Protokoll der Sitzung vom 21.01.2015

Es ist unbestritten, dass das deutsche Parlament Vorratsdatenspeicherung in einem Rahmen beschlossen hat - wie übrigens andere Nationalstaaten auch -, der kritisch zu sehen war, weil die Grenzen nicht richtig gesetzt waren. Deshalb haben das Bundesverfassungsgericht und der Europäische Gerichtshof nicht gesagt, die Vorratstdatenspeicherung als solche sei verfassungswidrig. Im Gegenteil, sie haben beide dieses Mittel als Sicherheitsmaßnahme anerkannt und lediglich erklärt, dass enge Grenzen gesetzt werden müssen. Daraufhin ist Europa, ist Deutschland gefordert - so wir uns darauf verständigen sollten, das ist offen -, enge Grenzen zu setzen: erstens hoher Sicherheitsstandard für zu speichernde Daten, zweitens Zugriff auf Daten nur im Einzelfall und mit hohen Hürden - man kann sogar über Richtervorbehalt diskutieren und drittens Einschränkung auf schwerste Straftaten.

Wir reden doch nicht darüber, dass der Zugriff auf Daten maßlos und ohne Regeln geschieht, sondern anlassbezogen, wenn Terror und schwerste Gewalttaten drohen. Deshalb sollten wir einmal darüber nachdenken, ob es angemessen ist, dass Vorratsdatenspeicherung bei Finanzvergehen die Regel ist, während sie bei Terror verfassungswidrig sein soll.

(Beifall bei der CDU.)

Anknüpfend an die Ereignisse von Paris möchte ich daher eine Argumentation aufgreifen und auch hier zur Versachlichung beitragen. Wer argumentiert, die Anschläge in Paris seien geschehen, obwohl Frankreich die Vorratsdatenspeicherung hat, der ist dem irreführenden Begriff Vorratsdatenspeicherung auf den Leim gegangen, denn sie ist kein Mittel der Prävention, sondern ein wirksames Ermittlungswerkzeug für Strafverfolgung, was übrigens in Madrid eindrucksvoll belegt wurde. Dort hat die Vorratsdatenspeicherung dazu geführt, dass die Straftäter gefasst und potenzielle Opfer geschützt wurden.

Daher sage ich abschließend zu diesem Thema: Alle 16 Innenminister in Deutschland haben sich dafür ausgesprochen - in diesen engen Grenzen. Die Große Koalition in Berlin hat sich grundsätzlich auch darauf verständigt, es geht jetzt um den Weg dorthin. Jeder kann dazu seine Auffassung haben. Aber es sollten nicht Diskussionen geführt werden, die Bürger würden ein Stück weit irregeführt nach dem Motto „Die Politiker streiten darüber, ob Freiheitsrechte in Frage gestellt werden oder nicht“. Deshalb meine Bitte: Lasst uns die Diskussion angemessen

führen, lasst uns darüber streiten, wie die Abwägung zwischen Sicherheit und Freiheit aussehen muss. Wenn ich Sicherheit gewährleiste, heißt das, Freiheit zu sichern, und nicht, Sicherheit um ihrer selbst willen zu gewährleisten. Deshalb auch hier meine Bitte, die Diskussion über die Abwägung mit Augenmaß zu führen.

(Beifall bei der CDU.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es stellt sich natürlich ein weiteres Thema, nämlich die Frage der Analyse und Konsequenzen, warum die Radikalisierung der Gesellschaft in unterschiedlichen Formen stattfindet. Das ist zunächst eine Frage an die Weltpolitik. Bei Interventionskriegen muss erlaubt sein nachzufragen: Haben wir dort nicht mehr Probleme hinterlassen als Lösungen gebracht, ist dort nicht Radikalisierung ohne Grenzen zum Teil erst möglich geworden? Ein ganz schwieriges Beispiel ist der Irak, übrigens sogar ohne internationales Mandat. Das muss kritisch hinterfragt werden. Die Vergangenheit ist nicht rückgängig zu machen; das Gesagte gilt aber für zukünftige Fragen der Weltpolitik und der Völkergemeinschaft.

Aber auch bei uns, also in Frankreich und im Saarland, stellen sich Fragen an die Sozialpolitik. Wir haben heute lesen können, wie die Analyse in Frankreich aussieht. Damit will ich mich heute nicht befassen. Aber ich will deutlich machen, dass diese Probleme auch vor dem Saarland nicht haltmachen.

