Das Problem faschistischer Parteien, wie es zum Beispiel in Saarbrücken vorhanden ist, darf nicht dazu führen, dass wir anderen Mandatsträgern demokratische Rechte vorenthalten. Die Größe einer Fraktion kann schließlich nicht wahllos an die Größe einer faschistischen Partei angepasst werden - für den Fall, dass die Wahlen einmal anders ausgehen. Schon einmal scheiterte vor Jahren auf Bundesebe
ne der Versuch, eine rechtsradikale Partei zu verbieten. Aber damals ging es auch ohne das Verbot. Ich zitiere aus der „Süddeutschen Zeitung“: „Die Vorgehensweise war erfolgreich, 1969 misslang der NPD der Sprung in den Bundestag knapp. Kanzler Willy Brandt (SPD) sprach dann davon, es sei richtig gewesen, die Neonazis gleichsam mit dem Stimmzettel hinzurichten.“
Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass wir Mandatsträger nicht nur nach ihrer Meinung fragen dürfen, sondern dass sie auch das Recht haben müssen, selbsttätig Themen einzubringen. Es ist nicht hinnehmbar, dass Grundrechte an Parteigrößen festgemacht werden und dass wir ein Zwei-KlassenMandat aufrechterhalten! - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kollegin Kugler! Auf den ersten Blick könnte man Ihrem vorliegenden Gesetzentwurf durchaus positive Aspekte abgewinnen. Schließlich geht es in der Tat um die Mitwirkungsrechte einzelner auf sich allein gestellter Mandatsträgerinnen und Mandatsträger in den kommunalen Räten. Damit, wie Sie es richtigerweise ausführen, geht es um ein Mehr an unmittelbarer Mitwirkung und Teilhabe am Prozess der politischen Willensbildung. Andererseits stellt sich aus dieser nachvollziehbaren Forderung heraus die Frage, ob dieses Mehr oder auch ein Optimum an Minderheitsrecht für jeden Einzelnen, für jede Einzelne und in jedem Fall erstens durch gesetzliche Regelungen geboten oder gar zwingend ist - nicht zuletzt durch das Gesetz, wie es im Entwurf ausgeführt ist - oder ob zweitens die Umsetzung solcher Forderungen im Ergebnis auch dem Grundsatz der repräsentativen Demokratie oder gerade dem im kommunalen Bereich wichtigen zeitlichen Zusammenhang zwischen Debatte und inhaltlicher Umsetzung dient.
Wir kommen in beiden beschriebenen Fällen zu einem anderen Ergebnis, als Sie es mit Ihrem Gesetzentwurf vorsehen, und können darum diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen. Formale wie inhaltliche Gründe sind die Grundlage für unsere Entscheidung. Die vorliegende Novelle ist knapp gefasst, sie besteht lediglich aus fünf zusätzlichen Wörtern und konkretisiert die beschriebene Absicht mit dem Zusatz „oder eines Mitgliedes des Gemeinderates“.
einen Zusatz ergänzt hätte, sondern wenn man ihn wirklich klar gefasst hätte. So hätte es, um Ihrem Anliegen zu entsprechen, ausschließlich heißen müssen: „Auf schriftlichen Antrag eines Mitgliedes des Gemeinderates hat der Bürgermeister“ und so weiter. Auf den Zusatz „oder einer Fraktion oder ein Viertel des Rates“ hätte man verzichten können, weil das Minderheits ein Mandatsträger ist.
Warum nun im Gesetz stehen soll: „Auf schriftlichen Antrag einer Fraktion von mindestens einem Viertel der gesetzlichen Zahl der Mitglieder des Gemeinderates oder einem Mitglied des Gemeinderates (...)“ erschließt sich mir leider nicht. Diese Formulierung würde nur dann Sinn machen, wenn man damit ausdrücken wollte, dass man zwar dem einzelnen oder der einzelnen Abgeordneten, die auf sich allein gestellt und ohne Fraktionsstatus ist, dieses Mitwirkungsrecht einräumt, aber einer kleineren Gruppe von Abgeordneten aus einer größeren Fraktion, die sich in ihrer Anzahl unterhalb des Quorums von 25 Prozent bewegt, nicht.
Ich denke nicht, dass Sie mit diesem Entwurf wirklich diese Absicht verfolgen. Vielleicht haben Sie diesen Widerspruch auch nicht gesehen, aber dennoch weist Ihr Entwurf nach dieser Lesart einen inneren Widerspruch in Ihrer Argumentationskette auf. Sollte es so nicht gemeint und gewollt gewesen sein, wäre dieser Fehler bei intensiverer Vorarbeit sicherlich leicht vermeidbar gewesen.
