Protokoll der Sitzung vom 15.02.2017

Diese Fehlentwicklungen werden heute sehr deutlich sichtbar, beispielsweise bei dem großen Thema der Flüchtlingsfrage. Bei der Behandlung der Flüchtlingsfrage fehlte viel zu lange der europäische Geist, viel zu stark haben die Eigeninteressen der einzelnen Länder die Entscheidungen bestimmt. Ich gehe dabei von dem Asylkompromiss aus, den ich als saarländischer Ministerpräsident mitgestaltet habe. Der Asylkompromiss hatte zwei Grundlagen, von denen eine vergessen wurde. Die eine Grundlage war, dass man eine gerechte Verteilung der Flüchtlinge in Gesamteuropa haben wollte. Ich glaube, das ist ein Gedanke, dem niemand widersprechen kann. Im Ergebnis kam die sogenannte Dublin-Regel zustande, die zunächst einmal besagte, dass die Asylanträge dort gestellt werden müssen, wo die Menschen, die verfolgt werden, zum ersten Mal den europäischen Boden betreten. Wir dürfen nicht vergessen, dass diejenigen, die ich hier genannt habe - Max Braun, Gustav Regler, Johannes Hoffmann -, uns alle verpflichten, dieses Grundrecht auf Asyl im europäischen Rahmen zu bewahren und niemals preiszugeben, daran auch nicht rütteln zu lassen.

(Beifall.)

Das ist ja die Tradition, die diese Personen uns vermitteln. Deshalb haben wir diesen Ansatz gesucht.

Aber jetzt kommt der entscheidende Zusatzgedanke, der zu großen Schwierigkeiten geführt hat, weil er nicht befolgt worden ist. Es hieß auch, dass wir einen finanziellen Ausgleich brauchen und einen Verteilungsschlüssel in Gesamteuropa, um nicht Staaten wie Griechenland oder auch Italien alleine zu lassen, die sonst die Hauptlast dieser Flüchtlingsbewegungen zu tragen hätten. Dieser zweite Gedanke wurde über viele Jahre vernachlässigt, auch durch Versäumnisse aus Deutschland. Deswegen haben sich dann, als es einmal ernst wurde, andere Staaten gesperrt, sich zu einer gemeinsamen Lösung zu bekennen. Wir dürfen also nicht immer nur vom europäischen Zusammenhalt reden, sondern wir sind auch verpflichtet, wenn es darum geht, schwierige Aufgaben in Angriff zu nehmen, nationale Egoismen zu überwinden.

Die zweite Frage bezieht sich nicht auf kulturelle und soziale Entwicklungen, sondern auf die wirtschaftliche Entwicklung. Ich habe mit zu denen gehört, die den Euro als Währungssystem damals befürwortet haben. Ja, ich kann sagen, ich habe eine wesentliche Rolle dabei gespielt, ihn seinerzeit in der sozialdemokratischen Partei Deutschlands durchzusetzen; andere wichtige Persönlichkeiten waren anderer Auffassung. Ich habe aber darauf hingewiesen - für historisch Interessierte: 1995 in Mannheim -, dass

dieses Währungssystem nur funktionieren kann, wenn es eine Lohnstückkosten-Koordination gibt. Sie ist leider nicht zustande gekommen. Deshalb haben wir jetzt ein erhebliches Auseinanderentwickeln der Volkswirtschaften in Gesamteuropa. Solange dieses Problem nicht gelöst wird, werden die Völker Europas weiter auseinanderdriften.

Wir können es nur lösen, wenn wir in Europa einen wirtschaftlichen Rahmen konstituieren, der dazu führt, dass die Interessen aller Völker Europas gewahrt werden.

(Beifall bei der LINKEN.)

