Protokoll der Sitzung vom 10.02.2010

(Anhaltend Zurufe und Sprechen.)

Übrigens sind Sie - und das ist auch in Ordnung mit keinem Minister in diesem Land besonders zimperlich umgegangen, auch nicht während der Zeit, in der die GRÜNEN in der Opposition waren. Beklagen Sie sich also bitte nicht darüber, wie nun mit Ihnen umgegangen wird! Dafür kriegen Sie ja auch ein ordentliches Schmerzensgeld.

(Teilweise Heiterkeit.)

Das haben Sie auch verdient. Allerdings müssen Sie dafür auch aushalten, was in diesem Haus gesagt wird.

Eines bin ich wirklich leid: Auf der einen Seite werde ich immer wieder darauf hingewiesen, was Sie angeblich in der Bildungspolitik alles durchgesetzt hätten. Auf der anderen Seite aber wird gesagt, das sei nun einmal so im Koalitionsvertrag festgehalten. Das ist ja schon schmerzhaft genug.

Man muss aber, lieber Minister Kessler, zudem beispielsweise von der Landeselternvertretung der Gymnasien hören, die FDP-Fraktion habe der Landeselternvertretung gegenüber geäußert: Ihr macht ja den Quatsch, den wir im Koalitionsvertrag unterschrieben haben, hoffentlich nicht mit? Wir setzen da auf die Sozialdemokraten! - Angesichts dessen frage ich mich in der Tat, Herr Minister Kessler, mit was für einer Koalition wir es hier zu tun haben. Das ist wirklich nur noch die „Koalition der absoluten Be

(Minister Kessler)

liebigkeit“. Geht man so mit den Menschen in diesem Lande um, so ist das schlicht nur noch heuchlerisch bis zum Gehtnichtmehr.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Ich wundere mich auch, Herr Minister Kessler, dass Sie nun plötzlich das Wort „Zwangsganztagsschule“ in den Mund nehmen. Also, das ist wirklich ein absoluter Hammer! Sie wissen genau, dass das ein Kampfbegriff aus der konservativen Ecke dieses Hauses war.

(Abg. Rink (CDU) : Ein „Kampfbegriff“?)

Als wollten wir irgendjemanden in Ganztagsschulen zwingen!

(Zuruf von der CDU: Das willst du doch!)

Das ist doch dummes Zeug! Sie wissen auch, dass das dummes Zeug ist. Es steht übrigens auch in unserem Antrag, dass das dummes Zeug ist.

(Anhaltend Unruhe und Sprechen.)

Das, was wir zurzeit haben, ist aber an vielen Stellen die „Zwangshalbtagsschule“. Das ist in der Tat ein Problem, denn viele Eltern haben gar nicht die Möglichkeit, ihre Kinder in echte Ganztagsschulen, in gebundene Ganztagsschulen, einzuschulen. Ich würde eigentlich einen solchen Begriff wie „Zwangshalbtagsschule“ nicht unbedingt verwenden. Dass aber nun ausgerechnet Sie, Herr Minister Kessler, mit diesem merkwürdigen Begriff kommen!

Herr Abgeordneter Commerçon -

Da muss ich mich wirklich fragen, wer Ihnen diese Sätze in Ihre Reden reinschreibt. Ich glaube, Sie sollten zumindest einmal darüber nachdenken, Ihren Redenschreiber auszuwechseln; es scheint noch immer der des Kollegen Schreier zu sein.

(Heiterkeit aufseiten der Oppositionsfraktionen.)

Herr Abgeordneter Commerçon, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Rink?

(Zuruf: Hat sich doch wohl erledigt. Seine Rede- zeit ist ja rum.)

Ich hätte jetzt auch die Zwischenfrage - - Na ja, ich habe nur noch eine Minute.

Sie haben noch 44 Sekunden.

