Deshalb finde ich es richtig, dass nach diesen schrecklichen Attentaten von Paris das Bestand hat, worauf man sich in den Tagen zuvor schon geeinigt hatte, dass wir nämlich auf dem Weg zu einer Neuregelung die europäischen Vorgaben abwarten müssen. Begleitend zu diesen Maßnahmen einer akuten Terrorabwehr bedarf es jedoch auch einer gesamtgesellschaftlichen Anstrengung, um eine weitere Radikalisierung junger Menschen in Deutschland und Europa schon in den Anfängen zu verhindern. Darum ist es wichtig, aufzuklären und zu erklären. Man muss gerade in diesen Tagen wenn nötig auch an Stammtischen verstärkt entgegenhalten. Es ist Zeit, mit Mythen aufzuräumen und Fakten zu verbreiten.
Ich will einige dieser Mythen nennen. Es wird oft gesagt: Wir werden überschwemmt, das Boot ist voll. Fakt ist: In Deutschland leben heute knapp 4 Millionen Muslime. Bei 80 Millionen Einwohnern sind das weniger als 5 Prozent. Pro Jahr beantragen in Deutschland 120.000 Muslime Asyl. Die Prognose der Demografen lautet: Bis 2030 steigt der Anteil an Muslimen in Deutschland von heute knapp 5 auf etwa 7 Prozent. Es wird gesagt: Muslime sind keine Deutschen. - Rund 2 Millionen der in Deutschland lebenden Muslime sind deutsche Staatsbürger. Das sind 50 Prozent, genau die Hälfte. Es wird gesagt: Es gibt bald mehr Moscheen als Kirchen. - Bundesweit gibt es 2.400 Moscheen, aber mehr als 45.000 christliche Kirchen. Es wird gesagt: Alle muslimischen Frauen tragen Kopftuch. - Lediglich 28 Prozent der muslimischen Frauen tragen heute noch Kopftuch. Bei den jungen Frauen sind es nur noch 22 Prozent. Es wird gesagt: Muslimische Großfamilien unterwandern Deutschland. - Richtig ist, dass 1970 eine türkische Zuwandererfamilie im Schnitt noch 4,4 Kinder bekam, heute liegt der Schnitt bei 2,2. Die Tendenz ist fallend. Es wird gesagt: Muslime schotten sich ab. - Mehr als die Hälfte der Muslime über 16 Jahre ist in einem deutschen Verein. Sie bereichern Kultur und Sportvereine und sind dort engagiert. Es wird gesagt: Muslime sind lediglich billige Arbeitskräfte. - Laut der türkisch-deutschen IHK gibt es in Deutschland rund 80.000 türkische Unternehmer, die 400.000 Arbeitsplätze schaffen. Jeder sechste Selbstständige hat eine Zuwanderungsgeschichte. Die Bertelsmannstiftung hat vor wenigen Tagen hierzu eine Untersuchung vorgelegt, wonach 90 Prozent der tiefreligiösen deutschen Muslime zu unserer Demokratie stehen und die Demokratie für eine gute, die beste Regierungsform halten.
Für hier lebende Muslime ist Deutschland Heimat geworden. Das ist kein Mythos, sondern ein Faktum und Wahrheit. Unsere Gesellschaft, meine sehr geehrten Damen und Herren, profitiert auch von ihnen. Sie sind Arbeitskräfte, aber auch Arbeitgeber. Sie sind Impuls- und Ideengeber, sie sind Steuerzahler. Sie gestalten in Deutschland auch so die Zukunft mit allen anderen - mit uns - zusammen.
Aber damit in Zusammenhang mit den Pegida-Demonstrationen kein Missverständnis entsteht: Ich bin weit davon entfernt, jeden Teilnehmer, jede Teilnehmerin der Pegida-Demos gleich in eine extremistische Ecke zu stellen. Viele Menschen artikulieren auf diesem Weg Sorgen und Nöte, Unmut mit den politischen Institutionen, Parteien, Politikern und politischen Prozessen. Probleme, Sorgen und Unmut, für die sie aus ihrer Sicht kein Sprachrohr haben, vielleicht auch nicht mehr haben. Diese Probleme und Sorgen müssen wir ernst nehmen, vielleicht auch noch ernster als bisher. Wir müssen sie als Warnsignale aufnehmen, Warnsignale, die wir auch an anderer Stelle bereits erhalten haben. Ich will an
dieser Stelle einmal auf das Problem der Wahlbeteiligung hinweisen. 17 Millionen Bürgerinnen und Bürger sind bei der Bundestagswahl nicht zur Wahl gegangen. 70 Prozent davon, also circa 11 Millionen Bürgerinnen und Bürger, hatten sich bereits bei der Bundestagswahl 2009 vom Wahlgang verabschiedet. Die Bertelsmann Stiftung, auf die ich mich an dieser Stelle beziehe, bekräftigt: Je prekärer die Lebensverhältnisse, desto weniger Menschen gehen wählen. Ein alarmierendes Signal.
