Protokoll der Sitzung vom 16.03.2010

Seine Äußerungen auf Veranstaltungen bieten ja eher Anlass zur Vermutung, dass er - anders als Peter Müller - die Kopfpauschale haben möchte und das paritätisch finanzierte System nicht so gut findet und die Arbeitgeber entlasten möchte. Heute wollten wir eigentlich klare Antworten auf diese Fragen finden. Das ist jetzt leider nicht so ganz möglich,

(Abg. Spaniol (DIE LINKE) : Er ist nicht da)

weil Peter Müller wichtige Dinge zu tun hat und auch Herr Weisweiler sich schon verabschiedet hat.

(Abg. Schmitt (CDU) : Wo ist denn eigentlich euer Fraktionsvorsitzender?)

Ich habe das ja nicht kritisiert.

(Abg. Schmitt (CDU) : Doch, Sie haben das kritisiert! - Anhaltend Sprechen und Zurufe.)

Nein, ich habe gesagt: Wir können heute in diese Sache keine Klarheit bringen, weil die beiden, die ich fragen möchte, heute nicht anwesend sind.

(Abg. Schmitt (CDU) : Herr Maas ist nicht da, Herr Lafontaine ist nicht da. Hauptsache, irgendwas gesagt!)

Aber es ist ja Wirtschaftsminister Hartmann da, der sich in den Medien ohnehin schon mehr oder weniger als Gesundheitsminister geriert und sich immer wieder für Herrn Weisweiler äußert. Vielleicht kann Herr Hartmann endlich klarstellen, was diese Landesregierung möchte. Möchte sie die Kopfpauschale? Oder möchte sie die Kopfpauschale nicht? Möchte sie die paritätische Finanzierung? Oder möchte sie die nicht?

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen. - Abg. Commerçon (SPD) : Wer ist denn überhaupt Gesundheitsminister?)

Nicht mehr als das möchte ich wissen. Welche Auffassung wird hierzu vertreten? Welche Meinung vertritt damit auch unsere Landesregierung in Berlin?

(Zurufe von der CDU: Das sind doch Bundesge- setze!)

Das dürfte ja eigentlich nicht so schwierig sein.

(Zuruf des Abgeordneten Schmitt (CDU). - Anhaltendes Sprechen.)

Stichwort „Bundesgesetze“. Dazu muss ich nun wirklich sagen: Die Bürgerinnen und Bürger des Saarlandes sind ja von der Kopfpauschale genauso

(Abg. Hoffmann-Bethscheider (SPD) )

betroffen wie die Bürger anderer Bundesländer. Sagt nun die Landesregierung, die die Bürgerinnen und Bürger des Saarlandes zu vertreten hat, sie könne sich nicht darum bemühen, weil es sich um ein Bundesgesetz handele, muss ich sagen: Packen Sie besser ganz ein!

(Zuruf des Abgeordneten Roth (SPD).)

Wenn sie bei dieser wichtigen Frage ihre Stimme nicht erheben will, wenn sie in Berlin nicht zugunsten der Saarländerinnen und Saarländer für die Vermeidung der Kopfpauschale kämpfen kann, können wir die Regierung auch ganz einsparen. Und da wir gesehen haben, dass die Landesregierung in diesen Dingen lieber die Medien mit Meinungen füttert, als im Parlament Initiativen zu ergreifen, haben wir diesen Antrag eingebracht, damit eine Bundesratsinitiative gestartet wird. Hier, Herr Schmitt, kann sich das Land immer einbringen. Es gibt das Instrument der Bundesratsinitiative, damit man auch als Land in Berlin seine Meinung kundtun kann - eine Bundesratsinitiative gegen die Kopfpauschale und für eine paritätische Finanzierung. Ich bin gespannt, wie die Damen und Herren von der Peter-MüllerCDU heute hier abstimmen.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Wenn man so einen Systemwechsel in Deutschland herbeiführt, sollte man sich fragen, was die Bürgerinnen und Bürger davon halten. Eine Umfrage von Infratest hat ergeben, dass 73 Prozent aller Befragten keine Kopfpauschale wollen, sondern lieber die Bürgerversicherung. Es wurden auch die FDP- und die CDU-/CSU-Anhänger gefragt. Dort war ebenfalls eine deutliche Mehrheit gegen die Kopfpauschale und für die Bürgerversicherung zu verzeichnen. Das hat für mich gezeigt, dass selbst diejenigen, die Vorteile von diesem System haben, es eigentlich gar nicht wollen. Deshalb kann ich nur appellieren: Sie haben Einfluss - ich gebe ja noch nicht die Hoffnung auf, dass eine Landesregierung Einfluss hat - und die Möglichkeit, in Berlin das Wort zu ergreifen. Wir werden hier Unterschriften sammeln und all das tun, was wir tun können. Ich glaube, wenn es Ihnen ernst ist, können wir in Berlin eine Stimme erheben gegen die Kopfpauschale und für ein paritätisch finanziertes Gesundheitssystem.

