Protokoll der Sitzung vom 15.02.2017

Meine Damen und Herren, offene Grenzen, so gut sie sind, haben mitunter den Nachteil, dass sie von Verbrechern genutzt werden. Deshalb ist die Zusammenarbeit der Sicherheitskräfte in unserer Großregion so wichtig. Es gibt seit Jahren gemeinsame Streifen und gemeinsame Polizeiübungen. In unserer Großregion gibt es etwas, was europaweit einzigartig ist: ein Zentrum, in dem vier Staaten im Bereich Zoll und Polizei zusammenarbeiten. Es ist das europäische Zentrum für Zoll- und Polizeizusammenarbeit in Luxemburg, das hervorragende Arbeit leistet. Aber es gibt ein Problem. Es gibt keine Rund-um-die-Uhr-Besetzung. Deshalb arbeiten wir, der saarländische Innenminister und unsere EuropaBevollmächtigte Helma Kuhn-Theis daran, auch dort voranzukommen. Ich bin davon überzeugt, je mehr die Staaten in der Europäischen Union auch bei der inneren Sicherheit zusammenarbeiten, umso mehr kann das Zentrum für Zoll- und Polizeizusammenarbeit zu einem Modell für die gesamte Europäische Union werden. Unsere Europa-Bevollmächtigte hat im Lauf des vergangenen Jahres mit den Verantwortlichen in der gesamten Großregion, die für die Sicherheitszusammenarbeit zuständig sind, geredet. Wir sind zuversichtlich, dass wir beim Thema vorankommen. Das ist nicht einfach. Dank ihrer Gespräche gibt es Fortschritte. Vielen Dank dafür unserer Europa-Bevollmächtigten Helma Kuhn-Theis!

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Wie gelingt es, die Großregion für die Bürgerinnen und Bürger erfahrbarer, konkreter, erlebbarer zu machen? Ich bin fest davon überzeugt, dass die Bereiche Sport und Kultur eine wichtige Rolle spielen. Eines der Ereignisse, das die Großregion in Europa am bekanntesten gemacht hat, war 2007, als die Großregion zusammen mit Luxemburg Kulturhaupt

stadt Europas war. Im kleineren Maßstab gibt es ganz viele konkrete Projekte, beispielsweise beim Sport das SaarLorLux-Jugendfußballturnier oder bei der Kultur das junge Orchester der Großregion, den Schuman-Chor, TOTAL THEATER und viele weitere Projekte.

Ich bin davon überzeugt, dass gerade bei Sport- und Kulturveranstaltungen noch ein Riesenpotenzial liegt. 2018 hat die Europäische Union zum europäischen Jahr des kulturellen Erbes ausgerufen. Wir haben in unserer Großregion 20 UNESCO-Weltkulturerbe. Ich glaube, dass darin auch eine Chance besteht, wenn wir uns als Großregion zusammen vornehmen, dort ein Stück voranzukommen, weil Kultur und Sport die Transporteure für Bewusstseinsbildung sind. Das brauchen wir. Wir wollen daran arbeiten, damit die Großregion nach außen hin bekannter und im Inneren für die Bürgerinnen und Bürger konkreter und erlebbarer wird.

Es wurde oft gesagt, ein gemeinsamer Medienraum wäre wichtig. Das ist ein Bereich, den wir von staatlicher Seite nicht anordnen können. Aber auch da leisten wir als Saarland unseren Beitrag. Ich bin dem saarländischen Landtag sehr dankbar, dass er bei der letzten Änderung des Saarländischen Mediengesetzes einen Akzent gesetzt hat. Seit dem vorigen Jahr hat nämlich der Interregionale Parlamentarierrat Sitz und Stimme bei uns im Rundfunkrat des Saarländischen Rundfunks und im saarländischen Medienrat. Auch das ist ein konkretes Beispiel dafür, wie die Zusammenarbeit in allen Bereichen unserer Großregion langsam, aber stetig enger wird.