Heribert Prantl hat bereits 2006 in Zusammenhang mit der Entwicklung von Armut in Deutschland und der Diskussion um die Entwicklung der Gesellschaft in Milieus in einem Kommentar auf dieses Problem hingewiesen. Ich darf zitieren: Die einzige Partei, welche die neuen Armen heutzutage bilden, ist die Partei der Nichtwähler; sie wird immer größer, hat aber keine politische Kraft. Es ist zu befürchten, dass sie exakt deswegen destruktive Energie entwickelt, weil nämlich Demokratie nicht mehr funktioniert, nicht mehr gut funktionieren kann, wenn ein immer größerer Teil der Gesellschaft nicht mehr dabei mitmacht. Eine Zwei-Drittel-Demokratie ist eine Gefahr für den inneren Frieden. - Es ist auch unsere Aufgabe, diese Zwei-Drittel-Demokratie und die damit verbundene destruktive Energie zu verhindern. Wir müssen dafür sorgen, dass sich Bürgerinnen und Bürger nicht weiter von der Demokratie abwenden, sondern einen Sinn darin sehen, an Wahlen teilzunehmen und an Demokratie teilzuhaben. Es kann und darf uns nicht gleichgültig sein, wenn sich ein großer Teil von demokratischen Entscheidungsprozessen abwendet.
Die Antwort ist alles andere als einfach, aber Arbeit und Bildung sind die Leitplanken für eine solidarische Gesellschaft. Sie ermöglichen Perspektiven, ein gutes, ein besseres Leben und sie stellen gesellschaftliche Teilhabe sicher. Dennoch ist es beschämend, wenn auf dem Rücken von Flüchtlingen, die alles verloren haben, Ressentiments und Vorurteile ausgelebt werden.
Mit Blick auf Pegida darf ich ein zweites Mal aus der Süddeutschen Zeitung zitieren. Detlef Esslinger schrieb gestern, ich zitiere: Wie aber soll man mit jemandem streiten, der Demos gegen kaum vorhandene Muslime in Dresden mittels Verweis auf Demos für den Regenwald erklärt mit der Begründung, den gebe es in Deutschland auch nicht? Was soll man ihnen antworten, wenn sie endlich eine Debatte über Zuwanderung fordern? Das ist so, als verlangten sie, dass endlich die Frauenkirche in Dresden wieder aufgebaut wird. Eine alte Redewendung besagt, dass viele Menschen zwar das wenigste ver
stünden, aber das meiste fühlten. So könnte es auch bei Pegida sein, dass Menschen sich generell überfordert fühlen. Und nun sehen sie nur noch die Bringschuld von Politikern und Journalisten, nicht aber die eigene Holschuld, auch wenn sie nicht minder zum Wesen der Demokratie gehört.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, wir brauchen mehr Miteinander und nicht mehr Ausgrenzung. Das sollten wir allen zurufen, die in den letzten Wochen bei Pegida dabei waren oder mit dem Gedanken spielten, dieses Treiben zu unterstützen. Der Wind, der uns Politikern, der uns in den Parlamenten manchmal ins Gesicht bläst - und damit komme ich zum Schluss -, kann man nicht ändern. Aber wir können die Segel unseres Handelns zumindest so setzen, dass das Schiff in eine gute Zukunft oder zumindest in eine richtige Richtung fährt. In diesem Sinne wünsche ich uns allen ein gutes Gelingen.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ereignisse in Paris waren mit Sicherheit ein Schock für uns alle. Es war mit Sicherheit die richtige Reaktion, europaweit, weltweit zusammenzustehen, diese Attentate, diese Morde zu verurteilen, zu verurteilen, was dahintersteht, als Demokraten in Gemeinsamkeit zu sagen: Das ist nicht unser Entwurf für eine Gesellschaft, das ist nicht unsere Vorstellung, wie wir zusammenleben wollen. Überall auf der Welt haben wir starke Zeichen gesetzt, das war sehr wichtig und sehr richtig.