Ich erinnere an die Sauerland-Gruppe im September 2007. Das waren keine Muslime aus irgendeinem Drittstaat, das waren Saarländer. Das waren Konvertiten mit einem ganz normalen bürgerlichen Werdegang. Deshalb müssen wir darüber nachdenken - die Antwort kann man nicht in drei Tagen geben -, ob wir bei der Frage der Prävention in unserem Lande, begonnen beim Religionsunterricht bis zur Gesellschaft insgesamt, neue Wege gehen müssen. Ich glaube, dass wir uns vom Grundsatz her einig sind. Über die Details sollten wir in den kommenden Wochen und Monaten reden, um auch in unserem Lande der Verantwortung für dieses Thema gerecht zu werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Frage der Ursachen und Konsequenzen - ich habe ein paar Punkte beleuchtet - werden wir sicherlich in vielen Punkten kontroverse Debatten führen. Das ist gut und richtig in einem demokratischen Rechtsstaat. Ich glaube, oft wird die richtige Mitte gefunden. Aber lassen Sie uns in der Art, wie wir sie führen, das dokumentieren, was im Mittelpunkt unseres gemeinsamen Antrages von heute steht: eine offene, streitbare Debatte über den richtigen Weg, geführt in Respekt voreinander und mit Toleranz, mit einem gemeinsamen Ziel, nämlich der Bewahrung von Presse-, Meinungs- und Religionsfreiheit, Bewahrung un

(Abg. Meiser (CDU) )

serer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Vielen Dank.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Für die Fraktion DIE LINKE hat Herr Fraktionsvorsitzender Oskar Lafontaine das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will versuchen, in der mir zur Verfügung stehenden Zeit das Thema einigermaßen umfassend zu behandeln. Das ist natürlich etwas schwierig.

Ich will mit einem Zitat von Hölderlin beginnen, das nach meiner Auffassung die Herausforderung, vor der wir stehen, einigermaßen wiedergibt. „Das Eigene muss so gut gelernt sein wie das Fremde.“ Zuerst wäre an uns die Frage zu richten, ob wir das Eigene gelernt haben und was unser Eigenes eigentlich ist. Sicherlich kann niemand bestreiten, dass das christliche Abendland Traditionen beschreibt, von denen wir alle geprägt sind. Herr Kollege Meiser, insoweit stimme ich Ihnen zu. Ich ergänze das: Ob wir es wollen oder nicht, solche Traditionen wirken lange nach und prägen die Menschen, die in diesem Kulturkreis aufgewachsen sind, so nachhaltig, dass sie schlicht und einfach da sind und auf Dauer die Gesellschaft bestimmen werden.

Wenn wir uns aber auf das christliche Abendland berufen - gerade in diesem Zusammenhang -, dann ist die Frage aufzuwerfen, was denn die Kernbotschaft des Christentums ist. Die Kernbotschaft des Christentums wird normalerweise wiedergegeben mit dem Satz: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Dieser Satz ist natürlich weltumfassend. Er ist universell und immer Tradition im Abendland gewesen. Dieser Satz kann nicht angewandt werden auf eine bestimmte Nation, auf einen bestimmten Erdteil oder auf wen auch immer. Allein dies ist schon eine solche Herausforderung, dass ich einmal die Frage aufwerfe, ob wir wirklich alle sagen können - mit „alle“ meine ich nicht nur uns, die wir in diesem Landtag versammelt sind -, dass dieser Satz wirklich weltumfassend verstanden und auf alle Menschen angewandt wird. Er gilt nach diesem Verständnis natürlich auch für Muslime oder für alle anderen. Am radikalsten ist dieser Satz in der Bibel formuliert: Liebet eure Feinde! Diese radikale Herausforderung ist so gewaltig, dass sicherlich viele Menschen, wenn sie mit dieser Forderung konfrontiert sind, ihr zumindest eher abwehrend begegnen.

