Insofern bitte ich darum, mögliche Widersprüche hier noch einmal aufzuklären. Es wäre natürlich schön, nachdem sich die Ministerpräsidentin in der Öffentlichkeit entsprechend positioniert hat - was ich außerordentlich begrüße, weil ich glaube, dass es Chefinnensache ist, so etwas abzulehnen -, wenn sie hier wäre, um zu diesem wichtigen Thema Stellung zu nehmen.
Ich möchte dafür plädieren, unseren Antrag anzunehmen. Wir werden selbstverständlich auch dem Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zustimmen. Wir werden auch dem Antrag der Koalitionsfraktionen zustimmen. Ich bitte aber insbesondere auch die Koalitionsfraktionen, sich einen Ruck zu geben und auch unserem Antrag zuzustimmen. - Vielen Dank.
Zur Begründung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Herrn Abgeordneten Michael Neyses das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Einführung einer Infrastrukturabgabe hat von Anfang an für viel Streit gesorgt. Wir alle erinnern uns noch an den
Satz von Frau Merkel: „Mit mir wird es keine PkwMaut geben.“ - Wir wissen alle, Merkel hat ihr Wort gebrochen und die SPD hat auch nachgegeben. Die EU-Kommission bewertete die Pläne als Diskriminierung und leitete im Juni 2015 ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Im November 2016 wurde das durch den gefundenen Kompromiss zunächst gestoppt. Professor Bierbaum ist eben bereits darauf eingegangen. Das letzte Wort dürfte hier noch nicht gesprochen sein.
Was macht die saarländische Landesregierung, getragen von CDU und SPD, beim Thema Maut? Auch das hat Professor Bierbaum eben schon angesprochen. Am 22.04., einem Mittwoch, hat das Saarland der Anrufung des Vermittlungsausschusses im Verkehrsausschuss zugestimmt. Einen Tag später, am Donnerstag, den 23.04., hat das Saarland den gleichen Antrag im Finanzausschuss abgelehnt.
Zwei Wochen später hat das Saarland sich dann bei der Frage, ob ein Vermittlungsausschuss angerufen werden soll, enthalten. Wir haben also das ganze Spektrum. Jetzt kündigt die Ministerpräsidentin im Wahlkampf an, gegen die Maut zu stimmen. Das Gegenteil davon haben Sie in der Vergangenheit getan. Das zeigt im Übrigen auch der Antrag der Koalition. Dort steht, dass die Landesregierung aufgefordert wird, nicht zuzustimmen. Sie lassen hier bewusst Spielraum für eine Enthaltung.
Kolleginnen und Kollegen, so kann man doch mit einem solch wichtigen Thema nicht umgehen. Das können Sie den Bürgerinnen und Bürgern nicht vermitteln.
Da kommt so ein Vollhorst aus Bayern daher und bringt Merkel und die komplette CDU, die komplette SPD und dann auch das Saarland dazu, gegen jeden Verstand nach seiner Pfeife zu tanzen. Die Bürgerinnen und Bürger hingegen haben längst begriffen, dass wir eine Maut überhaupt nicht brauchen. Das ist ein bürokratisches Monster, das für den Bund keine Mehreinnahmen bringt, dafür aber Gewinneinbußen für Gastronomie und den Handel, vor allem in unserer Grenzregion. Die Bürgerinnen und Bürger aus Frankreich und Luxemburg werden es sich zweimal überlegen, ob sie ins Saarland fahren, wenn sie dafür eine Eintrittsgebühr bezahlen müssen. Nach Angaben der IHK und des Einzelhandelsverbands - darauf hat Herr Professor Bierbaum bereits hingewiesen - generieren Besucherinnen und Besucher aus Frankreich in Saarbrücken etwa ein Drittel der Umsätze in Gastronomie und Handel.