Auf einen zweiten, zugegebenermaßen sehr formalen und technokratischen Fehler möchte ich dennoch, ohne darauf herumreiten zu wollen, ebenfalls hinweisen. Auf Seite 3 heißt es unter Artikel 1 im ersten Absatz: „Das Kommunalselbstverwaltungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Juni 1997 (...), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 29. August 2007 (...)“. Es hat seit der von Ihnen zitierten Novellierung aus 2007 schon fünf weitere Novellierungen gegeben, sodass es richtigerweise heißen müsste: Zuletzt geändert durch das Gesetz vom 11. Februar 2009. - Das ist zugegebenermaßen sehr formal, sehr technokratisch, aber vielleicht ein Indiz für eine Ausarbeitung, die doch nicht bis in die letzte Konsequenz durchdacht war und in ihrer Ausführung wohl auch etwas holprig gefasst scheint. Ich bin allerdings der Auffassung, dass man eine so weitreichende und grundlegende Änderung der Kommunalverfassung nicht mit heißer Nadel stricken sollte. Man sollte nicht jedem Zuruf - und kommt er auch aus den eigenen Reihen - immer gleich ein Gesetzchen folgen lassen.
Aber nun zu meinen inhaltlichen Bedenken. Schon vor eineinhalb Jahren, bei der Diskussion um die Abschaffung der 5-Prozent-Hürde, wurde als Argument gegen die Abschaffung der kommunalen Sperrklausel auf die Versplitterung der Debattenansätze sowie die zusätzliche Komplexität der Mehr
heitsfindung und damit der Umsetzung von politischen Inhalten hingewiesen. Wenn man nun nach der ersten kommunalen Wahl ohne Sperrklausel so manche Debatte vor Ort verfolgt, nicht auch zuletzt Zeitabstände beispielsweise zur Bildung von belastbaren Mehrheiten in einigen Räten sieht oder Debattenverläufe ohne greifbare Ergebnisse betrachtet, wird man den Eindruck kaum los, die Argumentation war damals nicht aus der Luft gegriffen. Die Befürchtungen haben sich zumindest partiell bestätigt.
Die heute beabsichtigte Neuregelung zur Aufstellung der Tagesordnung würde diese Beobachtung meines Erachtens sicherlich weiter verschärfen. Gerade dort, wo extremistische Gruppierungen von dieser Novelle profitieren würden, wären stundenlange Debatten und öffentliche Auseinandersetzungen um die Behandlung von Partikularinteressen vorprogrammiert. Davon hat niemand etwas außer dem, der mit seinem allzu wenig am Gemeinwohl orientierten Handeln doch nur seine eigene Suppe kocht und konstruktive Kräfte an der langen Leine durch die Manege führen möchte. Sie selbst, die Fraktion DIE LINKE, bemängeln doch - wie ich finde, völlig zu Recht - den Umstand, die Art und Weise, wie derzeit eine kleine Minderheit von ungefähr 6 Prozent in diesem Hause eine große Mehrheit in der eigenen Koalition beispielsweise beim Thema Nichtraucherschutz dominiert und fremdbestimmt, wie eine kleine Minderheit von ungefähr 6 Prozent eine große Mehrheit in der Bevölkerung bei manchen Themen vor den Kopf stößt. Die Debatten gleichen sich. Sie bringen diese Argumente auch selbst: Nichtraucherschutz, Gastronomierecht, Jagdrecht lassen grüßen. Sie stellen zu Recht die Frage: Ist das noch volksdemokratisch betrachtet von der klaren Mehrheit der Menschen im Lande gewünscht?
Auch wenn ich bei den zitierten Themen inhaltlich mit Ihnen einer Meinung bin, finde ich, demokratisch ist es schon. Aber daraus lässt sich unmittelbar die Frage ableiten: Wie gestalten wir als Gesetzgeber diesen Spannungsbogen zwischen Beteiligungsrecht des Einzelnen und berechtigten Interessen der übergroßen Mehrheit der Menschen, die wir in den kommunalen Räten vertreten im Interesse an Umsetzung, an Entwicklung, an Fortschritt, weniger an Debatten, Theorie, an Reden ohne Ergebnis, an Stillstand und Rückschritt oder gar an platter Zurschaustellung von undemokratischen Parolen? Ihr Argument, dass durch dieses Mehr an Beteiligungsrecht eines Einzelnen in den Räten genau wie beim Wegfall der kommunalen Sperrklausel, der 5-Prozent-Hürde, ein mehr an Demokratie erreicht würde, trägt nicht. Sie ist, wie ich finde, schlichtweg falsch.