In einem Währungssystem - das ist weltweit unumstritten -, das wirtschaftlich stärkere Volkswirtschaften bevorteilt und wirtschaftlich schwächere Volkswirtschaften erheblich benachteiligt, kann der europäische Gedanke nicht reifen. In einem solchen Währungssystem wird es weiter Nationalisierungstendenzen geben. Wenn wir sehen, dass beispielsweise Italien 25 Prozent seines industriellen Anteils verloren hat, dann muss das jeden engagierten Europäer umtreiben. An die Adresse der Generalkonsulin als Vertreterin unseres Nachbarlandes möchte ich sagen: Es ist nicht akzeptabel, wenn ein Land wie Frankreich die Vereinbarungen einer Währungsunion einhält, die darin bestehen, ein gemeinsames Inflationsziel zu verfolgen, und andere Länder diese Vereinbarungen nicht einhalten, indem sie - ich sage es einmal so - Lohndumping betreiben. Dann kann die ganze Sache nicht funktionieren.

(Beifall bei der LINKEN.)

Wir sind also, meine sehr geehrten Damen und Herren, gehalten, diese Nationalisierungstendenzen in ihrem Ursprung zu erkennen. Der Ursprung liegt nicht zuletzt in einer sehr unterschiedlichen ökonomischen und sozialen Entwicklung. Wenn im Zuge einer Wirtschaftsphilosophie, wie sie sich weltweit ausgebreitet hat, die sozialen Systeme immer mehr unter Druck geraten sind und damit die Lebensentwürfe vieler Menschen in Frage gestellt wurden nicht nur in Deutschland, nicht nur in Europa, sondern weltweit; denken Sie an die Entwicklung in den Vereinigten Staaten -, dürfen wir uns nicht wundern, wenn autoritäre Systeme oder nationalistische Regierungen wieder an die Macht kommen. Ich glaube, der heutige Tag, an dem wir hier an der Saar über Europa diskutieren, sollte uns dazu verpflichten, solchen Entwicklungen entgegenzutreten.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Das Wort hat für die CDU-Landtagsfraktion Herr Abgeordneter Roland Theis.

(Abg. Lafontaine (DIE LINKE) )

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Toscani, zunächst einmal gestatten Sie mir, Ihnen ganz herzlich zu danken für die, wie ich finde, frische und sehr vitale Regierungserklärung, die Sie gerade vorgetragen haben. Ich verbinde dies mit einem Dank an Ihre Mannschaft, denn das Europaministerium, sehr geehrter Herr Minister, ist ein kleines Team, aber mit großer Wirkung.

Europapolitik im Saarland, das ist Querschnittsaufgabe, das ist - und das haben die vielen Beispiele, die Sie aufgezählt haben, gezeigt - im wahrsten Sinne des Wortes saarländische Innenpolitik. Sie sind als Europaminister und als Ministerium an vielen Fronten unterwegs. Ich darf Sie zunächst einmal beglückwünschen zu den vielen Unterstützern, die Sie von außerhalb haben. Ich habe vorhin Frau Professor Oster-Stierle, Frau Professor Fellner und natürlich unsere Generalkonsulin gesehen, die vielen aus der saarländischen Zivilgesellschaft, die das tun; Herr Ukrow ist auch hier. Herr Minister, Sie haben zu Recht diese Unterstützung, weil das Europaministerium gute Arbeit leistet. Dafür zunächst einmal herzlichen Dank.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Ich will Ihnen aber auch danken für das Bekenntnis zur europäischen Identität unserer Region und die Betonung einer - bei allen Unterschieden in diesem Haus - wertvollen Gemeinsamkeit. Denn wir führen diese europapolitische Debatte in einer Zeit, in der viele Gewissheiten verloren gegangen sind, die in den vergangenen Jahrzehnten als erreicht galten, in einer Zeit, in der - das kann man sagen, auch der Kollege Lafontaine ist darauf eingegangen - der europäische Gedanke und der Gedanke von freiheitlichen Demokratien weltweit in die Krise geraten sind. Ich denke dabei nicht nur an Ereignisse wie den Brexit und das Aufkommen von Nationalismen auch in unserem Nachbarland - Le Pen, Mélenchon sind ja nur zwei Namen, die für eine antieuropäische Haltung stehen beziehungsweise für den Aufstieg von EU-feindlichen Populismen allerorten -, sondern auch an Kreise, in denen früher der Gedanke der Vertiefung der europäischen Integration selbstverständlich war. Ich erinnere mich persönlich an die Zeit, in der ich im Ausland studieren durfte, vor ungefähr 15 Jahren, als in dem Studentenwohnheim, in dem ich lebte, Franzosen, Belgier, Senegalesen, Finnen, natürlich auch beim gemeinsamen Kochen, Essen und Sonstwas-Tun, sich über Europa unterhalten haben.

