Das gilt nicht nur für die Menschen mit Behinderung, sondern auch für Menschen ohne Behinderung, denn eine vielfältige Gesellschaft macht das Leben in der Gesellschaft doch erst richtig schön, sie bereichert einfach alles.
Die ganztägige Anhörung hat sehr viele verschiedene Aspekte dieses wichtigen Themas beleuchtet. Den einen geht die Inklusion zu schnell, den anderen geht sie zu langsam. Es gab Verbände, die kritisierten, dass die Inklusion zu weit gehe, es gab Verbände, die kritisierten, dass sie nicht weit genug gehe. Bildungsminister Commerçon hat vor einiger Zeit schon gesagt, dass Inklusion nichts ist, was man mit einem Gesetz abhandelt. Inklusion ist ein Prozess über Jahrzehnte, der vorangetrieben wird und auch heute nicht damit endet, dass wir das Gesetz in Zweiter Lesung beschließen. Der Beschluss des Gesetzes heute ist nur ein weiterer Schritt in Richtung einer inklusiven Gesellschaft.
Die Inklusion, die bereits in vielen Bundesländern umgesetzt ist, soll nun auch im Saarland umgesetzt werden. Aber natürlich müssen die Rahmenbedingungen stimmen, damit Inklusion so umgesetzt wird, dass am Ende alle Seiten davon profitieren. Es muss ein kompletter Paradigmenwechsel im Unterricht stattfinden, die komplette Lehrstruktur muss sich ändern. Die Förderung des einzelnen, individuellen Kindes, egal ob behindert oder nicht behindert, muss im Vordergrund stehen. Inklusion darf kein Sparmodell sein und funktioniert auch nur, wenn genügend Lehrer vorhanden sind, seien es Förderlehrer oder normale Lehrer für Grundschulen, weiterführende Schulen oder Berufsschulen. Das ist auch der Grund, warum wir uns dem Antrag der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion angeschlossen haben, dass die geplanten Stellenstreichungen im Lehrerbereich zurückgenommen werden sollen; denn nur mit kleineren Klassen und genügend Lehrern ist eine Inklusion sinnvoll und vor allem durchdacht umzusetzen.
Frau Kolb, Sie sagten eben, die 105 vorhandenen Förderlehrer würden für die Förderschulen ausreichen. Wir sehen das anders, weil ein Förderlehrer auch mit dem Kind arbeiten will, er möchte das einzelne Kind fördern und nicht nur beratend tätig sein. Bei der derzeitigen Anzahl der Förderlehrer sehen wir die Gefahr, dass die Förderung des einzelnen Kindes einfach zu kurz kommt. Wir wünschen uns für jede Schule mindestens einen Förderlehrer, idealerweise auch für jede Klassenstufe.
Nur wenn wir die entsprechenden Rahmenbedingungen für die Inklusion sicherstellen, kann es auch ein richtiges Wahlrecht der Eltern geben. Ein Wahlrecht setzt nämlich voraus, dass es die Wahl zwischen mindestens zwei qualitativ gleich hochwertigen Sachen gibt. Das ist nur gegeben, wenn die Inklusion an den weiterführenden Schulen und an den Grundschulen gleichwertig zu setzen ist mit den Förderschulen.
Ich will noch Stellung nehmen zu dem, was Frau Rink eben gesagt hat. Sie sagte, es sei nicht möglich, alle Schulen barrierefrei zu gestalten. Das stimmt, da gebe ich Ihnen derzeit recht, es ist momentan wirklich noch nicht möglich. Wir haben in der Anhörung auch darüber gesprochen. Sehr viele Kommunen haben derzeit nicht die finanziellen Mittel, um die Schulen umzubauen. Unser Ziel muss aber sein, darauf hinzuarbeiten, dass die Schulen nach und nach umgebaut werden, dass alle Schulen dazu in der Lage sind, Kinder mit Behinderung aufzunehmen, Kindern mit einem Rollstuhl die Möglichkeit zu geben, bei ihnen zu lernen. Auch das gehört für mich zur Wahlfreiheit dazu.
Ich möchte noch etwas zu unserem Abänderungsantrag sagen, weil nicht der falsche Eindruck entstehen soll, dass uns PIRATEN Kindesmisshandlung oder Vernachlässigung egal wären. Darum geht es uns auch gar nicht. Es geht uns einfach nur darum, dass auch Kinder ein Recht auf Datenschutz und Privatsphäre haben und dass die Eltern das Recht haben, der Datenweitergabe zu widersprechen. Sie haben eben gesagt, dass nur im seltensten Fall überhaupt von den Eltern ein Widerspruch gewünscht wird. Gerade wenn widersprochen wird, sollte man sich aber überlegen, warum widersprochen wird.