Ja? Nun gut. - Ein letzter Punkt: Herr Kessler, erwecken Sie doch bitte nicht den Eindruck, wir hätten in unseren Antrag geschrieben, dass wir die Gymnasien alle nach dem Vorbild des Schengen-Lyzeums organisieren möchten. Das steht da nicht drin! Da steht: „Deshalb fordert der saarländische Landtag die Landesregierung auf, (...) Gymnasien die Möglichkeit einzuräumen, sich nach dem Ganztagsmodell des Schengen-Lyzeums organisieren zu können.“ - Herr Minister Kessler, das ist was völlig anderes als das, was Sie behauptet haben! Aber das hat bei Ihnen mittlerweile System. Sie reden jedem so nach dem Mund, wie es die jeweilige Lokalität gerade für Ihr Fortkommen erfordert. Das ist verlogen von Ihnen, Herr Minister Kessler. So können Sie nicht mit uns umgehen!

Ihre Redezeit ist zu Ende, Herr Kollege.

Sie können nicht einfach hier aus Anträgen nachweislich falsch zitieren, nur um gegen diese Anträge anzugehen. Das ist einfach unlauter, Herr Minister. Nehmen Sie solche Sachen bitte in Zukunft ernst! Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Die nächste Wortmeldung: Gisela Rink, CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Keine Sorge, ich mache es ganz kurz. Ich wollte meine Anmerkungen eigentlich mit einer Zwischenfrage erledigen. Zur Sache. Herr Kollege Commerçon, wenn Sie sich heute so echauffieren, dann zeigt das, wie man eine positive Sache, die Sie im Grunde genommen auch begrüßen müssten auch die LINKE müsste das begrüßen -, nämlich die Beitragsfreiheit an unseren Ganztagsschulen, schlechtreden kann.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Ich höre, die LINKE könne nicht zustimmen, weil das Schulessen nicht mitfinanziert sei. Wir haben einen Fonds, aus dem das Schulessen bezuschusst wird. Sie suchen einfach Gründe, diesen Antrag abzulehnen.

(Zurufe von der LINKEN.)

Herr Kollege Commerçon, ich darf Sie vielleicht an Ihre Debattenbeiträge beziehungsweise an die Debattenbeiträge Ihres Kollegen Rainer Braun erinnern. Wir haben hier gerungen und es hieß immer:

(Abg. Commerçon (SPD) )

„G 8 bitte nur in Ganztagsform!“ Da frage ich mich natürlich: Wo ist die von Ihnen eben so gerühmte Wahlfreiheit? Das war der Punkt, über den wir gestritten haben! Sie haben immer gesagt: Bei der SPD gibt es G 8 nur in Ganztagsform. Wir dagegen wollen Wahlfreiheit auch im Gymnasialbereich. Sie ist bei uns gewährleistet durch die Ganztagsklassen und nicht durch eine gezwungene Ganztagsschule. Wenn ich mir Ihren Antrag anschaue, gibt es sehr viele Dinge, die sich bei der SPD verändert haben.

(Abg. Schmitt (CDU) : So ist es.)

Von daher kann ich nur eines sagen: Stimmen Sie heute unserem Antrag zu! Wir haben ein Konzept. Wir werden Ganztagsschulen weiterentwickeln. Wir werden auf Antrag der Schulkonferenzen auch weitere Ganztagsschulen zulassen. Ich glaube, dann sind wir auf einem guten Weg. Die Beitragsfreiheit ist ein sehr großer Schritt gerade für den Bereich, der Ihnen immer so wichtig ist, nämlich die Bildungsgerechtigkeit. Ich glaube, hier tun wir unseren Kindern wirklich etwas Gutes. Ich kann Ihnen nur noch einmal empfehlen: Stimmen Sie dem Antrag zu, denn das ist der richtige Weg. - Vielen Dank.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen sind nicht eingegangen. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den Antrag der Koalitionsfraktionen, Drucksache 14/80. Wer für die Annahme dieses Antrages ist, den bitte ich eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Antrag einstimmig mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen angenommen ist bei Stimmenthaltung der Fraktionen der SPD und der LINKEN.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der SPD-Landtagsfraktion, Drucksache 14/99. Wer für die Annahme dieses Antrages ist, den bitte ich eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Antrag mit Stimmenmehrheit abgelehnt ist. Dafür gestimmt haben die SPD-Fraktion und die Fraktion DIE LINKE, dagegen gestimmt haben die Koalitionsfraktionen.

