Protokoll der Sitzung vom 17.06.2015

Aber auch unabhängig von Finanzierungsgesichtspunkten bemühen wir uns sozusagen auf allen Ebenen, weitere geeignete Weichenstellungen vorzunehmen. Ich darf vielleicht ein Beispiel vortragen, bei dem es uns gelungen ist, zwei starke Partner zu einer gewinnbringenden Kooperation zusammenzuführen: das CISPA, das Center for IT-Security, Privacy und Accountability, und das Europäische Zentrum zur Bekämpfung der Cyberkriminalität von Europol in Den Haag. Ganz aktuell, Ende Mai, wurde eine Kooperationsvereinbarung zwischen diesen beiden Institutionen geschlossen. Die saarländische Landesregierung hatte hierzu Mitte letzten Jahres mit Unterstützung des ehemaligen Europol-Direktors und Saarlandbotschafters Max-Peter Ratzel die erforderlichen Vorgespräche geführt und bis zur Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung eng begleitet.

Übrigens zeigt das, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass die Institution der Saarlandbotschafter, bei der sich mittlerweile fast 100 Persönlichkeiten aus dem Saarland über die Landesgrenzen hinaus für die Interessen des Saarlandes einsetzen, alles andere als nur ein netter Gimmick ist. Es zeigt sich vielmehr, dass die Saarlandbotschafter die Vertretung saarländischer Interessen wirklich ernst nehmen und zu ihrer höchstpersönlichen Sache machen. Es ist gut, dass wir diese Kolleginnen und Kollegen haben. Ich würde mich freuen, wenn weitere Persönlichkeiten zu diesem Kreis hinzustoßen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Bereits der eben geschilderte Austausch zwischen CISPA und Europol stellte für beide Seiten einen großen Gewinn dar. Der Austausch wird nun in den Bereichen Malware, Kryptografie und zu anderen Internet-Themen fortgeführt. Dadurch wird mit Unterstützung saarländischer Experten, mit Hilfe saarländischer Spitzenforschung im Grundlagenbereich, nicht nur der weltweite Kampf gegen eine ganze Reihe von Online-Verbrechen noch effizienter, es werden zudem die Bedeutung des CISPA, damit auch seine Absicherung im nationalen und internationalen Kontext, und letztlich auch die Bedeutung der an der Universität betriebenen Forschung im Informatikbereich weiter gestärkt.

Wir arbeiten zurzeit zusammen mit dem Bundesforschungsministerium und der französischen Seite daran, auf der Grundlage des CISPA und einer entsprechenden Partnereinrichtung auf französischer Seite ein erstes gemeinsames deutsch-französisches Hochschulinstitut für IT-Security ins Leben zu rufen. Dafür haben wir gewiss noch sehr dicke Bretter zu bohren, ich glaube aber, dass das insgesamt

auch der Zusammenarbeit im europäischen Kontext und insbesondere der Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Ländern sehr guttun würde. Und wer käme für ein solches Projekt eher infrage als die Forscher aus dieser Region, aus dem Saarland und aus Lothringen? Ich hoffe hier auf die Unterstützung all derjenigen, die uns auf diesem Weg begleiten.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Ich will, meine sehr geehrten Damen und Herren, noch einmal verdeutlichen, was vielen allzu selbstverständlich erscheint: Der Beitrag, den das Land gerade im Bereich Hochschulen, Wissenschaft und Forschung leistet, sollte und darf nicht unterschätzt werden. Die Hochschulen werden beispielsweise auch jenseits des Globalhaushalts in vielfältiger Weise bei der Einwerbung von Drittmitteln unterstützt. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich zum Beispiel um Sonderforschungsbereiche, um SFB-TransregioAnträge handelt, ob es sich um die Antragstellung für eine Kooperation der HTW Saar mit den Fraunhofer-Instituten handelt oder ob der Qualitätspakt Lehre oder die Qualitätsinitiative Lehrerbildung angesprochen sind. Wir wollen das, was wir an Mitteln zur Verfügung stellen können, überall dort gezielt einsetzen, damit sich unsere Hochschulen im Wettbewerb der Hochschulen in Deutschland insgesamt behaupten können. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist uns bisher auch an vielen Stellen gelungen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Alle diese Konsolidierungsanstrengungen, die ich genannt habe, werden allerdings verpuffen, wenn unsere Saarwirtschaft an Leistungskraft und Wettbewerbsfähigkeit verliert. Dies müssen wir gemeinsam verhindern. Aus diesem Grund müssen wir, die Landesregierung, alle uns zur Verfügung stehenden Register ziehen und alle denkbaren Maßnahmen ergreifen, um insbesondere gemeinsam mit den Organisationen der Wirtschaft unsere ökonomische Zukunftsfähigkeit zu erhalten und zu gestalten. Dabei geht es nicht nur um neue Ansiedlungen, um die Schaffung neuer Arbeitsplätze, es geht vielmehr auch, und das ist tagtägliches Geschäft, um den Erhalt im Land bestehender Arbeitsplätze.

