Zur praktischen Vernunft, zum Realismus zählt, dass wir jetzt unsere Kräfte bündeln und dass wir die Integration auch real machen, weil sie nicht nur Gegenstand von Reden bleiben darf. Ja, das wird nicht von alleine kommen. Da sind wir bei dem Stichwort Nützlichkeitsdebatte. Ich habe deutlich zu machen versucht, dass es einen Asylanspruch gibt unabhängig davon, ob wir im Moment Arbeitskräfte bräuchten oder nicht. Nun ist es aber erfreulicherweise so, dass wir tatsächlich Arbeitskräfte brauchen. Insofern kann man es hilfsweise als Argument mit hinzunehmen, und es wird uns auch helfen, weil wir einen aufnehmenden Arbeitsmarkt haben. Und vielleicht hilft es auch, dem entgegenzuwirken, was wir früher einmal falsch gemacht haben, als es um die nicht sehr geglückte Integration der Gastarbeiter gegangen ist. Max Frisch hat dazu einmal gesagt: Sie riefen nach Arbeitskräften, es kamen Menschen. Das sollte uns eine Lehre sein, auch dieses Mal nicht nur die Arbeitskräfte zu sehen, sondern vor allem auch die Menschen.
Diese Integration in den Arbeitsmarkt kann nur gelingen, wenn wir das Thema Sprachkompetenz in den Griff bekommen. Dazu brauchen wir mehr Kurse beim BAMF. Sie müssen früher ansetzen und sie müssen niedrigschwelliger ausgestaltet sein, sonst wird es nicht gelingen. Wir haben es vom Wirtschaftsministerium ergänzt mit 1 Million, genau auch diesen Kriterien entsprechend, damit wir ein gutes Stück vorankommen.
Ja, die Flüchtlinge können die Arbeitskräfte der Zukunft sein, sie werden es aber nicht automatisch werden. Deshalb müssen wir die Ärmel hochkrempeln. Das Beschäftigungscoaching, das wir jetzt auf den Weg bringen, wird sicherlich helfen, die Flüchtlinge in den Kommunen abzuholen, um sie den Arbeitgebern zuzuführen. Die Clearingstelle ist genannt worden, die Beschäftigungslotsen gehören dazu. Wir haben gesagt, die Drei-plus-zwei-Regelung ist ein wichtiger Punkt, also drei Jahre Ausbildung, plus anschließend mindestens zwei Jahre, eine Forderung der Wirtschaft, um notwendige Planungssicherheit zu haben, damit sich die Ausbildung der jungen Menschen für den Betrieb auch lohnt. Die Ansiedlung vieler Strukturen nahe an der Bundesarbeitsagentur halte ich für wichtig und notwendig.
Ich möchte es aber um zwei Punkte ergänzen, die erstens in der Sache wichtig sind, die aber auch beim Thema Akzeptanz weiterhelfen. Es ist angeklungen beim Thema Passiv-Aktiv-Transfer, auch Langzeitarbeitslose in die Integrationsarbeit von Flüchtlingen einzubinden. Erstens führt es sie nahe an das Thema heran, zweitens haben sie vielleicht die notwendige Empathie zu erkennen, wie es ist, wenn man an der Stelle in einer Notlage ist, drittens haben wir den Bedarf, dass dies getan wird, und
viertens wird es sicherlich dazu beitragen, dass gerade die Langzeitarbeitslosen erkennen, dass die Flüchtlingssituation für sie keine Belastung ist, sondern eine Chance sich einzubringen. Deshalb halte ich es für wichtig, dieses Signal zu senden. Es hilft in der Sache und es erhöht die Akzeptanz. Ich werde auch noch einmal vehement in Berlin dafür werben, dass man sich endlich dieser Frage öffnet. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem es nicht mehr um die ideologische Betrachtungsweise des Themas geht, sondern um die Frage, was nützt, was hilft. Der Passiv-Aktiv-Transfer nützt und hilft, deshalb muss der Weg dafür auch freigemacht werden.
Wir wollen es aber auch ermöglichen, dass die Flüchtlinge in den Kommunen mitarbeiten können. Auch das ist ein wichtiges Signal in die Bevölkerung hinein.