Unsere Großregion ist vor allem ein gemeinsamer Lebensraum, wir leben zusammen, es gibt mittlerweile grenzüberschreitende Liebesgeschichten mit Ehen und Kindern. Da wächst eine „Generation Großregion" heran mit gemeinsamer Währung, ohne Grenzkontrollen. Wir wollen, dass das so bleibt, dass die junge Generation mit einer gemeinsamen Währung aufwächst und dass Grenzkontrollen für sie zur Vergangenheit gehören. Das ist unser gemeinsames Ziel für die Großregion.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Vor Kurzem gab es zum Thema Großregion eine Umfrage. 73 Prozent der Saarländer haben gesagt, dass die Großregion konkrete Vorteile für unser Land bringt. Bei den Jüngeren waren es sogar noch mehr: 90 Prozent der jungen Saarländer verbinden mit der Großregion SaarLorLux eine Zukunft für sich und das Land. Das macht Mut. Das beweist, dass wir richtig liegen!

Es geht auch darum zu überlegen, was wir in Zukunft tun können. Was sind die Perspektiven, wie können wir die grenzüberschreitende Zusammenarbeit weiter voranbringen? Ich will drei Themen nennen.

(Minister Toscani)

Erster Punkt, die Territorialreform in Frankreich. Sie hat uns eine neue Nachbarregion geschaffen, Grand Est, entstanden aus der Fusion zwischen Elsass, Lothringen und Champagne-Ardenne. Diese neue französische Region Grand Est hat eine Besonderheit: Sie grenzt an vier Nachbarstaaten, Belgien, Luxemburg, Deutschland und die Schweiz. Grand Est hat damit eine sehr große grenzüberschreitende Kooperationserfahrung. Erstmals sind alle auf französischer Seite an Deutschland angrenzenden Gebiete unter einer politischen Führung vereint. Das ergibt Chancen für uns. Ich sehe darin Chancen für eine weitere Vertiefung unserer Zusammenarbeit und deshalb hat unsere Ministerpräsidentin vor einigen Wochen die Bundesländer Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg eingeladen, gemeinsame Themen, die wir als drei Bundesländer gemeinsam mit unseren französischen Partnern haben, zu diskutieren und gemeinsam zu überlegen, wie wir als Bundesländer künftig mit dieser neuen Region umgehen, wie wir gemeinsam künftig mit Grand Est kooperieren wollen.

Diese französische Region hat eine weitere Besonderheit. Es gibt zwei Makroregionen in Europa, SaarLorLux, also wir, aber auch den Oberrhein. Wenn man jetzt einfach mal die vertikale Verbindung hinzudenkt, dann ist die neue französische Region Grand Est das Verbindungsstück zwischen SaarLorLux und der Region Oberrhein. Dadurch könnte in Zukunft eine europäische Makroregion entstehen, die gleichsam wie ein europäischer Bogen von den Toren Basels über Straßburg, Nancy, Metz, Saarbrücken, Luxemburg bis vor die Tore Brüssels reicht. Also, Grand Est als eine weitere Perspektive und Chance, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit insgesamt zu fördern.

Zweiter Punkt. Ich bin der Überzeugung, dass die grenzüberschreitende Kooperation mehr rechtliche Freiheiten braucht. Der Präsident unseres NachbarDepartements, Patrick Weiten, hat vor Kurzem einen Vorschlag gemacht. Er hat gesagt, dass wir mehr Öffnungsklauseln brauchen. Er hat das natürlich auf die französische Diskussion bezogen gesagt, aber der Vorschlag ist insgesamt gut und richtig. Ich stehe ihm offen gegenüber, denn diese Öffnungsklauseln bieten die Chance, lebensnahe, pragmatische Lösungen zu finden. Dass Öffnungsklauseln wichtig sind und wichtig werden können, zeigt uns die aktuelle Diskussion um die Pkw-Maut in Deutschland. Die Pkw-Maut darf nicht zu einem Hemmnis für den grenzüberschreitenden Austausch werden, für das lebendige Miteinander zwischen Nachbarn in Europa. Deshalb drängen wir darauf, dass mautfreie Übergangszonen in unserer Großregion ermöglicht werden.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Dritter Punkt. Wie können wir die Großregion nach außen sichtbarer machen und die Bürgerinnen und Bürger nach innen stärker integrieren? Ich glaube, dass wir da mehr Kontinuität brauchen. Die Präsidentschaft in der Großregion wechselt alle zwei Jahre zwischen den einzelnen Partnern der Großregion. Eine Idee wäre - und ich bin davon überzeugt, dass das sinnvoll wäre -, mehr Kontinuität hineinzubringen, indem wir einen Generalsekretär der Großregion schaffen, praktisch eine ständige Institution, die über die Präsidentschaften hinaus die Großregion symbolisiert und auch für noch mehr Kontinuität in der Arbeit der Großregion sorgt.

