Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als Redner der fünften Fraktion, nachdem alle anderen Fraktionen schon zu diesem Thema
gesprochen haben, wundert es mich, dass noch niemand die Konferenz vom 06.07. dieses Jahres angesprochen hat. Die war direkt nebenan im Schloss und trug den Titel „Steigerung der Fachkräftesicherung durch betriebliche Ausbildung“. Auch dort war es durchaus Thema, dass der Nachwuchs für handwerkliche Berufe nicht gesichert ist. Auch dort war bei den Teilnehmern genau diese Sorge bezüglich Nachwuchssicherung deutlich zu spüren. Das betrifft tendenziell die Bundesrepublik insgesamt, aber vor dem demografischen Hintergrund das Saarland doch besonders stark.
Wir haben hier heute zwei Anträge zu dem Thema zur Beratung vorliegen. Im Antrag der Koalition wird, wie es dort heißt, die Bitte ausgesprochen, ich zitiere: „die Jugendlichen dahingehend anzusprechen, die bestehenden Angebote zur Berufswahlorientierung frühzeitig zu nutzen“. Die zwei Vorredner der Opposition haben schon angesprochen, dass man als Parlament ruhig etwas selbstbewusster auftreten kann. Man muss nicht eine Reihe von Bitten in Form eines Antrags an die Landesregierung richten, man kann auch ruhig konkrete Forderungen formulieren, so wie es die GRÜNEN auch gemacht haben. Wie man sich dann inhaltlich über die einzelne Forderung einig ist oder nicht, das ist ein anderes Thema. Alleine schon die Form ist bei der Koalition etwas seltsam.
Den eben zitierten Satz aus dem Antrag der Koalition kann man ruhig als Kernsatz des vorliegenden Antrags auffassen, denn in der ebenfalls zuvor genannten Veranstaltung wurde dafür geworben, den Jugendlichen nicht nur ein Jobangebot zu machen, sondern sie gezielt einzuwerben und dabei auch die Lebenswelten dieser Jugendlichen zu berücksichtigen, also sowohl bei der Einwerbekampagne als auch bei den vorausgehenden Planungen. Die Lebenswelten dieser Jugendlichen unterscheiden sich nämlich oftmals dramatisch von denen der Ausbildenden. Bei einer Befragung, deren Ergebnis dort präsentiert wurde, kam heraus, dass bei vielen der potenziellen Ausbilderinnen und Ausbilder nur geringe Kenntnisse der Lebenswelten dieser Jugendlichen vorhanden sind.
Herr Wegner hat vorhin schon angeführt, dass wir, wenn es um Ausbildung geht, gerade nicht nur über Jugendliche reden. Man muss sich an der Stelle aber auch klarmachen, dass ein Durchschnitt von 20,3 Jahren nicht durch eine Gauß-Kurve zustande kommt. In dem Moment, wo ein Durchschnitt relativ weit unten liegt, hat man relativ viele, die etwas jünger sind, und immer ein paar, die den Schnitt dadurch dramatisch hochziehen, dass sie weit über dem Schnitt liegen. Bei einem Durchschnitt von 20,3 Jahren kann man Leute dabei haben, die zehn Jahre darüberliegen, aber eben keine, die zehn Jahre darunterliegen. Dementsprechend wird das natürlich
Das Gleiche gilt für junge Geflüchtete, ein Thema, das im Antrag der Koalitionsfraktionen kurz angeschnitten wird, mehr aber auch nicht. Ihre Lebenswelt lässt sich mit der hier aufgewachsener Jugendlicher überhaupt nicht vergleichen. Das bedeutet weitere Herausforderungen. Ob und inwieweit sich kleinere Betriebe dieser Aufgabe stellen wollen oder können, müsste in einem solchen Antrag meiner Meinung nach auch berücksichtigt werden. Der Antrag der Koalition beschränkt sich darauf, das toll zu finden, was die Regierung ohnehin bereits tut. Dafür braucht man jedoch keinen Antrag. Der Antrag der GRÜNEN bringt konkrete, weitergehende Forderungen, zum Beispiel im Bereich der Sprachförderung. Diese Forderungen sind auch sinnvoll. Mit dem Antrag habe ich aber an anderer Stelle ein oder zwei Probleme.
Zusammenfassend zum Antrag der Koalition: Während es normalerweise immer ein oder zwei Dinge gibt, die man noch zusätzlich in einen Antrag aufnehmen könnte, so muss man von diesem Antrag sagen, dass nichts Falsches drinsteht. Bei einem Antrag, der ohnehin größtenteils nur das auflistet, was die Regierung schon tut, und dann zaghaft ein paar Bitten äußert, kann man natürlich in jede Richtung argumentieren. Man kann sagen, es steht nichts Falsches drin. Das tun wir. Man kann aber genauso gut sagen, es bringt oder ändert auch nichts, wenn wir ihn ablehnen. Wir stimmen also dem Antrag zu, aber eben unter dem Vorbehalt, dass größtenteils aufgelistet wird, was die Regierung ohnehin bereits tut. Dafür brauchen wir keinen Antrag.