(Zuruf des Abgeordneten Ulrich (B 90/GRÜNE).)

Für uns, meine sehr verehrten Damen und Herren, war das Zusammenwachsen Europas nicht nur Konsens, es war auch Selbstverständlichkeit. Auch die

Begriffe, die wir damals in den Debatten benutzt haben, haben gezeigt, dass die Richtung, in die sich Europa entwickeln sollte, völlig klar war. Wir sprachen damals - und manche tun es heute in anderen Zusammenhängen immer noch - vom Europa der zwei Geschwindigkeiten, als gäbe es unterschiedliche Tempos, mit denen man sich in eine Richtung bewegen kann.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, seit dem Brexit wissen wir: Dieser Wagen hat auch einen Rückwärtsgang. Es geht eben nicht mehr nur um die Frage, in welcher Geschwindigkeit wir das europäische Projekt vertiefen, sondern es geht darum, ob wir das überhaupt wollen. Das ist mir noch einmal deutlich geworden, als ich im vergangenen Monat mit internationalen Studenten diskutiert habe, mit Menschen also, die eigentlich an diese Idee glauben müssten, weil sie gerade ihre Ausbildung absolvieren und natürlich auch von der Europäischen Union und von diesem Gedanken profitieren. Diese Studenten kamen aus Deutschland, aus Frankreich, aus anderen europäischen Staaten und darüber hinaus. Bei dieser Diskussion wurde der europäische Gedanke durchaus auch infrage gestellt. Manche Studierende - gerade wenn sie aus Ländern wie Russland oder der Türkei kommen - sagen heute, die freiheitliche Demokratie mag euer System sein, unseres ist es aber in dieser Gestalt nicht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, das stellt uns als diejenigen, die an diese Idee glauben und an ihr festhalten, vor neue Herausforderungen. Wir müssen wieder stärker auch aktuelle Begründungen dafür liefern - wobei auch die historischen Begründungen wichtig sind, Kollege Lafontaine - und den Beweis in der Gegenwart antreten, dass die Lösung der Probleme unserer Zeit, einige davon sind eben genannt worden, in gemeinsamen europäischen Antworten liegen. Wir müssen deutlich machen, dass Abschottung und Protektionismus für moderne Volkswirtschaften Irrwege sind und dass demokratische Systeme zu stabileren, zu erfolgreicheren und auch zu gerechteren Gesellschaften führen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, unsere Aufgabe als Demokraten und als Europäer ist es, diesen Beweis im Saarland und darüber hinaus anzutreten, und deshalb ist diese Debatte richtig.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Ich glaube, unsere gemeinsame Überzeugung besteht darin, dass das Saarland hier eine wichtige Rolle zu spielen hat. Das liegt an unserer geografischen Lage, weil hier die Bürgerinnen und Bürger in ihrem Alltag vor ganz konkrete Probleme gestellt werden, die ja nicht Probleme europäischer Provenienz sind, sondern es sind Probleme - Minister Toscani hat es vorhin dargestellt - des Zusammenkommens und des immer noch Auseinanderragens unterschiedlicher nationaler Regelungen in der einen

oder anderen Frage. Wir können hier im Kleinen zeigen, dass gemeinsame Lösungen eben nicht in der Trennung und nicht im Bau von Mauern liegen, sondern in der gemeinsamen Herangehensweise an diese Themen.

Einige Themen sind genannt worden, an denen man das sehr, sehr plastisch machen kann und auch machen muss, weil diese Dinge die Menschen umtreiben. Ich denke hier an den Bereich der inneren Sicherheit. Minister Toscani hat es eben schon angesprochen. Das beste Mittel gegen grenzüberschreitende Banden, die sich die Grenze zunutze machen, um vor der Verfolgung der Sicherheitsbehörden zu fliehen, ist es eben nicht, die Grenzen zu kontrollieren, sondern ist es, dafür zu sorgen, dass die Sicherheitsbehörden gut zusammenarbeiten. Das deutsch-französische Kommissariat, Sie haben das Gemeinsame Zentrum für Polizei- und Zollzusammenarbeit in Luxemburg genannt, aber auch der alltägliche Kontakt zwischen den Beamten auf der einen oder anderen Seite sind dafür bestes Beispiel. Frau Kuhn-Theis ist ja an der Stelle immer noch zu Recht unterwegs, aber es gibt noch viel zu tun.