Zersplitterung heißt nicht mehr Demokratie. Die Wahrnehmung von Partikularinteressen führt keineswegs zu klareren und besseren, auf keinen Fall zu
schnelleren Entscheidungen. Auch dieses Gesetz würde nicht mehr Demokratie schaffen. Es schafft jedoch garantiert mehr Verwaltung, eine Debatte ohne Ziel und deutlich längere Prozesse. Wäre Ihre Argumentation hingegen richtig, müssten wir uns dann nicht generell und umfassend mit der Frage auseinandersetzen: Sind Gruppenrechte, also Fraktionsrechte, überhaupt demokratietheoretisch legitimiert? Oder zählt nicht alleine das Beteiligungsrecht des Einzelnen immer und in jedem Fall stärker?
Machen Sie sich einmal die Konsequenz der Antwort auf diese Frage bewusst! Sie leiten in Ihrer gesamten Begründung den Anspruch des einzelnen Parlamentariers zum Recht einer Antragstellung zur Tagesordnung vom grundgesetzlich verbrieften Grundsatz der Gleichheit bei Wahlen aus Artikel 38 beziehungsweise 28 GG ab. Da es dabei alleine um die Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts geht, entspricht Ihre Begründung doch eher einer sehr großzügigen und weit hergeholten Auslegung als einer juristisch einwandfreien Feststellung. Zumindest dann, wenn Sie außer Acht lassen, dass auch das Grundwerk zur Lehre des saarländischen Landesrechts wie im Nomos Studienbuch davon spricht, dass es sich beim Rat einer Gemeinde eben nicht um ein Parlament handelt, sondern um ein Verwaltungsorgan, und schon daher Ihre Herleitung mit einem dicken Fragezeichen versehen werden kann.
Ein letztes Argument und wie ich finde - Sie haben es selbst angesprochen - das stärkste, das gegen eine solche, wie von Ihnen beabsichtigte, Novellierung spricht, will ich anführen. Wir sollten bei jedem Gesetz, das wir machen, bei jeder Entscheidung, die wir treffen, ob Nichtraucherschutzgesetz, Jagdrecht oder Änderung des Kommunalselbstverwaltungsgesetzes, immer beide Seiten der gleichen Medaille betrachten. Was sind einerseits berechtigte, nachvollziehbare Wünsche von Einzelnen oder von Gruppen und was sind andererseits die tatsächlichen und unmittelbaren Auswirkungen von sehr schnell formulierten und umgesetzten Forderungen?
Wenn wir uns - das scheint in der Tat das stärkste Argument zu sein - die tatsächliche Auswirkung dieser Novelle betrachten, fällt auf, dass gerade in der Landeshauptstadt Saarbrücken durch Ihren Gesetzentwurf der NPD nun auch das Recht eingeräumt würde, Anträge zur Tagesordnung zu stellen. Was Vertreter insbesondere von rechten Gruppierungen mit solchen Rechten machen, darüber braucht man nicht zu streiten, darüber braucht man nicht zu philosophieren. Man kann es sich ansehen, bereits heute. Dort, wo die Rechten, ob in Fraktionsstärke oder nicht, vertreten sind, kann man es bedauerlicherweise erleben. Dieses Gesetz hätte zur Folge, dass auch die NPD im Stadtrat der Landeshauptstadt mit mehr Rechten ausgestattet würde. Werte Kollegin
nen und Kollegen des gesamten Hauses, ich will mir nicht vorstellen, dass dies mit seiner ganzen Tragweite gewollt ist, und schon gar nicht, dass es bis in seine letzte Konsequenz durchdacht ist.
Ausgerechnet die LINKE kann doch nicht ernsthaft wegen saarlandweit gerade mal 2,9 Prozent der kommunalen Sitze - um die geht es, 2,9 Prozent sind Einzelmandate - billigend in Kauf nehmen wollen, dass auch die rechte Bewegung heute vielleicht nur in einem Fall, in Zukunft möglicherweise - ich hoffe nicht, kann es leider aber auch nicht ausschließen - auch in mehr Fällen davon partizipiert. Alleine dies berechtigt schon, ebenfalls aus Gründen von mehr Demokratie, Nein zu sagen zu diesem, wie ich finde, mit heißer Nadel gestrickten Entwurf. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will zunächst darstellen, worüber wir heute reden. Wir reden über das Antragsrecht für fraktionslose Vertreter in Räten, und das vor dem Hintergrund, dass abgesegnet durch höchste Gerichte seit Jahrzehnten in allen Bundesländern der Rechtsstatus so ist, wie er ist. Wir reden über die Frage vor dem Hintergrund, dass man selbstverständlich bei der Abwägung der Funktionsfähigkeit der Kommunalparlamente gegenüber der Chancengleichheit für Fraktionsmitglieder und Fraktionslose darüber diskutieren kann, wie diese Abwägung ausfallen sollte. Man kann hierbei trefflich verschiedene Meinungen vertreten.