Ich will noch einen Punkt ansprechen, der nichts mit dem Arbeitsmarkt zu tun hat, sondern die Kinder betrifft, die jetzt mitgekommen sind. Die Kollegin Petra Berg hat es eben auch schon getan. 2.500 Schülerinnen und Schüler standen vor der Klassentür und sie wurden reingelassen. Ulrich Commerçon hat ad hoc 63 zusätzliche Klassen gebildet. Das ist eine hohe Zahl, wie ich finde, und es werden weitere dazukommen. Dazu wurden allein 82 Lehrerstellen eingesetzt und es werden sicherlich noch weitere Lehrer gebraucht werden. Das stammte aus dem Reservoir der Lehrerreserve, aber das kann kein Dauerzustand sein, denn wir können dann Stundenausfall durch Krankheitsfälle nicht mehr kompensieren. Deshalb sage ich in aller Deutlichkeit: Auch wenn wir es noch nicht bis auf jede Lehrerstelle genau beziffern können, ist in dieser Landesregierung jetzt schon klar, dass wir über die bereits erfolgten Anpassungen für diese Sache weitere Anpassungen im Stellenplan des Bildungsministeriums vornehmen werden müssen. Ein sklavisches Festhalten an einem eingeschlagenen Weg kann nicht richtig sein, vor allem dann nicht, wenn die Rahmenbedingungen sich so massiv ändern wie jetzt. Deshalb wird sich das im einzubringenden Haushalt auch so ändern, wie es die Bedarfe notwendig machen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich war wie viele von Ihnen auch in Lebach, um mir ein Bild von der Situation vor Ort zu machen. Ich habe dort eine syrische Frau getroffen, die auf mich zukam und im Grunde nichts mehr dabei hatte außer ihrer abgeschabten Handtasche. Aus dieser Handtasche hat sie dann eine abgewetzte Plastiktüte herausgezogen, in der ein geknicktes Foto war. Trotzdem war gleich erkennbar, dass das Foto, das sie in der Hand hielt, der größte Schatz war, den sie hat. Auf dem Foto waren ihre fünf Kinder abgebildet, sie war
auf der Flucht mit diesen Kindern. Sie wurden auf der Flucht getrennt. Die Kinder waren auf einem anderen Boot. Das Boot ist in Seenot geraten und ist aller Voraussicht nach - das ist jedenfalls zu hoffen zurückgekehrt. Ein Wissen um den weiteren Verbleib ihrer fünf Kinder hat sie nicht. Sie hat mir das alles unter Tränen erzählt. Sie sagte mir, sie wisse nicht, wo die Kinder jetzt sind, und sie hat mich angefleht, ich solle ihr helfen, damit die Kinder nach Deutschland kommen können. Was soll man einer Mutter sagen, die nicht weiß, wo ihre Kinder sind, und die nicht weiß, ob sie sie jemals wieder in die Arme schließen kann? Und gleichzeitig weiß man, dass man ihr in diesem konkreten Fall nicht helfen kann. Das Einzige, was ich gemacht habe, ich habe sie in die Arme genommen, aber ich musste sie leider mit ihrem Schicksal zurücklassen.
Machtlos und traurig ob dieser Situation würde ich doch zumindest stellvertretend für diese Frau eines mit auf den Weg geben wollen, nämlich dass alle, die mit einem solchen Schicksal hierhergekommen sind, herzlich willkommen sind und dass wir sie freundlich aufnehmen mit Blick auf das, was sie alle hinter sich gebracht haben, dass sie sich hier in Sicherheit fühlen dürfen und dass wir alles dafür tun werden, dass auch ihre Kinder in Sicherheit und mit Fröhlichkeit aufwachsen können. Ob uns das immer gelingen wird, in Gänze und im Einzelfall, das weiß ich nicht. Ich weiß aber, dass wir moralisch dazu verpflichtet sind alles dafür zu tun, dass uns dies möglicherweise gelingt.
