Protocol of the Session on September 24, 2014

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Ich möchte zugleich aber auf erfreuliche Projekte hinweisen, die auch das Thema Wohnen betreffen und meines Erachtens in eine inklusive Zukunft weisen. Hier will ich den Saarbrücker Verein „Miteinander Leben Lernen“ erwähnen, auf dessen Initiative hin Wohngemeinschaften von Menschen mit und ohne Behinderung entstanden sind. Im Saarbrücker Nauwieser Viertel gibt es bereits seit fast sechs Jahren eine solche integrative WG, in der nicht behinderte junge Menschen - oft Studentinnen und Studenten - gemeinsam mit Menschen mit Behinderungen leben. Die Personen ohne Behinderung unterstützen diese Personen mit Assistenzbedarf. Dafür wohnen sie mietfrei und übernehmen im Rahmen eines Frühdienstes oder Spätdienstes und einer Nachtanwesenheit leichte Assistenzaufgaben. Ich finde, dass solche Projekte absolut vorbildlich sind. Man hat gute Erfahrungen damit gemacht. Wir sollten daher überlegen, ob und wie wir sie fördern und ausbauen können.

(Beifall bei der LINKEN.)

Wir als LINKE werden grundsätzlich alle Schritte unterstützen, die den Inklusionsprozess im Saarland voranbringen. Mit dem vorliegenden Antrag liegt vor allem eine Bestandsaufnahme vor, die wir natürlich begrüßen. Keine Frage. Gleichzeitig darf nicht vergessen werden, dass es bis zu einer wirklichen inklusiven Gesellschaft auch im Saarland noch ein weiter Weg ist. Die Kritik und die Anregung von Behindertenverbänden, Interessenvertretungen, Menschen aus der Praxis und Organisationen der Behindertenselbsthilfe sollten wir immer ernst nehmen, wenn wir weitere Schritte hin zu einem wirklichen Inklusionsland Saarland gehen wollen. - Vielen Dank.

(Beifall von der LINKEN.)

Herzlichen Dank, Herr Abgeordneter. - Das Wort hat nun die Abgeordnete Gisela Kolb von der SPDLandtagsfraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Für eine repräsentative Studie hat die Aktion Mensch gemeinsam mit dem Marktforschungsinstitut INNO

FACT AG im Februar 2012 rund 1.000 Personen zwischen 18 und 65 Jahren befragt. Die Stichprobe entsprach nach Alter, Geschlecht und Region der repräsentativen Verteilung der deutschen Bevölkerung. Mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, zitiere ich aus der Pressemitteilung der Aktion Mensch zum Ergebnis der Umfrage.

„Im Jahr drei der UN-Behindertenrechtskonvention am 24. Februar leben Menschen mit und ohne Behinderungen noch nicht so selbstverständlich zusammen, wie es die Konvention vorsieht. (…) 55 Prozent nehmen die rund 10 Millionen Menschen, die in Deutschland mit einer Behinderung leben, nicht wahr. Jeder Dritte hat überhaupt keinen Kontakt zu Menschen mit Behinderungen.“ Weiter heißt es: „Die meisten Befragten sind der Überzeugung, dass wir auf dem Weg zu einem ganz normalen Zusammenleben noch ein großes Stück zurücklegen müssen. Der Knackpunkt ist, dass Menschen mit und ohne Behinderung nach wie vor wenig übereinander wissen und kaum Berührungspunkte haben.“ So sagt Martin Georgi, Vorstand der Aktion Mensch.

Ich bin überzeugt, dass dieses Ergebnis im Jahr 5 nach Inkrafttreten der Konvention fast das gleiche wäre, würde man heute noch einmal eine Studie in Auftrag geben. Ganz klar ist der Knackpunkt, dass Menschen mit Behinderungen und Menschen ohne Behinderungen nach wie vor wenig übereinander wissen und kaum Berührungspunkte haben.