Aber man muss sich einmal vor Augen halten, was Frau Kugler hier und heute aus diesem Thema macht. Man hat den Eindruck, dass der Hang zum Skandalisieren schon fast pathologisch ist. Selbst dieses Thema, ein Sachthema, über das man verfassungsrechtlich, verwaltungsrechtlich durchaus diskutieren und streiten kann, wird skandalisiert. Es ist von einem unhaltbaren Zustand die Rede, von Entmündigung, von Maulkorb, von Mundtot-machen. Die Frage ist, wer das getan hat. Die Gesetze gelten seit Jahrzehnten. Deshalb habe ich die herzliche Bitte, dass Sie irgendwann einmal in diesem Parlament ankommen, sich davon lösen, dass Sie hier permanent eine Show abziehen müssen, skandalisieren, Themen in den Dreck ziehen und den Eindruck erwecken, als seien alle anderen außer der LINKEN keine aufrechten Demokraten. Das lasse ich heute auch bei diesem Thema nicht so stehen.
Es ist unerträglich, wie eine Partei, die bei ihrer Vorgängerpartei nie das Problem hatte, dass es Fraktionslose geben konnte, mit solchen Themen umgeht.
Das will ich Ihnen auch mal ins Stammbuch schreiben: Das ist anmaßend und das hat dieses Parlament nicht verdient. Ich komme deshalb zur Sache. Es war sehr wohltuend, wie Herr Pauluhn zu diesem Sachthema argumentiert hat. Nur am Rande bemerkt, Frau Kugler: Wer dann die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts in den Zusammenhang mit Entmündigung stellt, der offenbart auch sein Staatsverständnis und sein Rechtsstaatsverständnis.
Worüber reden wir hier? Wir reden darüber - so hat es das Bundesverwaltungsgericht auch formuliert -, dass abgewogen wird zwischen einem verfassungsrechtlichen Minderheitenschutz, dem Gebot der Chancengleichheit der Parteien mit dem Ziel der Arbeitseffizienz der Räte und der Ausschüsse und dem Thema Zersplitterung, wie es der Kollege Pauluhn richtig dargestellt hat. Deshalb will ich auch mit der Gesetzesformulierung beginnen. Ich will es jetzt nicht karikieren. Aber wer sagt, auf Antrag einer Fraktion, auf Antrag von mindestens einem Viertel der gesetzlichen Zahl der Mitglieder des Rates oder auf Antrag eines Mitgliedes, dem kann ich empfehlen, dass er dann einfach schreibt: Jedes Mitglied hat das Antragsrecht. Oder - das weiß ich nicht, ich warte auf Aufklärung - es ist keine missverständliche Formulierung und sogar gewollt, dass nur fraktionslose Mitglieder alleine ein Antragsrecht haben und diejenigen, die Fraktionen angehören, haben keines oder haben nur in Form einer Fraktion oder von einem Viertel der Mitglieder Antragsrecht. Das wäre die Logik aus Ihrer Formulierung. Ich nehme an, Sie werden es aufklären, falls Sie es selbst nachvollziehen und dann erklären können.
Die Gesetzesbegründung erweckt einen Eindruck, der verfassungs- und verwaltungsrechtlich schlichtweg an der Wirklichkeit vorbeigeht. Sie haben in Ihrer etwas militanten Formulierung zum Ausdruck bringen wollen, dass die Gesetzesbegründung bedeutet, dies sei verfassungsrechtlich zwingend geboten. Die Wahrheit ist, Sie blenden die Besonderheit kommunaler Gremien aus und Sie blenden aus, dass die Rechtsprechung diesen Weg bisher ausdrücklich für zulässig und richtig gehalten hat. Deshalb mein Hinweis, ein Stadtrat, ein Gemeinderat oder ein Kreistag ist eben kein Landesparlament und kein Bundesparlament, sowie mein Hinweis, dass diese Räte neben der gesetzgebenden Funktion vor allen Dingen Verwaltungsangelegenheiten wahrnehmen und deswegen im Status nicht ver
gleichbar sind. Daraus folgt, dass die Unterscheidung, die bei der Mitwirkung der Ratsmitglieder zu Recht gemacht wird, verfassungsrechtlich zulässig ist.