Ich will den Saarländerinnen und Saarländern auch sagen, dass diese Flüchtlingswelle das Gesicht dieses Landes verändern wird und dass wir ganz viel dazu beitragen können, ob es sich im Positiven oder im Negativen verändern wird. Nicht alles werden wir selbst beeinflussen können - siehe die europäische Debatte und siehe das Thema um die Flüchtlingskrisenherde. Aber wir können vieles davon beeinflussen. Ich verspreche auch nicht, dass das alles gut gehen wird, denn das kann zum heutigen Zeitpunkt niemand. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass wir hier bei uns die Chance haben, diese Herausforderung zu bestehen, wenn wir mit einer Mischung aus Zuversicht und Realismus an das Thema herangehen. Wir können uns ein Scheitern der Integration nicht leisten. Wir müssen diese Aufgabe mit Mut angehen, nicht mit dem Mut der Verzweiflung, aber mit dem Mut der Entschlossenheit und auf dem Fundament unserer Grundwerte.
Wir haben gezeigt, dass das Saarland handelt. Das Saarland hilft. Die Saarländerinnen und Saarländer zeigen sich von ihrer besten Seite. Und wir alle zeigen, dass unser Miteinander-Land funktioniert. Wenn wir uns weiterhin auf unser Herz verlassen und weiterhin so zupacken, dann wird unser Miteinander-Land auch eine neue Heimat für die sein, die
ihre Heimat verloren haben. Zumindest wir dürfen unsere Zuversicht dafür nicht verlieren. Herzlichen Dank und Glück auf!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich beschränken auf die Situation im Saarland und auf das, was in den letzten Wochen gelaufen ist, und ich möchte deutlich machen, was auf uns zukommt. Zunächst einmal möchte ich mich für die netten Worte bedanken, die Sie mir gewidmet haben. Ich gebe sie weiter an das Team, das mittlerweile aus über 350 Menschen besteht. Es ist auch schön zu wissen, dass alle Fraktionen unsere Arbeit mittragen, auch wenn das alles andere als einfach war. Und es wird noch schwieriger werden, wie wir gleich hören werden.
Sieben Wochen in einem Container, eine neue, ganz wichtige Erfahrung. Diese sieben Wochen nehmen einen auch mit. Es ist ein Spagat zwischen dem Herzen, zwischen weinenden Kindern und Müttern, den Todesfällen und Verletzten und denen, die versuchen unser Asylrecht auszunutzen. Wenn einer meint, dass die beinahe 4.000 Menschen, die zurzeit in diesem Lager sind, immer gut miteinander auskommen, der täuscht sich. Diese sieben Wochen haben dazu beigetragen, dass sich in meiner Auffassung einiges verändert hat. Wir haben eine katastrophal schwierige Situation in Deutschland. Allein bis zu diesem 23. September haben wir in Lebach über 4.000 Menschen als Arbeitsvorgänge bearbeitet. Das entspricht dem früheren Pensum von vier bis fünf Jahren. Ursprünglich hatte die Landesaufnahmestelle 42 Leute. Das wurde in kürzester Zeit aufpersonalisiert. Wir haben 45 neue Leute eingestellt, weitere werden folgen. Wir gehen bei diesen Zahlen davon aus, dass die Gesamtaufnahme des Saarlandes in diesem Jahr bei weit über 12.000 Menschen liegen wird. Ich bin froh, dass wir uns alle einig sind. Wir wollen, dass die Menschen kommen. Es ist kein Problem, was die Anzahl angeht, es ist auch kein Problem, was die Milliardenbeträge angeht. Die Zahlen, die bisher genannt werden, sind teilweise durch keinerlei Sachkenntnis getrübt; es werden viele, viele Milliarden werden.
Aber, meine Damen und Herren, wir brauchen mehr Zeit. Teile dieser Republik sind im Chaos versunken. Das wird teilweise in den Medien noch nicht dargestellt. Ich nenne nur Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Der Innenminister weiß nicht, ob es in Nordrhein-Westfalen 200.000 Men
schen oder 250.000 sind. Die Kommunen in diesem Land haben das Glück, dass wir die Situation bisher meistern konnten. Wir haben nach wie vor ein geordnetes Verfahren. Die Frage ist aber, wie lange noch, denn wir haben ein großes Problem. Die Einrichtung hat einen guten Namen in Deutschland, wozu auch die gute Presse beigetragen hat. Viele Menschen kommen zu uns, sie kommen wild. Wir haben aus Bayern über 1.200 aufgenommen, weil das notwendig war. Aber wenn gleichzeitig nachts über Schlepperbanden weitere 100 Personen ankommen, dann schafft das Probleme.