Meine Damen und Herren, wir sind Saarländer, wir sind Deutsche, wir sind Bürger der Großregion und wir sind Europäer. Das Schöne ist, dass diese Identitäten nicht gegeneinander arbeiten, sondern dass all diese Identitäten einander ergänzen. Deutscher und Europäer, Franzose und Europäer, Italiener und Europäer, Spanier und Europäer zu sein, das passt zusammen. Das ist kein Gegensatz. Lassen Sie uns all denen entgegentreten, die daraus einen falschen Gegensatz in Europa aufbauen wollen. Wir leben es anders.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Alle deutschen Bundesländer, auch wir, nehmen ihre Interessen gegenüber den Institutionen der Europäischen Union wahr. Wir waren das erste Bundesland, das in den Achtzigerjahren eine Vertretung in Brüssel hatte. Wir haben diese Vertretung neu konzipiert. Wir haben im letzten Jahr einen Relaunch gemacht, würde man auf Neudeutsch sagen. Wir arbeiten künftig unter einem Dach mit unserer Partnerregion Grand Est zusammen, das heißt, wir treten in Brüssel mit unserer Vertretung und der Vertretung von Grand Est als deutsch-französisches Tandem auf. Aber das Wichtigste ist, dass wir dort unsere Interessen gegenüber den EU-Institutionen vertreten. Die Landesregierung tut das aktuell beispielsweise beim Thema Stahlindustrie. Wir müssen aufpassen, dass die Reform des CO2-Emissionshandels in der Europäischen Union nicht zu einem Bumerang für diejenigen wird, die vergleichsweise umweltfreundlich Stahl produzieren. Deshalb ist das ein ständiges Thema der gesamten Landesregierung, auch unsere Vertretung in Brüssel arbeitet daran.

Wir haben vor zwei Jahren mit dem gesamten Kabinett eine Sitzung in Brüssel gehabt. Bei dieser Sitzung hatten wir Jean-Claude Juncker und den damaligen Präsidenten des EU-Parlaments, Martin Schulz, als Gäste. Der Kommissionspräsident hat bei dieser Gelegenheit das Saarland als eine europäische Referenzregion gewürdigt. Damit hat JeanClaude Juncker, der Kommissionspräsident, recht. Wir sind tatsächlich eine europäische Referenzregion. Wir haben mit Engagement und Leidenschaft viel erreicht, aber es gibt auch noch viel zu tun. Ge

(Minister Toscani)

rade für uns ist die Europäische Union das stabile Fundament. Deswegen fühlen wir uns verantwortlich, unseren Beitrag in und für Europa zu leisten und unsere Stimme auch dort zu erheben, wo es Probleme und Herausforderungen gibt.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns die Chancen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit weiter nutzen, gemeinsam mit unseren Partnern diesseits und jenseits der Grenze. Lassen Sie uns auch in Zukunft mit Realismus und mit Leidenschaft weiter dafür arbeiten, den europäischen Traum zu verwirklichen. Lassen Sie uns auch in Zukunft eine europäische Referenzregion sein, ein leuchtendes Beispiel für die Kraft der Völkerverständigung, ein leuchtendes Beispiel für die Idee der europäischen Einigung. Es ist unser Europa, es ist unsere Zukunft und die unserer Kinder.

(Lang anhaltender Beifall von den Regierungs- fraktionen.)

