Herr Präsident! Es ist eine Frage der parlamentarischen Fairness, ob man eine Aktuelle Stunde zulässt oder nicht. Ob es die Aktualität dieses Themas streng im Sinne der Geschäftsordnung zulässt, das hier zu diskutieren, hätten wir herausfinden können, indem wir die Aktuelle Stunde zugelassen und die Argumente ausgetauscht hätten.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Gesetzentwurf zur Änderung des Saarländischen Verfassungsschutzgesetzes hat folgende wesentliche Inhalte. Erstens wird die akustische Wohnraumüberwachung verfassungskonform ausgestaltet, wie es das Bundesverfassungsgericht verlangt. Zweitens wird die Telekommunikationsüberwachung an moderne technische Anforderungen angepasst. Drittens haben wir uns im Vorfeld einvernehmlich zwischen allen Fraktionen darauf verständigt, dass wir die parlamentarische Kontrolle den parlamentarischen Gegebenheiten mit fünf Fraktionen anpassen.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Meiser. Ich eröffne die Aussprache. - Das Wort hat der Fraktionsvorsitzende der Fraktion DIE LINKE Oskar Lafontaine.
A b g. L a f o n t a i n e ( D I E L I N K E ) : Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will die Debatte nicht bereichern mit den Vorkommnissen in der jüngsten Zeit. Ich erlaube mir mit Blick auf das Verfassungsschutzgesetz nur die Frage, ob es nicht möglich ist, Auskunft darüber zu erhalten, wer dieses Geschäft mit dem luxemburgischen Geheimdienst eigentlich genehmigt hat. Diese Frage richtet sich auch an Sie, Frau Ministerpräsi
Ich will zu Beginn meiner Ausführungen darauf hinweisen, dass nach Artikel 10 GG das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis nach wie vor unverletzlich sind. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass wir in den letzten Monaten, wenn nicht sogar Jahren, gesehen haben, dass die Geheimdienste aller Länder, auch die Geheimdienste der Bundesrepublik, Schwierigkeiten haben, diesem Verfassungsgebot gerecht zu werden. Insofern haben wir Bedenken, zusätzliche Zuständigkeiten auf die jetzige Behörde zu übertragen. Daher wird meine Fraktion dieses Gesetz ablehnen.
Die letzte Zeit hat gezeigt, dass es wirklich dringenden Reformbedarf gibt. Von diesem dringenden Reformbedarf war in allen politischen Parteien die Rede. Leider hat sich in der Praxis so gut wie nichts geändert. Daher möchte ich Ihnen einen Vorschlag vortragen, der von einem Verfassungs- und Staatsrechtler in die Debatte gebracht worden ist, der unserer Auffassung entspricht. Es handelt sich um Hans Peter Bull, er war Innenminister in SchleswigHolstein und ist ein renommierter Verfassungsrechtler und Staatsrechtler.
Nach geltendem Recht, meine Damen und Herren, müssen sich sowohl Verfassungsschutz als auch Polizei darum kümmern, ob verfassungsfeindliche Gruppen Straftaten planen. Das führt nicht nur zu höchst kostenträchtiger Doppelarbeit, das führt auch zu höchst unerfreulichen Fehlern, über deren Vermeidung nach der Aufdeckung der NSU-Morde diskutiert wurde. Von der Reform des Sicherheitsapparates an Haupt und Gliedern war damals die Rede. Davon ist aber nichts zu sehen, wie der Bericht der Süddeutschen Zeitung zu diesem Vorschlag feststellt. Nach unserer Auffassung stellt sie das völlig richtig fest.
Die Ämter für Verfassungsschutz in Bund und Ländern sollen nach diesem Vorschlag nur noch für wissenschaftliche Analysen und offene Quellen zuständig sein. Der Verfassungsschutz wäre dann kein Geheimdienst mehr. Alle bisherigen operativen Aufgaben des Verfassungsschutzes - das ist der Kern unseres Vorschlages - sollen komplett an die Kriminalpolizei übertragen werden. Damit wäre die Doppelzuständigkeit aufgelöst. Es würde der Graubereich der geheimdienstlichen Tätigkeit, in dem sich in den letzten Jahren alles Mögliche ereignet hat und wo ein schlimmes Versagen offensichtlich geworden ist - denken Sie nur an die NSU-Geschichte -, aufgelöst und es käme zu einem rechtsstaatlichen Verfahren.