Gleichwohl ist die Situation in Lebach nach wie vor geordnet. Mein Dank und mein Respekt gilt all denen, die hier mitarbeiten. Wir haben Beamte abgeordnet, wir haben dort Polizisten und wir haben auch neue Leute. Wir arbeiten schon seit Wochen von morgens um 06.30 Uhr bis abends 22.00 Uhr. Wir müssen die Schlagzahl, weil sich auch die Schlagzahl der Menschen verstärkt hat, noch einmal erhöhen. Das ist nicht einfach. Wenn Sie den Telefonschaltkonferenzen der Innenminister zuhören, dann kann einem angst und bange werden. Über Integration wird kaum noch gesprochen. In den großen Ländern geht es nur darum, Massenlager aufzubauen. Das sind Notunterkünfte, teilweise ohne Verpflegung. In vielen Regionen in Deutschland gibt es keine Ersterfassung. Wir haben sie. Wir haben demnächst 4.000 Menschen in Lebach und wir sind dabei, noch zwei weitere Hallen zu bauen. Ich hoffe, dass wir diese Hallen nicht belegen müssen, kann es aber nicht ausschließen. Ich habe die Leitung des Lagers am Montag abgegeben an Dr. Christoph Hoffmann, ein guter Mann, der die Arbeit fortführen wird, weil ich seit vielen Wochen zu gar nichts anderem mehr gekommen bin. Auch das ist ein Problem, meine Damen und Herren. Diese Republik ist zurzeit relativ handlungsunfähig. Die Verwaltungen sind damit beschäftigt, Tag und Nacht zu improvisieren und zu arbeiten. Viele Menschen sind psychisch am Ende. Es ist ein Unterschied, ob ich in einem Ministerium sitze oder eine Warteschlange von 500 Leuten habe, die immer aggressiver werden. So etwas ist schwierig, das ist nicht einfach, aber wir haben es bisher geschafft.
Innerhalb von drei Wochen wurden Arztpraxen geschaffen. Wir haben eine Gynäkologie, wir haben Hebammen, Freizeitprogramme einen Bolzplatz und vieles mehr. Wir sind zurzeit dabei, dies zu verfeinern. Warum? Der Winter kommt. Wenn Sie sehen, in welch beengten Verhältnissen die Menschen leben müssen, wird deutlich, dass wir Alternativen bieten müssen. Wir müssen ihnen die Möglichkeit geben, sich einen gewissen Freiraum zu verschaffen.
Die Arbeitsvorgänge, noch einmal zur Erinnerung: früher 3.000 im Jahr, in diesem Monat mehr als 4.000. Aus den Zahlen wird deutlich, was das heißt.
Das ist auf die Dauer so nicht zu handhaben. Die Diskussionen noch vor einigen Wochen waren aus meiner Sicht schlichtweg lächerlich. Der Betrieb der Aufnahmestelle bedarf auf Dauer einer deutlichen Aufpersonalisierung. Wir brauchen die Bundeswehr, das THW und vieles, vieles mehr. Wenn das nicht der Fall ist, werden wir Monate brauchen. Der ungeordnete Zustrom, trotz der Arbeiten, die bisher gelaufen sind, macht es schwierig. In Bayern, stellen Sie sich vor, stehen ja noch 50.000 an der Grenze.