Ich eröffne die Aussprache und weise darauf hin, dass sich die Fraktionen auf eine Redezeit im Umfang des 1,5-fachen Redezeitmoduls verständigt haben. Die Landesregierung trägt diese Vereinbarung mit. - Das Wort hat für die Fraktion DIE LINKE Herr Fraktionsvorsitzender Oskar Lafontaine.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte die Ausführungen des Finanzministers zu Europa um einige Gedanken ergänzen, die er nicht angesprochen hat. Ich möchte dies tun, weil ich glaube, dass es am heutigen Tag von Wichtigkeit ist, dass wir im Landtag darüber sprechen.

Uns alle besorgt sicherlich der Sachverhalt, dass in ganz Europa Renationalisierungstendenzen zu beobachten sind. Ich glaube, wir haben von der Saar aus etwas dazu zu sagen. Daher möchte ich neben den Personen, die der Finanzminister erwähnt hat, an drei Männer erinnern, die in diesem Zusammenhang in der Geschichte des Saarlandes aus meiner Sicht Hervorragendes geleistet haben. Ich nenne Max Braun, den legendären Vorsitzenden der SaarSPD vor dem Zweiten Weltkrieg, ich nenne Johannes Hoffmann, der als Katholik mit anderen den Widerstand gegen den Nationalsozialismus organisiert hat, und ich nenne Gustav Regler, der als Schriftsteller und - wenn man so will - als aktiver Politiker ebenfalls versucht hat, die Ausbreitung des Nationalsozialismus hier an der Saar zu verhindern.

Max Braun hat rechtzeitig darauf hingewiesen, dass das Saarland eine Verbindung zu Frankreich braucht. Er hat sich immer wieder dafür eingesetzt, dass der Frieden in Europa nur dann gesichert wer

den kann, wenn die deutsch-französischen Beziehungen gestärkt werden. Ich glaube, es ist richtig, heute im saarländischen Landtag an diesen Mann und seine Arbeit zu erinnern. Er gehörte zu den wesentlichen Mitgründern des sogenannten LutetiaKreises in Paris, ein Hotel, von dem aus der Widerstand gegen den Nationalsozialismus organisiert wurde. Ich glaube, Max Braun gehört zu den Saarländern, die an erster Stelle dem Gedanken zum Durchbruch verholfen haben, dass das Gegeneinander der Nationen in Europa nicht zum Frieden führt und dass daher nur das Miteinander der Nationen, insbesondere das Miteinander Deutschlands und Frankreichs, die Grundlage des Friedens in Europa ist.

Genauso ist Johannes Hoffmann zu würdigen, der nach meiner Auffassung an der Saar lange Zeit für seine Arbeit nicht ausreichend respektiert wurde. Man muss ihn aus seiner Lebensgeschichte heraus verstehen. Er war engagierter Katholik, der versucht hat, das Vordringen des barbarischen Nationalsozialismus zu verhindern, der in einer Abwehrfront zusammen mit anderen versucht hat, die Abstimmung in seinem Sinne zu beeinflussen, und der dann ebenfalls fliehen musste wie Max Braun und viele andere. Johannes Hoffmann hat nach dem Kriege mit anderen versucht, das Saarland im europäischen Geiste wieder aufzubauen. Auch ihn muss man aus der Zeit heraus verstehen. Man darf nicht übersehen, dass sein Vermächtnis, das er in einem Buch niedergeschrieben hat, einen Titel trägt, der ganz einfach ist, der aber das aussagt, was wir heute hier besprechen wollen. Der Buchtitel lautet: „Das Ziel war Europa“.

Ich möchte auch an Gustav Regler erinnern, gerade jetzt und in der heutigen Zeit. Er hat als Schriftsteller versucht, sich der braunen Flut, wie er es nannte, entgegenzustemmen. Ich erinnere aus Zeitgründen nur an eine Szene aus seinem Buch „Das Ohr des Malchus“. Darin schreibt er, wie diejenigen, die im Widerstand sind, sich unweit von hier im „Stiefel“ versammelt haben und wie dann einer auftritt, der von der Gestapo gefoltert wurde und der Brandmale auf seiner Haut hat. Er zeigt diese Brandmale, um die Uneinsichtigen zu überzeugen. Und dann kommt von hinten aus dem Saal der Ruf: Was hat man dir denn dafür bezahlt?

