Ich sage Ihnen: Das ist falsch! Der Druck, den wir ausgeübt haben, hat doch seine Wirkung gezeigt. Es ist doch nicht so, als wären wir jetzt erst am Anfang der Debatte. Nein, wir sind mittendrin! Die Steuer-CDs, die uns zugespielt worden sind, die dem saarländischen Fiskus - Herr Finanzminister, vielleicht können Sie mir weiterhelfen, vielleicht kennen Sie die Zahlen für das Saarland - 50 oder 60 Millionen mehr an Nachzahlungen eingebracht haben, zeigen doch, dass sich der Druck lohnt. Wenn wir diesen Druck nun entweichen lassen, indem wir ein solches Ablasshandel-Abkommen mit der
Schweiz machen, geht das genau in die falsche Richtung, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist der entscheidende Punkt.
Ich stelle mir das einmal vor als Finanzminister eines Haushaltsnotlagelandes, dass man einen solchen Ablasshandel mitmachen würde, der auch aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht haltbar ist, weil er nämlich zu einer Ungleichbehandlung führt.
Dieses geparkte Vermögen, das in Deutschland erwirtschaftet und unter Umgehung der hiesigen bestehenden Gesetze in die Schweiz geschafft wurde, soll nun durch dieses Abkommen zwischen dem Bundesfinanzministerium und der Schweizer Bundesregierung, das genauso skandalös, rechts-, verfassungswidrig und unmoralisch ist wie die Straftat selbst, in Form eines Ablasshandels wieder legalisiert werden. Sie glauben, die Sache quasi heilen zu können. Da wird mir ganz schwummrig. Wenn das die neue Linie der Finanzpolitik in diesem Lande ist, dann gute Nacht Deutschland.
Es geht darum, dass hier eine Einzelfallregelung eingeführt werden soll. Das ist ein ganz entscheidender Punkt! Eine Einzelfallregelung, um dem Bankenplatz Schweiz nicht mehr wehzutun, als die bereit sind, uns zuzugestehen. Eine Einzelfallregelung auch, um sich vielleicht das Wohlwollen des ein oder anderen zukünftig noch einigermaßen zu erhalten, dem man auch nicht allzu wehtun will. Ich sage Ihnen: Diese pauschale Nachversteuerung, dieses anonymisierte Verfahren und vor allen Dingen auch die zeitliche Übergangsfrist, die dann auch noch ein Schlupfloch zur weiteren Verlagerung in Drittländer ermöglicht -
„Eben nicht", sagt Herr Schmitt. Wenn es rückwirkend festgelegt würde, könnte ich das ja noch verstehen, Herr Kollege, aber Sie machen dieses Schlupfloch doch selbst auf, indem Sie die Regelung erst ab 2013 voll zur Wirkung kommen lassen wollen. Das ist doch der entscheidende Punkt, meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieser Einzelfallregelung und dem, was damit verbunden ist, können wir so nicht zustimmen. Sie würden ein Scheunentor öffnen, um diese Geschichte auch noch zu beschleunigen.
Der Weg, wie ihn zurzeit die Abgabenordnung mit der strafbefreienden Wirkung von Selbstanzeigen geht, nämlich Selbstanzeige, Offenlegung und eine Eins-zu-eins-Nachzahlung der vorenthaltenen Steuern, war, ist und bleibt für uns der richtige Weg. Wenn man darüber nachdenken würde, das Instru
ment sogar noch ein Stück weit zu verschärfen, um auch hier den Druck zu erhöhen, wäre das eine wirklich klare Regelung.
Diese neue Regelung gibt das schärfste Schwert aus der Hand, das wir im Steuerrecht gegenüber Steuerkriminellen haben, nämlich die Furcht vor der Entdeckung. Das Schlimmste, was sie befürchten, ist nämlich nicht, nachzahlen zu müssen, sondern dass sie benannt werden, dass man weiß, wer den Staat betrogen und die Steuern hinterzogen hat. Dieses Schwert geben Sie mit diesem Abkommen leichtfertig aus der Hand.
Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt. Es ist eine Straftat und ein strafbewehrtes Vergehen zulasten der Gemeinschaft. Der hohe Druck und der Erfolg bei der Entdeckung geben dem bisherigen Verfahren auch recht. Diesen Druck muss man aufrechterhalten, den darf man jetzt nicht verringern, indem man das Schweizer System indirekt belohnt. Es ist ein Ablasshandel geplant, ein Verfahren nach dem Motto: Billiger Jakob zugunsten der Kriminellen und zulasten der Staatskassen. Wenn 150 Milliarden Euro über Jahre und Jahrzehnte ins Ausland gewandert sind, kann man sich doch vorstellen, welche steuerlichen Auswirkungen das hat. Die lässt man sich einfach in Form eines Ablasshandels abkaufen. Auf der Strecke bleibt die Moral. Ich habe es schon gesagt, die Gefahr besteht: Wer ehrlich ist, ist wieder der Dumme.
(Abg. Schmitt (CDU) : Und der Unehrliche bleibt unehrlich, an seine Steuern kommen wir dann auch nicht ran.)
Herr Kollege Schmitt, wer über Jahre und Jahrzehnte bis heute mithilfe der Schweizer Banken massiv deutsche Steuern hinterzogen hat, dem soll jetzt unter Zahlung eines pauschalisierten Einmalbetrages Legalität geschenkt werden. Das machen wir nicht mit! Mit Steuergerechtigkeit hat ein solcher exklusiver Sündenerlass nichts zu tun. Wir sind der Auffassung, dass es mit der deutschen Verfassung auch nicht vereinbar ist. Wir sagen ausdrücklich: Eine gesonderte Amnestie für die Kapitalflucht in die Schweiz, bei der es bei Anonymität und Straflosigkeit der Täter bleibt, wird von uns vehement abgelehnt!
Irgendwo liegt in der Kreativität der Auslegung oder der Gestaltung der Steuergesetze auch eine Grenze, die hier überschritten wird, insbesondere aus moralischer Sicht. Die Privilegierung gerade hoch vermögender Steuerstraftäter macht sich an diesem Beispiel ganz exklusiv deutlich. Kriminelle Energie, die nach wie vor ausgelebt wird, darf nicht belohnt, sondern muss bestraft werden. Für uns bleibt festzu
halten: Mit diesem Abkommen werden die Voraussetzungen für eine strafbefreiende Selbstanzeige, die sich nach geltender Rechtslage und vor allen Dingen nach den Erfahrungen der letzten zehn Jahre als wirkungsvoll herausgestellt hat, beispiellos unterlaufen. Anonymisierung ist das erste Stichwort, Kapitalschonung das zweite. Man ist klientelbewusst - das kann man an dieser Stelle, glaube ich, auch sagen - und man handelt nicht in erster Linie im Interesse Deutschlands und des deutschen Steuerbürgers, sondern insbesondere im Interesse der Schweiz und ihres Bankensystems, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Die uneinsichtigen Täter werden belohnt und gemeinschaftsschädliches Verhalten wird fortgesetzt werden können. Das Geschäftsmodell der Schweizer Banken kann ohne eine grundsätzliche Änderung der dahinter stehenden Denkstrukturen fortgeführt werden. Wenn Sie mit einem solchen Abkommen es erreichen würden, die Denkstrukturen zu durchbrechen, die hinter dem Schweizer Bankenmodell stehen, würde ich darin letztendlich eine Argumentation dafür sehen, einem solchen Abkommen zustimmen zu können. Aber Sie richten sich geradezu nach diesem System, das dafür gemacht ist, die Steuergesetze anderer Staaten zu umgehen. Es hat eine Steueroasen-Funktion und gilt als eine Beihilfe zur Steuerhinterziehung.
Wir sind der Auffassung, dass eine solche Steuerstraftat, Steuerhinterziehung mit hoher krimineller Energie, nicht straffrei bleiben darf. Sie darf auch nicht anonym bleiben. Derjenige, der in der Vergangenheit unter Missachtung deutscher Gesetze seine Steuern nicht gezahlt, sondern sich in die Schweiz gerettet hat, muss dafür genauso zur Rechenschaft gezogen werden wie in anderen Ländern auch. Dieses Abkommen ist ein Kotau vor dem Schweizer Bankensystem. Wir brauchen keinen Kotau, sondern wir brauchen mehr Druck, um tatsächlich Steuergerechtigkeit herbeizuführen. Genau das Gegenteil ist mit diesem Abkommen der Fall. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Jost. - Das Wort hat nun Horst Hinschberger von der FDP-Landtagsfraktion.