Sie müssen wissen, dass wir für die Arbeitsvorgänge einfach Zeit brauchen. Als ich übernommen habe, hatten wir 70 Erledigungen am Tag. Erledigung bedeutet, dass wir die Vorgänge abarbeiten. Das ist Bürokratie - und vieles mehr. Wir liegen derzeit, wenn alles klappt - das ist von Tag zu Tag unterschiedlich -, bei 250 Erledigungen. Wenn aber 400 Menschen kommen oder an einem Wochenende 1.000, bedeutet das, dass die Warteschlange immer länger wird. Das ist schwierig. Zurzeit wächst die Schlange, und wir fürchten, dass das noch so weitergeht. Vor diesem Hintergrund haben wir heute Morgen verfügt: Wir arbeiten an der Registratur von morgens 05.30 Uhr bis abends 22.30 Uhr. Das ist eine hohe Belastung, aber wir müssen die Schlagzahl erhöhen, da andernfalls die Warteschlange immer länger wird. Dies kann man auf Dauer auch den Menschen in Lebach nicht mehr zumuten.
Wir haben ein Problem, das sich zuspitzt und das vielleicht für viele Diskussionen sorgen wird: Ich muss in den nächsten Tagen mit meinen Leuten, mit der Polizei und der Bundeswehr und mit unseren Verwaltungsleuten, durch die Hallen gehen. Wir schätzen nämlich, dass wir 300 bis 400 Menschen haben, die einfach nicht weggehen, die immer wieder zurückkommen. Warum? Sie haben eine ärztliche Versorgung, die besser ist als in vielen Regionen Syriens. Sie haben eine warme Verpflegung. Sie haben Kinderärzte, Zahnärzte. Sie haben nachts einen OvD, sie haben eine Anlaufstelle. Das schafft uns aber auch Probleme: Wenn an der Essensausgabe 600 Portionen geplant sind und 1.000 ausgegeben werden, wissen wir, dass etwas nicht stimmen kann. Nun finden Sie aber einmal diese Menschen! Wir können sie nicht an der Hautfarbe unterscheiden. Sie wehren sich natürlich.
Auch vor diesem Hintergrund habe ich vor vier Wochen etwas veranlasst, und die Vorarbeiten dafür laufen: Wir müssen Lebach auf Dauer entlasten. Wir müssen, so schwierig das ist, versuchen - das geht nur, wenn der Zufluss aufhört -, dafür Sorge zu tragen, dass die Menschen verteilt werden. Wir werden aus diesem Grunde zwar keine zweite Aufnahmestelle schaffen, aber eine Dependance mit Übernachtungsmöglichkeiten, gut organisiert und bestens vorbereitet. Dies wird auf dem Gelände der RAG in Hirschbach geschehen. Wir haben dort drei Liegen
schaften besichtigt, die Arbeiten haben begonnen. Wir können dort in Etagenbetten, wohlgeordnet in Zimmern von 30 bis 40 Quadratmetern, damit auch etwas Privatsphäre entsteht, letztlich, nachdem wir das Stück für Stück aufgebaut haben, 500 bis 1.000 Menschen unterbringen. Das schafft allerdings einen gewissen logistischen Aufwand, weil wir diese Menschen registrieren wollen.
Das Registrieren ist etwas für uns alle Entscheidendes, denn, bei allem Verständnis für einige abstrakte Äußerungen hier: Integration kann nur dann funktionieren, wenn wir geordnet empfangen, wenn wir vorregistrieren. Und wenn wir registrieren, werden wir untersuchen. Wenn Sie aus den Telefonschaltkonferenzen hören könnten, was hinsichtlich Krankheiten los ist! Viele der Hundertausende, die bei uns sind, sind nie untersucht worden. Nun stellen Sie sich einmal große Länder wie Nordrhein-Westfalen und Bayern vor: Niemand weiß, wie viele Menschen dort sind. Diese Menschen sind nicht untersucht. Nun können Sie mal zusehen, wie Sie zu diesen Menschen kommen können! Denn die kommen nicht alle zu den Bussen.
Wir haben nämlich auch eine Entwicklung, die sehr problematisch ist: Wir haben die Entwicklung, dass die Menschen zum Teil machen, was sie wollen. Wir haben ungeordnete, wilde Asylströme durch Deutschland. Wir schicken die Menschen aus der Landesaufnahmestelle Lebach nach Trier, sie kommen zurück. Die einen steigen vorne ein - und gehen hinten raus. Andere kommen aus Hamburg zu uns, weil unsere Ärzte einen guten Ruf haben. Das heißt: Wir haben Schwierigkeiten zu bewältigen, die man nicht unterschätzen darf.