Unser Abänderungsantrag schließt eindeutig ein, dass ein Widerspruch nicht möglich ist, wenn das Kindeswohl gefährdet ist.
Es wurde ebenso kritisiert, dass der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PIRATEN der Geschäftsordnung widerspricht. Der Antrag wurde ganz normal ins Präsidium eingebracht, er wurde nicht nachträglich eingebracht. Insofern sehen wir hier keine Verletzung der Geschäftsordnung.
(Abg. Hans (CDU) : Sicher, der wurde nachträglich eingebracht. - Sprechen bei der CDU. - Abg. Neyses (PIRATEN): Der wurde von den GRÜNEN zeitgleich mit den anderen eingebracht. Sprechen und Unruhe.)
Ich möchte auf jeden Fall sagen, wir werden dem Gesetzentwurf zustimmen. Wir wollen die Inklusion und freuen uns, dass sie endlich auch in den Schulen richtig vorangetrieben wird. Wir stimmen dem Abänderungsantrag zu, den wir gemeinsam mit den GRÜNEN eingebracht haben, um die Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Inklusion zu legen. Ich bitte Sie auch um Zustimmung unseres Abänderungsantrags für mehr Datenschutz auch an den Schulen. - Danke sehr.
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute bringen wir nach einem über ein Jahr dauernden Diskussionsprozess mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention ein wichtiges Gesetzesvorhaben zu seinem parlamentarischen Abschluss. Wir beenden damit aber nicht etwa unsere Bemühungen zur gleichberechtigten Teilhabe aller Kinder an unserem Bildungswesen. Nein, wir beschreiten vielmehr eine neue Etappe auf unserem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft, die den Wert der Vielfalt und der Individualität ihrer Mitglieder anerkennt. Die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention erfordert den Aufbau eines inklusiven Bildungssystems, das den Prinzipien der Chancengerechtigkeit und der Diskriminierungsfreiheit gerecht wird. Es soll ein gemeinsames Leben und Lernen aller Menschen bei optimaler individueller Förderung ermöglichen.
Das Gesetz hat einen etwas nüchtern anmutenden Titel, das ist bei Gesetzen oft so: „Gesetz zur Änderung schulrechtlicher Gesetze 2014“. Es wurde vom „Schulminister“ eingebracht, wie der Präsident zu Recht betont hat.
Dieses Gesetz steht allerdings von seiner Bedeutung her in der Reihe der großen Reformen unseres Bildungswesens, angefangen von der großen Bildungsexpansion der Siebzigerjahre des letzten Jahrhunderts über den saarländischen Schulkompromiss der Neunzigerjahre bis hin zur Errichtung der Gemeinschaftsschule. Vor über einem Jahr haben wir mit dem Eckpunktepapier des Ministeriums zum gemeinsamen Lernen in der Grundschule und danach auch mit der Einigung der Koalitionsfraktionen diesen Diskussionsprozess neu angestoßen. Schon damals war mein Eindruck, dass alle im Landtag vertretenen politischen Parteien sich einig waren. Einig in dem Ziel, ein Inklusives Bildungssystem zu schaffen und diese Herausforderung auch gemeinsam zu bewerkstelligen. Nach einer intensiven, teilweise schwierigen, aber eben notwendigerweise kontroversen Debatte im Landtag sowie vielen Diskussionen in der Fachöffentlichkeit und in den Medien bin ich heute in meinem Eindruck bestärkt, dass diese gemeinsame Zielsetzung nach wie vor trägt und dass alle maßgeblichen politischen Kräfte unseres Landes zum Gelingen dieses Vorhabens ihren Beitrag leisten wollen. Ein Beleg dafür ist sicherlich die Tatsache, dass der Ausschuss für Bildung, Kultur und Medien den Gesetzentwurf einstimmig zur Annahme empfohlen hat. Auch die Rednerinnen und Redner der Oppositionsfraktionen haben in der heutigen Zweiten Lesung ihre Unterstützung zugesagt.
lung von Regierungsmehrheit und Oppositionsfraktionen zu sinnvollen und tragfähigen Entscheidungen imstande ist, die sowohl in der Sache selbst wie auch für die politische Kultur in unserem Land wegweisend sind. Ich möchte mich dafür bei allen sehr herzlich bedanken, die sich in den Erörterungen eingebracht haben. Der Blick in andere Bundesländer zeigt, dass das nicht selbstverständlich ist. Es ist die Ausnahme, dass gerade bei der Umsetzung der Inklusion in Schulen so viel Geschlossenheit hergestellt werden kann. Ich glaube, dass ich mich selbst mehr als redlich darum bemüht habe, diesen Konsens herzustellen. Ich danke aber vor allem den Koalitionsfraktionen und den Oppositionsfraktionen sehr herzlich für diese positive Grundhaltung.