Kriminalpolizei und Staatsanwaltschaft mit ihren jeweiligen Staatsschutzabteilungen müssen ohnehin alle strafbaren extremistischen Handlungen im Rahmen der sogenannten Staatsschutzdelikte aufklären.
Die Polizei müsse auch entsprechende Gefahrenabwehr betreiben. Bull beruft sich bei seinen Vorschlägen auf Winfried Ridder, den ehemaligen Abteilungsleiter im Bundesamt für Verfassungsschutz, von dem der Satz stammt: Die Bekämpfung des gewalttätigen Extremismus gehört in eine Hand, und dies kann nur die Polizei sein.
Das ist der Kern der Begründung. Ich habe mich bewusst nicht auf eigene Argumente gestützt, sondern auf Argumente von Leuten, die sich jahrelang mit diesen Fragen beschäftigt haben und in der wissenschaftlichen Debatte einen gewissen Ruf haben. Es ist an der Zeit, meine Damen und Herren, dass wir die Konsequenz aus dem ziehen, was sich im Rahmen der Geheimdiensttätigkeiten in den letzten Monaten ereignet hat. Der Verfassungsschutzartikel, den ich Ihnen vorgelesen habe - „Das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis sind unverletzlich“, erscheint ja vielen Bürgerinnen und Bürgern heute als schlechter Witz angesichts der Ereignisse der letzten Zeit. Selbst wenn man sich auf den Standpunkt stellt, hier in Deutschland sei alles in bester Ordnung, woran wir massivste Zweifel haben, müssen wir darauf hinweisen, dass inzwischen eingeräumt worden ist, dass viele Geheimdienste aufgrund der modernen technischen Mittel die Möglichkeit haben, das Post- und Fernmeldegeheimnis zu brechen, dass dies weltweit geschieht, dass insbesondere der Geheimdienst der Vereinigten Staaten ohne jede Einschränkung, wie wir mittlerweile wissen, alle Tätigkeiten und Handlungen der Bürgerinnen und Bürger auch der Bundesrepublik Deutschland auf diesem Gebiet abhören kann.
Es ist wirklich notwendig, zu einer Neuorganisation der Sicherheitsbehörden zu kommen. Es kann nicht sein, dass wir uns daran gewöhnen, dass der Schutz der Privatsphäre in diesem Land überhaupt keine Rolle mehr spielt. Wir sind früher auf die Straße gegangen, als Daten erhoben werden sollten, in denen gefragt wurde „Wie alt sind Sie?“, „Wo wohnen Sie?“ und ähnliche relevante Fakten. Da gab es große Demonstrationen. Heute weiß man, dass flächendeckend generell jeder Opfer geheimdienstlicher Tätigkeit ist und nichts geschieht. Das ist nach unserer Auffassung nicht vertretbar.
Wir könnten an der Saar einen Anfang machen mit einer Neuorganisation des Verfassungsschutzes. Deshalb können wir bei dieser Vorlage nicht so tun als sei überhaupt nichts geschehen, als wäre die Welt immer noch die von vor einigen Jahren. Wir schlagen also vor, dem Vorschlag des renommierten Verfassungs- und Staatsrechtlers zu folgen und endlich eine zügige Neuorganisation in Angriff zu nehmen. Eine Übertragung zusätzlicher Möglichkeiten, wenn auch mit gesetzlicher Grundlage, die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger zu überwachen,
Vielen Dank, Herr Abgeordneter. - Das Wort hat nun der Fraktionsvorsitzende der SPD-Landtagsfraktion Stefan Pauluhn.
A b g. P a u l u h n ( S P D ) : Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch wenn die bisherige Aussprache zum vorliegenden Gesetzentwurf dem Kollegen Lafontaine noch einmal die Gelegenheit geboten hat, erneut eher grundsätzlich die Bedeutung und den Bestand des saarländischen Landesamtes für Verfassungsschutz in seiner heutigen Form infrage zu stellen was zwar nicht unserer Auffassung entspricht, aber zu erwarten war -, will ich, bevor ich auch auf diesen Punkt eingehe, nochmals zum eigentlichen Anspruch unserer Gesetzesvorlage kommen.
