Protokoll der Sitzung vom 10.02.2010

Minister K e s s l e r.................................. 362

Abg. C o m m e r ç o n (SPD)..................... 364

Abg. R i n k (CDU)................................... 365

Abstimmung über den Antrag Drucksache 14/80, Annahme des Antrages.................. 366

Abstimmung über den Antrag Drucksache 14/99, Ablehnung des Antrages................ 366

17.Beschlussfassung über den von der SPD-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Gesetzlicher Mindestlohn für die Leih- und Zeitarbeitsbranche (Drucksache 14/82)................... 366

21.Beschlussfassung über den von der CDU-Landtagsfraktion, der FDP-Landtagsfraktion und der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Vorrang der Tarifautonomie (Drucksache 14/92)........... 366

Abg. R o t h (SPD) zur Begründung des Antrages Drucksache 14/82................... 366

Abg. S c h a r f (CDU) zur Begründung des Antrages Drucksache 14/92............. 367

Abg. Prof. Dr. B i e r b a u m (LINKE)....... 368

Abg. R i e s (SPD).................................... 369

Ministerin K r a m p - K a r r e n b a u e r....... 369

Abstimmung über den Antrag Drucksache 14/82, Ablehnung des Antrages................ 370

Abstimmung über den Antrag Drucksache 14/92, Annahme des Antrages.................. 370

18.Beschlussfassung über den von der CDU-Landtagsfraktion, der SPD-Landtagsfraktion, der DIE LINKE-Landtagsfraktion, der FDP-Landtagsfraktion und der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Behandlung von Streitsachen vor dem Verfassungsgerichtshof des Saarlandes und dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache 14/81).......... 370

Abstimmung, Annahme des Antrages....... 370

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 7. Landtagssitzung.

Herr Ministerpräsident Peter Müller ist für die heutige Sitzung entschuldigt. Er nimmt an der konstituierenden Sitzung des Ausschusses der Regionen in Brüssel teil. Ebenfalls für die heutige Sitzung entschuldigt sind aus gesundheitlichen Gründen der Stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Fraktion DIE LINKE, Herr Abgeordneter Rolf Linsler, und der Abgeordnete der SPD-Landtagsfraktion Herr Volker Schmidt.

Im Einvernehmen mit dem Erweiterten Präsidium habe ich den Landtag des Saarlandes zu seiner 7. Sitzung für heute, 09.00 Uhr, einberufen und für diese Sitzung die Ihnen vorliegende Tagesordnung festgesetzt.

Zu Punkt 2 der Tagesordnung, dem Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE zur Änderung des Landtagsgesetzes (Drucksache 14/86) hat die SPD-Landtagsfraktion mit der Drucksache 14/100 den Antrag betreffend: „Einsetzung einer Arbeitsgruppe zur Überarbeitung der Rechtsgrundlage der Arbeit des Landtages“ eingebracht.

Wer dafür ist, dass der Antrag als Punkt 19 in die Tagesordnung aufgenommen wird, den bitte ich eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält

sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Antrag Drucksache 14/100 als Punkt 19 in die Tagesordnung aufgenommen ist und gemeinsam mit Punkt 2 der Tagesordnung beraten wird.

Darüber hinaus sind die Mitglieder des Erweiterten Präsidiums übereingekommen, die Punkte 4 und 5 der Tagesordnung, die Änderung der Landesbauordnung betreffend, wegen des Sachzusammenhangs gemeinsam zu beraten. Erhebt sich hiergegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann werden wir so verfahren.

Zu Punkt 14 der Tagesordnung, dem Antrag der Fraktion DIE LINKE betreffend: „Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ‚Unternehmerische Einflussnahme auf die Regierungsbildung des Saarlandes nach den Landtagswahlen 2009’“ (Drucksache 14/85 - neu) haben die Koalitionsfraktionen mit der Drucksache 14/102 den Antrag betreffend: „Erweiterung und Konkretisierung des Untersuchungsgegenstandes des Untersuchungsausschusses ’Unternehmerische Einflussnahme auf die Regierungsbildung des Saarlandes nach den Landtagswahlen 2009’“ eingebracht. Wer dafür ist, dass dieser Antrag als Punkt 22 in die Tagesordnung aufgenommen wird, den bitte ich eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Dann stelle ich fest, dass wir den Antrag Drucksache 14/102 als Punkt 22 in die Tagesordnung aufgenommen haben und gemeinsam mit Punkt 14 der Tagesordnung beraten werden.

Zu Punkt 16 der Tagesordnung, dem Antrag der Koalitionsfraktionen betreffend: „Beitragsfreiheit an Ganztagsschulen“ (Drucksache 14/80) hat die SPDLandtagsfraktion mit der Drucksache 14/99 den Antrag betreffend: „Ganztagsschulen schaffen mehr Zeit zum Lernen - für echte Wahlfreiheit und beitragsfreie Schulbildung im Saarland“ eingebracht. Wer dafür ist, dass dieser Antrag als Punkt 20 in die Tagesordnung aufgenommen wird, den bitte ich eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Dann stelle ich fest, dass dieser Antrag Drucksache 14/99 als Punkt 20 in die Tagesordnung aufgenommen ist und gemeinsam mit Punkt 16 der Tagesordnung beraten wird.