Lieber Herr Kollege Jost! Sie sprechen hier von einem schädlichen Schweizer System. Sind Sie denn bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass Ende der Dreißiger- und Anfang der Vierzigerjahre sehr viele deutsche Juden ihr Überleben diesem schädlichen Schweizer System, wie Sie es nennen, zu verdanken hatten? Das ist der Grund, warum wir Liberale uns dafür einsetzen, dass die Bürger Rechte haben,
insbesondere auch das Recht, ihr Geld in einem sicheren Land anzulegen. Nichts anderes habe ich hier ausgeführt. Ich finde es eigentlich beschämend, dass wir uns nicht daran erinnern, dass dieses System für viele Menschen auch Positives bewirkt hat. Sie reden nur von fehlenden Steuermillionen, reden Sie lieber von den Menschenleben, das würde uns allen gut zu Gesicht stehen. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Jost hat von einem schäbigen System gesprochen, von der Beihilfe zur Steuerhinterziehung, von Ablasshandel, von billiger Nummer.
(Sprechen und Unruhe. - Abg. Jost (SPD) : Ich habe “billiger Jakob“ gesagt, nicht “billiger Jacoby“!)
Ich will nur darauf hinweisen, wenn die Verhandlungen Deutschlands mit der Schweiz in dem Stil, in der Wortwahl und in der Attitüde geführt worden wären, wie sie Herr Jost sich hier zu eigen gemacht hat, dann wären wir keinen Schritt weiter gekommen. Das ist das Erste, was ich sagen will.
Wahrscheinlich hat Herr Jost mit der “billigen Nummer“ eine Art Selbstgespräch geführt, also lassen wir das!
Meine Damen und Herren, alle Bemühungen in der Vergangenheit, die deutschen Steueransprüche gegenüber deutschen Steuerpflichtigen mit Vermögensanlagen in der Schweiz durchzusetzen, sind in jedweder politischen Verantwortung gescheitert. Deshalb will ich darauf hinweisen, auch heute besteht, unabhängig von der Koalitionszusammensetzung in Berlin, für Deutschland alleine keine Möglichkeit, einseitig daran etwas zu ändern. Insofern bleibt nur die Alternative, ein akzeptables Angebot zu machen, wenn wir für die Zukunft bei der Durchsetzung der Steueransprüche für Vermögensanlagen deutscher Steuerflüchtlinge in der Schweiz einen Schritt weiter kommen wollen. Es kann nur darum gehen, etwas auf dem Verhandlungs- und Verständigungsweg zu erreichen. Im Übrigen erin
nere ich mich daran - das will ich doch korrigierend zu dem sagen, was der Kollege Jost hier ausgeführt hat -, dass es eine ganze Reihe von Beispielen rückwirkender Amnestien für Steuerrechtsvergehen gibt, die unter sozialdemokratischen Bundesfinanzministern vorgenommen wurden. Wenn hier eine Teilamnestie vorgenommen wird, kann man das nicht zum Anlass nehmen, um daraus eine große Gerechtigkeitsdebatte zu machen. Das geht fehl oder man klagt sich selbst und die eigenen Leute an. Das ist der Punkt, Herr Kollege Jost, der in der Sache einzufügen ist.
Der Hintergrund ist angesprochen, wir kamen in der Verhandlung also keinen Schritt weiter. Jetzt hat man sich darauf verständigt, dass Deutschland und die Schweiz ihre finanzwirtschaftlichen Beziehungen festigen und die Zusammenarbeit im steuerlichen Bereich stärken wollen. Die Unterhändler beider Länder haben deshalb ein Abkommen ausgehandelt, das heute unterzeichnet wird, anschließend beginnt das parlamentarische Verfahren. Erst dann wird sich diese Landesregierung positionieren, darauf will ich ganz bewusst hinweisen.