Ich möchte mich an dieser Stelle auch sehr herzlich bedanken bei den meisten, die da sitzen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums, denen vor allem ich selbst in diesem etwas mehr als einem Jahr - oder eineinhalben Jahr - bei der Vorbereitung dieses Gesetzentwurfes eine Menge abverlangt habe. Herzlichen Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen, für diese wirklich oft aufopferungsvolle, bis in die späten Abend- und Nachtstunden und über die Wochenenden gehende Arbeit. Ich glaube, gemeinsam können wir heute aber auch feststellen, es hat sich gelohnt, diese Arbeit zu investieren. Herzlichen Dank für diese großartige Unterstützung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit dem vorliegenden Gesetz und der Verankerung der echten Wahlfreiheit der Eltern schaffen wir die rechtlichen Grundlagen für das gemeinsame Lernen in unseren Schulen. Darüber hinaus brauchen wir aber einen Bewusstseins- und Mentalitätswandel, der nicht gesetzlich verordnet werden kann. Dieser Wandel weg von einer defizitorientierten Betrachtung hin zur Orientierung auf die Vielfalt und auf die verschiedenen Potenziale unserer Kinder braucht Zeit, um sich vollziehen zu können, wenn er nicht als Bruch wahrgenommen werden soll. Dieser Bewusstseins- und Mentalitätswandel kann nur dann gelingen, wenn wir uns auf diesen Wandel einlassen, wenn wir alle Beteiligten voneinander und miteinander lernen lassen und wenn wir an das anknüpfen, was wir alle in der Vergangenheit mit unserer langjährigen Tradition der Integration bereits geschaffen haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wichtig ist mir, dass wir dabei den Blick auf diesen Prozess in seiner ganzen Komplexität richten. Es geht nicht um die gemeinsame Beschulung von nicht behinderten und behinderten Kindern und Jugendlichen alleine, sondern es geht vielmehr darum, auch unter dem
Aspekt der Förderung aller Schülerinnen und Schüler diesen Prozess zu betrachten. Inklusion geht uns alle an. Alle Schülerinnen und Schüler haben Förderbedarf. Wichtig für das Gelingen dieses umfangreichen Reformvorhabens ist es auch, dass wir Schulentwicklung als Ganzes zu betrachten haben.
Entscheidend war deswegen, zunächst einmal die Erfahrungen an den Pilotschulen auszuwerten und diejenigen Instrumente und Optionen, die sich in diesen Pilotschulen bewährt haben, dann allen Schulen zur Verfügung zu stellen, damit diese in die Lage versetzt werden, mit der wachsenden Heterogenität umgehen zu können. Ich sage an dieser Stelle ein ausdrückliches Dankeschön an die letzte Landesregierung, ein ausdrückliches Dankeschön an Klaus Kessler. Das war eine sehr wichtige Vorarbeit dafür, dass heute dieser Gesetzentwurf so gelingen konnte.
Ich möchte einige dieser Instrumente und Optionen herausheben. Wir führen eine Schuleingangsphase mit flexibler Verweildauer von 1 bis 3 Jahren ein, um auf diese große und ständig wachsende Heterogenität einzugehen. Die Versetzungsentscheidung in der Grundschule erfolgt künftig erst am Ende der Klassenstufe 3. Wir eröffnen den Schulen grundsätzlich die Möglichkeit, jahrgangsübergreifende Lerngruppen einzurichten. Diese können wirklich die längere Verweildauer in der Lerngruppe ermöglichen. Sie stärken den Blick auf das einzelne Kind und seine Bedürfnisse. Sie fördern die Hilfsbereitschaft und die Übernahme von Verantwortung in der Gruppe.