Wir werden uns ja nachher noch in einer Fragestunde über die aktuelle Situation bei Whitesell austauschen. Ich glaube, gerade das Beispiel Whitesell ist ein gutes Beispiel dafür, wie es, sofern alle an einem Strang ziehen - innerhalb der Landesregierung und gemeinsam mit diesem Haus -, gelingen kann, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um in einem schwierigen Umfeld Arbeitsplätze zu sichern. Ich glaube, das ist ein gutes Beispiel dafür, wie man in diesem Themenbereich vernünftig zusammenarbeiten kann und zusammenarbeiten muss.

(Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben hervorragende Potenziale. Wir haben hochinnovative Unternehmen, im Industriebereich, aber auch bei den kleinen und mittleren Betrieben. Wir haben eine grundsolide und leistungsfähige Kreditwirtschaft. Wir haben eine exzellente Forschungslandschaft, die Weltruf genießt. Alle für eine erfolgreiche Zukunft unserer Saarwirtschaft notwendigen Zutaten sind also vorhanden. Wir als Politik müssen die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, damit mit diesen Zutaten ein Erfolgsrezept umgesetzt werden kann, damit wir die jüngere Erfolgsgeschichte der Saarwirtschaft fortschreiben können. Und genau das, meine sehr geehrten Damen und Herren, tun wir. Dass Wirtschaft und Wissenschaft in diesem Lande optimal miteinander vernetzt werden, dafür stehe ich als Wissenschaftsministerin gemeinsam mit meiner Kollegin Anke Rehlinger, der Wirtschaftsministerin, ein. Gemeinsam treiben wir das voran.

Ein gutes Beispiel hierfür sind unsere gemeinsamen Anstrengungen im Bereich der Unternehmensgründungen. Die „Saarland Offensive für Gründer“ unter Führung des Wirtschaftsministeriums ist eng verzahnt mit der „Gründerhochschule“ und dem „Gründer-Campus“ an der Saar-Universität. Auf diese Weise ist es uns gelungen, dem Gründungsgeschehen in unserem Land einen neuen Schub zu geben. So konnten wir unsere Gründerquote in den letzten Jahren von 0,96 auf 1,39 verbessern und uns im Bundesländerranking ganze fünf Plätze voranarbeiten, wie der jüngste Gründungsmonitor der KfW ausweist. Ich meine: Für ein Land, das über Jahrzehnte von großindustriellen Monostrukturen geprägt war, ist dies eine mehr als beachtliche Leistung, auf die wir alle gemeinsam stolz sein können, meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Auch wenn es darum geht, künftige Entwicklungen vorwegzunehmen, zu antizipieren, und damit heute die Grundlagen für das nachhaltige Wachstum von morgen zu bereiten, sind wir ganz vorne dabei. So zum Beispiel mit der aktuellen Industrie 4.0-Strategie, die das Wirtschaftsministerium im Namen der Landesregierung engagiert vorantreibt. Denn hier liegen große Chancen für unser Bundesland. Bei Industrie 1.0 und 2.0 zählte das Saarland zu den führenden Standorten in Deutschland und in Europa. Und wir haben auch jetzt, da wir am Beginn der vierten industriellen Revolution stehen, den ausdrücklichen Wunsch und den ausdrücklichen Willen, wieder zu den Besten zu gehören. Deshalb haben wir in Verknüpfung der Wissenschafts-, der Innovationsund der Wirtschaftspolitik Ende April den Grundstein für ein „Saarländisches Zentrum für Industrie 4.0“ gelegt. Das Kompetenzzentrum „Power4Production“ soll mithilfe unserer exzellenten und anwendungsnahen Wissenschaftler der Wirtschaft unseres Bundes