Der eigentliche Ursprung dieser Novelle liegt in der gemeinsamen Überzeugung und im Willen dieses Parlaments, die Kontrollfunktion seiner Parlamentarier umfassender als bisher zu gewährleisten, und dies unabhängig von den sonst üblichen Grundregeln der Sitzverteilung in Ausschüssen. Wir wollen, dass alle in diesem Landtag vertretenen Parteien dem Kontrollausschuss zu Fragen des Verfassungsschutzes mit ordentlicher Stimme angehören. Damit erweitert sich an sich schon die Kontrollfunktion dieses Parlaments. Und ich finde, das sollte in diesem Haus auch jeden freuen. Man kann dies im parlamentarischen Sinne nur begrüßen.
Das ist auch ein Beispiel dafür, dass große parlamentarische Mehrheiten - heute Morgen war schon einmal davon die Rede - nicht per se und automatisch oppositionelle Kontrollrechte schmälern und einengen. Hier zumindest ist das Gegenteil der Fall und das sollte auch Herrn Ulrich sehr freuen. Die beiden anderen Regelungen hinsichtlich der Anpassung des Gesetzes sind ja bereits vom Kollegen Meiser genannt und begründet worden. Es geht um die Anpassungen im Bereich der Telekommunikationsüberwachung und der Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich des Kernbereichs der Privatsphäre, was in fast allen übrigen Landesverfassungsschutzgesetzen ebenso geregelt ist.
Ich möchte nach den Einlassungen meines Vorredners noch auf die Einwände zum Bestand und zum Nutzen des saarländischen Verfassungsschutzes eingehen. Nach der Debatte um die Verfassungsschutzämter insbesondere in den neuen Bundeslän
dern nach der Wiedervereinigung und in Anbetracht der zunächst katastrophalen Ermittlungsmethoden und Ergebnisse rund um die rechtsradikalen Kader der NSU wird im medialen wie im parlamentarischen Deutschland über Auswüchse, Arbeit, Erfolg und Misserfolg, ja mancherorts gar über mögliche einseitige Ausrichtung der Dienste, immer wieder kontrovers diskutiert und dabei auch vieles in einem Topf verrührt und zu einer undurchsichtigen Brühe verkocht. Am Ende steht immer die Frage, braucht es denn überhaupt einen oder zumindest in jedem Bundesland je eine Verfassungsschutzbehörde. Ich will die Antwort mit Blick auf den saarländischen Verfassungsschutz gerne geben: Ja, wir brauchen diesen Dienst. Und die bisherigen Landesregierungen selbst jene unter Führung von Oskar Lafontaine haben oppositionelle Forderungen nach Abschaffung und Zusammenlegung stets nach entsprechender Diskussion und verantwortungsvoller Prüfung und Abwägung aller Fakten immer wieder verworfen. Das taten sie in der Vergangenheit aus gutem Grund und das tut diese Landesregierung heute auch - ebenso aus gutem Grund.