Zu Punkt 17 der Tagesordnung, dem Antrag der SPD-Landtagsfraktion betreffend: „Gesetzlicher Mindestlohn für die Leihund Zeitarbeitsbranche“ (Drucksache 14/82) haben die Koalitionsfraktionen mit der Drucksache 14/92 den Antrag: „Vorrang der Tarifautonomie“ eingebracht. Wer dafür ist, dass der Antrag als Punkt 21 in die Tagesordnung aufgenommen wird, den bitte ich die Hand zu erheben - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Dann werden wir dies so tun. Der Punkt ist als Tagesordnungspunkt 21 aufgenommen und wird dann gemeinsam mit Tagesordnungspunkt 17 beraten werden.

Die CDU-Landtagsfraktion, die FDP-Landtagsfraktion und die BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion haben mit Schreiben vom 08. Februar 2010 gemäß § 57 der Geschäftsordnung beantragt, eine Aktuelle Aussprache zu dem Thema:

„Erhalt der Strukturen der Argen und Optionskommune im Saarland“

durchzuführen.

Bevor ich die Aussprache eröffne, erinnere ich hier noch einmal an einige geschäftsordnungsmäßige Voraussetzungen. Die Redezeit beträgt fünf Minuten, wobei das Verlesen von Erklärungen und Reden unzulässig ist und Anträge zur Sache im Rahmen dieser Aussprache nicht gestellt werden können. Die Dauer der Aussprache beträgt grundsätzlich 60 Minuten. Dabei bleibt die von den Mitgliedern der Regierung in Anspruch genommene Redezeit unberücksichtigt.

Ich will auch noch darauf hinweisen, dass die Mitglieder des Erweiterten Präsidiums für die Abwicklung der Aktuellen Aussprachen bereits zu Beginn der Legislaturperiode eine Vereinbarung getroffen haben, die die Anzahl der Redebeiträge nach der Stärke der Fraktionen begrenzt.

Wir kommen zur Aussprache. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat Herr Fraktionsvorsitzender Klaus Meiser.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Arbeitslosigkeit und die soziale Sicherung sind mit die größten Herausforderungen in unserem Lande. Deshalb waren wir dankbar, dass die Reform im Bereich der Arbeitsagentur, dass die Jobcenter so eingerichtet worden sind, dass faktisch eine stärkere Kommunalisierung der Arbeitsmarktpolitik stattgefunden hat, um im Sinne der Betroffenen vor Ort die Weichen richtig stellen zu können, einmal dadurch, dass Fördern und Fordern, das heißt Transferleistungen und das Bemühen um Rückkehr in den Arbeitsmarkt, in einer Hand zusammengeführt werden, dass das alles in einem Hause geschieht, und dass damit auch den Notwendigkeiten vor Ort Rechnung getragen wird, wenn es um die Fragen der Weiterbildung geht, Qualifizierung in welchen Bereichen, wo die Bedarfe in unserem Land liegen, und in welchen Berufen wir vor allen Dingen weiterbilden müssen.

Jetzt haben wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass ein System, das durchaus funktioniert und Erfolge zeigt, vom Bundesverfassungsgericht aus formalrechtlichen Gründen für verfassungswidrig erklärt worden ist, im Klartext, dass eine Mischverwaltung

zwischen Bund und Kommunen nicht zugelassen worden ist.

Ich denke, es ist heute der richtige Tag, als Landtag an den Bund zu appellieren, den Weg, der seit dem Wochenende offensichtlich freigemacht wird, weiterzugehen, nicht den Weg zu gehen, die Strukturen, die gut funktionieren, wieder zu zerschlagen - wir haben eine Riesenunruhe vor allen Dingen in der Arbeitsverwaltung -, sondern den klügeren Weg zu gehen, nämlich eine gute Lösung jetzt verfassungsrechtlich abzusichern. Das ist unser Appell, der heute von dem saarländischen Landtag ausgeht.

Ich darf ein Weiteres sagen. Ich denke, dass die CDU-geführte Landesregierung und die CDU-Landtagsfraktion in den letzten Monaten und Jahren genau den richtigen Weg gegangen sind. Wir haben im Saarland gut funktionierende Argen, wir haben im Saarland eine gut funktionierende Optionskommune in St. Wendel. Die Zahlen zeigen dies. Deshalb denke ich, war es richtig, erstens auf Bundesebene dafür zu werben, dass diese Lösung so kommt. Ich bin sehr froh, dass unsere Arbeitsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer sofort ein Alternativszenario aufgebaut hat, denn wir sind unter Zeitdruck.

(Abg. Roth (SPD) : Wohl wahr!)