Diese christliche Tradition ist aber auch in der Aufklärung aufgenommen worden. Die Aufklärung ist auch das Eigene zumindest unseres Landes oder der europäischen Länder; die Aufklärung ist eben

falls universell. Die Aufklärung führte zu den Werten Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Die Idee der Gleichheit - das möchte ich hier erwähnen - ist keine originäre Idee der Aufklärung. Sie ist eine Idee, die im christlichen Abendland deshalb zu finden ist, weil die Gleichheit der Gotteskinder eine der revolutionären Ideen ist, die das Christentum in die Gesellschaften eingeführt hat. Von daher ist die Idee der Gleichheit aufgewachsen. Wenn ich sage, wir müssen das Eigene lernen, dann ist natürlich die Frage die, ob wir die Idee der Gleichheit wirklich verinnerlicht haben und ob wir wissen, welche große Herausforderung diese Idee der Gleichheit an die Gesellschaft stellt.

Ich bin der Auffassung, dass auch hier in den westlichen Industriegesellschaften, die auf die Herausforderungen reagieren sollen, ein Nachholbedarf besteht, insbesondere dann, wenn man ihn mit dem zweiten Begriff kombiniert, nämlich dem Begriff der Brüderlichkeit, der ebenfalls in der christlich-abendländischen Tradition steht. Die Frage ist, ob wir in dem anderen, dem Fremden, wirklich den Gleichen oder den Bruder oder - heute würden wir sagen - die Schwester sehen. Das ist die Frage, die wir uns alle stellen müssen. Ich glaube, dass hier ein großer Nachholbedarf besteht, sowohl beim sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaften als auch - Sie haben das kurz angedeutet, ich komme noch darauf zu sprechen - in der Außenpolitik der westlichen Industriestaaten.

Wir reden jetzt alle vom Terrorismus. Ich kann das alles nur sehr kurz ansprechen. Ich habe in meinem Beitrag im Deutschen Bundestag immer wieder darauf gedrängt, dass man dann, wenn man vom Terrorismus spricht, auch sagen muss, was das ist. Es hat keinen Sinn, Debatten zu führen, ohne eine gewisse Klärung der Begriffe zu haben. Nachdem lange Zeit niemand im Bundestag in den Debatten von sich aus eine Definition des Begriffes gegeben hat, gab es das Antiterrordateigesetz, in dem der Terrorismus definiert ist. Dort ist er definiert als eine rechtswidrige Anwendung von Gewalt, um politische Belange durchzusetzen. Ich habe diese Passage des Gesetzes aufgegriffen und bin auf den Irakkrieg zu sprechen gekommen, auf den Sie, Herr Kollege Meiser, dankenswerterweise auch zu sprechen gekommen sind. Das hat mir imponiert. Ich habe im Deutschen Bundestag ohne den Widerspruch der vor mir sitzenden Parteien gesagt: Sie haben soeben beschlossen, dass all diejenigen, die den Irakkrieg geführt und unterstützt haben, Terroristen sind, denn sie haben nachweislich rechtswidrig Gewalt angewandt, um politische Ziele - welche auch immer es waren - durchzusetzen. Das ist heute nicht mehr bestritten. Deshalb müssen wir uns schlicht und einfach die Frage stellen, ob wir, wenn es um die Bekämpfung des Terrorismus geht, von richtigen Voraussetzungen ausgehen.

(Abg. Meiser (CDU) )

Sie haben auf die große Demonstration in Paris verwiesen. Ich habe mir das alles sehr genau angeschaut und war beeindruckt von den vielen Menschen, von den Millionen, die sich dort versammelt haben. Aber ich möchte sehr wohl darauf hinweisen, dass diejenigen, die sich in der ersten Reihe gedrängt haben, natürlich nicht unbedingt als Kronzeugen taugen, wenn es darum geht, eine Auseinandersetzung mit dem Thema zu führen, auch gegenüber der muslimischen Welt, wie Sie sie, Herr Kollege Meiser, soeben in Ihrem Beitrag beschrieben haben. Ich nenne beispielsweise den ehemaligen französischen Präsidenten Sarkozy, der zunächst sehr eng mit Gaddafi zusammengearbeitet hat. Ich will das etwas vornehm umschreiben. Später war er einer der Entscheidenden, als es darum ging, den Krieg gegen Libyen zu führen. Ich will es nur bei dieser Person belassen, sonst könnte ich hier länger referieren.

(Sprechen bei der CDU.)