Bevor ich einige wenige Beispiele der erfolgreichen Arbeit der saarländischen Sicherheitsbehörden aufliste, will ich aber zunächst noch einmal eine eher grundsätzliche Frage stellen. Warum wird denn über die Rechtfertigung der Verfassungsschutzämter immer nur dann diskutiert, wenn sich irgendwo in der Republik ein Problem auftut? Warum reden wir denn nicht auch einmal über den Sinn der Dienste, wenn gerade auch durch ihre Arbeit nichts passiert, wenn die Sicherheitslage normal ist? Vielleicht hat ja eine normale Sicherheitslage gerade etwas mit der Arbeit der bundesdeutschen Sicherheitsbehörden zu tun. Das Argument kann man doch nicht von vornherein von der Hand weisen. Ich finde, das größte Lob, das man der deutschen Sicherheitsarchitektur aussprechen kann, eben, weil zu einer wehrhaften Demokratie an erster Stelle die Verfassungsschutzbehörden gehören, ist, dass unsere Demokratie sich tatsächlich als wehrhaft erwiesen hat. Die Bürgerinnen und Bürger leben in ihr weitgehend sicher. Es gibt keine größeren Anschläge und sogenannte Großschadenslagen und eher wenige Skandale und Skandälchen. Das ist ein großes Lob wert. Unter diese drei Überschriften lässt sich auch die Arbeit des saarländischen Verfassungsschutzes stellen und das schon seit Jahren. Es gab bei uns weder die Notwendigkeit der Einrichtung von Untersuchungsausschüssen noch einen größeren Schaden für dieses Land und seine Menschen. Ich finde, diese Tatsache könnte auch dazu führen, dass wir der Innenministerin, dem Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz wie auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dort einmal Danke sagen. Wir sollten Danke sagen, gerade auch in Momenten, wo Einzelne die Auffassung vertreten, dass man auf
diese Arbeit verzichten könnte. Nein, das Gegenteil ist richtig. Man kann nicht darauf verzichten - leider. Und ich sage im Namen der Koalition deshalb auch einmal Danke an die Organisation, an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Dafür gibt es auch objektive Gründe. Es ist doch jedem klar, dass heute verfassungsfeindliche Bestrebungen in aller Regel im Untergrund stattfinden und zumindest ihre wahren Ziele, die der Feinde einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, verschleiern. Bei der Aufarbeitung dieser Verschleierung ist die Polizei zunächst alleine doch meist hilflos und machtlos. Sie kann nach jetziger Gesetzeslage erst beim Verdacht einer Straftat oder beim Erkennen einer konkreten Gefahr tätig werden, während der Erkenntnisgewinn der Arbeit des Verfassungsschutzes weitaus früher ansetzt und somit auch Grundlage für Ermittlungserfolge der Polizei ist. Diese Chance auf Gefahrenabwehr kann und darf eine Demokratie nie aus der Hand geben, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Beispielhaft für die erfolgreiche Arbeit der saarländischen Behörde in den letzten Jahren will ich drei oder vier Fälle nennen: Die Identifizierung zweier Angehöriger der Islamischen Dschihad-Union im Jahre 2006 durch das LfV, die dann in einer gemeinsamen Operation von Verfassungsschutz und Polizei zur Zerschlagung der sogenannten SauerlandGruppe und schließlich zur Festnahme und Verurteilung auch eines Saarländers, Daniel S., führte. Die Identifizierung des jungen Kameruners Kevin S. 2010 - auch das ging durch die Presse - als gefährlichen Dschihadisten, der nachweislich Bombenanschläge im Saarland plante, sozusagen im Land der Glückseligkeit. Das Ergebnis der Ermittlungen führt dann dazu, dass er festgenommen und auch verurteilt wurde. Aber es gab auch die Verhinderung der Ausreise einer jungen saarländischen Islamistin nach Afghanistan im Jahr 2011 und deren spätere Verurteilung. Und nicht zu vergessen die zahlreichen Erkenntnisgewinne gegen die Bedrohung von Rechtsaußen und anderen extremistischen Gruppierungen an den Rändern unseres demokratischen Gemeinwesens.
Das waren alles Erfolge der Arbeit des Landesamtes für Verfassungsschutz im Saarland und in der Folge auch der Polizei in unserem Land. Darauf, liebe Kolleginnen und Kollegen, können wir nicht verzichten. Wer sollte denn im Vorfeld von Straftaten und konkreten Gefahren die Landesregierung über erkannte Bestrebungen informieren, damit diese durch Abwehrmaßnahmen verhindert werden? Sollten wir etwa - das klang eben am Rande an - der Polizei zusätzlich diese Aufgabe übertragen? Damit würden wir das Trennungsgebot und das Legalitätsprinzip ignorieren und sehenden Auges in eine Situation
hineinsteuern, in der die gleiche Behörde, die Polizei, die mit dem Recht auf zwangsweise Durchsetzung von Eingriffsmaßnahmen betraut ist, nun auch für nachrichtendienstliche Vorfeldarbeit zuständig wäre. Welche Gefahren damit verbunden sein können, hat die deutsche Geschichte nun schon zweimal schmerzlich gezeigt und uns doch alle gelehrt. Zwei solche Behörden hatten wir in der deutschen Geschichte - das ist ja zweifelsfrei so -, Gestapo und Stasi. Das wollen wir nicht mehr. Wir wollen diese Bündelung von Vorfeldarbeit der Dienste und polizeilichen Durchgriffsmöglichkeiten nicht mehr in einer Hand. Wir stehen zum Trennungsgebot.