Meine Damen und Herren! Wichtig ist, dass wir die Debatte heute führen. Wichtig ist, dass sich dieses Parlament ganz klar zur Inklusion bekennt. Die UN-Behindertenrechtskonvention schreibt nämlich als eine Voraussetzung ein klares politisches Bekenntnis zur Inklusion vor. Wir haben im Saarland auf dem Weg zur inklusiven Gesellschaft gemeinsam mit den Selbsthilfeorganisationen behinderter Menschen und den Wohlfahrtsverbänden schon viel erreicht, haben aber auch noch ein langes Stück Weg zurückzulegen. Die Forderung der UN-Behindertenrechtskonvention nach Inklusion unterscheidet sich deutlich vom bisherigen Verständnis der Integration, wie es in Deutschland lange Zeit befürwortet wurde. Während das System der Integration eben eine Anpassungsleistung von den behinderten Menschen an unsere Strukturen verlangt, nimmt die Inklusion nicht den einzelnen Menschen in den Blick, sondern die Gesellschaft, und fordert von dieser die Anpassungsleistung. Die Gesellschaft hat die Aufgabe, sich auf die Betroffenen einzustellen und dabei deren Autonomie und Unabhängigkeit zu wahren. Nicht der behinderte Mensch muss sich unseren Strukturen anpassen, sondern wir müssen unsere Strukturen so gestalten, dass ein Zusammenleben, und zwar ein Zusammenleben von Anfang an, möglich ist.

(Abg. Georgi (DIE LINKE) )

Ich bin der festen Auffassung, solange die Lebenswelten von Menschen mit und ohne Behinderung getrennt sind, wie es heute trotz Grundgesetz, saarländischer Verfassung, Gleichstellungsgesetzen und UN-Konvention immer noch Wirklichkeit ist, werden sich die viel beschworenen Barrieren in den Köpfen und in der realen Welt nicht immer und nicht vollständig überwinden lassen. Wer also wirklich Inklusion will, muss die gesamte Gesellschaft auf diesem Weg mitnehmen. Es ist nicht ausreichend, dass Inklusion in den Selbsthilfe- oder in den Wohlfahrtsverbänden oder in der Politik diskutiert wird. Eine breite gesellschaftliche Debatte muss stattfinden, und wenn wir heute einen kleinen Beitrag dazu leisten, haben wir schon viel erreicht.

(Beifall von den Regierungsfraktionen und bei den Oppositionsfraktionen.)

Ein wichtiger und richtiger Schritt auf dem Weg zur inklusiven Gesellschaft ist das kürzlich hier vom Landtag einstimmig verabschiedete Gesetz zur Änderung schulrechtlicher Gesetze, mit dem das in der UN-Behindertenrechtskonvention verankerte Recht der Kinder mit und ohne Behinderung auf den Besuch der Regelschule umgesetzt wurde. Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist das gemeinsame Lernen und Aufwachsen von Kindern mit und ohne Behinderung von Anfang an die Grundvoraussetzung für den Wandel zu einer inklusiven Gesellschaft. Vielfalt von Anfang an bedeutet: Was in unserer Gesellschaft nicht getrennt ist, muss später nicht mühsam zusammengeführt werden. Ich erkenne aber auch an, dass Förderschulen ihre Berechtigung haben und die Lehrerinnen und Lehrer an diesen Schulen gute und engagierte Arbeit leisten.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Mir ist bewusst, dass sich in den letzten Jahrzehnten einiges in Deutschland geändert hat. Die Zeiten sind vorbei, in denen der Anblick von Rollstuhlfahrern im Urlaubshotel als Reisemangel gerichtlich anerkannt wurde. Das war das berüchtigte Frankfurter Urteil von 1980. 1992 folgte in Flensburg ein ähnliches Urteil. Aber auch im Jahre 2014 ist ein selbstverständliches Miteinander, getragen von gegenseitigem Respekt, Wertschätzung und Rücksicht, noch immer nicht alltäglich.

Natürlich gibt es auch in diesem Land gute Beispiele. Genannt sei das Zentrum für Freizeit und Kommunikation der Lebenshilfe in Spiesen-Elversberg, der Freizeittreff Café Courage in Dillingen, getragen von der AWO, wo das Miteinander gelebt wird. Das sind Beispiele, die verstärkt werden müssen. Es muss für uns selbstverständlich werden. Mit der Verantwortung für den Bildungsbereich haben wir im Saarland einen Regelungsbereich, den wir wirklich grundlegend ändern können und in dem wir auch Änderungen vorgenommen haben.

Der weitere Bereich, für den wir im Saarland verantwortlich sind, ist der Bereich des Baurechts. Ich erinnere daran, dass es im Koalitionsvertrag eine feste Vereinbarung dazu gibt. Mit Ihrer Erlaubnis, Frau Präsidentin, zitiere ich: „Die Vorschriften für barrierefreies Bauen werden enger gefasst. Ausnahmeregelungen werden auf das notwendige Maß reduziert." Ich halte es für wichtig, dass wir uns gerade den Baubereich näher ansehen, weil dieser Bereich nicht nur Menschen mit einer Gehbehinderung stark angeht und ausgrenzt, wenn wir nicht barrierefrei bauen, auch sinnesbehinderte Menschen werden dadurch ausgegrenzt. Es hat sich einiges getan, aber es muss sich mehr tun. Der Alltag von Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrern muss auch in unserem Land erleichtert werden.

