stärker vernetzen können, wo wir sie eventuell korrigieren und verbessern müssen. Und deswegen hoffe ich sehr - auch mit Blick auf das, was sich im Beirat um die Veröffentlichung der Studie herum gezeigt hat -, dass wir hier gemeinsam an einem Strang ziehen, dass wir gemeinsam, mit differenzierter Betrachtung und differenzierten Lösungsmöglichkeiten, den unterschiedlichsten Problemen der Menschen gerecht werden. Ich hoffe, dass dies eine Fortsetzung findet in der politischen Diskussion dieses Hauses. Ich glaube, das ist das, was die Menschen in diesem Land zu Recht von uns erwarten. Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wollte mich heute in erster Linie zum Thema Kinderarmut äußern. Aber gestatten Sie mir doch noch zwei Vorbemerkungen. Erster Punkt: Wenn wir über diese Sozialstudie reden und darüber, was sich relativ verändert hat, relativ zu unserer Vergangenheit im Saarland oder relativ zur Situation in anderen Bundesländern, dann ist dieser relative Vergleich eben immer nur relativ. Entscheidend ist die Höhe der Armut im Saarland, mit der wir es zu tun haben. Entscheidend ist die Höhe der Kinderarmut, mit der wir es zu tun haben. Im Saarland ist jedes sechste Kind von Armut betroffen oder bedroht. Das ist unser Thema. Und da hilft es uns nicht, wenn wir sagen, relativ hat sich das ein bisschen in die eine oder andere Richtung verschoben. Damit wird es für kein Kind im Saarland besser. Und deshalb müssen wir über dieses Thema in der Sache sprechen.
Wenn wir über Armut sprechen, Herr Kollege Kühn, dann müssen wir auch über Reichtum sprechen, und zwar aus grundsätzlichen Erwägungen. Wir haben doch alle in den letzten Jahren festgestellt, dass die Schere zwischen Einkommen und Vermögen in diesem Land deutlich auseinandergegangen ist.
Natürlich haben wir das festgestellt! Und wir können sagen, dass letztlich die Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land zur Demokratie, dass das Vertrauen in die Institutionen des Landes auch damit zusammenhängen, dass die Bürger insgesamt den Eindruck haben, dass es in unserem Land gerecht zugeht. Wenn wir auf der einen Seite eine große Armut haben, wenn Massen in dieser
Gesellschaft in Armut leben und wenn auf der anderen Seite die Zahl der Reichen auch immer größer wird, dann rührt das an das Fundament unserer Demokratie. Und deshalb müssen wir beides immer miteinander betrachten.
Jetzt komme ich zum eigentlichen Thema. Bei der Kinderarmut haben wir es im Wesentlichen mit drei Zielgruppen zu tun: den Kindern von Alleinerziehenden, den Kindern von Migrantinnen und Migranten sowie den Kindern derer, die arbeitslos sind oder nur ein ganz geringes Erwerbseinkommen erzielen. Wir sagen immer, dass die Kinder die Zukunft unseres Landes sind. Und deshalb müssen wir uns an dieser Stelle auch fragen, wie gehen wir denn in diesem Land mit der Zukunft unseres Landes um? Welche Folgen hat Armut für diese Kinder? Das ist ja in allen Studien erwiesen. Armut beeinträchtigt dramatisch die Bildungschancen von Kindern. Armut macht Kinder krank. Das zeigen alle Studien. Kinder, die acht, neun Jahre alt sind und in Armut aufgewachsen sind, schneiden in verschiedenen gesundheitlichen Kategorien wesentlich schlechter ab mit ihrem gesundheitlichen Status als der Durchschnitt der Kinder. Armut grenzt Kinder auch aus, beispielsweise von der Mitarbeit in Vereinen, und auch was den räumlichen Bewegungskreis betrifft. Armut grenzt sie auch aus, was ihre freundschaftlichen Kontakte betrifft. Viele Kinder können keinen Kindergeburtstag besuchen, weil ihre Eltern keine 5 Euro haben für ein Geschenk. Dann bleiben sie mit irgendwelchen Ausreden zu Hause - genauso wie bei dem einen oder anderen Klassenausflug. Das sind die Folgen von Kinderarmut.
Die bisherige Politik zur Bekämpfung von Kinderarmut ist gescheitert. Und da rede ich nicht nur über das Saarland, da rede ich nicht nur über die CDUVorgängerregierung, sondern das ist eine Verantwortung, die alle Parteien zu tragen haben, vor allem die beiden großen Parteien. Da müssen wir uns alle an die Brust klopfen. Die bisherige Politik zur Bekämpfung von Kinderarmut ist gescheitert, weil sie manches Grundsätzliche nicht angegangen ist. Grundsätzlich ist, dass wir Armut nur beseitigen können, wenn wir die Verteilungsfrage in der Gesellschaft noch einmal richtig angehen. Wir können Armut nur beseitigen, wenn die Einkommen der Beschäftigten so sind, dass sie ohne staatliche Hilfe den Lebensunterhalt ihrer Familien bestreiten können. Wir können Armut nur dann beseitigen, wenn dort, wo staatliche Transfers gezahlt werden, diese so hoch sind, dass nach der Zahlung dieser Transfers die Armutsgrenze überschritten worden ist. Das sind die grundsätzlichen Dinge und die müssen wir gemeinsam angehen. Hier im Land haben wir zwei Aufgaben: Wir müssen zum einen an die Ursachen von Armut herangehen. Das müssen wir vor allen
Dingen über den Bundesrat machen. Und hier springen CDU, FDP und Grüne zu kurz. Denn zu den Ursachen der Armut gibt es keine Aussage in Ihrem Antrag.
