Protokoll der Sitzung vom 16.03.2010

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass die Haushaltslage des Saarlandes dramatisch ist, wissen wir nicht erst seit gestern. Die Neuverschuldung, das ist jetzt mehrfach dargestellt worden, beträgt einschließlich des Sondervermögens 1 Milliarde Euro. Sie dürfte sogar etwas höher liegen, wenn wir noch ein paar andere Titel dazunehmen, die nicht direkt im Haushalt erscheinen. Ich verweise beispielsweise auf den Wirtschaftsplan des Landesbetriebs

Straßenbau. Wie auch immer, in jedem Fall wird bis Ende dieses Jahres die Gesamtverschuldung des Saarlandes bei rund 12 Milliarden Euro liegen. Das ist gigantisch, meine Damen und Herren!

Begründet wird dies, so Herr Jacoby gestern in seiner Rede, mit der anhaltenden Wirtschaftskrise und der Notwendigkeit, den Folgen der Krise gegensteuern zu müssen. Dieser Argumentation kann ich im Grundsatz durchaus folgen. Ich will gleich näher darauf eingehen. Allerdings muss auch festgehalten werden, dass die Vorgängerregierung - die in den wesentlichen Positionen dieselbe ist, wir haben den selben Ministerpräsidenten und den selben Finanzminister - aus der zumindest bis 2008 recht guten Wirtschaftslage nichts gemacht hat, um die Länderfinanzen in Ordnung zu bringen.

(Beifall bei der LINKEN.)

Sie, meine Damen und Herren, haben sich sehr lange in der Konjunktur gesonnt und haben dies fälschlicherweise als Erfolge Ihrer Regierung ausgegeben. Sie haben aber nichts dafür getan, um eine wirklich nachhaltige Wirtschaftsentwicklung mit nachhaltigem Arbeitsplatzzuwachs zu bekommen. Das, was wir an Arbeitsplatzzuwachs haben, ist vor allen Dingen im Bereich der prekären Arbeit festzustellen. Die Zahlenvergleiche, die Sie immer in Bezug auf die Arbeitslosigkeit ziehen, die hinken, weil nämlich die Vergleichsgrundlage nicht gegeben ist. Wenn man das seriös macht, kommt man zu ganz anderen Ergebnissen.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Lassen Sie mich noch eines sagen, weil eben auf die Vorvorgängerregierung eingegangen worden ist. Die von Oskar Lafontaine durchgesetzte Teilentschuldung des Landes, die haben Sie verfrühstückt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen. - Abg. Spaniol (DIE LINKE) : Genau! - Zurufe: Toll! - Zurufe von der CDU.)

Sie können sich gerne gleich noch äußern. Meine Damen und Herren, wir befinden uns jetzt in einer Situation - das sollten wir alle zur Kenntnis nehmen -, in der der Spielraum für Politik äußerst eingeschränkt ist. Die Summe der frei verfügbaren Mittel zur Gestaltung beträgt weniger als 400 Millionen Euro, Herr Jacoby, das ist aus Ihrem Bericht deutlich ersichtlich. Das ist wahrhaftig nicht viel. Der Haushalt - auch das muss man berücksichtigen - wird in einem ganz hohen Maße von Zinsaufwendungen bestimmt, die sich auf fast 500 Millionen Euro belaufen. Das ist beinahe doppelt so viel wie die Konsolidierungsbeihilfe von 260 Millionen Euro, die im Zusammenhang mit der Schuldenbremse in Aussicht gestellt wird. Die Zustimmung zur Schuldenbremse, das will ich eindeutig betonen, meine Damen und

(Abg. Schmitt (CDU) )

Herren, war und bleibt ein katastrophaler politischer Fehler.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Herr Minister Jacoby, Sie haben gestern in Ihrer Rede die Zustimmung zur Schuldenbremse dadurch zu legitimieren versucht, dass Sie gesagt haben, dies würde die Zukunft des Saarlandes sichern. Das Gegenteil wird der Fall sein. Denn damit werden Einsparungen verbunden sein, die Sie überhaupt nicht verkraften können. Auch aus der vorgelegten mittelfristigen Finanzplanung ist nicht ersichtlich, wie das strukturelle Defizit bis 2020 auf null zurückgeführt werden kann. Sie sprechen in der mittelfristigen Finanzplanung davon, dass jährlich rund 80 Millionen Euro einzusparen seien. Das wird meines Erachtens noch nicht einmal reichen. Und dennoch wird Ihren eigenen Zahlen zufolge das strukturelle Defizit zwar bis 2013 sinken, aber mit über 500 Millionen Euro immer noch erheblich sein.