landes die notwendigen Impulse geben und unseren Standort attraktiv machen. Umso mehr hat es mich vergangene Woche gefreut zu hören, dass ZF als bedeutender und innovativer Arbeitgeber eine Kooperation mit dem Zentrum für Mechatronik und Automatisierungstechnik, das heißt der ingenieurwissenschaftlichen Kooperationsplattform von Universität und HTW Saar sowie dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, im Rahmen von „Power4Production“ plant. Das ist ein Schritt von ZF auf dem Weg zur Industrie 4.0, aber auch ein Schritt des Saarlandes in die industrielle Zukunft.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist mir auch ein ganz persönliches Anliegen, bei allem Engagement für das Thema Industrie 4.0, dass wir die Menschen, die Bürgerinnen und Bürger des Saarlandes, auf diesem Weg des Wandels mitnehmen. Denn Begriffe wie etwa „Mensch-Roboter-Kooperation“ wecken nicht nur Hoffnungen, sondern auch Besorgnisse. Und von der vierten industriellen Revolution wird nicht nur die Industrie betroffen sein. Dieser Wandlungsprozess wird auch die kleinen Unternehmen, das Handwerk, den Handel und nicht zuletzt auch die Bürgerinnen und Bürger in ihrem täglichen Leben erfassen. Hierauf müssen wir uns und die Menschen in unserem Land vorbereiten. Wir müssen sie ernst nehmen mit ihren Befürchtungen, müssen ihnen Orientierung geben und sie so in die Zukunft begleiten. Auch das wird eine Querschnittsaufgabe sein, die uns alle nicht nur die Regierung, sondern auch den Landtag - angeht und die wir gemeinsam wahrnehmen müssen. Aber ich glaube, auch diesen Anforderungen sind wir gewachsen und wir sind gut aufgestellt, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Ich habe zu Beginn gesagt, dass sich die Saarländer 1955 entschieden haben, ein Teil der Bundesrepublik Deutschland zu werden, aber eben auch Europäer zu bleiben. Dies ist sozusagen unsere besondere politische DNA. Und deshalb haben unsere Weichenstellungen nicht nur eine nationale Komponente, sondern eben auch immer eine europäische. Mit unserer Frankreichstrategie haben wir hier eine klare Festlegung getroffen.

Im Januar dieses Jahres haben wir im Ministerrat die Umsetzung der Frankreichstrategie beschlossen. Ziel dieser Strategie ist es, das Saarland innerhalb einer Generation zu einer leistungsfähigen multilingualen Region deutsch-französischer Prägung zu entwickeln. Das Saarland wird damit seine ohnehin schon bestehende besondere Frankreichkompetenz erheblich vertiefen und erweitern. Die einzelnen Schritte zur Umsetzung der Frankreichstrategie haben wir in einer „feuille de route“ festgehalten und auch schon erfolgreich gestartet. Sie betreffen den

(Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer)

vorschulischen ebenso wie den schulischen Bereich, die berufliche Bildung ebenso wie die Hochschulen. Im Bereich der Kultur haben wir bereits mit den entsprechenden Behörden in Frankreich - von der nationalen bis zur regionalen Ebene - eine Vereinbarung zur engeren kulturellen grenzüberschreitenden Kooperation erarbeitet. Wer in diesem Jahr die Zeit hatte und sich das Vergnügen gegönnt hat, einmal bei Perspectives vorbeizuschauen, wird festgestellt haben, dass dieses Theaterfestival noch nie so jung, so attraktiv, so mitreißend und im Übrigen auch so gut besucht war wie in diesem Jahr. Ich glaube, auch das ist ein besonderes Aushängeschild für das Saarland, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Wir haben gesagt, wir wollen mit gutem Beispiel vorangehen. Ich freue mich sehr, dass wir mit Bezug auf die Landesverwaltung gemeinsam mit dem Deutsch-Französischen Jugendwerk ein Weiterbildungsaustauschprogramm für jüngere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unseren Verwaltungen entwickelt haben, das im Herbst dieses Jahres zum ersten Mal durchgeführt werden soll. Ich darf von dieser Stelle alle nur ganz herzlich ermuntern, sich zu bewerben und mitzumachen, einen finanzierten Aufenthalt in einer Partnerverwaltung im Nachbarland über mehrere Wochen in Anspruch zu nehmen. Unabhängig von der Sprachkompetenz ist es, so glaube ich, eine sehr wichtige Erfahrung zu sehen, wie Verwaltung in anderen Ländern organisiert wird. Es wird uns insgesamt bei der Zusammenarbeit sehr gut tun.