Auch das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes hat klar gesagt, dass ein weiter Gestaltungsspielraum für den Gesetzgeber gegeben ist und dass gewichtige Gründe - die Funktionsfähigkeit der Räte dies zulassen. Deshalb will ich auch darauf hinweisen, dass Ihre Darstellung, Fraktionslose seien rechtlose Mitglieder, an der Wirklichkeit vorbeigeht. Sie haben Auskunfts- und Informationsrecht, sie haben Rederecht, sie haben ein Recht auf Mitwirkung an den Entscheidungen des Rates, indem sie bei Abstimmungen und Wahlen beteiligt werden. Im Übrigen ist es ausdrücklich gewollt und steht auch in den Gesetzesbegründungen, dass, um Willensbildung zu bündeln, einzelne Mitglieder sich bemühen sollen, Verbündete zu finden und Anträge zu stellen, dies auch direkt mit der Verwaltungsspitze. Denn im klaren Unterschied zu einem Landesparlament ist eine Besonderheit, dass Herr der Tagesordnung, was die Anträge betrifft, die auf die Tagesordnung kommen, der Bürgermeister oder die Bürgermeisterin ist.
Deshalb sage ich noch einmal: Schauen Sie sich die höchstrichterliche Rechtsprechung an! Dann können Sie gerne dennoch die Auffassung vertreten, die Rechte der Fraktionslosen stärken zu müssen. Aber Sie werden nicht weiter den Unsinn verbreiten, dass dies ein Skandal und undemokratisch ist.
Ich will einen weiteren Punkt ansprechen, der uns in der internen Diskussion bewegt hat. Wir haben ja einen qualitativen Unterschied bei der demokratischen Legitimation zwischen Fraktionslosen, die über eine Liste in einen Rat gewählt sind, und Fraktionslosen, die durch Austritt aus einer Fraktion fraktionslos werden. Dies ist darin begründet, dass der Verfassungsgesetzgeber den Parteien den Auftrag gegeben hat, die Willensbildung in der Bevölkerung und die Willensbildung in Richtung Parlamente voranzutreiben, und deshalb ausdrücklich vorgesehen hat, dass Parteien diejenigen wählen und bestimmen, die auf Listen kommen, und natürlich wollen Parteien auch, dass ihr Wille dann im Parlament oder Rat umgesetzt und eben nicht verfälscht wird, indem aus Fraktionen ausgetreten wird, obwohl das in der Abwägung der Rechte zulässig ist - nicht dass ich missverstanden werde.
Deshalb sage ich: Wer ernsthaft die Diskussion über Fraktionslose und ihre Rechte führen will, der muss sich zunächst einmal anschauen, um welche Rechte es geht. Der muss auch mal hinterfragen, wieso Fraktionslose in Ausschüssen ebenfalls keine Rechte haben. Sie dürfen dort nur beratend teilnehmen. Wer das ernst meint, muss das hinterfragen. Und
wer es ernst meint - da verstehe ich die kleineren Parteien, dass es ihr Anliegen ist -, der diskutiert natürlich auch, ob man die Rechte derer, die über die Liste gewählt sind und über die Liste im Rat sind, aber an der Fraktionsstärke scheitern, nicht stärken sollte. Dort ist unsere Meinung: Mehr Zersplitterung soll nicht sein. Ich schließe mich hierbei dem Kollegen Pauluhn an. Ich sage aber ausdrücklich, dass man dabei selbstverständlich anderer Auffassung sein und dies diskutieren kann.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, abschließend weise ich darauf hin, dass wir in der Abwägung dieser Dinge - Chancengleichheit für diejenigen, die im Rat sind; Vorbeugen vor Zersplitterung, Arbeitsfähigkeit des Gremiums - unter dem Strich der Auffassung sind, dass der jetzige Rechtszustand so richtig ist und bleiben soll. Deshalb lehnen wir den Gesetzentwurf der LINKEN ab. - Vielen Dank.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache. Es wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf an den Ausschuss für Inneres und Datenschutz zu überweisen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für die Annahme des Gesetzentwurfes Drucksache 14/119 in Erster Lesung unter gleichzeitiger Überweisung an den Ausschuss für Inneres und Datenschutz ist, den bitte ich eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Ich stelle fest, dass der Gesetzentwurf in Erster Lesung mit Stimmenmehrheit abgelehnt ist. Zugestimmt hat die Fraktion DIE LINKE; abgelehnt haben die übrigen Fraktionen des Landtags.