Aber ich will natürlich hier sagen, was die SPD sich genau vorstellt. Wir wollen - das ist ja eben schon angeklungen bei dieser Umfrage - eine Bürgerversicherung in Deutschland einführen. Was bedeutet das? Jeder zahlt einen Beitrag nach seiner Zahlungsfähigkeit, nach seinem Einkommen. Wir wollen ein solidarisches Krankenversicherungssystem, ein System, das sich eigentlich auch bewährt hat, das aber auch keine Garantie dafür ist, und dass es keine Kostensteigerung gibt. Aber wir haben gesehen, auch die Kopfpauschale ist keine Garantie gegen

Kostensteigerungen im Gesundheitswesen. Wir wollen ein gerechtes System. Ich glaube, das ist das, was wir den Bürgern versprechen können. Wir wollen uns für Gerechtigkeit im Gesundheitswesen einsetzen und wir wollen die Arbeitgeber nicht aus ihrer Verantwortung entlassen. Deshalb wollen wir ein paritätisch finanziertes System. Und - das ist eben etwas zu kurz gekommen - die Koalition sieht ja im Koalitionsvertrag eine Abkopplung von einzelnen Regionen vor. Wir sehen immer noch die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland und können solch einer Abkopplung von einzelnen Regionen nicht zustimmen. Das ist unser Modell, das wir dem entgegensetzen, was in Berlin geplant ist. Die Kopfpauschale ist unsozial, ungerecht und unbezahlbar, weil sie in der Tat 35 Milliarden Euro kostet.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat Herr Abgeordneter Tobias Hans von der CDU-Landtagsfraktion.

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Das Versichertenbarometer „Management und Marketing“ stellt in seiner aktuellen Studie fest, dass es in Deutschland eine steigende Zufriedenheit der Versicherten auch mit ihren Krankenkassen gibt. Mehrere Studien besagen, dass es insgesamt bei den Deutschen eine Befindlichkeit gibt, wonach sie sagen: Wir finden unser Gesundheitssystem eigentlich sehr gut. Nirgends auf der Welt genießen Ärzte, Kliniken und auch Krankenkassen ein Vertrauen, das so positiv bewertet ist, wie es in Deutschland der Fall ist. Gleichzeitig aber attestieren uns die Meinungsforscher, dass es bei den Menschen große Befürchtungen gibt, ob dieses gute Befinden im Hinblick auf das Gesundheitssystem auch in Zukunft erhalten werden kann.

Diese sehr ambivalente Bewertung unseres Gesundheitssystems in Deutschland hat seinen Ursprung natürlich auch in der Tatsache, dass unser Gesundheitssystem in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder - mehr oder weniger - einschneidende Veränderungen erfahren hat. Das führt dazu, dass wir ein Gesundheitssystem haben, das für die Normalbürgerin und den Normalbürger zu einem schier undurchschaubaren und dicht verästelten Dickicht geworden ist. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Die Sorge der Menschen, was die Tragfähigkeit dieses Geästs an Regelungen anbelangt, ist aus meiner Sicht auch nachvollziehbar.

Wir wissen, bedingt durch den demografischen Wandel haben wir es - das ist ja sehr erfreulich - mit einer immer höheren Lebenserwartung zu tun, was letztendlich dem medizinischen Fortschritt geschul

(Abg. Hoffmann-Bethscheider (SPD) )

det ist. Gleichzeitig haben wir eine immer geringer werdende Anzahl an jungen gesunden Versicherten, die einer wachsenden Anzahl an älteren und multimorbiden Patientinnen und Patienten gegenüberstehen. Diese Erkenntnisse sind nicht neu, aber sie formulieren den Hintergrund, von dem bereits auch frühere Bundesregierungen sich dazu entschlossen haben, Reformen am Gesundheitssystem durchzuführen. Wie sich diese Bundesregierungen zusammengesetzt haben, darauf komme ich später noch mal zu sprechen.