Viele weitere Bereiche stehen auf der Agenda dieser „feuille de route“. Sie zeigen, dies sind keine leeren Versprechungen, dies ist kein Projekt für das Schaufenster, denn wir meinen es ernst, wenn es um die Vertiefung unserer Beziehungen zu Frankreich geht. Was mich besonders freut, meine sehr geehrten Damen und Herren: Auch unsere französischen Partner, auch unsere Nachbarn nehmen das sehr ernst. Zurzeit ist gerade die Region Lothringen dabei, eine korrespondierende Deutschlandstrategie zu erarbeiten. Ich habe erste Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen gesehen, die entsprechen fast eins zu eins den Vorschlägen, den Vorstellungen und den Ideen, die wir entwickelt haben. Das zeigt: Es gibt eine echte Korrespondenz zwischen dem Saarland und Lothringen an dieser Stelle.

Ich weiß, dass es bei diesem Thema in diesem Haus eine große Einigkeit gibt. Ich will an dieser Stelle ausdrücklich sagen, dass wir gemeinsam alles dafür tun sollten, diejenigen Kräfte in Frankreich zu unterstützen, die sich gegen die jetzt geplante Schulreform stellen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen und bei LINKEN und PIRATEN.)

Meine Damen und Herren, ich halte es in Zeiten eines zusammenwachsenden Europas, vor dem Hintergrund der Grundlagen, die wir uns selbst im Lissabon-Vertrag gegeben haben, für einen Anachronismus, wenn die Frage, wo wir die Möglichkeiten bieten, Sprachen in der Schule zu lernen, unter das Stichwort „Eliteförderung“ gezogen wird. Es darf keine Frage der Elite sein, die Sprache des Nachbarn zu beherrschen. Andere Sprachen zu beherrschen weitet den Horizont. Jeder Mensch sollte diese Möglichkeit haben. Das ist eine Frage der Breite, nicht der Elite. Dafür müssen wir uns einsetzen, dafür brauchen wir mehr Fremdsprachenunterricht, anstatt die Angebote zu reduzieren.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Ich hoffe sehr, dass die parteiübergreifende Koalition aus Lothringen, die zurzeit in Paris darüber verhandelt, dass zumindest für die Grenzregionen Ausnahmen gemacht werden, zumindest in diesem Punkt Erfolg hat, wenn nicht sogar in weiteren Punkten.

Wir werden uns, meine sehr verehrten Damen und Herren, mit weiteren Veränderungen auseinandersetzen müssen. Das sage ich insbesondere mit Blick auf die Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus, die im Europaausschuss engagiert sind. Denn die Territorialreform in Frankreich, die auch unsere Partner und Freunde in Lothringen betrifft, wird sich auf die Architektur unserer Großregion auswirken. Wir können nicht wirklich die Vorstellung haben, dass die größere französische Region, die jetzt vom Elsass über Lothringen bis zur Champagne-Ardenne reicht, einfach in unsere Großregion zu integrieren sein wird. Das wird Veränderungen mit sich bringen, und darauf müssen wir uns auch hier im Saarland einstellen. In diesen Prozess werden wir uns auch intensiv und aktiv einbringen müssen.