Zweitens müssen wir die Folgen der Kinderarmut bekämpfen. Das tun wir durch gute Kindertageseinrichtungen, durch Ganztagsschulen, durch Schulessen und Schulobst, durch mehr Geld für Vereine und außerschulische Jugendarbeit, durch mehr Geld für Stadtteilarbeit und Gemeinwesenarbeit. Das kann man im Übrigen den Städten und Gemeinden und den Landkreisen nicht alleine überlassen. Hier muss das Land auch in Zukunft stärker Verantwortung übernehmen.
Ich komme zum Schluss noch zu einem grundsätzlichen Punkt. Einen armen Staat bekommen insbesondere arme Kinder ganz bitter zu spüren. Das müssen wir in der Steuer- und Finanzpolitik zu unseren Grundlagen machen. Nur wenn wir dort die richtigen Entscheidungen treffen, können wir auch Erfolge erzielen im Kampf gegen Kinderarmut.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Koalitionsfraktionen, Drucksache 14/56. Wer für die Annahme des Antrages, Drucksache 14/56 ist, den bitte ich die Hand zu heben. - Wer ist dagegen? Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Antrag, Drucksache 14/56 mit Stimmenmehrheit der Regierungsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen angenommen wurde.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der SPD-Landtagsfraktion, Drucksache 14/58. Wer für die Annahme des Antrages Drucksache 14/58 ist, den bitte ich eine Hand zu heben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Antrag Drucksache 14/58 mit der Stimmenmehrheit der Mehrheitsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositionsfraktionen abgelehnt wurde.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der DIE LINKE-Landtagsfraktion, Drucksache 14/69 neu. Wer für die Annahme des Antrages Drucksache 14/69 - neu - ist, den bitte ich eine Hand zu heben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Antrag Drucksache 14/69 - neu - mit der Stimmenmehrheit der Mehrheitsfraktionen bei Stimmenthaltung der SPD-Landtagsfraktion und Zustimmung der Fraktion DIE LINKE abgelehnt wurde.
Beschlussfassung über den von der DIE LINKE-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Klare Konzeption zur Schulstrukturreform notwendig - gleiche Bildungschancen sichern (Drucksache 14/59 - neu)
Beschlussfassung über den von der CDULandtagsfraktion, der FDP-Landtagsfraktion und der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Gerechte Bildungschancen für alle - Schulstruktur nachhaltig reformieren (Drucksache 14/61)
Beschlussfassung über den von der SPDLandtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Zeit für eine bessere Bildung an saarländischen Schulen - Kindeswohl muss im Mittelpunkt stehen (Drucksache 14/70)
Zur Begründung des Antrages der Landtagsfraktion DIE LINKE erteile ich Frau Abgeordneter Barbara Spaniol das Wort.
Frau Spaniol, bitte nicht am Mikro reißen! Einfach nur hoch und runter, das Mikro geht wieder in die Ursprungslage zurück.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit Erstaunen haben wir und die interessierte Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen, dass die neue Landesregierung - mit der alten CDU! - eine neue integrierte Schulform mit der Bezeichnung „Gemeinschaftsschule“ schaffen will, die alle Abschlüsse bis zum Abitur anbietet. Es handelt sich um jene Gemeinschaftsschule, die ja vor allem von der CDU jahrelang als „Einheitsbrei“ verunglimpft worden ist! Bildungsminister Kessler träumte gar öffentlich von der „Schule für alle“. Am besten sei ein wirklich integriertes Schulsystem inklusive des gemeinsamen Lernens bis zum neunten Schuljahr. Also, ich muss sagen: Wir waren beeindruckt! Das alles steht ja, wie Sie wissen, auch im Wahlprogramm der LINKEN.
Aber der konservative Aufschrei ließ natürlich nicht lange auf sich warten. Der Streit war vorprogrammiert. Frau Rink sah sofort eine Missachtung des Koalitionsvertrages. Der Illinger Bürgermeister König
von der CDU wertete des Ministers Aussagen als Kampfansage an das Gymnasium. Herr Theis will nicht „Steigbügelhalter für den Einstieg in die Einheitsschule“ sein. Es fehlte im Grunde nur noch die Diffamierung der Ganztagsschule als „Zwangsbeglückung“; all das hat es ja schon gegeben, all das ist schon passiert. Meine Damen und Herren von der CDU, so kennen wir Sie! Mit ideologischen Scheuklappen durchs Land der Bildung, die Augen fest verschlossen vor echten bildungspolitischen Reformen. - Schade!