Ich habe den Eindruck, dass Sie selbst nicht an den Erfolg der Konsolidierungsbemühungen glauben. Sie sagen, dass die Geschäftsgrundlage inzwischen infrage gestellt worden sei, dass sie nicht mehr gelte. Das halte ich im Übrigen für einen schlechten Witz und für einen Ausdruck politischer Blindheit, weil die Schuldenbremse auf dem Höhepunkt der Krise beschlossen worden ist.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Sie hoffen jetzt auf ein Entgegenkommen des Bundes. Im Interesse des Saarlandes wünsche ich mir, dass Sie damit Erfolg haben. Angesichts der beschlossenen Rekordverschuldung auf Bundesebene wird dies - fürchte ich - jedoch ein sehr vergebliches Flehen sein. Die verfassungsrechtlich festgeschriebene Schuldenbremse - lassen Sie mich das grundsätzlich feststellen - ist ein Offenbarungseid der Politik.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Auch wenn zwischen strukturellem und konjunkturellem Defizit richtigerweise unterschieden werden muss, so wird doch verkannt, dass Schulden nicht gleich Schulden sind. Es kommt darauf an, wofür Schulden gemacht werden, wofür Gelder verwandt werden. Es macht einen Unterschied, ob ich Geldmittel unproduktiv verwende oder ob ich sie für eine nachhaltige Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik einsetze. Das ist der Unterschied. Nur über eine wirklich nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung mit stabilen Arbeitsplätzen, mit Erhöhung der Einkommen, gerade bei der Masse der Bevölkerung, wird die Zukunft des Landes gesichert sein, und nicht umgekehrt etwa durch Steuersenkung.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Denn die gegenwärtige Krise, meine Damen und Herren, sollte doch eines deutlich gemacht haben, nämlich dass das neoliberale Konzept in der Wirtschaftspolitik völlig versagt hat und dass man eine aktive Wirtschaftspolitik unter Einsatz öffentlicher Mittel braucht.

(Beifall bei der LINKEN.)

Diese Erkenntnis hat sich offensichtlich auch bei Ihnen zumindest zum Teil durchgesetzt im Gegensatz zu dem, was Sie früher immer vertreten haben. Ich begrüße es daher durchaus, Herr Jacoby, wenn Sie von der Notwendigkeit einer antizyklischen Finanzpolitik sprechen.

(Abg. Linsler (DIE LINKE) : Das ist neu!)

Das ist ein Punkt, den wir unterstützen und den wir gerne auch bekräftigen, denn in Zeiten der Krise bleibt nichts anderes übrig, natürlich nicht in jeder Konjunkturdelle. Es freut mich, Herr Schmitt, dass Sie vorher dargestellt haben, dass wir uns tatsächlich in einer Krise befinden. Wir haben schon mehr Krisen hinter uns. Aber das ist in der Tat eine außergewöhnlich tiefe Krise. Hier ist es notwendig, dass auch grundsätzlich über wirtschaftspolitische Konzepte nachgedacht wird.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) : Hat das irgendjemand bestritten, dass wir in einer Krise sind?)

Das habe ich gar nicht damit gesagt. Es geht mir um die Schlussfolgerungen, Herr Ulrich. Es geht mir nicht darum, dass wir die Krise beschreiben, sondern es geht mir um die Schlussfolgerungen. Die Schlussfolgerung besteht darin, dass man über Wirtschaftspolitik, über wirtschaftspolitische Konzepte nachdenken muss, dass man sie verändern muss, dass man deutlich sehen muss, dass die neoliberale Wirtschaftspolitik, das Konzept der FDP der Steuersenkung gescheitert ist und dass wir eine ganz andere Wirtschaftspolitik brauchen. Das ist der Punkt.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Ich glaube, hier sind wir bei einem ganz entscheidenden Punkt, dass nämlich die Probe aufs Exempel in der Anlage und dem Inhalt der Wirtschaftspolitik besteht. Ich bestreite überhaupt nicht, Herr Schmitt, was Sie eben dargestellt haben, dass es durchaus einige Ansätze gibt, die nachdenkenswert sind, die wir aufgreifen können. Sie haben auf den Ausbau der Hochschulen verwiesen. Auch das begrüßen wir. Sie haben auf andere Projekte verwiesen. Ich verweise etwa auf das Thema Klimaschutz. Wir sind absolut dafür, dass da etwas gemacht wird. Und wir sind natürlich auch dafür, dass in der Frage der Wirtschaftsförderung und der Unterstützung der Wirtschaft mehr gemacht wird und dass dafür Geld ausgegeben wird. Das ist überhaupt keine Frage.