Diese Szene möchte ich, da wir gar nicht weit entfernt vom „Stiefel“ sind, zum Anlass nehmen, um an etwas zu erinnern und etwas anzusprechen. Im Hinblick auf die Wahl, die vor uns liegt, glaube ich, den Gedanken ausdrücken zu müssen, dass es nicht gut wäre, wenn in diesem Parlament Männer und Frauen vertreten wären, die an Traditionen anknüpfen würden, gegen welche die Männer, die ich eben genannt habe, gekämpft haben.

(Starker Beifall.)

(Minister Toscani)

Nach dem Kriege war es der Franzose Jean Monnet, der wesentlich zum Wiederaufbau Europas beigetragen hat und der einen entscheidenden Satz gesagt hat, den wir vielleicht immer noch nicht ausreichend beherzigen. Er sagte damals: Wenn ich noch einmal beginnen würde, würde ich nicht mit der Wirtschaft beginnen, sondern mit der Kultur. - Gerade weil die französische Generalkonsulin Madame Robinet heute hier ist, möchte ich an zwei wesentliche Entscheidungen der französischen Besatzungsmacht erinnern. Denn auch das gehört zu unserer saarländischen Geschichte. Es wurde die saarländische Universität gegründet. Ich glaube, wir können Frankreich auch heute noch dafür dankbar sein, dass die Universität damals gegründet wurde. Wir sind heute stolz auf die Saar-Universität. Wir dürfen aber nicht vergessen, wer sie gegründet hat.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Ich möchte auch an die Maréchal-Ney-Schule, wie sie damals hieß, erinnern. Heute wird diese Schule als Deutsch-Französisches Gymnasium von vielen saarländischen Kindern und auch von Kindern aus Frankreich besucht. Sie ist eine wichtige Einrichtung, um Deutschland und Frankreich zusammenzubringen und die jeweilige Kultur zu vermitteln. Auch diese Gründung verdanken wir Frankreich. Ich möchte in Ihrer Anwesenheit, Frau Generalkonsulin, auch an diese wichtige Entscheidung der damaligen Zeit erinnern.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Ich habe vorhin Männer und Frauen gewürdigt, die nach meiner Auffassung etwas beigetragen haben zur europäischen Idee an der Saar. Weil der Finanzminister auch Polen angesprochen hat, will ich daran erinnern, dass es eine der entscheidenden Leistungen Franz-Josef Röders war, damals den PolenVerträgen zugestimmt zu haben, die im Bundestag sehr umstritten waren. Er hat damit einen ersten Schritt von der Saar nach Osteuropa getan. Nach meiner Auffassung hat er sich mit dieser Entscheidung Verdienste erworben.

Ich bleibe aber jetzt bei der Kultur, weil sie so ungemein wichtig ist für das Miteinander der Völker. Ich erwähne den Saarländischen Rundfunk. Er hat, glaube ich, Hervorragendes geleistet, wenn es darum geht, die deutsch-französische Verständigung zu fördern, aber auch die Verständigung in Europa überhaupt. Was der Saarländische Rundfunk in unserer Jugend bedeutet hat, möchte ich an einem Namen festmachen, an einer Person, die Widerstandskämpfer war gegen den Nationalsozialismus. Es ist Pierre Séguy. Er hatte lange Jahre am Saarländischen Rundfunk eine Sendung, in der er das französische Chanson nicht nur den Saarländern und Saarländerinnen nahebrachte, sondern auch vielen Zuhörerinnen und Zuhörern aus ganz Deutschland.

Er gilt, wenn man seine Geschichte einmal nachliest, als derjenige, der dem französischen Chanson den Weg bereitet hat. Auch diesem Mann möchte ich heute danken. Ich glaube, viele Saarländerinnen und Saarländer - ich zumindest gehöre dazu - haben ihre Liebe zu Frankreich nicht zuletzt deshalb entdeckt, weil sie das französische Chanson schätzen und lieben gelernt haben.