Das gilt auch für den Arbeitsmarkt. Das beste Mittel gegen Jugendarbeitslosigkeit in Frankreich und Fachkräftemangel in Deutschland ist eine gemeinsame Lösung durch eine bessere Verzahnung der Ausbildungs- und Arbeitsmärkte. Es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit des großen europäischen Projektes, dass wir hier im Kleinen zeigen, dass die Probleme der Grenzen lösbar sind. Solange wir nicht einmal in der Lage waren, dafür zu sorgen, dass Taxis ohne bürokratische Probleme von Forbach nach Saarbrücken fahren konnten, war das wenig glaubwürdig. Und so gibt es viele kleine Beispiele dafür, dass Europa die Lösung im Großen ist.

Wir haben die gemeinsame Überzeugung, dass das Saarland aufgrund seiner geografischen Lage eine besondere Rolle hat. Aber ich will dem Kollegen Lafontaine zustimmen, dass wir auch eine besondere Rolle haben, weil wir eine besondere historische Situation haben. Denn das Saarland war Zankapfel und unsere Region war grenzüberschreitend immer Kristallisationspunkt europäischer Politik. Wenn sich die Mächtigen in Berlin und Paris und darüber hinaus verstanden haben, ging es den Saarländern gut. Und wenn sie sich nicht verstanden haben, waren wir die Ersten, die darunter gelitten haben. Heute sind wir Labor und Ausgangspunkt von vielen Initiativen. Eine Person möchte ich nennen, die man als historische Figur, wenn man an die Region denkt, glaube ich, nicht vergessen darf. Das ist Robert Schuman, der als deutscher Staatsbürger in Luxemburg geboren wurde und als französischer Politiker die Weichen gestellt hat für das europäische Projekt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir leben hier in der Erde von Robert Schuman, wir leben hier

auch mit diesem Gedanken, denn europäische Überzeugungen dürfen nicht in Gedenkkultur enden. Es ist wichtig, dass wir uns die historischen Zusammenhänge - Kollege Lafontaine hat das ja eben getan - wieder vor Augen führen. Aber Europa darf aus Sicht der jungen Generation kein Friedhof großer alter Männer sein, sondern muss Quell guter Ideen für die Zukunft sein. Und die Idee Robert Schumans war, dass die vitalen Interessen seiner Zeit, das, worüber und womit Nationen Krieg geführt haben, in Zukunft gemeinsam bewirtschaftet und geklärt werden muss. Das waren damals Kohle und Stahl und es waren mit der Weiterentwicklung, mit Euratom auch andere große Industriebereiche.