(Abg. Prof. Dr. Bierbaum (DIE LINKE) )

Aber der Punkt ist: Wie weit geht das? Ich sehe zwar bestimmte Ansätze, aber ich sehe nicht den großen Wurf. Ich vermisse beispielsweise bislang ein industriepolitisches Konzept und ich sehe auch keine nachhaltige Konzeption in der regionalen Strukturpolitik. Nehmen wir nur die Industrie. Die Industrie ist in der Tat das Rückgrat der saarländischen Wirtschaft. Hier kommen eine Menge Probleme auf uns zu. Bisher ist es so, dass glücklicherweise der ganz starke Einbruch bisher ausgeblieben ist. Das muss man feststellen. Ich denke, da gibt es auch sehr positive Entwicklungen.

Dennoch ist gerade die industrielle Entwicklung mit erheblichen Problemen verbunden. Da muss etwas getan werden. Die prognostizierte Zunahme der Insolvenzen ist bislang ausgeblieben. Ich hoffe auch, dass dies so bleibt. Aber dennoch muss man hier aktiv etwas tun. Wenn ich an die Personalpolitik in den Betrieben denke - da haben wir auch einen Anknüpfungspunkt in der Debatte von gestern -, so ist es keineswegs gesichert, dass hier nachhaltig Arbeitsplätze geschaffen werden, sondern dass wir jetzt wieder vor einer Welle der Leiharbeit bei den Neuanstellungen stehen. Deswegen ist es so wichtig, dass wir Wirtschaftspolitik auch mit dem Thema Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik verbinden und dass der Leiharbeit ein Riegel vorgeschoben wird, weil wir nur so nachhaltig Arbeitsplätze schaffen können.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Das, meine ich, ist notwendig. Wir müssen alles dafür tun. Neben Gründerinitiativen müssen wir vor allen Dingen auch den Bestand der Industrie sichern, denn das, was einmal weg ist - das zeigt ja die Erfahrung -, kommt so schnell nicht wieder. Ich glaube, hier besteht eine ganz wesentliche Aufgabe, wo ich noch keine Initiative sehe.

Was die Strukturpolitik angeht, meine Damen und Herren, so will ich nur darauf verweisen, dass etwa Gondwana sicherlich nicht Ausdruck einer nachhaltigen Strukturpolitik darstellt.

(Lachen und Beifall bei der LINKEN.)

Wir haben das in diesem Hause schon ausführlich diskutiert. Es wird dazu einen Untersuchungsausschuss geben. Ich will noch einmal eindeutig sagen, dass wir nicht gegen solche Investitionen sind. Wir sind aber dafür, dass öffentliche Mittel dafür sinnvollerweise sparsam ausgegeben werden, effektiv ausgegeben werden und dass damit eine nachhaltige Entwicklung verbunden ist. Ich bin übrigens auch im Zweifel - um auf bestimmte Projekte einzugehen, die Sie beschreiben -, ob das Thermalbad Rilchingen wirklich Ausdruck nachhaltiger Regionalpolitik ist. Das werden wir noch sehen. Ich will nicht frühzeitig den Stab darüber brechen. Aber das ist doch der Punkt, dass wir kein Konzept einer nachhaltigen, wirklich organischen Regionalpolitik haben.

(Unruhe. - Sprechen.)

Lassen Sie mich auf einen Punkt kommen, der auch in Ihrem Bericht steht. Das ist das Thema des Arbeitsmarktes, das ist das Thema Arbeitsmarktpolitik. Ich bin sehr dafür, dass eine vorausschauende, aktive Arbeitsmarktpolitik gemacht wird. Ich bin der Auffassung, dass hier eigentlich mehr Mittel ausgegeben werden müssen, als im Haushalt enthalten sind. Für die direkte aktive Arbeitsmarktpolitik weisen Sie im Haushalt 13,7 Millionen Euro ESF-Mittel aus plus 5,3 Millionen Euro landeseigene Mittel. Ich glaube nicht, dass dies ausreicht. Das sage ich ganz klar, weil die Arbeitsmarktprobleme, die auf uns zukommen, größer sind.