Da ich vom Saarländischen Rundfunk gesprochen habe, möchte ich eine weitere Einrichtung in Erinnerung rufen, die alle Bundesländer auf den Weg gebracht haben, die ich aber in diesem Zusammenhang für uns als sehr wichtig erachte. Es ist der Sender ARTE. Ich weiß nicht, inwieweit Sie den Sender nutzen, aber ich sehe Kopfnicken quer durch die Fraktionen. Ich halte diesen Sender für eine ganz wichtige kulturelle Einrichtung in Europa und bin ihm dankbar, dass er immer wieder versucht, die europäische Verständigung kulturell zu vermitteln, insbesondere die Verständigung zwischen Deutschland und Frankreich. Einer der Initiatoren war der damalige französische Kultusminister Jacques Lang, der mit den Ministerpräsidenten der Bundesrepublik Deutschland diesen Sender installiert hat. Auch das war eine Entscheidung, die von großer Bedeutung ist. Ich will heute daran erinnern.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Herr Finanzminister, ich möchte aus dem, was Sie vorgetragen haben, einen Aspekt herausgreifen. Sie haben zu Recht darauf verwiesen, dass etwa ein Drittel der Kundschaft in Saarbrücken Franzosen sind. Jeder, der mal durch die Bahnhofstraße geht, weiß das. Genauso weiß man, wie wichtig der grenzüberschreitende Austausch ist. Ich erinnere an die Woche des jungen französischen Theaters, in der viele Französinnen und Franzosen zu uns kommen, um diese Veranstaltung zu sehen. Sie kommen wegen des kulturellen Austausches.

Wo wir uns heute so einig sind, will ich an einen weiteren Punkt erinnern: Es wäre im Interesse dessen, was wir heute hier besprechen, wichtig, wenn wir genauso wie Frankreich bei den Autobahngebühren eine Zone hätten, in der keine Gebühren erhoben würden und der gegenseitige grenzüberschreitende Verkehr gefördert würde. Frankreich macht es so. Wir zahlen bis Forbach nichts, wir zahlen von Thionville bis Metz nichts. Insofern sollten auch in Deutschland eine Möglichkeit und Lösung gefunden werden. Wir können alle diejenigen, die sich bemühen, dies zu tun, nur unterstützen.

(Beifall von den Oppositionsfraktionen.)

Meine Damen und Herren, ich will die Nationalisierungstendenz noch einmal ansprechen, weil das sicherlich jede und jeden von uns bewegt. Wir haben in Europa in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Fehlern gemacht. Das müssen wir selbstkritisch

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) )

sehen. Ich sage „wir“, weil solche Fehlentwicklungen nicht nur auf ein Land oder einige wenige Personen zurückzuführen sind.

Diese Fehlentwicklungen werden heute sehr deutlich sichtbar, beispielsweise bei dem großen Thema der Flüchtlingsfrage. Bei der Behandlung der Flüchtlingsfrage fehlte viel zu lange der europäische Geist, viel zu stark haben die Eigeninteressen der einzelnen Länder die Entscheidungen bestimmt. Ich gehe dabei von dem Asylkompromiss aus, den ich als saarländischer Ministerpräsident mitgestaltet habe. Der Asylkompromiss hatte zwei Grundlagen, von denen eine vergessen wurde. Die eine Grundlage war, dass man eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge in Gesamteuropa haben wollte. Ich glaube, das ist ein Gedanke, dem niemand widersprechen kann. Im Ergebnis kam die sogenannte Dublin-Regel zustande, die zunächst einmal besagte, dass die Asylanträge dort gestellt werden müssen, wo die Menschen, die verfolgt werden, zum ersten Mal den europäischen Boden betreten. Wir dürfen nicht vergessen, dass diejenigen, die ich hier genannt habe - Max Braun, Gustav Regler, Johannes Hoffmann -, uns alle verpflichten, dieses Grundrecht auf Asyl im europäischen Rahmen zu bewahren und niemals preiszugeben, daran auch nicht rütteln zu lassen.