Ich habe natürlich meine Zweifel - das muss man der Ehrlichkeit halber auch sagen -, dass sich im Altbestand in den nächsten Jahren viel tun wird. Das ist eine finanzielle Frage. Aber wir dürfen nicht zulassen, dass bei Neubauten die Vorschriften der Barrierefreiheit ignoriert werden. Diese Vorschriften müssen ebenso wie die Brandschutzvorschriften von den Bauordnungsbehörden kontrolliert werden und Verstöße müssen sanktioniert werden, denn eine barrierefreie Umwelt hilft uns allen.

(Beifall des Hauses.)

Dabei sollten wir auch die Barrieren im Blick haben, die sinnesbehinderte Menschen ausgrenzen. Auch geistig behinderten Menschen muss die Orientierung im öffentlichen Raum erleichtert werden.

Inklusion ist ein langjährig angelegter Prozess. Wir alle müssen den Wechsel vom Wohlfahrtsgedanken zum Menschenrechtsansatz nachvollziehen. Gleichberechtigte Teilnahme wird es allerdings für behinderte Menschen nur geben, wenn die finanzielle Grundlage für diese gleichberechtigte Teilnahme auch gesichert ist, und dafür brauchen wir ein Teilhabegesetz des Bundes.

Meine Damen und Herren, das Deutsche Institut für Menschenrechte sah von Anfang an in der UN-Behindertenrechtskonvention große Chancen, die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Deutschland zu stärken und so auch langfristig zur Humanisierung der Gesellschaft im Ganzen beizutragen. Ich denke, für dieses Ziel lohnt es sich zu streiten. - Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall des Hauses.)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete. - Das Wort hat nun der Abgeordnete Andreas Augustin von der Fraktion der PIRATEN.

(Abg. Kolb (SPD) )

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr verehrte Gäste! Da wir als kleine Fraktion eine sehr begrenzte Redezeit haben, möchte ich heute zwei Gruppen besonders herausstellen. Da man bei diesem Vorgehen immer Gefahr läuft, bei den anderen Gruppen, die man nicht herausstellt, auf Kritik zu stoßen, sage ich gleich, das sind die Schwerpunkte meiner Rede, allerdings nicht die Schwerpunkte meiner sonstigen Arbeit.

Die zwei Gruppen, die ich heute besonders herausstellen möchte, sind die Gehörlosen und die Blinden. Sie sehen hier heute ausnahmsweise zwei Gebärdensprachdolmetscherinnen. Für mich ist das ein gewohnter Anblick, da wir auch auf Parteitagen Gebärdensprachdolmetscher im Einsatz haben. Leider haben wir das Problem, dass nur die hier Anwesenden von den Dolmetscherinnen profitieren, diejenigen, die mich jetzt im Stream sehen, aber nicht, weil die Kamera nur etwa diesen Bereich zeigt,

(Der Redner umreißt mit einer Armbewegung den Bildausschnitt)

die Gebärdensprachdolmetscherinnen im Moment aber außerhalb dieses Bereichs stehen. Auf Parteitagen haben wir eine separate Kamera mit separater Leinwand und einer separaten Übertragung für Gehörlose. Aber immerhin freue ich mich, hier überhaupt einmal Gebärdensprachdolmetscherinnen zu sehen, das ist ein großer Fortschritt.

(Beifall der Abgeordneten Huonker (DIE LINKE).)

Meine Damen und Herren, Sie merken es schon, es sind die Gehörlosen, auf die ich zunächst einmal den Fokus meiner Rede richten möchte. Dazu hatten wir schon einen Ergänzungswunsch zum vorliegenden Antrag, der der Koalition aus CDU und SPD aber zu weit ging, sodass er es nicht in den Antrag geschafft hat, aber zumindest ein Teilaspekt ist darin enthalten, nämlich dass der Landtag es begrüßt, dass der Saarländische Rundfunk inzwischen den Aktuellen Bericht untertitelt. Ich habe das in der letzten Zeit verfolgt. Mir war von früher bekannt, dass er teilweise untertitelt wird, meines Wissens samstags. Aber seit Anfang Mai untertitelt der Saarländische Rundfunk den Aktuellen Bericht grundsätzlich, also auch unter der Woche. Wie gesagt, ich als nicht Gehörloser hatte das nie so wahrgenommen, aber nachdem ich davon erfahren habe, habe ich es in den vergangenen Tagen etwas verfolgt. Es ist tatsächlich richtig gut. An der Stelle muss man die Arbeit des Saarländischen Rundfunks auch einmal loben.