Der Antrag der GRÜNEN enthält einen schwierigen Passus in der Formulierung: „Kein Qualifizierungsschritt darf ohne Abschluss, Anschluss oder Anrechnung bleiben.“ Das ist von der Theorie her eine absolut tolle Forderung. Dem wird keiner widersprechen. Dies in der Praxis umzusetzen, halte ich aber für unmöglich. Es gibt natürlich Leute, die rechtzeitig merken, dass die Ausbildung nichts für sie ist und die sich dann anders orientieren wollen. Jemanden, der im Affekt sagt: „Mein Chef geht mir auf die Nerven, ich kündige!“, sofort in eine Anschlussausbildung zu vermitteln, ist schwierig. Pauschal für alle einen Anschluss zu fordern, ist ein hehres Ziel, aber ich halte es in der Praxis nicht für machbar.
Bei den konkreten Forderungen, die am Ende des Antrages stehen, gibt es auch welche, die im Einzelfall vielleicht nicht umzusetzen sind. So sind Weiterbildungsmöglichkeiten in Kleinstbetrieben nicht so einfach bereitzustellen wie in Großkonzernen. Gerade im Saarland, wo wir wenige Großkonzerne, aber einen doch recht breiten Mittelstand haben, halte ich es für schwierig, pauschal zu fordern, dass bei der Ausbildung gleich entsprechende Möglichkeiten zur
Weiter- oder Fortbildung gegeben sein müssen. Es ist natürlich ein hehres Ziel, das man durchaus legitim verfolgen kann, aber es pauschal vorzuschreiben, wird in der Praxis einfach auf Probleme stoßen. Deshalb werden wir uns bei diesem Antrag enthalten.
Beim Antrag der Koalition hat man alle Optionen. Es ist eigentlich egal, was man tut. Wir werden ihm zustimmen. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auch noch ein paar Worte zum Antrag der GRÜNEN verlieren. Beim ersten Lesen habe ich gesagt, guter Antrag, er stimmt in vielen Punkten auch mit unseren Positionen überein. Man könnte vielem durchaus zustimmen. Bei genauerer Betrachtung können wir allerdings dem Antrag wegen verschiedener Details doch nicht zustimmen.
Dazu komme ich noch. Bernd Wegner hat bereits gesagt, wenn wir uns zusammengesetzt hätten, hätten wir gemeinsam einen richtig guten Antrag machen können.
Ich will auf einige Punkte eingehen. Zu der Forderung unter dem ersten Spiegelstrich des Antrages. Das Land hat zunächst einmal keinen direkten Einfluss auf die Einrichtung von Jugendberufsagenturen, weil es sich hier um die Rechtskreise SGB III, Agentur für Arbeit, SGB VIII, Jugendhilfe/Landkreise, und SGB II, Jobcenter, handelt. Ohnehin ist geplant, das habe ich eben schon gesagt, den Modellversuch „lückenlose Betreuung“, wenn er zum 31.01.2019 ausläuft, zu evaluieren und bei positivem Ergebnis landesweit auszudehnen.
Zum Thema „Anschluss direkt“. Alle im Saarland infrage kommenden Schulen wurden angeschrieben. Es hätten alle teilnehmen können. Leider, das muss auch ich sagen, haben sich nur 31 von den circa 60 Schulen, die wir haben, dazu bereiterklärt. Zu den ausbildungsbegleitenden Hilfen. Mit einer Gesetzesänderung in SGB III vom 01.05.2015 wurden die ausbildungsbegleitenden Hilfen bereits auf einen größeren Personenkreis ausgedehnt. Damit können alle Jugendlichen gefördert werden, die voraussichtlich Schwierigkeiten haben werden, ohne die Förderung mit abH eine betriebliche Ausbildung zu begin
nen, fortzusetzen oder erfolgreich abzuschließen. Das Instrument wurde aktiv von der Agentur für Arbeit beworben. Es ist also bereits ausgeweitet worden.
Was den Einstieg der Flüchtlinge in die Ausbildung angeht, so hat das Wirtschaftsministerium mit einer Landesförderung Integrationskurse, die berufsbezogene Sprachförderung des Bundes sowie die Vermittlung von Deutschkenntnissen bis zum Niveau A2 unterstützt. Die Landesförderung leistet damit einen Beitrag dazu, Geflüchtete schneller in Ausbildung zu bringen und sie in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Die sozialpädagogische Betreuung, die eben auch angesprochen wurde, im Landesprogramm „Ausbildung jetzt“ mit den Flüchtlingshelfern trägt ebenfalls zur entsprechenden Betreuung bei.
Was das Bleiberecht betrifft, so ist zu sagen, dass Auszubildende eine Duldung für die Gesamtdauer der Ausbildung erhalten. Das gibt den Ausbildungsbetrieben Rechtssicherheit. Bei anschließender Beschäftigung wird außerdem das Aufenthaltsrecht für weitere zwei Jahre erteilt.
