine und Windenergie. - Vielen Dank.

(Beifall von den Regierungsfraktionen. - Spre- chen und Unruhe bei der LINKEN.)