Einer der Gründe, warum ich die Hörgeschädigten und Gehörlosen in den Fokus rücken möchte, ist der, dass es mehr Personen betrifft, als man meint. Gerade in einer immer älter werdenden Gesellschaft sind es nicht bloß ein paar wenige, die im Alter

schwerhörig und gegebenenfalls sogar vollständig gehörlos werden. Wenn man im hohen Alter schwerhörig wird, lernt man aber nicht mehr quasi nebenbei die Gebärdensprache. Sie kennen das Sprichwort „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“. Hier haben wir in der gesamten Gesellschaft ein Problem, das wir angehen müssen. Die Untertitelung ist der richtige Weg. Deshalb begrüße ich die Untertitelung des Aktuellen Berichtes sehr.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Gleichzeitig hätten wir uns mehr gewünscht, als dass nur bei diesem einen Tagesordnungspunkt zwei Gebärdensprachdolmetscherinnen dabei sind, aber ich begrüße ausdrücklich, dass es wenigstens heute einmal so ist.

Ein Zweites möchte ich angehen. Sie haben es vielleicht mitbekommen. Für die PIRATEN sitzt ein Blinder im Saarbrücker Stadtrat, nämlich Thomas Brass. Dadurch, dass ich viel mit Thomas zu tun habe, wurden mir einige Dinge bewusst, die ich so nicht erwartet hätte. Aus Studienzeiten weiß ich noch, dass bei sehenden Personen über die Hälfte der Signale, die ihr Gehirn verarbeitet, von den Augen stammt. Gerade deshalb habe ich Blindheit lange Zeit für eine der schwersten Behinderungen gehalten. Denn dem Gehirn fehlt über die Hälfte der Informationen, die es sonst verarbeitet. Umso erstaunter war ich, dass es für einen Blinden schon fast einfacher ist zurechtzukommen als für einen Gehörlosen. Der Grund ist, dass es durch die moderne Technik möglich ist, sich mittels Smartphone fast alles vorlesen zu lassen. Ich möchte es einmal etwas überspitzt sagen: Ein Blinder kann sich Texte vorlesen lassen, aber ein Gehörloser kann sich nicht ohne Weiteres verbale Kommunikation verschriftlichen lassen. Ein Smartphone hat man - ebenfalls überspitzt gesagt eher dabei als eine Gebärdensprachdolmetscherin. Nichts für ungut.

Dementsprechend ist auch ein Aspekt, wie die öffentliche Verwaltung mit solchen Texten umgeht. Sie müssen auch vorlesbar sein. Nach dem Theater um die Aufnahme der Untertitelung in den heute vorliegenden Antrag wollte ich den zweiten Punkt nicht mehr im Antrag angehen. Deshalb spreche ich ihn nun hier an. Die öffentliche Verwaltung ist verpflichtet, Dokumente, die sie veröffentlicht, barrierefrei zur Verfügung zu stellen. Das gilt auch für Landtagsdrucksachen wie den jetzt behandelten Antrag, es gilt aber auch für alle anderen Anträge, für Gesetze, für Anfragen und deren Antworten. Die Frage lautet also, was an der Stelle barrierefrei heißt. Wenn ein Blinder sich den Text vorlesen lassen kann, bekommt er dann wirklich alle Informationen, die auch jemand erhalten würde, der den Text mit den Augen lesen kann? - Bei reinem Vorlesen ist das erst einmal nicht so, denn man erfährt zum Beispiel nicht, auf welcher Seite man sich befindet. Wenn man den

Text dann anschließend diskutieren will oder wenn jemand sagt: „Lies doch einmal auf Seite 4 den Absatz xy“, so ist das eine Information, die man aus einem vorgelesenen Text nicht direkt erhält.