Wir setzen dabei aber vor allem auf die Chancen und Möglichkeiten, in einem Raum arbeiten, leben und gestalten zu dürfen, der von den Toren Basels über Straßburg, Nancy, Metz, Saarbrücken, Trier und Luxemburg bis nach Brüssel reicht. Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn es irgendwo in Europa eine wirklich kerneuropäische und ureuropäische Achse gibt, dann ist es diese Achse, die ich eben beschrieben habe. Das bietet Herausforderungen, es bietet aber vor allen Dingen auch Chancen, und diese Chancen sollten wir gemeinsam ergreifen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Dass wir dies wollen, beweist die Tatsache, dass wir die neue Landesvertretung in Brüssel in Kürze im Haus dieser neuen französischen Region eröffnen werden. Ich bin sehr stolz darauf, dass uns dies gelungen ist.

(Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer)

Meine Damen und Herren, auf Dauer sind die Anstrengungen, die wir unternommen haben, die Weichenstellungen, aber nur dann von Erfolg gekrönt, wenn die eigentliche Frage, die uns belastet, die nach einer nachhaltigen Lösung unserer Schuldenproblematik, für uns zufriedenstellend gelöst wird. Das Thema ist natürlich von besonderer Aktualität, zumal es morgen auf der Tagesordnung der Ministerpräsidentenkonferenz stehen wird. Nach den seit Längerem feststehenden und zwischenzeitlich bekräftigten Zeitplanungen ist verabredet worden, dass auf der Konferenz morgen Eckpunkte erarbeitet werden sollen für ein Konzept zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, das - ich zitiere „als Grundlage für das anschließende Gesetzgebungsverfahren geeignet ist.“ Ein Jahr später, nämlich im Juni 2016, sollen dann die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern abgeschlossen sein. Die gesetzgeberische Umsetzung sollte nach den bisherigen Planungen bis Dezember 2016 erfolgen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zur Vorbereitung dieser Fragen hat es in den vergangenen zweieinhalb Jahren umfangreiche Beratungen auf der Ebene der Ministerpräsidenten, der Chefs der Staats- und Senatskanzleien und der Finanzminister gegeben. Bei all diesen Beratungen, und im Übrigen auch bei unzähligen informellen Gesprächen mit all diesen Ebenen, hat die gesamte Landesregierung und haben insbesondere die saarländischen Vertreter in der Bundesregierung konsequent die saarländischen Interessen vertreten.

Worum geht es? Der erste Punkt, auf den es ankommt, ist die Einhaltung der Schuldenbremse ab dem Jahr 2020. Die Schuldenbremse hat Verfassungsrang in unserem Land, und alle Länder sind daran gebunden. Bereits bei der Föderalismuskommission II ist anerkannt worden, dass das Saarland bis 2020 das dort vorgegebene Reformziel des ausgeglichenen Haushaltes ohne Nettoneuverschuldung aus eigener Kraft nicht erreichen kann. Vor diesem Hintergrund wurden dem Saarland für den Zeitraum 2011 bis 2019 Konsolidierungshilfen von jährlich 260 Millionen Euro zugesprochen. Die Hilfen sind insbesondere an die Bedingung geknüpft, dass es dem Saarland ab 2011 gelingt, sein strukturelles Defizit gegenüber dem Jahr 2010 im Schnitt um jährlich 10 Prozent des Ausgangswertes zu senken.

Hier ist das Saarland auf einem guten Weg. Wir haben Wort gehalten, wir haben alle Verpflichtungen gegenüber dem Stabilitätsrat und denjenigen, die sich durch diese Hilfen uns gegenüber solidarisch zeigen, erfüllt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, hier in diesem Hause muss ich nicht groß erläutern, welch ein Kraftakt dies bisher war und auch weiter sein wird. Wir haben den besonderen Respekt des Stabilitätsrates und der anderen Länder gewonnen.