Jetzt haben Verhandlungsunterhändler ein Abkommen ausgehandelt, durch das eine effektive Besteuerung von Vermögenswerten deutscher Steuerpflichtiger sichergestellt werden soll. Dies soll sowohl für die Vergangenheit, der Kollege Schmitt hat darauf hingewiesen, als auch für die Zukunft gelten und dadurch geschehen, dass erstens - das bitte ich doch einmal wirklich ganz nüchtern, mit kühlem Kopf auseinanderzuhalten - unversteuerte Vermögenswerte deutscher Steuerpflichtiger in der Schweiz auf der Grundlage dieses Abkommens nachbesteuert werden. Zweitens. Auf zukünftig anfallende Erträge und Gewinne aus Vermögenswerten kann nach den Regelungen des Abkommens eine Steuer mit grundsätzlicher Abgeltungswirkung erhoben werden.
Das ist der Ausgangspunkt. Ist das ein Schritt zurück oder ist es ein Schritt nach vorne? - Nach unserer ersten Analyse ist es ein Schritt nach vorne. Das neue Steuerabkommen mit der Schweiz mag ja nicht perfekt sein - das hat auch niemand behauptet -, aber es kann für beide Seiten letztendlich als akzeptabler Kompromiss gesehen werden, der in seiner Wirkung für die Betroffenen, insbesondere aber in seiner Wirkung für die öffentliche Hand in Deutschland, besser ist als der Status quo. Das ist ein wichtiger Maßstab. Deutschland erhält ab 2013 eine Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge von rund 26 Prozent. Unversteuerte Altvermögen können mit einem Steuersatz - das ist in der individuellen Berechnung vorgesehen - von bis zu 34 Prozent belegt werden. Darüber hinaus gibt es einen Vorschuss der Schweizer Banken in der Größenordnung von 2 Milliarden Euro. Das Handelsblatt vom heutigen Tag
diesen Vorgang wie folgt: Ein Kassenwart, der da nicht zugreift, wäre ein Dummkopf. - Wer will in diesem Parlament ein Dummkopf sein?
Zwar gebietet es die Fairness darauf hinzuweisen, dass die Schweizer gleichzeitig die Reste ihres Bankgeheimnisses gerettet haben, weil die Abgeltungssteuer anonym erhoben werden soll - das ist wahr -, andererseits gilt, die deutsche Seite hat es künftig leichter, verdächtigen Steuersündern auf die Spur zu kommen. Selbst wenn einzuräumen ist, dass Steuerflüchtlinge auf der Basis des jetzigen Abkommens etwas besser wegkommen dürften als diejenigen, die sich in Deutschland wegen einer Steuerhinterziehung selbst angezeigt haben - so ist ja eben argumentiert worden -, bleibt die Frage, was es bringen würde, das Steuerabkommen zu kippen.
Wie ist der Status quo, wie ist die Zukunftsregelung? Was ist besser, was ist schlechter? Ich glaube, die Antwort kann man leicht geben. Letztlich wird mit der ausgehandelten Lösung gewährleistet, dass in der Schweiz bei Inkrafttreten des Abkommens keine unversteuerten Kapitalanlagen deutscher Steuerpflichtiger auf Depots oder Konten mehr vorhanden sind. Zweitens. Damit dies für die Zukunft weiterhin sichergestellt werden kann, ist die Einführung einer Abgeltungssteuer für Kapitalanlagen deutscher Steuerpflichtiger in der Schweiz vorgesehen, die inhaltlich der deutschen Abgeltungssteuer entspricht. Das ist der Regelungsgegenstand des Abkommens, über das wir uns unterhalten.
Die Alternative, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, zum jetzt gefundenen Kompromiss wäre eine jahrelange Fortsetzung der Treibjagd mit den umstrittenen Ankäufen gestohlener Steuerdaten. Auch darüber ist öffentlich diskutiert worden, auch das ist öffentlich infrage gestellt worden. Das ist keine Rechtsgrundlage, die sakrosankt ist oder die man einfach so zu akzeptieren hätte. Am Ende würden mehr Steuersünder davonkommen und Deutschlands Kassen wären leerer, als das gegenwärtig der Fall ist. Frage sozusagen als Abschlussfrage: Wäre das gerecht? Wäre das anstrebenswert? Wir glauben, nein. - Vielen Dank.