Wir kommen zu den Punkten 17 und 21 der Tagesordnung:

Beschlussfassung über den von der SPDLandtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Gesetzlicher Mindestlohn für die Leihund Zeitarbeitsbranche (Drucksache 14/82)

Beschlussfassung über den von der CDULandtagsfraktion, der FDP-Landtagsfraktion und der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion eingebrachten Antrag betreffend: Vorrang der Tarifautonomie (Drucksache 14/92)

Zur Begründung des Antrages der SPD-Landtagsfraktion erteile ich Herrn Abgeordnetem Eugen Roth das Wort.

Es gab mal einen Film mit dem Titel "Mitternachtsspitzen". Daran fühle ich mich jetzt fast erinnert, wenn ich zu so später Stunde zu diesem Antrag spreche. Ich will es wirklich relativ kurz machen, denn eine ordnungsgemäße Behandlung des Themas ist um diese Uhrzeit kaum noch möglich.

Ich möchte Ihnen kurz sagen, warum wir jetzt zum wiederholten Male einen solchen Antrag hier im Landesparlament eingebracht haben. Zum einen wird am 01. Mai 2011 die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit in Europa eintreten. Darüber haben wir heute bei dem Einheitlichen-Ansprechpartner-Gesetz schon einmal gesprochen. Darüber hinaus wurde öffentlich berichtet, dass es in der gelb-schwarzen Koalition in der Bundesregierung eine Absprache geben soll zwischen Herrn Kauder und Frau Homburger, dass Allgemeinverbindlichkeitserklärungen über das Entsendegesetz über die anhängigen Verfahren bei Dachdeckern und Gebäudereinigern hinaus nicht mehr laufen sollen - konkret auf Druck der FDP. Man will also die ganzen Dinge unreguliert lassen. Zum Dritten gibt es aktuelle Missbrauchsfälle, die sich in unerhörtem Maße gehäuft haben. „Schlecker XL“ hat wirklich Wellen geschlagen, ist aber leider nicht der einzige Fall. Man merkt vielmehr, dass sukzessive und gezielt offensichtlich Stammbelegschaften gegen Leih- und Zeitarbeitsbelegschaften ausgewechselt werden. Die evangelische und die katholische Kirche haben sich Ende des vergangenen Jahres dazu äußert. Bischof Ackermann und Präses Schneider haben in einer gemeinsamen Erklärung vom 17. November des vergangenen Jahres geäußert, dass es dabei nicht mehr um arbeitsmarktoder wirtschaftspolitische Dinge geht, sondern um eine Frage der Menschenwürde. Dieser Ansicht sind wir auch.

Jetzt gibt es die Möglichkeit, tätig zu werden in Absprache mit anderen Bundesländern. Das beinhaltet zum Teil auch unser Antrag. Das Land RheinlandPfalz hat ausgehend von Ankündigungen von Frau von der Leyen eine Bundesratsinitiative gestartet für die kommende Bundesratssitzung am 12. Februar, also übermorgen. Es wäre gut, wenn die saarländische Landesregierung sich durchringen könnte, diese Bundesratsinitiative zu unterstützen, die nicht so

(Abg. Rink (CDU) )

weitgehend ist wie unser Antrag, aber immerhin bestimmte Missbrauchsmöglichkeiten verhindern will, die nun mal gegeben sind durch Scheingewerkschaften oder durch reine Dumpingtarifverträge. Es geht um den Post-Mindestlohn. Die Verordnung läuft zum 31. März aus. Sie könnte relativ leicht juristisch sattelfest gemacht werden. Es ist die Frage, ob der politische Wille dafür da ist.