In den nächsten Monaten wird es natürlich gerade in den europäischen Ländern darum gehen zu analysieren, sich anzuschauen, wie das passieren konnte. Gerade auch in Frankreich wird man sich die Frage stellen: Wie konnte es geschehen, dass diese Parallelgesellschaften in Paris und um die Hauptstadt herum entstehen? Wie konnte es passieren, dass diese Menschen Kriegswaffen an sich nehmen können und dann aus einer fehlgeleiteten Interpretation ihrer eigenen Religion heraus eine solche Tat begehen?
Diese Fragen werden sehr schwierig zu beantworten sein, und noch schwieriger wird zu beantworten sein, wie man das in Zukunft verhindern kann, denn es wird ein langer und schwieriger Weg sein, eine Gesellschaftspolitik zu betreiben, die tolerant ist, die integriert und die die Menschen zusammenführt in
eine gemeinsame Zukunft. Aber dieser Aufgabe werden wir uns hier im Saarland, werden wir uns in Europa stellen.
Die Attentate in Paris waren ein Schock für uns alle, auch deshalb, weil dieser feige Mord an zwölf Menschen, im Speziellen dieser Anschlag auf Charlie Hebdo, mit dem vorgeschobenen Grund einer Rache für eine aus der Sicht der Täter falsche Meinungsäußerung, ein zentraler Angriff auf unsere Freiheitsrechte sind, über die sich unsere Gesellschaft definiert. Es ist ein Infragestellen unserer Grund- und Freiheitsrechte, wenn jemand sich das Recht herausnimmt, jemanden zu töten, weil er eine andere Meinung hat. Diese Mörder hatten das Ziel und haben das Ziel, unsere freiheitlich-demokratische Gesellschaft zu zerstören, in ihrem Falle, um einen vermeintlichen Tugendstaat aufzubauen, einen Tugendstaat, der nicht demokratisch legitimiert ist, sondern der sich aus einer fehlgeleiteten Interpretation des Korans herleitet.
Gerade dieser Angriff auf die Meinungsfreiheit, der sich in den Mord an Karikaturisten zeigt, ist ein Angriff, der auf das Herz unserer Gesellschaft zielt, denn auf Meinungsfreiheit fußen sehr viele Rechte, die für uns zum demokratischen Selbstverständnis gehören, darauf fußt die politische Freiheit, denn nur die Auseinandersetzung im Rahmen der freien Meinungsäußerung erlaubt auch den Meinungsaustausch, erlaubt den Diskurs und erlaubt, in der Politik zum Ausgleich zu kommen. Es ist auch ein Angriff auf die Selbstbestimmung, denn ich definiere mich über das, was ich sage. Deshalb ist ein Angriff auf die Meinungsfreiheit ein Angriff auf die Selbstbestimmung. Nicht zuletzt, und das ist in diesem Fall sehr deutlich, ist es ein Angriff auf die Pressefreiheit, denn die Presse stellt über die Meinungsfreiheit die Möglichkeit der politischen Willensbildung sicher, damit auch den Austausch in unserer Gesellschaft.
Wer nicht aushalten kann, dass andere nicht seiner Meinung sind, ist aber auch schwach und zögerlich. Das zeigt sich auch bei diesen Tätern. Sie brauchten das Mittel der Gewalt in dem Versuch, ihre Weltsicht durchzusetzen, weil ihre Weltsicht eben nicht attraktiv ist. Einer Weltsicht, die sich nur auf Gewalt aufbauen lässt, mangelt es glücklicherweise an Überzeugungskraft. Deshalb darf der Anschlag von Paris uns nicht in Angst zurücklassen, denn Angst wäre jetzt wirklich der falsche Ratgeber. Unsere Werte der Freiheit sind im Gegensatz zu diesen Gewaltwerten stark und sie bedürfen keines Terrors, um sie durchzusetzen. Das ist unsere große Stärke. Unser Streben nach Freiheit ist stark und es ist unbedingt. Und bei der Meinungs- und Pressefreiheit das zeigt sich im breiten Konsens in unseren Gesellschaften - gibt es für uns keine Alternativen.
Wir dürfen jetzt nicht versucht sein, uns selbst einzuschränken, uns zu beschränken in unseren Freiheiten. Erste Stimmen wurden ja bereits laut: Satire, wie sie Charlie Hebdo gemacht hat, wäre nur eingeschränkt von der Meinungsfreiheit abgedeckt, es wäre falsch gewesen, in der Form zu provozieren. Das sind sehr gefährliche Gedanken, denn es ist gerade das Vorrecht des Karikaturisten zu überzeichnen. Und wer eine andere Meinung hat, der muss das in diesem Fall bei uns aushalten. Das ist die Grundlage.