Ob er also in der muslimischen Welt als glaubwürdiger Zeuge wahrgenommen wird, wenn es darum geht, eine richtige Einstellung zum Terror und zur muslimischen Welt zu haben, ist doch sehr zu bezweifeln. Aber es bleibt trotz einer gewissen Unruhe, die jetzt in der CDU-Fraktion aufgekommen ist, festzustellen: Ich begrüße es, Herr Kollege Meiser, dass Sie zumindest sagen, wir müssen die Vorgehensweise am Beispiel des Irakkrieges überdenken.

Ich habe das auf der großen Demonstration hier in Saarbrücken formuliert und meine das ganz ernst: Das ganze Gerede von Nächstenliebe, Brüderlichkeit, Christentum, Demokratie und Gleichheit können wir uns schenken, wenn wir nicht in der Lage sind, dem Satz zuzustimmen, dass wir um den Tod der Menschen, die bei einer Hochzeitsgesellschaft, die von einer Drohne angegriffen wird, ermordet werden, genauso trauern wie um den Tod von Menschen in Paris aufgrund der Anschläge der dortigen Attentäter. Das meine ich ganz ernst. Solange wir das nicht akzeptieren, haben wir alle diese Werte, die immer wieder beschworen werden, nicht verstanden.

Wir sollten auch - insoweit stimme ich Ihren Gedanken zu -, wenn es um religiöse Freiheit geht, eine gewisse Zurückhaltung üben. Ich habe es dankbar erlebt, dass beispielsweise in den vielen Kommentaren, die zu den Religionen geschrieben worden sind, darauf hingewiesen wurde, dass wir auch in der Bibel sehr viele Stellen finden, die äußerst problematisch sind, wenn es um Gewalt und Menschen geht. Allerdings in erster Linie natürlich im Alten Testament. Wir sollten nicht vergessen, wenn immer wieder Suren angeführt werden - ich glaube, es ist die Sure 89 oder 90 -, die zu Gewalt gegenüber Ungläubigen aufrufen, dass wir ähnliche Textstellen im Alten Testament finden, und sollten daher nicht mit all

zu viel - ich sage es mal so - Überheblichkeit an diese Frage herangehen.

Das gilt im Übrigen auch für die oft getroffene Feststellung, die Aufklärung habe die muslimische Religion noch nicht erreicht. Dazu ist zweierlei zu sagen: Wenn beispielsweise ein spanischer Politiker sagen würde, dass der Islam zu Spanien gehöre, dann hätte das eine ganz andere Bedeutung, als wenn das ein deutscher Politiker sagen würde. In Spanien hatten wir ein Zusammenleben der Religionen in Südspanien, in Andalusien, und eine, wenn man so will, theoretische Auseinandersetzung um die philosophischen Grundlagen, die beispielhaft sein könnte für die heutige Debatte. Ich kann das aus zeitlichen Gründen nicht vertiefen. Ich erinnere nur daran, weil wir auch Zeiten erlebt haben, in denen der Islam eine ganz andere Rolle gespielt hat als die, die heute wahrgenommen wird. Wir sollten also mit dieser Zurückhaltung an die Diskussion herangehen, aber es ist keine Frage, dass keine Religion die Werte des Grundgesetzes in Frage stellen kann. Deshalb ist es notwendig klarzustellen, dass dies kein Eingriff in die Religion ist. Wir werden kein Staatswesen haben können, das religiöse Überzeugungen zur Grundlage der Gesetze, insbesondere der Strafgesetze, machen kann. Darin sind wir uns aber, glaube ich, in diesem Hause einig.

Sie haben gesagt, Herr Kollege Meiser, wir hätten eine Trennung von Kirche und Staat. Das kann man zumindest hinterfragen. Sie haben eine ganze Reihe von Sachverhalten angeführt, die auf den ersten Blick eher dagegen sprechen. Das hat etwas mit unserer Religion zu tun. Ich habe mich vor einiger Zeit in einer großen Fernsehsendung dafür ausgesprochen, die Rolle der Religion im Wesentlichen darin zu sehen, die Wertevermittlung in unserer Gesellschaft zu leisten, weil wir überhaupt nicht darüber hinwegsehen können, dass zunehmender Materialismus und zunehmende Individualisierung alle diese Werte, auf die wir uns immer wieder gerne berufen, in der gesamten Gesellschaft in Frage stellen.