Das Saarland wird als glaubwürdiger und verlässlicher Verhandlungspartner wahrgenommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich kann Ihnen auch bei den jetzt laufenden Verhandlungen nur sagen, das ist mit das wichtigste Pfund, das wir in diese Verhandlungen einbringen können, dass unzweideutig klar ist, dass wir diesen Weg fortsetzen wollen und können. Ich will an dieser Stelle an die Opposition im Land nur eines sagen: Wären wir einer ganzen Reihe von Vorschlägen gefolgt, die Sie in den vergangenen Jahren in den Haushaltsberatungen und hier gemacht haben - gerade in der letzten Beratung ist noch nonchalant gesagt worden, man könne sich auch 40 Millionen Euro Verschuldung mehr leisten -, dann würden wir heute beim Stabilitätsrat ganz anders dastehen. Die übrigen Bundesländer würden sich dreimal überlegen, ob sie mit Blick auf die Bund-Länder-Finanzverhandlungen Solidarität mit dem Saarland üben sollten oder nicht. Deswegen ist die Einhaltung des Konsolidierungskurses ein unverzichtbarer Bestandteil auf dem Weg zu einer dauerhaften Lösung der Finanzfrage im Saarland, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Für uns, das will ich an dieser Stelle deutlich betonen, kommt es aber eben auch auf einen zweiten Punkt an, denn die Schuldenbremse ist nicht das einzige verfassungsmäßige Gebot, an das wir uns zu halten haben. Das zweite Gebot lautet, wir wollen die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland. Deswegen kämpfen wir auch für eine Lösung, die uns eben nicht nur ermöglicht, die Schuldenbremse einzuhalten, sondern auch Anschluss an die anderen Bundesländer auf einem gleichen oder vergleichbaren Niveau halten zu können. Wer das vernachlässigt, der setzt auf Dauer die föderale Ordnung aufs Spiel. Das Ergebnis der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen darf eben nicht sein, dass unser Land weiterhin stärker und zwar wesentlich stärker als alle anderen Länder Leistungen einschränken muss, um die Schuldenbremse einhalten zu können und dadurch immer mehr den Anschluss an die anderen Länder verliert. Dann würde sich in der Tat die Frage nach dem Sinn der Eigenständigkeit des Saarlandes stellen. Darauf habe ich im vergangenen Jahr eindrücklich hingewiesen. Deswegen geht es um beides, Schuldenbremse und vernünftige Lebensbedingungen in diesem Land, das muss die Lösung sein, für die wir kämpfen und nach der wir streben.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Ja, die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen hat für das Saarland, aber auch für Bremen eine ganz andere Qualität als für die anderen Länder. Für einige Länder geht es bei der Reform darum, als Geberland entlastet zu werden. Andere, die

(Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer)

bereits Schulden tilgen, möchten weiterhin hohe Transferzahlungen aus dem System erhalten. Wiederum andere möchten systematische Veränderungen dergestalt, dass sie auf den Vorstufen der Finanzbeziehungen, Stichwort Umsatzsteuervorwegabzug, vom Nehmerland zum Geberland werden. All diese Interessen sind im Sinne der jeweiligen Bundesländer nachvollziehbar und berechtigt. Ich glaube aber, wenn man sich die unterschiedlichen Interessen vor Augen führt, wird auch deutlich, wie schwierig es ist, all diese unterschiedlichen und sich zum Teil widersprechenden Interessen unter einen Hut zu bringen.

Für das Saarland geht es um etwas anderes. Uns geht es darum, dass unsere objektiven Belastungen anerkannt und bestehende Benachteiligungen im System beseitigt werden. Für uns geht es darum, eine gute und dauerhafte Existenz des Landes zu sichern. Das unterscheidet uns und Bremen von allen anderen Bundesländern, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Dabei haben wir in den Verhandlungen der vergangenen Jahre große Fortschritte erzielt. Es ist positiv hervorzuheben, dass inzwischen allgemein anerkannt wird, dass Bremen und das Saarland über das Jahr 2020 hinaus ganz besondere spezifische Unterstützungen erhalten sollen. Ich kann mich noch an Zeiten erinnern, als die Frage, ob das Saarland überhaupt besonderer Hilfe bedarf, schon einen Streit unter den Bundesländern ausgelöst hat, als schon diese Frage immer wieder umstritten war. Es ist ein Riesenvorzug, dass mittlerweile alle anderen Bundesländer, und zwar egal ob sie Nehmer- oder Geberländer sind, und alle Teile der Bundesregierung erklären: Das Saarland und Bremen sind in einer besonderen Notlage, sie brauchen besondere Hilfen. Das ist ein ganz wichtiger Baustein, den wir auf dem Weg zu einer Lösung brauchen.