Zum Thema Ausbildungsplatzangebote für alle Jugendliche und zur Reform des Übergangsbereiches. Meiner Meinung nach ist das Augenmerk darauf zu legen, den Jugendlichen einen Ausbildungsplatz im Betrieb anzubieten. Wenn wir hier noch einmal irgendwelche überbetrieblichen Geschichten machen, dann kann das natürlich auch dazu führen, dass die Ausbildungsbetriebe ihre Ausbildungszahlen nach unten korrigieren. Für mich ist es definitiv wichtiger, dass die Ausbildung in den Betrieben stattfindet.
Beim Punkt Qualität und Attraktivität der Ausbildung ist es wichtig, den jungen Menschen und ihren Eltern zu vermitteln, dass berufliche Ausbildung keine Sackgasse ist. Auch hier gibt es, was die Weiterbildung angeht, schon viele positive Beispiele, etwa das Projekt von Ausbildung plus Fachhochschulreife. Das Saarland hat im Jahr 2009 als eines der ersten Bundesländer den Zugang zu den Hochschulen für entsprechend Qualifizierte erleichtert. Mit der Änderung des Universitätsgesetzes im Jahr 2014 wurde beruflich Qualifizierten der Zugang zu weiterbildenden Masterstudiengängen ohne absolviertes Erststudium ermöglicht. Auch hier wurde also schon sehr viel getan.
Zur Berufsorientierung in der Lehrerausbildung und fortbildung. Die Referendare der Sekundarstufen I und II an Gymnasien und Gemeinschaftsschulen nehmen in den Bereichen Arbeitslehre, Beruf und Wirtschaft -
Okay. - Sie nehmen an dem Modul Studienorientierung teil. Auch das LPM bietet im Kompetenzzentrum also einiges an. Es wurde bereits viel getan. Es sind verschiedene Details. Wir hätten uns vielleicht besser im Vorfeld zusammengesetzt. Wir lehnen den Antrag in der vorliegenden Form ab. - Vielen Dank.
Vielen Dank. - Das Wort hat nun der Abgeordnete Prof. Dr. Heinz Bierbaum von der Fraktion DIE LINKE.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich nach dem Beitrag des Kollegen Krutten noch einmal zu Wort gemeldet, weil mir immer noch nicht klar ist, was aus diesem Antrag nun eigentlich folgt. Sie haben jetzt auch nur wieder beschrieben, was alles schon getan und in Angriff genommen wird. Aber wir sind doch kein Landtag und kein Parlament, um nur das festzustellen, was schon getan wird, und dann zu sagen, es ist doch eigentlich alles klasse!
Ich erkenne ja an, dass viel Positives gemacht wird, aber was folgt jetzt bitte daraus? - Mein Vorschlag ist, dass Sie den Antrag der GRÜNEN nicht ablehnen, sondern dass Sie ihn aufgreifen, dass wir das zusammen machen, dass wir dann noch einmal einen konkreten Antrag vorlegen mit entsprechenden Forderungen, die an das anknüpfen, was hier gemacht wird, aber darüber hinausgehen. Das wäre mein Vorschlag, weil mir ansonsten völlig unklar ist, wohin diese Debatte führen soll, außer dass wir das beschreiben, was wir haben.
Frau Präsidentin! Lieber Kollege Bierbaum! Wir wollten diese Debatte zu Beginn des Ausbildungsjahres führen, um Bilanz zu ziehen: Wo stehen wir, wie sieht es im Saarland aus? Wir wollten damit auch für die Öffentlichkeit ein Zeichen setzen, was gemacht
wird und was wir in verschiedenen Formen auch schon deutlich gemacht haben. Wenn wir in ein, zwei Monaten uns noch einmal dazu entschließen sollten, eine berufsbildungspolitische Debatte zu führen, bin ich gerne bereit, noch einmal einen Antrag zu machen. Aber den Antrag, den die GRÜNEN hier gestellt haben mit den Formulierungen, die hier am Pult wiederholt worden sind, können wir nicht zustimmen. Deshalb lehnen wir den Antrag der GRÜNEN ab. Aber wie gesagt, unsere Seite ist offen - ich wäre auch vorher offen gewesen - für einen gemeinsamen Antrag im nächsten, übernächsten Plenum. Ich bin dafür auch dankbar, denn über berufliche Bildung können wir uns hier nicht oft genug unterhalten. - Vielen Dank.
Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über den Antrag der Koalitionsfraktionen. Wer für die Annahme des Antrages Drucksache 15/1934 ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? Wer enthält sich der Stimme? - Dann stelle ich fest, dass der Antrag Drucksache 15/1934 einstimmig angenommen wurde. Zugestimmt haben die CDUFraktion, die SPD-Fraktion, die PIRATEN-Fraktion und die Fraktion DIE LINKE. Enthalten hat sich die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Landtagsfraktion, Drucksache 15/1941. Wer für die Annahme des Antrages Drucksache 15/1941 ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? Dann stelle ich fest, dass der Antrag mit Mehrheit abgelehnt wurde. Zugestimmt haben die Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, dagegen gestimmt haben die CDUund die SPD-Fraktion, enthalten hat sich die Fraktion der PIRATEN.