Wir sollten diese Diskussion durchaus so führen, dass der Respekt gegenüber dem anderen immer wieder die Grundlage unseres eigenen Agierens darstellt. Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit sind Werte, die die Tradition des christlichen Abendlandes widerspiegeln, aber auch die Imperative der Aufklärung. Wenn wir tatsächlich diese Werte ernst nehmen würden, meine sehr geehrten Damen und Herren, dann hätten wir eine friedlichere Welt, dann sähe die Welt anders aus. Dann wäre auch die Außenpolitik vieler Staaten, nach meiner tiefen Überzeugung, anders. Dann würden wir auch das Fremde besser verstehen und besser lernen. Die Idee des Abendlandes ist ja, dass die anderen letztendlich gar nicht fremd, sondern unsere Schwestern

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) )

und Brüder sind. An dieser Idee des Abendlandes und der Aufklärung sollten wir festhalten.

(Beifall von der LINKEN und bei der SPD.)

Das Wort hat für die SPD-Landtagsfraktion Herr Fraktionsvorsitzender Stefan Pauluhn.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Vorkommnisse der schrecklichen und abscheulichen Attentate in Paris haben uns in Europa insgesamt, aber auch uns hier im Saarland, direkt an der Grenze zu unseren Nachbarn, noch einmal enger zusammenrücken lassen. Der Landtag unseres Saarlandes rückt heute mit der Verabschiedung dieser gemeinsamen Erklärung und dieser Debatte auch zusammen, auch wenn es in Details unterschiedliche Bewertungen gibt. Wir stehen damit an der Seite unserer Freunde und Nachbarn, wir stehen an der Seite der gesamten französischen Nation und vor allem auch an der Seite der Hinterbliebenen und Trauernden. Es soll heute auch ein Zeichen der tiefen Trauer und des tiefen Mitgefühls für die ermordeten jüdischen Mitbürger in Frankreich, die ermordeten Polizisten und natürlich die Journalisten der Zeitschrift Charlie Hebdo sein. Es ist ein Zeichen dafür, dass dieser Anschlag auf Menschen, auf Väter und Mütter, auf Frauen und Männer unterschiedlicher Glaubensrichtungen vor allem eines war: Er war ein Anschlag auf die Grundwerte Europas und das, meine sehr verehrten Damen und Herren, nehmen wir nicht hin.

(Beifall von den Regierungsfraktionen und bei den Oppositionsfraktionen.)

„Je suis Charlie“ war und ist eine beeindruckende Antwort hierauf. Wir lassen uns nicht spalten, wir verteidigen unsere Grundwerte, wir verteidigen unsere offene und tolerante Gesellschaft. Mit den demokratischen Demonstrationen, mit dem klaren Bekenntnis für eine freiheitliche, für eine menschenwie lebensbejahende Gesellschaft haben es in den letzten Tagen mehr als 100.000 Frauen und Männer auf den Plätzen unserer Republik hinausgerufen. Sie haben alleine durch ihre Anwesenheit gezeigt, aber auch gesagt, dass diese niederträchtigen Morde ein Angriff auf unsere demokratische und freiheitliche Gesellschaft sind und sie sich diesem Angriff entgegenstemmen. Sie taten das nicht mit dem Wunsch nach Vergeltung, nicht mit dem Ruf nach einem stärkeren Staat. Nein, ihre und unsere Antwort auf den Kundgebungen lautete: mehr Demokratie, mehr Freiheit, mehr Offenheit, mehr kulturelles Nebeneinander. Sie lautete: bunt statt braun.

(Beifall von den Regierungsfraktionen und den Oppositionsfraktionen.)

Schon nach dem schrecklichen Anschlag vor fast vier Jahren, 2011, in Norwegen - auch das wurde auf der Kundgebung am St. Johanner Markt gesagt, ich wiederhole das gerne noch einmal -, bei dem ein Einzeltäter 69 meist junge Menschen brutal ermordete, sagte der damalige norwegische Ministerpräsident Jens Stoltenberg etwas sehr Bemerkenswertes, einen ausgesprochen beeindruckenden Satz. Er sagte direkt nach dem Anschlag in Richtung Täter: „Ihr werdet unsere Demokratie und unsere Ideale für eine bessere Welt nicht zerstören.“ Weiter sagte er: „Unsere Antwort auf Gewalt ist mehr Demokratie, noch mehr Menschlichkeit (...).“ Ich finde, das ist in unserer westlichen Welt die richtige Antwort auf die Angstschürerei ausgrenzender Demonstrationen gegen Flüchtlinge und die blinde Wut verblendeter Attentäter.