Ich bin froh und dankbar, dass ich den Rückhalt dieses Kabinetts habe, den Rückhalt des Landtages und den Rückhalt meiner Leute. Wir sind noch nicht überfordert. Wir haben es im Griff, aber man kann nicht sagen, wie lange. Was bedeutet dies angesichts der bekannten Situation ganz konkret für unser Saarland? Zahlen sind Zahlen. Man braucht vor Zahlen keine Angst zu haben. Aber: Ich bin in großer Sorge. Weshalb bin ich in Sorge?
Zunächst einmal muss man aufgrund der Erfahrungen im Lager feststellen, dass wir alle gefordert sein werden. Wenn jemand glaubt, dass diese Integration problemlos abläuft, so irrt er. Wir haben auch sehr viele Negativerfahrungen sammeln müssen. Ich habe mir lange überlegt, ob ich hier darüber sprechen soll. Aber „Wahrheit“ meint die ganze Wahrheit. Kommen Sie einmal zu uns ins Lager und schauen Sie, mit welcher Anspruchsmentalität der eine oder andere seine Rechte formuliert! Hören Sie sich an, wie die Frauen beleidigt werden! Schauen Sie, wie man um die Lebensmittel kämpft, obwohl man noch nicht an der Reihe ist! Schauen Sie, wie Bänder zerrissen werden und andere Menschen weggedrängt
werden! Hören Sie den Lebachern zu, wie es im Schwimmbad zugeht! Wir haben leider auch Menschen, die sich nicht an die Gesetze halten. Das wird ganz schwierig, aber es ist zu machen. Wenn unsere Frauen das Essen nicht mehr ausgeben können, weil sie unrein sind und die anderen das nicht essen wollen - das schafft Probleme, und das in einem täglichen Ablauf von beinahe 4.000 Menschen. Dann muss man das permanent umorganisieren, aber ich denke, wir kriegen das hin.
Mal ein Schmankerl am Rande, damit Sie nicht so ernst schauen: Wir haben uns gewundert, wie viele mit Maßschuhen durch das Lager gehen. Wir haben dann von der Polizei erfahren, dass Zalando mehr als 650 Strafanzeigen gestellt hat. Der eine oder andere ist also durchaus clever und weiß das System zu nutzen.
Ein Hauptproblem, wenn man sich die Verstöße gegen die Gesetze anschaut, ist auch eine steigende Aggressivität. Die Menschen weigern sich, den EASY-Schlüssel anzuerkennen. Das darf nicht passieren. Es darf nicht passieren, dass der Verteilungsmodus in Deutschland zusammenklappt; darum kämpfen wir zweimal am Tag bei den Telefonschaltkonferenzen. Wenn das geschieht, haben wir verloren. Das darf nicht passieren, und ich bin mir sicher, es wird auch nicht passieren.
Ich muss daran erinnern, dass wir, und darüber bin ich froh, den Artikel 18 des Grundgesetzes haben. Im Kommentar zu diesem Artikel steht, dass wir eine wehrhafte Demokratie sind. Daher: Integration ja, aber als Innenminister dieses Landes habe ich die Verantwortung für die Landesaufnahmestelle ebenso wie für die innere Sicherheit und Ordnung. Innere Sicherheit und Ordnung sind aber in einigen Bundesländern gefährdet, weil kein Mensch weiß, wie viele Leute eigentlich da sind.
Sie sehen: Es kommt einiges auf uns zu, das ist unstrittig. Wir brauchen diese Menschen. Finanziell ist das alles für ein reiches Land wie die Bundesrepublik Deutschland auch überhaupt kein Problem. Aber, ich bitte dafür um Verständnis: Wir brauchen Zeit. Wir bräuchten eine Pause, wir kriegen sie aber nicht. Nach Informationen von heute Morgen wird geschätzt, dass die Österreicher mehr als 20.000 Menschen an der Grenze haben. Was die Solidarität aus Europa angeht, gebe ich der Frau Ministerin recht. Die Österreicher sagen uns, sie schicken alle zwei Stunden ganz konzentriert die Züge, verteilen über Apps dann aber die Hinweise, wie die Menschen über die Grüne Grenze kommen können. Es kommt von Europa also leider sehr wenig.