Meine Damen und Herren, es wird an diesen Aussagen aber auch ganz deutlich, dass Sie in dieser Koalition bildungspolitisch in der Sackgasse sitzen.
Denn in dieser Koalition kommt zusammen, was schlicht nicht zusammengehört. Die Saarländerinnen und Saarländer, die haben bei der Landtagswahl für bessere Bildungschancen gestimmt. Deshalb wurde die CDU abgewählt!
Nun haben wir wieder eine Regierung mit jener CDU, die für ein gescheitertes G 8 steht, die für Schulschließungen steht, für zu große Klassen und zu wenige Lehrer. Die anhaltende öffentliche Verwirrung spricht Bände; abgesehen von Bekenntnissen ist nichts zu hören, ein klarer bildungspolitischer Kurs ist in dieser Koalition bislang nicht erkennbar. Dabei sind doch gerade die Baustellen auf dem Feld der Bildung riesengroß! Ich will mir einige herausgreifen und auch einige der Vorschläge, die Sie bis jetzt gemacht haben.
Stichwort „Grundschulpläne der Jamaika-Koalition“. Dazu kann man nur sagen: Ein verschultes letztes Kindergartenjahr und das Anhängen eines fünften Grundschuljahres, das macht doch, Herr Kessler, noch längst kein längeres gemeinsames Lernen aus! Aus pädagogischer Sicht ist das doch wirklich Augenwischerei! Auch die GEW hat das kritisch angemerkt, hat Ihnen diese Kritik ins Stammbuch geschrieben.
Tatsächlich verzeichnen wir diesbezüglich nun eine neue Diskussion; das zeigt eine neue Umfrage des Bamberger Centrums für Empirische Studien im Auftrag des Handelsblattes: Jeder Zweite möchte die sechsjährige Grundschule.
Das ist gerade auch vor dem Hintergrund, wie die Pläne in Hamburg attackiert werden, eine neue Dimension, aber eben eine Dimension, die von dieser repräsentativen Umfrage belegt wird. Ich meine, dass wir auch hierzulande einen solchen Weg prüfen sollten. Die sechsjährige Grundschule, sie bedeutete wirklich ein längeres gemeinsames Lernen,
das auch zu einem entsprechenden Bildungserfolg führen könnte! Dieser Weg ist es wert, geprüft zu werden. Dieser Weg ist jedenfalls besser als die halbherzigen Lösungen, die Sie uns im Moment präsentieren.
Kommen wir aber zum virulenten Punkt, zu dem Punkt, um den es eigentlich geht: die Zementierung der Schulformen in der Verfassung. Bis jetzt ist nicht erkennbar, dass Sie diese Zementierung ernsthaft überwinden wollen. Zumindest haben wir davon noch nichts gemerkt. Sie bekennen zwar, dass Sie alle Schulformen aus der Verfassung streichen wollen, das Gymnasium aber soll durch die Hintertür gesichert werden - durch Verfassungsrang oder anderes; wir wissen ja noch nicht, wie das juristisch umgesetzt werden soll. Rechtlich erscheint das eigentlich kaum möglich - und es ist auch nicht nötig! In keinem anderen Bundesland ist das Gymnasium als Schulform in der Verfassung festgeschrieben, und dennoch ist diese Schulform nirgendwo abgeschafft worden. Das hat Ihnen ja auch Ihr Bildungsminister ganz richtig erklärt. Also lassen Sie doch einfach diesen Feldzug! Er ist völlig unnötig!
Wichtig sind jetzt doch ganz andere Dinge. Es geht darum, die öffentliche Verwirrung, die durch die Kakophonie, die Sie sich bei diesem Thema leisten, entstanden ist, zu beenden. Dafür ist es notwendig, eine klare Konzeption zu haben. Es muss deutlich werden, dass es einen echten Kurswechsel in der Bildungspolitik gibt. Wir sind gespannt, was Sie uns vorlegen; eine Verfassungsänderung zum bildungspolitischen Nulltarif wird es mit uns jedenfalls nicht geben.
Der Tenor der Konzeption, wie wir sie uns vorstellen, muss sein - und ich glaube, hoffe zumindest, dass Sie mir diesbezüglich auch zustimmen -, dass sich die Schule am Kind orientieren muss, nicht aber das Kind an der Schule. Die Frage „Ist das Kind hier richtig?“ muss endlich ersetzt werden durch die Frage „Was müssen wir tun, damit dieses Kind optimal lernt?“ Um dies zu erreichen, müssen die Stärken aller Schulformen aufgegriffen werden. Dafür brauchen wir eine Allianz der Vernunft - das habe ich hier auch schon mal gesagt -, nicht aber die Schlachten der Vergangenheit. Wir werden sehen, was die weitere Diskussion bringt.