Aber wir müssen heute die Frage beantworten: Was sind denn heute - Stand 2017 - auf die Ideen Robert Schumans zurückgehend die wesentlichen und vitalen Interessen unserer Zeit, die wir gemeinsam angehen müssen? Es sind mit Sicherheit die Themen Migration und Schutz unserer Außengrenzen, es geht aber auch um das Thema Souveränität auf europäischer Ebene, Souveränität in einer komplexer gewordenen Welt. Es geht auch um die Themen Verteidigungspolitik und digitale Souveränität. Wir sollten als Europäer in der Lage sein, über unsere Daten bestimmen zu können. Ich bin mir sicher, wenn heute Robert Schuman wieder einen Plan entwerfen würde, würde er die Themen Verteidigungspolitik, digitale Souveränität und gemeinsames Auftreten der Europäer in der Welt in den Vordergrund stellen. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist meines Erachtens der richtige Quell: gute Ideen, kein Friedhof großer Männer, sondern Quell für die Zukunft. Darauf sollten wir aufbauen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Eine solche Initiative, die von unserer Region ausgeht, ist die Frankreichstrategie. Das ist die Strategie dieses Landes, aber es ist eine, die weit über die Landesgrenzen hinausgeht - hin zu unseren französischen Nachbarn. Ich bin wirklich optimistisch, dass diese Frankreichstrategie auch weiterhin Erfolge zeitigt. Das zeigt die Unterstützung im Saarland. 70 Prozent der Saarländerinnen und Saarländer unterstützen sie, und über 90 Prozent der jungen Menschen halten das für eine gute Idee. Das zeigen aber auch die Reaktionen und Interessensbekundungen aus Frankreich, aus Lothringen, dem Elsass und weit darüber hinaus. Das zeigen aber insbesondere auch - und wer beim Runden Tisch der Landesregierung zur Frankreichstrategie war, hat es mit Händen greifen können - die zahlreichen Initiativen aus dem Saarland. Sehr geehrter Herr Minister Toscani, sehr geehrte Frau Ministerpräsidentin, ich glaube wir können feststellen: Die Frankreichstrategie war die richtige Idee zur richtigen Zeit. Und wir sind auf einem richtigen Weg, den wir weitergehen sollten.

(Abg. Theis (CDU) )

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Selbstverständlich ist die Frankreichstrategie nicht in erste Linie eine Strategie zum Erlernen einer Sprache. Die Frankreichstrategie ist eine Internationalisierungsstrategie für unser Land, das im globalen Wettbewerb dringend Alleinstellungsmerkmale braucht, die uns unterscheidbar und auswählbar im globalen Wettbewerb gegenüber anderen Regionen macht. Und deshalb ist zu unterstreichen, was Kollege Toscani zu der Frage gesagt hat, wie es sich denn mit dem von einigen vermuteten Konkurrenzverhältnis zur englischen Sprache verhält. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer im Jahr 2017 meint, man könne das Erlernen der französischen Sprache im Saarland und das generelle Erlernen der englischen Sprache im Saarland gegeneinander ausspielen, der meint auch, dass man sich in der Schule entscheiden müsste, ob man Schreiben oder Rechnen lernt. Wir brauchen natürlich beides. Das ist eine Selbstverständlichkeit, die niemand in Zweifel ziehen kann.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Sprache ist aber mehr als Schule. Das Geheimnis unseres Nachbarn Luxemburg, ich glaube, das kann jeder bestätigen, der einmal dort durch das Land gefahren ist, ist ja nicht das Erlernen von Sprache in den Schulgebäuden, sondern es ist die Existenz des Nebeneinander von mindestens zwei, wenn nicht drei Sprachen im öffentlichen Raum. Kollege Lafontaine hat völlig zu Recht ARTE als positives Beispiel genannt. Ich schaue das unglaublich gern, aber ich will ARTE doch an einer Stelle kritisieren. Ich glaube, der Tag, an dem ARTE aufhört, deutsche Filme französisch zu synchronisieren und französische Filme deutsch zu synchronisieren und anfängt, sie stattdessen zu untertiteln, damit man beide Sprachen gleichzeitig konsumieren kann, so wie es in Luxemburg in jedem Kino bei jedem deutschen oder englischen Film selbstverständlich ist, der wäre ein guter Tag für das Erlernen der jeweiligen Nachbarsprache. ARTE ist ein großartiges Projekt, selbstverständlich, aber auch da kann man noch vieles tun.

(Beifall von der CDU.)

Das gilt aber für jede öffentliche Kommunikation im öffentlichen Raum. Wir müssen dafür sorgen, dass derjenige, der das Saarland betritt, merkt: Hier ändert sich was, das ist nicht mehr die Westpfalz, das ist nicht mehr Waldmohr, sondern hier wird es international! Das muss im öffentlichen Raum spürbar und hörbar sein. Deshalb, glaube ich, können wir auch bei Beschilderungen oder bei Ansagen in Zügen viel mehr tun, damit Französisch und auch Englisch im öffentlichen Raum tatsächlich hörbar sind. Das wäre der beste Unterricht im Rahmen von Erwachsenenbildung für uns alle, den man sich vorstellen kann. Das ist das Erfolgsgeheimnis in Lu

xemburg. Da haben wir noch viel aufzuholen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Französisch und Englisch im öffentlichen Raum zu installieren, wie es die Luxemburger tun, davon können wir profitieren, das wäre ein richtiger Schritt im Rahmen dieser Internationalisierungsstrategie für unser Land!