Frankreich hat grenznahe Autobahnabschnitte von der Maut befreit. Die sind cleverer als wir. Im Übrigen drohen Klagen, wenn Bundestag und Bundesrat
erneut grünes Licht für die Maut geben. Die Niederlande und Österreich haben das bereits angekündigt, Tschechien könnte folgen. Am 25. Januar treffen sich Österreich, Frankreich, Luxemburg, die Niederlande, Belgien, Dänemark, Polen, Tschechien sowie Ungarn, die Slowakei und Slowenien, um möglicherweise eine Allianz gegen den deutschen Maut-Unsinn zu schmieden. Wie das ausgehen wird, ist unklar. Klar ist aber jedenfalls: Unsere Nachbarn sind nicht gerade glücklich mit den Maut-Plänen. Gerade in der jetzigen Situation sollten wir aber alles dafür tun, Europa zu einen, es nicht zu spalten.
Diejenigen von uns, die Mitglied im Interregionalen Parlamentarierrat sind, haben bereits den Unmut der Nachbarländer zu spüren bekommen. Zunächst konnten wir die noch beruhigen nach dem Motto: Wir sind ja gegen die Maut, und außerdem soll es Ausnahmen für Grenzregionen geben. - Pustekuchen! Das Saarland ist, wie wir gesehen haben, eben nicht vollumfänglich gegen die Maut. Das Saarland fährt hier vielmehr einen Zickzackkurs.
Die Kompromisse zur Infrastrukturabgabe haben, das bezweifelt niemand ernsthaft, einen negativen Effekt auf das Nettoeinkommen des Vignettensystems. Hierzu hat die Bundestagsfraktion der GRÜNEN eine Studie in Auftrag gegeben. Die beauftragten Experten vom Forum Ökologisch Soziale Marktwirtschaft, kurz FÖS, kommen zu dem Schluss, dass die Förderung der Emissionsklasse Euro 6 je nach Ausgestaltung zu jährlichen Mindereinnahmen von bis zu 100 Millionen Euro führt. Darüber hinaus zeigt die Studie, dass die fortwährende Erneuerung der Pkw-Flotte einen stetigen Rückgang der Einnahmen mit sich bringt. Bereits jetzt wird nämlich der Standard Euro 6 von 95 Prozent aller Neufahrzeuge erfüllt. Es wird also etwas gefördert, was ohnehin der Fall ist. Wer kauft sich denn extra ein neues Auto, wenn er so im Jahr 50 Euro sparen kann? Das Resultat, liebe Kolleginnen und Kollegen, bezeichnet man gemeinhin als Mitnahmeeffekt. Zudem entlastet die geplante Obergrenze besonders umweltschädliche Fahrzeuge, für Elektrofahrzeuge hingegen ändert die Infrastrukturabgabe de facto nichts.
Die Studie kommt zum klaren Schluss, dass die von Dobrindt als Plus genannten 500 Millionen Euro schon lange nicht mehr zu halten sind. Der ADAC hatte ja auch lediglich 260 Millionen Euro errechnet wohlgemerkt: vor den Anpassungen. Schäuble befürchtet mittlerweile mittelfristig ein Minus bei der Maut; bereits für 2020 rechnen seine Beamten mit einem Minus. Dobrindts Haus weist diese Berichte einfach als falsch zurück, auf die Argumente geht man aber mit keinem Wort ein.
finanziell noch ökologisch. Sie führt zu hohen Einnahmeverlusten in Gastronomie und Einzelhandel in den Grenzregionen, es drohen ein Imageschaden und Klagen aus dem Ausland. Kolleginnen und Kollegen, der einzige Grund, an diesem Wahnsinn weiterhin festzuhalten, ist der drohende Gesichtsverlust derjenigen, die sich von Anfang an vehement für die Einführung eingesetzt haben, allen voran vom Bayerischen Horst.
Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, sich erstens - auf Bundesebene gegen die Einführung der Pkw-Maut einzusetzen, sich nicht nur zu enthalten, sondern sich klar dagegen zu positionieren. Sollte dieser Unsinn schon nicht zu verhindern sein, so muss es - zweitens - als Minimalkonsens für Grenzregionen eine Freistellung von der Abgabepflicht geben. Drittens soll sich die Landesregierung für eine Ausweitung der Lkw-Maut auch auf Fahrzeuge ab 3,5 t einsetzen, denn durch den Schwerlastverkehr werden die Straßen und die Umwelt deutlich mehr belastet als durch Pkws. Das ist übrigens auch eine Forderung des Umweltbundesamtes.
Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. Den Antrag der LINKEN werden wir ebenfalls unterstützen. Zum Antrag der Koalitionsfraktionen: Da bin ich auf Ihre Vorstellungen gespannt.
Sollten Sie aus dem Nicht-Zustimmen ein Ablehnen machen, könnten wir auch Ihren Antrag unterstützen. Andernfalls bleibt Ihr Antrag ein Antrag mit Hintertür, und einem solchen Antrag können wir nicht zustimmen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Zur Begründung des Antrages der Koalitionsfraktionen erteile ich Frau Abgeordneter Elke Eder-Hippler das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer noch nicht gemerkt haben sollte, dass die Koalitionsfraktionen unterschiedliche Positionen zur Pkw-Maut per se hatten und haben, kann dies spätestens in der Antwort der Landesregierung auf die Anfrage des Abgeordneten Hubert Ulrich zur geplanten Pkw-Maut, Drucksache 15/2079, nachlesen. Sie können der Antwort entnehmen, dass das Saarland am einen Tag im Verkehrsausschuss der Anrufung des Vermittlungsausschusses zugestimmt hat, am nächsten Tag im Finanzausschuss aber einen gleichlautenden Antrag abge
lehnt hat. Nun wissen wir ja alle, dass die Verkehrsministerin der SPD angehört, der Finanzminister der CDU. Folgerichtig kam es in der Sitzung des Bundesrates am 08. Mai zur Enthaltung, wobei das Saarland dazu aber auch noch eine Erklärung abgegeben hat.
Man erkennt daran, dass wir zu diesem Thema unterschiedlicher Meinung waren und sind; der eine will die Maut, der andere will sie grundsätzlich nicht. Das ist aber nichts Ungewöhnliches und auch nichts Schlimmes. Denn in einer Koalition zu sein, heißt ja nicht zwangsläufig, immer und in allen Punkten bis ins Detail einer Meinung zu sein.
Wir sind und bleiben zwei verschiedene Parteien mit jeweils eigener Meinung, die wir gegenseitig auch respektieren. Wir Sozialdemokraten hielten die an bayerischen Stammtischen geborene Idee einer Pkw-Maut für Ausländer von Anfang an für keine glückliche Idee. Daraus haben wir auch nie einen Hehl gemacht.
Hierfür ein Gesetz und die komplette teure Infrastruktur zur Erhebung und Verwaltung dieser Maut zu schaffen, bei einem Anteil an ausländischen Pkws auf deutschen Autobahnen von gerade mal knapp 7 Prozent - dass da am Ende ein vernünftiges Verhältnis zwischen Aufwand und Ertrag herauskommen würde, dazu hatte nicht nur ich so meine Bedenken. Inzwischen, so ist SPIEGEL ONLINE vom 13.01.2017 zu entnehmen, rechnet Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sogar damit, dass Dobrindts Mautpläne mittelfristig zu Mindereinnahmen im Haushalt führen. Ich darf, Frau Präsidentin, aus diesem Artikel zitieren: „Hintergrund ist der Kompromiss zwischen Dobrindt und der EU-Kommission, nach dem deutsche Autofahrer, deren Kfz die Abgasnorm Euro 6 erfüllen, unterm Strich entlastet werden. Diese Regelung führe bereits im ersten Jahr zu geringeren Einnahmen ‚im niedrigen dreistelligen Millionenbereich‘, so die Einschätzung von Schäubles Experten. Weil fast nur noch Euro-6Fahrzeuge neu zugelassen würden, sei bereits nach Ende der aktuellen mittelfristigen Finanzplanung im Jahr 2020 davon auszugehen, dass die Einnahmeausfälle in der Kfz-Steuer die Nettoeinnahmen der Maut übersteigen und somit zu Einnahmeausfällen führen könnten.“
Nichtsdestotrotz wird der Bundesverkehrsminister seine Pläne wohl weiter verfolgen. Sollte die PkwMaut tatsächlich kommen, so darf sie zumindest nicht ohne Ausnahmeregelungen für Grenzregionen beschlossen werden. Ich denke, so lässt sich die Minimalposition - oder je nach Sichtweise auch Maxi
Denn eine „Infrastrukturabgabe“, wie die Pkw-Maut offiziell heißt, ohne Ausnahmeregelungen wirkt im kleinen Grenzverkehr zwischen dem Saarland und seinen Nachbarn wie eine Eintrittsgebühr. Sie baut längst vergessene Schranken wieder auf, erschwert die grenzüberschreitende Mobilität und beeinflusst damit die Kultur des Zusammenlebens nachhaltig. In der aktuellen Gesetzesfassung wäre die Infrastrukturabgabe deshalb ein Hindernis für die über 200.000 Pendler, ein wirtschaftliches Risiko für den saarländischen Einzelhandel, das Gastgewerbe und den Tourismus und sie würde überdies die Frankreichstrategie der Landesregierung konterkarieren. Wegen der Beschränkung der Infrastrukturabgabe für ausländische Fahrzeughalter auf Bundesautobahnen würde außerdem wohl ein erheblicher Teil dieser Fahrzeuge auf die Bundes-, Landes- und Kommunalstraßen ausweichen. Das, meine Damen und Herren, können wir alle in diesem Hause nicht wollen.