Auch gegen eine Zusammenlegung von Ämtern gibt es heute gute Gründe. Das hat gar nichts damit zu tun, dass man die Arbeit besser koordinieren muss, dass es mehr Abstimmung geben muss. Da gab es ja auch entsprechende Gesetzesnovellierungen aus den Erfahrungen des NSU-Skandals auf bundesrepublikanischer Ebene. Aber wenn man darüber spricht, ob das Landesamt einfach mit einem anderen Landesamt, dem rheinland-pfälzischen oder einem anderen, verschmolzen werden soll, ergeben sich daraus gewisse Fragen. Wer übernimmt denn beispielsweise im Falle eines Falles die politische Verantwortung? Die Rheinland-Pfälzer? Wir? Andere? Wer legt fest, welche Organisation mit welcher Intensität beobachtet wird? Die Rheinland-Pfälzer? Wir? Dritte? Wer ist für die parlamentarische Kontrolle zuständig? Der hiesige Landtag? Ein anderer? Der in Mainz? Wie sind im Übrigen dort die Regeln, was die Kontrolle aller Fraktionen am Landtag angeht? Nicht so weitgehend wie nach dem heutigen Tage bei uns.
Als Resümee kann man bei nüchterner Betrachtung doch feststellen, dass die Abschaffung oder eine Zusammenlegung von Verfassungsschutzämtern nicht trägt. Dies hat auch nichts, ich sagte es, mit einer besseren Koordinierung der Arbeit zu tun. Nein, die letztlich verengte, wenngleich teils populäre Debatte trägt nicht.
Das uns vorliegende Gesetz dient zuallererst einer umfassenden parlamentarischen Kontrolle. Es bündelt die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts im Hinblick auf die Erkenntnisverwertung im Kernbereich privater Lebensgestaltung, in der Wohnung und der Privatsphäre, und es trägt den technischen Veränderungen der Telekommunikation Rechnung. Das hierzu der saarländischen Polizei im Saarländischen Polizeigesetz Erlaubte ist nun auch im Verfassungsschutzgesetz normiert. Ich bitte daher um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf in Erster Lesung. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter. - Das Wort hat nun der Fraktionsvorsitzende der Fraktion der PIRATEN Michael Hilberer.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Kollege Pauluhn hat zutreffend festgestellt: Es geht heute nicht um eine Debatte über die Abschaffung des Verfassungsschutzes, sondern es geht zunächst einmal darum, Änderungen an der bestehenden Gesetzeslage vorzunehmen.
Trotzdem ein ganz kurzer Ausflug in Richtung Abschaffung: Natürlich ist dies eine Forderung, die auch wir in der Debatte nach der NSA-Affäre zu Recht vertreten haben. Denn diese Affäre war einfach ein Dammbruch hinsichtlich der Art und Weise, wie die Geheimdienste mit der Privatsphäre der Bürger umgehen beziehungsweise die Privatsphäre auch völlig ignorieren. Ich glaube, beim Kollegen Pauluhn ein gewisses Denkmodell zu erkennen, bei dem es sich natürlich als schwierig erweist, die Gesamtlage der Sinnhaftigkeit von Überwachungsmaßnahmen zu erfassen. Ich meine die prinzipielle Gedankenspirale der Überwachung. Denn passiert nichts, kann man immer sagen, der Geheimdienst hat eben gut gehandelt, er hat das verhindert. Passiert hingegen etwas, wird man sagen, man hat zu wenig in die Überwachung investiert. So oder so, man befindet sich in einer Abwärtsspirale hin zu mehr Überwachung. Aus dieser Spirale müssen wir nun aber ausbrechen.