Wir müssen uns auch bewusst werden, dass Terroristen nicht durch ihre Anschläge gewinnen, sondern wenn überhaupt - nur dadurch, dass sie uns verleiten, unsere Freiheiten selbst zu beschränken. Aber gerade das darf nicht passieren. In aller Trauer und in allem Entsetzen darf sich gerade die Politik nicht von Angst leiten lassen. Kollege Pauluhn hat vorhin auf den ehemaligen Ministerpräsidenten von Schweden, Stoltenberg, verwiesen, der meiner Meinung nach eine vorbildliche Antwort auf die damaligen Anschläge in Schweden gefunden hat. In diesem Sinne kann auch unsere Antwort heute nur lauten: mehr Freiheit, mehr Offenheit und mehr Toleranz in der Gesellschaft.
Mehr Freiheit, mehr Offenheit, mehr Toleranz statt Rufe nach Selbstbeschränkung, Rufe nach Vorratsdatenspeicherung oder Rufe nach neuen Datenbanken. Auch ich möchte die Vorratsdatenspeicherung nicht zum Mittelpunkt meiner Rede machen - wir werden uns mit Sicherheit mit dem Thema noch auseinandersetzen, weil wir da wirklich weit auseinander stehen -, aber ich fand es schon befremdlich, dass quasi noch am gleichen Tag schon wieder Rufe laut wurden, dieses Mittel einzusetzen. Wir werden darüber diskutieren. Wir halten es für ein falsches Zeichen so früh mit einer solchen Diskussion anzufangen und wir halten es auch für ein falsches Mittel, um einer Bedrohung unserer Gesellschaft entgegenzuwirken.
Eines muss für uns heute die zentrale Aussage sein - ich glaube, da sind wir uns einig -, wir dürfen aus Angst um die Freiheit nicht die Freiheit töten, sonst hätten diese Attentäter wirklich gewonnen. Und das ist nicht die Zukunft, die wir uns für das Saarland, für Deutschland, Europa und für die Welt wünschen. Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Anschläge von Paris sind und waren Anschläge auf grundlegende Werte der europäischen Demokratien. Sie fanden statt in einem Land, das diese Werte vor über 200 Jahren formuliert und verkündet hat. Sie fanden statt in einem Land, wo vor fast 400 Jahren die erste Tageszeitung, die „Gazette“, erschienen ist. Es sind die Werte der Freiheit, der Aufklärung, es sind die Menschenrechte, die von diesen Anschlägen getroffen werden sollten. Es sind die Werte unserer Demokratien, die getroffen werden sollten. Das Ziel der Terroristen war die Einschränkung der Freiheit und letztlich die Beseitigung unserer offenen Gesellschaft. Es geht ihnen darum, unsere Gesellschaften in Richtung Hass und Intoleranz zu treiben. Und genau das darf Ihnen nicht gelingen. Solidarität, Freiheitsliebe und Menschlichkeit sind auf Dauer stärker als Hass, Intoleranz und Gewalt.
Genauso wie wir uns gegen die grausamen Taten der selbsternannten Gotteskrieger wenden, so müssen wir aber auch im eigenen Land wirklich alles tun, um Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz nicht groß werden zu lassen. In diese Kategorie der furchtbaren Anschläge in Frankreich und andernorts gehören natürlich in Deutschland auch die schlimmen Anschläge durch den NSU. Aber, Kollege Meiser, diese Anschläge hatten nichts mit einer fehlenden Vorratsdatenspeicherung zu tun. Da gab es ganz andere Probleme in unserem Sicherheitsapparat. Deshalb meine ich, dass man die gesamte Diskussion nicht nur auf das eine Thema verengen sollte. Im Ergebnis waren die Taten der NSU genauso grausam wie die der radikalen Islamisten. Und sie hatten die gleiche Grundlage, nämlich Verblendung auf dieser Seite und Verblendung auf jener Seite. Aber solche Taten brauchen auch ein entsprechendes Klima und ein Umfeld, in dem sie gedeihen können. Dieses Klima und dieses Umfeld muss eine offene, demokratische Gesellschaft ganz eng im Auge behalten.