Das bisherige System der Leistungsbeurteilung rein nach Ziffern, Noten und schriftlichen Beurteilungen kann künftig ergänzt werden durch kompetenzorientierte Kommentare, aus denen die Eltern den aktuellen Lernstand und den individuellen Förderplan entnehmen. Wir vergleichen Kinder nicht mehr miteinander in einem Ranking, nein, wir zeigen Kindern, wo sie sich entwickelt haben, wo sie weitere Entwicklungsmöglichkeiten haben, wo ihre Entwicklungschancen liegen, und unterstützen sie damit künftig in ihrem Lernprozess. Die Erfahrungen an den Pilotschulen zeigen, dass dies genau der richtige Weg ist. Ich kann die Schulen nur ermuntern, von diesen Möglichkeiten auch rege Gebrauch zu machen. Wir werden sie dabei seitens des Ministeriums offensiv und mit aller Kraft unterstützen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Mittelpunkt der zurückliegenden Diskussion wurde oft die Frage aufgeworfen, ob die zur Verfügung gestellten Ressourcen ausreichend sein werden. Auch hier lohnt ein Blick auf qualitative Aspekte der Schulentwicklung. Wir haben aufgrund der Tatsache, dass im Saarland der gemessene Anteil der Kinder mit sonderpädago
gischem Unterstützungsbedarf deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegt, das Verfahren zur Anerkennung des Unterstützungsbedarfs auch einer Prüfung unterzogen und die Qualität der Begutachtung deutlich gestärkt.
Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, es ist richtig, notwendig und sinnvoll, von einer defizitorientierten Betrachtung bei den Gutachten wegzukommen, also nicht mehr Gutachten zur Feststellung von Defiziten durchzuführen, sondern Fördergutachten zu erstellen, also Kinder dahingehend zu unterstützen, dass sie künftig auch entsprechend gefördert werden können. Ich bin ganz sicher, so, wie wir das anfangen, angefangen haben, werden wir auch dazu kommen, dass wir dadurch zusätzliche Ressourcen frei machen, die derzeit schlichtweg für unsinnige Dinge verwendet werden. Das ist eine wichtige Antwort auf die Ressourcenfrage.
Ein weiterer Punkt der öffentlichen Auseinandersetzung ist die Frage nach den Klassengrößen, der Schüler-Lehrer-Relation in unseren Schulen und inwieweit diese die Einführung der Inklusion behindern. Lassen Sie mich zunächst klarstellen: Selbstverständlich werden wir die Kleine-Klassen-Garantie Punkt für Punkt schrittweise umsetzen. Wir haben schon deutliche Fortschritte erzielt. Bereits jetzt können die Grundschulen zusätzliche Klassen einrichten, wenn es im Jahrgang durchschnittlich mindestens 20 Kinder pro Klasse gibt. Vorher wären beispielsweise aus 80 Kindern nur drei Klassen mit 26 bis 27 Kindern pro Klasse gebildet worden. Jetzt können vier Klassen zu jeweils 20 Kindern gebildet werden. Das stellt eine deutliche Verbesserung dar.
Den belasteten Grundschulen haben wir zusätzliche Ressourcen zur Verfügung gestellt, um präventiv fördern zu können. Ebenfalls an den Grundschulen wurden in diesem Schuljahr erstmals Klassenstufen mit durchschnittlich mehr als 23 Schülerinnen und Schülern zusätzliche Stunden zur Verfügung gestellt, um die Schüler-Lehrer-Relation zu verbessern. Dabei gilt eine Staffelung bis zu zehn zusätzlichen Lehrerwochenstunden pro Jahrgang. Das ist eine enorme Kraftanstrengung, das ist eine deutliche Verbesserung. Damit geben wir an dieser Stelle deutlich mehr Ressourcen in das Grundschulsystem. Das ist notwendig, das ist richtig. Inklusion darf kein Sparmodell sein. Wir fahren es aber auch nicht als Sparmodell, sondern wir heben die Ressourcen und unterstützen unsere Schulen genau in diesem Prozess, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ähnlich verfahren wir bei den weiterführenden Schulen. Auch dort gibt es zusätzliche Förderstunden, und zwar pro Klasse je nach Klassengröße, und das auch mit bis zu vier Lehrerwochenstunden pro Jahr. Es wird darauf verwiesen, dass 20 Grund
schullehrerstellen in diesem Jahr gestrichen werden. Das ist so. Es ist allerdings eine Vereinbarung, die schon im Jahr 2010 getroffen wurde, im Hinblick auf das Schuljahr 2013/14. Genau das haben wir um ein Jahr verschoben, das heißt, wir reagieren genau auf die Schülerzahlentwicklung.