Aber kommen wir zurück zum uns heute vorliegenden Gesetzesentwurf. Auch dieser Gesetzesentwurf kann nicht betrachtet werden außerhalb des aktuellen Geistes, also ohne Berücksichtigung der NSASpähaffäre, die eben gezeigt hat, wie viel in Geheimdienstkreisen geschieht, das nicht an die Öffentlichkeit kommt - bis sich jemand erbarmt, sich opfert, und das öffentlich macht. Das Ziel eines jeden freiheitsliebenden Demokraten muss daher heute die Abrüstung dieser Massenüberwachung sein, dieser Massenüberwachungsmittel, die weltweit eingesetzt werden, um uns zu kontrollieren, die damit auch demokratiegefährdend wirken.
Der vorliegende Gesetzesentwurf zeigt zwei Dinge: Erstens erfolgt, und das begrüßen wir, eine Klarstellung bezüglich der parlamentarischen Kontrolle. Das ist gar kein Problem, und ich habe auch schon im Vorfeld signalisiert, dass wir dem in der vorgelegten Form zustimmen würden. Leider bringt der Gesetzentwurf aber zweitens auch eine Ausweitung der Überwachungsbefugnisse mit sich. Damit zeigt dieser Gesetzesentwurf auch, dass noch nicht jeder die Signale gehört hat. Er zeigt, dass CDU und SPD in
Die mit dem Entwurf gegebene „verbesserte“ parlamentarische Kontrolle bedeutet eine Festschreibung des gelebten Status. Das ist prinzipiell gut, bedeutet aber eben keine neue, keine verbesserte parlamentarische Kontrolle. Stattdessen sind neue Überwachungsbefugnisse vorgesehen. Dieser Gesetzentwurf geht daher in die völlig falsche Richtung.
Ich möchte mich angesichts der Kürze meiner Redezeit auf einen Punkt besonders konzentrieren. Der vorliegende Gesetzentwurf schafft die gesetzliche Grundlage für den Einsatz des IMSI-Catchers. „IMSI-Catcher“, das klingt ja zunächst einmal ganz niedlich. Es handelt sich aber um ein Abfallprodukt der Mobilfunkindustrie, das relativ schnell zu einem Überwachungsinstrument ausgebaut wurde. Der IMSI-Catcher ist im Grunde eine kleine mobile Mobilfunkzelle, die nicht auf dem Mobilfunkmast montiert ist, sondern transportabel ist und sich als normale Mobilfunkzelle ausgibt. Man muss sich das folgendermaßen vorstellen: Überall im Land stehen bekanntlich Funkmasten, die die Verbindung zu unseren Mobilfunkgeräten, Handys, Tablets, Smartphones, herstellen und damit die Verbindung ins Internet und in die Telekommunikationsnetze gewährleisten. Die Standards sehen vor, dass sich die Endgeräte mit dem Netz verbinden, das die größte Signalstärke aufweist. Das ist auch logisch, denn bewegt man sich zwischen den Mobilfunkzellen, etwa bei einer Autofahrt, bucht sich das Gerät immer wieder im gerade stärksten Netz ein. Dieses Prinzip macht sich der IMSI-Catcher zunutze, indem er einfach ein stärkeres Signal zur Verfügung stellt. Für einen Straßenzug oder einen Ortsteil ist das problemlos möglich, und alle Mobilfunktelefone wählen sich dann in diese stärkste Zelle ein. Damit ergeben sich nun zwei Möglichkeiten: Die als grundrechtsschonender geltende ist das Erstellen einer Liste der Nutzer in dieser Funkzelle und ihrer Bewegungsprofile, wobei auch diese Möglichkeit schon sehr fraglich ist, da man eben jeden erwischt, der sich in dieser Funkzelle aufhält. Es gibt aber inzwischen auch kein Gerät mehr am Markt, mit dem man nicht gleichzeitig auch - zweite Möglichkeit - die Kommunikation abhören kann, was natürlich hinsichtlich der Privatsphäre einen katastrophalen Dammbruch bedeutet. Hiermit wird dem Inlandsgeheimdienst ein weiteres unnötiges Mittel der Überwachung an die Hand gegeben. Das hätte nicht sein müssen.