Es liegt mir fern, zwischen der NSU und der PegidaBewegung eine Brücke zu schlagen. Allerdings kann man nur noch den Kopf schütteln, wenn man die heutige Ausgabe der Bild-Zeitung in die Hand nimmt und wenn man betrachtet, wie sich der Pegidachef, Lutz Bachmann, dort als Adolf-Hitler-Verschnitt präsentiert und das auch noch selbst auf seiner Facebook-Seite postet. Nicht nur, dass dieser Lutz Bachmann damit der Welt dokumentiert hat, dass er ein schlichter Schwachkopf ist, nein, solche Scherze
macht man nur dann, wenn man ein Faibel für Nazis hat. Und ein solcher Mensch ist ein Aushängeschild dieser Pegida-Bewegung. Das muss man in diesem Zusammenhang ganz klar und ganz deutlich benennen.
Solche Leute wie dieser Lutz Bachmann und die, die um ihn herum wirken, bereiten am Ende das Feld für die völlige Verblendung von Menschen, die dann Morde im Namen einer NSU begehen. Die gesamte Pegida-Bewegung - ich habe das schon auf der Demonstration gesagt - kommt ja daher im Mantel des Patriotismus, sprich des Nationalismus. Die Tarnung, die da benutzt wird, wird ja benutzt, um Dinge hoffähig zu machen, die unseren demokratischen Werten diametral entgegenstehen. Unter dem Schutz der Toleranz unserer Demokratie geht es hier um Ausgrenzung, geht es hier um Intoleranz und am Ende um blanken Hass. Ich sage es hier auch ganz offen: Ich ziehe den Hut vor allen Journalistinnen und Journalisten, die diese Mohammed-Karikaturen von Charlie Hebdo auf die Titelseiten ihrer Zeitungen gesetzt haben. Das ist auch ein ganz offenes Lob an die Saarbrücker Zeitung, die das sehr offen getan hat. Es gehört schon einiges dazu. Wir haben alle in Frankreich erlebt, wozu das am Ende führen kann. Aber ich glaube, das ist der einzige Weg, mit diesen Dingen umzugehen.
Die Pegida-Bewegung, die das europäische Abendland für sich in Anspruch nimmt, macht eigentlich genau das Gegenteil von dem, was sie wollen, denn diese Pegida-Bewegung ist der größte Gegner eines vereinten Europas, so wie wir uns das vorstellen, wie wir es hier leben wollen. Das ganze Abendlandgerede geht mir wirklich auf den Nerv, denn das Abendland, das die wollen, ist ein Abendland, in dem die Lichter ausgehen. Es ist das Abendland des finsteren Mittelalters, ein Abendland der Finsternis. Heute positioniert man sich gegen Menschen mit islamischem Glauben, morgen positioniert man sich gegen Menschen mit Migrationshintergrund, übermorgen dann positioniert man sich gegen den politisch Andersdenkenden. Fremdenfeindlichkeit, Intoleranz und Rassismus kommen hier im bürgerlichen Gewande daher. Davor muss gewarnt werden.
Gegen diese Bewegung hilft eben nur ein ganz deutliches Auftreten. Ich habe mich daher gefreut, dass am vergangenen Montag so viele Menschen hier in Saarbrücken versammelt waren. Auch wir haben ja fast alle an dieser Demonstration teilgenommen. Das war ein positives Zeichen, und ich möchte hier noch einmal den Satz wiederholen, den ich dort bereits gesagt habe: Wir müssen darauf achten, dass wir mit Blick auf diese Pegida-Bewegung nicht die braune Katze im schwarz-rot-goldenen Sack fangen.
Diese gesamte Diskussion macht aber auch deutlich, wie unglaublich wichtig unsere Werte sind. Sie macht deutlich, dass wir in ganz starkem Maße darauf achten müssen, vor dem Hintergrund dieser Bedrohung unsere Freiheitsrechte nun nicht über Gebühr einzuschränken. Natürlich, die Gefahren sind real. Ich glaube aber, dass man an diese gesamte Diskussion mit etwas Distanz herangehen muss. Es sollte nun nicht zu Schnellschüssen kommen. Ich will jetzt diese Diskussion nicht im Detail führen, man muss das aber im Auge haben.
Gut ist, dass heute in diesem Parlament alle demokratischen Parteien zusammenstehen, gegen diese Bedrohungen. Es ist gut, dass wir gemeinsam in die gleiche Richtung gehen, dass wir heute hier gemeinsam für unsere Grundwerte einstehen, dass wir alle gemeinsam aufstehen für eine offene und tolerante Gesellschaft. Ich möchte meinen Beitrag schließen mit einem Satz von Alexander von Humboldt. Er hat vor mehr als 200 Jahren diese Zusammenhänge sehr gut ausgedrückt mit der Feststellung, ihm graue vor der Weltanschauung aller der Menschen, die die Welt nie angeschaut haben. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.