Bis zum Jahresende muss Rechtssicherheit da sein. Es war vorbereitet, dass das Saarland vergleichbar mit Hamburg eine Modellregion wird und dass wir die Strukturen ungeachtet anderer Entwicklungen im Bund hätten beibehalten können. Auch wenn sich dies jetzt erübrigt, weil verfassungsrechtlich die jetzige Lösung in der Praxis abgesichert wird, denke ich, ist es richtig, dass die saarländische Landesregierung darauf drängt, dass die Freiheit für die kommunale Ebene noch größer wird, dass das, was in der Verfassung festgeschrieben ist, nämlich nur 69 Optionskommunen, geöffnet wird, und dass man in der Verfassung abstrakt generell diese Lösung zulässt und dann in einfachgesetzlichen Regelungen länderspezifisch entscheiden kann.

Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen immer daran denken, was hinter diesem für die Bevölkerung etwas anonymen Gebilde steckt. Es steckt dahinter das Bemühen und unsere Sorge um die Menschen, die arbeitslos sind. Deshalb ist es wichtig, dass wir Strukturen haben, die Menschen, die arbeitslos werden, auffangen, sie dort fördern, dass wir sie aber sofort fordern, soweit Arbeitsplätze vorhanden sind und der Arbeitsmarkt das hergibt, dass wir das Ziel verfolgen, sie in Arbeit zurückzubringen, sie dorthin zu bringen, wo sie sozial hin müssen, weil sie in unserer Gesellschaft gebraucht werden. Deshalb sage ich heute Dank an die Argen, an die Optionskommune, die hervorragende Arbeit geleistet haben.

(Präsident Ley)

Zweitens freue ich mich, dass jetzt sehr schnell Ruhe einkehren kann und die Konzentration auf diese Aufgaben wieder gewährleistet ist. In diesem Sinne bitte ich, dass wir alle gemeinsam diesen Appell an die Bundesebene richten, sodass Bundestag und Bundesrat die Verfassung entsprechend ändern und die jetzige Lösung absichern. - Vielen Dank.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Magnus Jung.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Arbeitsmarktstrukturreformen sind Operationen am offenen Herzen unserer Gesellschaft. Denn wir leben in einer Arbeitsgesellschaft. Beim Thema Arbeit entscheidet sich, wer drin ist in dieser Gesellschaft und wer draußen ist. Arbeit gehört zum Leben der Menschen, zur Selbstverwirklichung, Arbeit ist Voraussetzung für ihre wirtschaftliche Existenzsicherung. Es geht beim Thema Hartz 4 auch um das Thema Armut, es geht um Gerechtigkeit und das Gerechtigkeitsempfinden der Menschen und um die Frage, wie das öffentliche Geld verteilt wird zwischen den verschiedenen staatlichen Ebenen und damit auch bei den Kommunen.

Es ist nicht nur eine Frage, wie man irgendetwas einfach nur verwaltet, sondern es ist eine zentrale Frage für unsere Gesellschaft, wie man diesen Bereich der Arbeitsmarktpolitik organisiert. Deshalb können wir froh sein, dass die CDU/CSU-Bundestagsfraktion und die Bundesministerin sich bewegt haben, eine 180-Grad-Kehre vollzogen haben und wir jetzt wieder anfangen können, vernünftig und zielorientiert im Interesse der Menschen die Arbeitsmarktpolitik für Langzeitarbeitslose in Deutschland zu organisieren.

Dabei sind drei Ziele wichtig. Die Argen arbeiten in weiten Teilen der Republik einigermaßen vernünftig und haben sich insofern bewährt, als es jetzt Hilfen aus einer Hand gibt. Der Verschiebebahnhof zwischen Arbeitsverwaltung und Kommunen, wie wir ihn zu Zeiten des BSHG noch hatten, ist abgeschafft. Es geht nun darum, diese Form der Zusammenarbeit, die Hilfe aus einer Hand, verfassungsfest zu machen.

Wir brauchen zweitens auch klare Regelungen, um die gut funktionierenden Optionskommunen abzusichern. Wir haben im Saarland nur eine Optionskommune, das ist St. Wendel. Ich komme von dort und kann Ihnen berichten, dass das sehr gut funktioniert. Das hätten sich seinerzeit auch andere im Saarland gewünscht. Die CDU-Landesregierung hat das damals mit aller Macht verhindert, aber auch in diesem

Punkt ist man inzwischen wohl etwas klüger geworden.

Drittens geht es darum, weiteren Landkreisen die Möglichkeit zur Option zu eröffnen. Allerdings sind bei den Beschlüssen, die die CDU-Ministerpräsidenten mit der Bundesministerin getroffen haben, noch viele Fragen offen. Wir wissen noch nicht genau, wie der Text der Grundgesetzänderung aussehen soll, was einfachgesetzlich geregelt werden soll und wie. Vor allem ist noch offen, wie das mit der Fachaufsicht durch die Bundesagentur aussieht. Da bitte ich alle, die jetzt so kommunalfreundlich reden, darauf zu achten, dass die BA nicht sozusagen durch die Hintertür wieder alleine das Zepter in die Hand bekommt. Wer die kommunale Verantwortung im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik will und wer will, dass die Kommunen auch selbst das, was sie an Geld ausgeben, steuern können, der darf nicht der BA eine so starke Fachaufsicht geben, dass die Kommunen am Ende doch nichts mehr zu sagen haben.

(Beifall bei der SPD.)