(Beifall von den Regierungsfraktionen und bei den Oppositionsfraktionen.)

Dem blinden Hass der Extremisten haben weit über 4 Millionen Menschen in Paris ein beeindruckendes Zeichen der Toleranz, Geschlossenheit und des friedlichen Miteinanders aller Religionen entgegengesetzt. Es haben an den beiden zurückliegenden Montagen bereits mehr als 10.000 Menschen in unserem Bundesland dieses Zeichen bekräftigt.

Lassen Sie mich Folgendes anführen: Es ist auch immer eine Kraftanstrengung, so etwas zu organisieren. Deshalb sollten wir gemeinsam den Initiatoren, den Organisatoren unserer Demonstrationen auch gegen Pegida und für das Miteinander und für mehr Menschlichkeit im Saarland ausgesprochen dankbar sein. Wir sollten diesem Bündnis dankbar sein. Einer aus unserer Mitte organisiert es federführend mit. Ich bin sicher, ich kann im Namen des ganzen Parlamentes sprechen: Lieber Eugen, ich will dir stellvertretend für alle Initiatoren dieser Veranstaltung ein herzliches Dankeschön sagen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen und den Oppositionsfraktionen.)

Die Menschen auf dem St. Johanner Markt sagten damit auch: Wir stehen fest an der Seite der überwältigenden Mehrheit der friedlich lebenden Muslime in unserem Land, die sich klar von Terror und Gewalt distanzieren. Sie sind ein fester Teil unserer Gesellschaft. Sie gehören zu uns. Auch darum müssen wir gemeinsam verhindern, dass die Demagogen von Pegida begleitet durch die Unterstützung und den Applaus der NPD die Anschläge für ihre Zwecke instrumentalisieren. Sie tun dies, um Stimmung gegen friedlich lebende Muslime zu machen. Damit treiben sie einen gefährlichen Keil in unsere Gesellschaft. Damit spielen sie den Terroristen in die Hände. Denn deren Ziel ist es, Angst und Misstrauen zu schüren und eine Religion für ihre menschenverachtenden Verbrechen und Machtfantasien

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) )

zu missbrauchen. Wir Demokraten dürfen dies nicht zulassen. Tatsache ist, in vielen Teilen der Welt sind es vor allem Muslime selbst, die unter dem islamistischen Terror leiden und darum aus ihrer Heimat fliehen müssen. Jeder Mensch muss in Deutschland in Frieden und ohne Angst leben können. Die Sicherheit in unserem Land werden wir deshalb mit allen Mitteln des Rechtsstaates verteidigen.

Dort, wo es notwendig und geboten ist, werden die Bundesregierung und die Länder zügig handeln. Ich will drei Beispiele nennen. Noch im Januar wird der Bundesjustizminister ein Maßnahmenpaket vorlegen, das die Reise von Islamisten in Terrorcamps härter unter Strafe stellen wird. Auch wird künftig jegliche finanzielle Unterstützung von Terrororganisationen etwa durch Spenden strafbar sein. Es wird in Zukunft möglich sein, dass ausreisewilligen Dschihadisten der Personalausweis entzogen werden kann, damit eine einfache Ausreise zusätzlich erschwert ist.

Ich will auch etwas zur Vorratsdatenspeicherung sagen, weil es hierzu unterschiedliche Auffassungen gibt. Wir sollten die Debatte über die Vorratsdatenspeicherung - da bin ich eng an der Seite von Klaus Meiser - besonnen führen. Ich hoffe, wir sind uns alle einig, dass wir in der Gesetzgebung keinen Aktionismus brauchen. Ich kann nur dafür werben, jetzt keinen übereilten nationalen Alleingang zu starten. An der rechtlichen Ausgangslage hat sich nichts verändert. Zwei Anläufe sind bereits vor den beiden höchsten Gerichten gescheitert. Wir sollten die sehr gründlichen Beratungen zu diesem Thema mit unseren europäischen Partnern fortsetzen. Wir sollten nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit müssen wir bewahren. Eine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung nach bisherigem Muster ist in Deutschland nicht möglich. Auch darauf wurde bereits hingewiesen. Der EuGH hat die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für ungültig erklärt. Das Urteil kann die Politik nicht einfach ignorieren.

(Beifall von der SPD und bei den PIRATEN.)