An der Stelle muss ich eines positiv erwähnen. Es gibt nur ein einziges Programm, das Texte so aufbereitet, dass ein Blinder auch diese Information erhält. Es ist das Programm, das hier im Landtag eingesetzt wird. Deshalb sind die Landtagsdrucksachen barrierefrei verfügbar. Das muss man ausdrücklich positiv erwähnen.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Von unserem blinden Stadtratsmitglied wurde die Aufbereitung als vorbildlich gelobt. Das gilt für den Landtag und den Stadtrat gleichermaßen. Die Dokumente sind vorbildlich aufbereitet. Dieses Lob gebe ich gerne an die Landtagsverwaltung im Allgemeinen und an die Abteilung 1 im Speziellen weiter.

Auch wenn dieser Punkt im vorliegenden Antrag keine Berücksichtigung findet, so werden dort umgekehrt viele weitere Punkte genannt, auf die ich jetzt wie gesagt wegen der Zeit - nicht mehr eingehen kann. Wir begrüßen diese Punkte ausdrücklich. Ich habe es am Anfang gesagt, dass ich zwei Aspekte herausgreifen möchte. Es stehen jedoch noch viel mehr Punkte im Antrag, diese unterstützen wir voll und ganz. Gleichzeitig sage ich auch: Es muss jedem klar sein, dass man sich nicht der Illusion hingeben darf, dass mit Beschluss dieses Antrags bereits alles getan wäre. Es gibt noch etliche Anknüpfungspunkte. Wir werden die Inklusion gerne weiter mit vorantreiben. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall.)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Das Wort hat nun Klaus Kessler von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Erneut beschäftigen wir uns heute in diesem Hause mit dem so sehr wichtigen Thema der Inklusion. Ein ganz kleiner Rückblick: Der Gedanke der Inklusion, also der Anspruch der Menschen mit Behinderung auf eine gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, wurde in Deutschland bereits vor 40 Jahren in der sogenannten - man traut sich heute kaum mehr, das Wort auszusprechen - Krüppelbewegung formuliert und konnte damals zum ersten Mal in das gesellschaftliche Bewusstsein eindringen. Danach dauerte es 20 Jahre, bis zum Jahre 1994, bis der Artikel 3 des Grundgesetzes um den entscheidenden Satz erweitert wurde: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“

Dadurch wurden die Rechte von Menschen mit Behinderung formal im Grundgesetz gestärkt. Es brauchte dann weitere 15 Jahre, bis die Inklusion mit dem Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention am 26. März 2009 in Deutschland als Menschenrecht verbrieft wurde. Damit bekam die Forderung, dass alle Menschen selbstbestimmt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können sollen, bis in die heutige Zeit Gesetzesrang und es wurde gleichzeitig ein nachdrücklicher Handlungsauftrag für die Gesellschaft und auch für uns als Politik gegeben.

Inklusion beinhaltet, dass Menschen mit Behinderung sich nicht mehr integrieren und an die Umwelt und die Gesellschaft anpassen müssen, sondern dass die Umwelt und die Gesellschaft von vornherein so ausgestaltet werden, dass alle Menschen gleichberechtigt in dieser Gesellschaft leben können. Das Ideal der Inklusion ist, dass die Unterscheidung zwischen behindert und nicht behindert eigentlich keine Relevanz mehr hat. Das ist und muss unser Ziel bleiben.

(Beifall.)

Das Saarland hat mit dem Aktionsplan „Saarland inklusiv - Unser Land für alle“ zur Umsetzung der UNBehindertenrechtskonvention wirklich wichtige Schritte getan. Es wird natürlich noch ein langer Weg bleiben, bis das Ziel der Irrelevanz der Unterscheidung zwischen behindert und nicht behindert, erreicht sein wird. Die Inklusion betrifft im Saarland letztendlich auch sehr viele Menschen. Die letzten bekannten Zahlen sind folgende: Zum Jahresende 2011 lebten im Saarland rund 210.000 Menschen mit einer Behinderung. Das sind 21 Prozent der Bevölkerung. Hiervon waren knapp 130.000 Menschen - also rund 13 Prozent der Bevölkerung - schwerbehindert. Anhand dieser Zahlen und Umstände wird deutlich, dass die Umsetzung der Inklusion eine sehr umfassende Aufgabe für dieses Land ist. Für die Umsetzung der Inklusion ist es notwendig, Angebote auf allen Ebenen zu entwickeln, damit die Betroffenen erreicht werden und ihnen eine echte Teilnahme ermöglicht wird. Hierzu zählen Angebote der möglichst frühen Förderung, die noch zu verbessernden Möglichkeiten der Teilhabe am Arbeitsmarkt, die Möglichkeit der Menschen, eigenverantwortlich und selbstständig zu wohnen sowie am gesellschaftlichen und kulturellen Leben teilzunehmen.