Fakt ist aber, dass auf Basis dieser Ausgangslage auch die christlich-liberale Bundesregierung in Berlin angetreten ist, ein gerechtes Gesundheitssystem zu schaffen, vor allem aber auch ein transparentes Finanzierungssystem im Gesundheitssystem zu finden und vor allem auch ein System, das nicht alle zwei Jahre einer Überarbeitung bedarf.

In der Tat - Frau Hoffmann-Bethscheider, Sie haben recht -, der Koalitionsvertrag auf Bundesebene will, dass auch Lösungen zu der Frage gefunden werden sollen, ob und wie ein Teil des lohnbezogenen Kassenbeitrages durch eine einheitliche Prämie ersetzt werden kann. Nirgends aber steht etwas von einer Kopfpauschale. Eine Pauschale pro Kopf, also pro Einwohner - wie auch immer Sie das meinen -, das steht nirgends. Im Übrigen lässt sich aus dieser fälschlichen Annahme, es gebe eine solche Kopfpauschale in der Planung, auch die überhöhte Zahl von 35 Milliarden Euro an Steuermitteln erklären. Ich sage es noch mal: Von einer Kopfpauschale habe ich nirgends gelesen. Das scheint mir in der Koalition niemand zu wollen. Vor allem aber will das nicht die CDU, das will auch nicht die CDU in diesem Haus.

(Beifall bei der CDU.)

Die CDU in diesem Haus bekennt sich klar zum paritätischen Finanzierungssystem und auch zum solidarischen System in der Krankenversicherung. Es hat für uns oberste Priorität, dass das Krankenversicherungssystem ein solidarisches Versicherungssystem bleibt und dass Steigerungen künftig nicht nur einseitig auf dem Rücken der Versicherten abgeladen werden. Es kann nicht sein, dass die Arbeitgeber hier von allen Kostensteigerungen in Zukunft ausgenommen sind. Das will ich an dieser Stelle auch noch einmal deutlich sagen. Meine Damen und Herren, für uns kommt keine Gesundheitsprämie infrage, die rein vom Versicherten zu schultern ist, wie Sie das als Schreckgespenst in Ihrem Antrag schildern. Eine Entlastung lediglich der Arbeitgeber bei der Umgestaltung des Gesundheitssystems kommt für die CDU-Fraktion in diesem Hause nicht infrage.

Ich weiß, neuerdings lehnen Sie ja jede Form von einkommensunabhängigen Beiträgen ab. Sie wollen - in Ihrem Antrag schreiben Sie das so - die Parität

wiederherstellen. Was heißt das de facto? Sie wollen rückgängig machen, was Sie selbst als SPD in Ihrer Regierungszeit gemacht haben, was Sie in der SPD-geführten Bundesregierung und in der großen Koalition eingeführt haben.

Meine Damen und Herren, ich diagnostiziere: Es handelt sich bei diesem Antrag, den Sie heute einbringen, um den Teil einer großangelegten Katharsis, die die SPD zurzeit durchlebt. Historisch schlechte Wahlergebnisse auf Landesebene von 24,5 Prozent und von 23 Prozent auf Bundesebene scheinen ein Bedürfnis nach Selbstreinigung zu wecken bei der SPD auch hier in diesem Haus, ein Bedürfnis nach Selbstreinigung von elf Jahren Regierungshandeln. Nichts anderes stellt dieser Antrag dar!

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Schauen wir uns das genau an. Wem haben wir die Durchbrechung der Parität für die Finanzierung der Krankenversicherung zu verdanken? Welche Maßnahmen haben dazu geführt, dass die Krankenversicherung eben nicht mehr paritätisch finanziert ist? Wir hatten - um es Ihnen in Erinnerung zu rufen - die einseitige Erhöhung der Arbeitnehmerbeiträge um 0,9 Prozent im Jahr 2005. Das ist eine Maßnahme, die in der SPD-geführten Bundesregierung erfolgte. Die Gesundheitsministerin - wie hieß sie noch schnell? - war Frau Ulla Schmidt (SPD). Jetzt sagen Sie, wir sind gegen diese 0,9 Prozent, wir haben nichts mehr damit zu tun. Katharsis, sage ich nur!