Die Opposition wird aus meinen Worten jetzt schlussfolgern, dass die SPD-Fraktion dann ja nur ihren Anträgen zustimmen müsse und schon sei das Problem gelöst. So einfach ist das Leben aber leider nicht. Damit wäre eben kein Problem gelöst. Ich habe bereits zu Beginn meiner Rede ausgeführt, dass die Koalitionsparteien unterschiedliche Positionen zur Pkw-Maut per se hatten und haben. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass sich dies mit dem heutigen Tage ändern wird. Aber eine Koalition funktioniert - wie eine Ehe - nur dann, wenn man sich auf den Partner verlassen kann. Sie funktioniert nicht, wenn die Frage der Koalitionstreue dadurch entschieden wird, mit welchem Fuß man morgens aufgestanden ist.
Wenn jede Regierung in unserem Land - denn in der heutigen Parteienlandschaft ist es wohl unwahrscheinlich, dass man alleine eine Regierung stellen kann - sich bei jeder Abstimmung eine neue Mehrheit suchen müsste, würde unsere parlamentarische Demokratie nicht mehr lange funktionieren. Deshalb: Manche von uns möchten gar keine Pkw-Maut, andere möchten eine, aber niemand von uns möchte eine Pkw-Maut ohne Ausnahmen für Grenzregionen. Ich bitte Sie daher um Zustimmung zum Antrag der Koalitionsfraktionen, um ein gemeinsames Zeichen dafür zu setzen, was wir alle auf gar keinen Fall möchten: Eine Maut ohne Ausnahmen für Grenzregionen, denn die wäre schädlich für unser Land! Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! - Ich weiß ja nicht, wer Ihren Antrag formuliert hat, das wäre vielleicht auch mal ganz interessant zu wissen. Aber eines kann ich Ihnen sagen: Ich mache diesen Neusprech hier nicht mit: „Infrastrukturabgabe“! Es geht um die Ausländermaut! Die Maut für die Ausländer, die unsere schönen Autobahnen benutzen. Das ist doch des Pudels Kern! Damit hat man doch im schönen Bayern einen hässlichen Wahlkampf veranstaltet, und darunter haben wir jetzt alle zu leiden. Hier mit einem Neusprech zu kommen und von einer „Infrastrukturabgabe“ zu sprechen - gut, wenn man Pressesprecher des Bundesverkehrsministers ist, dann muss man das vermutlich machen. Aber wir als Parlament sollten uns so etwas nicht zu eigen machen. Es geht hier um die Ausländermaut.
Ich komme noch dazu, Herr Kollege. - Und dann noch diese Forderung in Ihrem Antrag: „Keine Infrastrukturabgaben ohne Ausnahmen für Grenzregionen, sonst äußern wir unseren Unmut in einer Protokollnotiz.“ Oho! Das Saarland schreibt in eine Protokollnotiz, dass wir das nicht gut finden! Ich sehe jetzt schon, wie die Bayern die Teppiche einrollen und gehen und sagen: „Ja dann war es vielleicht doch eine schlechte Idee!“ Das ist doch keine echte Forderung, meine Damen und Herren!