Offiziell wird davon ausgegangen, dass wir einen Anstieg der Arbeitslosenzahlen auf 45.000 bis 47.000 haben. Es gibt Institutionen, die mit mehr rechnen. Ich will überhaupt keinen Wettbewerb machen, wer die höchste Zahl hat, sondern ich will, dass wir etwas dafür tun, dass die Arbeitslosenzahlen sinken, dass wir das aktiv aufgreifen und bekämpfen. Da sind meiner Ansicht nach wesentlich mehr Mittel in diesem Bereich nötig, zumal - auch da verweise ich auf die Debatte von gestern - wir mit dem Problem zu kämpfen haben, dass auf der Bundesebene die Mittel für eine aktive Arbeitsmarktpolitik zusammengestrichen werden. Das stellt unser Land vor erhebliche Probleme. Hier sind zusätzliche Anstrengungen notwendig.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Ich halte es auch für nötig, dass wir etwas gegen die prekäre Arbeit tun, dass wir einen öffentlichen Beschäftigungssektor schaffen und 1-Euro-Jobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse umwandeln. Wir haben es einmal ausgerechnet. Wenn wir da 3.000 Stellen mit einem Gehalt von 1.500 Euro schaffen würden, dann würde das schon einen Zusatzbeitrag bei der bestehenden Förderung durch das Arbeitsamt von jährlich rund 10 Millionen Euro durch das Land notwendig machen. Das sind Mittel, die noch dazu kämen. Ich mache überhaupt keinen Hehl daraus.

Ich bin der Auffassung, dass hier tatsächlich mehr gemacht werden muss. Ich halte das nicht nur aus sozialen Gründen für notwendig, was die Arbeitsmarktpolitik und was den öffentlichen Beschäftigungssektor angeht. Ich meine, das ist auch aus wirtschaftlichen Gründen sinnvoll, weil die Frage der Masseneinkommen ein ganz wesentliches Element der wirtschaftlichen Entwicklung darstellt. Das bedeutet, dass eine Politik in Richtung Niedriglöhne, in Richtung Absenkung, in Richtung prekäre Arbeit nicht nur sozial ungerecht ist, sondern auch wirtschaftlich kontraproduktiv, weil von den Einkommen auch der Konsum und damit die wirtschaftliche Entwicklung abhängt. Das muss berücksichtigt werden.

(Abg. Prof. Dr. Bierbaum (DIE LINKE) )

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Meine Damen und Herren, Sie rühmen sich in Ihrem Haushaltsentwurf, dass den Kommunen keine neuen Sanierungsbeiträge zugemutet werden. Ich muss allerdings darauf hinweisen, dass Sie sich in der Vergangenheit durchaus bei den Kommunen bedient haben und dass es jetzt nicht so eine Großtat ist, wenn man in diesem Haushalt darauf verzichtet. Umgekehrt ist es so, dass die Kommunen wirklich mehr unterstützt werden müssen. Ich verweise etwa auf den Artikel in der gestrigen Saarbrücker Zeitung.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Hier steht deutlich drin, dass die saarländischen Kommunen die Ärmsten der Armen sind. Darauf können wir nicht stolz sein. Ich verweise etwa auch auf die Resolution der Kooperationsstelle beim Regionalverband, die noch einmal auf die dramatische Lage hingewiesen hat. Ich glaube, dass unsere Kommunen, wenn unser Gemeinwesen nicht insgesamt stark in Gefahr geraten soll, kräftig unterstützt werden müssen.

Sie haben recht, meine Damen und Herren, Sie haben recht, Herr Minister Jacoby, wenn Sie sagen, dass in einer Krise mit in der Tat geringeren Einnahmen - auch darauf ist verwiesen worden, 430 Millionen Euro Steuereinnahmen weniger - nicht hinterhergespart werden kann. Dennoch wird man um das Sparen nicht herumkommen. Wir halten es allerdings für völlig falsch, wenn das einzige Sparbemühen darin bestehen soll, die Bedingungen für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zu verschlechtern, die Arbeitszeit auszuweiten, Sozialleistungen zu kürzen und es als Sparziel für die Zukunft dargestellt wird, dass Stellen abgebaut werden sollen. Das halten wir für den falschen Weg.

(Beifall bei der LINKEN.)

Was das Sparen angeht, so sind Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, von solchen Anwandlungen ja weitgehend frei. Das heißt, der Regierungsapparat wird aufgebläht. Ich habe mir auch die Stellenpläne angeschaut. Es ist schon sehr interessant, dass wir einen deutlichen Zuwachs im höheren Dienst haben, und in allen anderen Bereichen, insbesondere in den unteren Bereichen, einen Abbau von Stellen. Ich glaube, das ist die falsche Richtung.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)