(Sprechen und Lachen.)

Auch die Praxisgebühr stellt einen einkommensunabhängigen Quartalsbeitrag zur Krankenversicherung dar. Wer hat ihn eingeführt? Ulla Schmidt von der SPD-geführten Bundesregierung. Auch dagegen müssen Sie sein, wenn Sie Ihren Antrag ernst nehmen. Und letztlich die schrecklichen Zusatzbeiträge, die Sie in den Gazetten dieses Landes und auch in diesem Antrag geißeln. Diese Zusatzbeiträge wurden von der Großen Koalition eingeführt im Rahmen der Schaffung des Gesundheitsfonds. Sie haben auf Bundesebene - nicht Sie persönlich, aber die SPDBundestagsfraktion - dafür die Hand gehoben. Jetzt sagen Sie, wir wollen mit diesen Zusatzbeiträgen nichts mehr zu tun haben.

(Zuruf der Abgeordneten Hoffmann-Bethscheider (SPD).)

Ja, die CDU hat in der Großen Koalition auch für diese Zusatzbeiträge gestimmt. Aber wir stehen dazu und machen uns politisch nicht vom Acker, so wie Sie das jetzt tun, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen. - Erneuter Zuruf der Abgeordneten Hoffmann-Bethscheider (SPD).)

(Abg. Hans (CDU) )

Um das Ganze etwas anschaulicher zu machen, darf ich mit Genehmigung des Herrn Präsidenten die ehemalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) zitieren aus einer Rede, die sie 2003 gehalten hat. Sie hat gesagt: Ziel ist es, die Lohnnebenkosten zu senken. Die Alternative wäre gewesen, die Zuzahlung weiter zu erhöhen. Wer die Lohnzusatzkosten senken will, um die Rahmenbedingungen für Wachstum und Arbeitsplätze zu verbessern, muss die paritätisch finanzierten Ausgaben verringern. Das passt absolut nicht zu dem, was die SPD in ihrem Antrag und was Sie, Frau Kollegin Hoffmann-Bethscheider, in Ihrer Rede formuliert haben. Auf der einen Seite ist die SPD-Bundesgesundheitsministerin 2003, die wir eben gehört haben, und auf der anderen Seite sind Sie 2010, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD hier im Landtag.

(Zurufe der Abgeordneten Hoffmann-Bethschei- der (SPD).)

Ihr kompletter Antrag ist eine knallharte Abrechnung mit elf Jahren Regierungshandeln, mit elf Jahren Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt. Sie finden das in Ordnung! Ich möchte an dieser Stelle deutlich sagen, worum es sich hier handelt: SPD zurück zur reinen Lehre. So könnte man das sicherlich auch übertiteln.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen. - Sprechen bei der SPD.)

Ich habe einen Artikel im „Tagesspiegel“ gefunden, den man heute auch kurz zitieren sollte, mit Ihrer Erlaubnis, Herr Präsident. Die SPD-Bundestagsabgeordnete Elke Ferner sagt in diesem Artikel, Ulla Schmidt hätte die Unionslinie schließlich nur aus Anstand verteidigt, um dem Koalitionspartner Union nicht allzu sehr auf die Füße zu treten. Dann sollten wir vielleicht auch schauen, was die Bundestagsabgeordnete Elke Ferner zu sagen hat, die sicherlich nicht im Verdacht steht, auch zu Zeiten der Großen Koalition der Union nach dem Munde geredet zu haben. Wenn man sich die Plenarprotokolle anschaut, sieht man, dass sie sich insbesondere mit den Ministerpräsidenten auf Länderebene sehr kritisch auseinandergesetzt hat. Deswegen ist es, glaube ich, ein recht wertvolles Zitat. Frau Ferner sagte im Bundestag im Februar 2007: „Ich glaube, das Solidarprinzip in der gesetzlichen Krankenversicherung ist richtig. Es bedeutet seit Beginn der gesetzlichen Krankenversicherung gelebte Solidarität. Und das wird auch nach dieser Reform so bleiben.“ Also, Frau Ferner sagt 2007, auch nach der mittlerweile stattgefundenen Reform bleibt es ein solidarisches System. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD Saar hier im Haus sagt - nur drei Jahre später -, es ist kein solidarisches System.

(Sprechen und Unruhe.)