nen ein paar Zahlen geben: Wenn wir davon ausgehen, dass wir ab heute bis Dezember noch 5.000 Menschen im Saarland verteilen müssen, bedeutet das für die Landeshauptstadt Saarbrücken 414 Personen, für den Regionalverband Saarbrücken 621, für den Landkreis Merzig-Wadern 652, für den Landkreis Neunkirchen 652, für den Landkreis Saarlouis 1.168, für den Saarpfalz-Kreis insgesamt 917 und für den Landkreis St. Wendel 579. Ich lese Ihnen lieber nicht die einzelnen Zahlen vor, wenn der Familiennachzug hinzukommt, also eine Person und zwei Kinder. Man weiß nicht, wie lange es dauert, bis sie kommen, aber sie kommen. Die Erfahrung zeigt, dass bei 80 Prozent der Syrer, die die Anerkennung bekommen, eine logische Sekunde nach der Anerkennung der Zuzugsantrag gestellt wird. Dann sind wir - ich habe Ihnen eben gesagt, dass wir 5.000 Menschen verteilen - in kurzer Zeit bei 12.000 Menschen.
Nun sind die genannten Zahlen aber erst der Anfang, beziehen sich auf die kommenden drei Monate. Gehen wir mal ins Jahr 2016, auf der Grundlage der Schätzungen, wenn sich also die Situation weiterhin so entwickelt wie bisher: Die Landeshauptstadt bekommt zusätzlich 994 Menschen, der Regionalverband 1.489, der Landkreis Merzig-Wadern 1.565, der Landkreis Neunkirchen 1.564, der Landkreis Saarlouis 2.802, der Saarpfalz-Kreis 2.200, der Landkreis St. Wendel 1.390. Rechnen wir nun nur minimal den Zuzug ein, kommen wir auf eine Zahl von 40.000 Personen in anderthalb Jahren. Wie viele Wohnungen haben wir in diesem Land? Wohin mit den Menschen? Wir haben zurzeit 700 durch die Kommunen gemeldete freie Wohnungen. Wir können es schaffen. Wir haben hier nämlich 20.000 bis 22.000 Leerstände. Es muss gelingen an diese Leerstände heranzukommen. Es muss gelingen, noch schneller zu arbeiten. Es muss gelingen, zu mieten. Wir haben die Mietgarantie für zehn Jahre zu 8 Euro. Die Diskussion, ob das gerecht ist oder nicht, ist völlig verfehlt. Die Menschen, die untergebracht sind, haben einen Anspruch, sie haben ein Heim, ein Dach über dem Kopf. Die Menschen, die in den Garagen und teilweise in den Notunterkünften in anderen Ländern wohnen, haben dies nicht.
Deshalb ist es nach wie vor mein Appell, wie die Ministerpräsidentin gesagt hat: Es muss schneller gehen! Wir werden zuweisen. Sie kennen die Zahlen. Man darf nicht erschrecken. Wir haben eine Chance und wir können es machen.
Ich zitiere einmal, was ein berühmter und guter Mann gesagt hat, Erich Kästner: „Lawinen haben nicht die Gewohnheit, auf halbem Wege stillzustehen und Vernunft anzunehmen. Dies ist eines der historischen Naturgesetze, die sich haben entdecken lassen.“ Das heißt, lassen wir uns nicht Bange machen. Wir müssen aber realistisch denken, was wir
brauchen. Es gibt keine Integration, weder in der Schule noch im Unterricht noch im Beruf, wenn die Menschen kein Dach über dem Kopf haben. Wenn wir das nicht hinkriegen, haben wir es nicht geschafft. Diese Landesregierung hat von Anfang an im Gegensatz zu vielen anderen, getragen durch das Parlament, einstimmig dafür Sorge getragen, dass wir es regeln konnten. Drücken Sie uns die Daumen, dass es weiter so klappt. In diesem Sinne Danke für die Aufmerksamkeit.