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Diese Internationalisierung bietet Chancen. Ich will keine von denen wiederholen, die bereits genannt worden sind, aber ich will drei nennen, von denen ich glaube, dass sie in den kommenden Jahren eine besondere Rolle spielen sollten. Das ist zum einen das Thema Tourismus. Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Radius von zwei Zugstunden leben in unserer Region über 18 Millionen Franzosen, über 18 Millionen potenzielle Kunden für unsere touristischen Unternehmen, für unsere Heimat. Wir sollten sie einladen, diese zu entdecken. Der französische Markt ist mit Sicherheit eines der größten Potenziale für unsere Region. Ich glaube, wir bieten mit Kulinarik und Kultur auf französischem Niveau die besten Voraussetzungen dafür, dieses Potenzial stärker zu heben. Der Franzose an und für sich - da kann ich ja ein bisschen mitreden - macht gerne Urlaub bei sich zu Hause. Warum auch nicht, Frankreich ist mit das schönste Land der Welt, warum sollte man es verlassen? Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir den Franzosen sagen: „Bei uns ist es genauso schön, weil wir ja schließlich auch mal französisch waren“, dann ist das eine Riesenchance für den Tourismus in unserer Region. Das sollten wir auch in den nächsten Jahren in den Vordergrund stellen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

Der zweite Punkt ist, dass wir die Frankreichstrategie eben auch als Sprachstrategie über Frankreich hinaus denken müssen. Ich bin Frau Professor Fellner dankbar, dass sie heute Morgen hier ist, denn sie hat vor Kurzem ein Projekt initiiert und im Rahmen eines Letter of Intent auch sozusagen auf das Gleis gesetzt, das auf genau diese Möglichkeiten abzielt. Es handelt sich um eine Kooperation der Universität des Saarlandes, des Centre Juridique Franco-Allemand, mit der Université International de Tunis, also mit Tunesien, dem frankofonen Afrika. Meine sehr verehrten Damen und Herren, über 220 Millionen Menschen sind französische Muttersprachler, davon ist Frankreich ein schöner Teil, aber es gibt eben noch weitere Chancen darüber hinaus. Frau Professor Fellner, herzlichen Dank für diese Initiative. Die Frankreichstrategie ist eben eine globale Strategie, und die Universität des Saarlandes leistet dazu einen großartigen Beitrag. Lassen Sie uns mehr davon sehen, auch in Zukunft, meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)

(Abg. Theis (CDU) )

Der dritte Punkt, den ich ansprechen möchte, ist eine Möglichkeit, eine Chance, die wir in der Kooperation mit Frankreich in Zukunft stärker nutzen sollten, nämlich auch dort zusammenzuarbeiten, wo Frankreich zurzeit vielleicht sogar erfolgreicher ist als Deutschland: wenn es darum geht, Ökosysteme für Gründerinnen und Gründer zu schaffen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, FRENCH TECH ist ein erfolgreiches Produkt französischer Wirtschaftspolitik. Es sorgt dafür, dass Ökosysteme in den Metropolen Frankreichs gestärkt werden, damit Gründerinnen und Gründer ihre Ideen zu erfolgreichen Produkten machen und auf die Märkte bringen können und Wohlstand und Arbeit schaffen. Unser Ziel in den nächsten fünf Jahren sollte es sein, dass wir ein grenzüberschreitendes Gründer-Ökosystem schaffen. Wir sind die einzige Region, die „FRENCH TECH made in Germany“ produzieren kann, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Dafür gibt es genügend Möglichkeiten. Ich will nur eine nennen. André Rossinot, der Präsident der Metropole Nancy, der ehemalige Oberbürgermeister der Stadt, hat neulich hier in Saarbrücken Gespräche zum Thema Cyber Security geführt, bei dem es viele Möglichkeiten der Kooperation gibt, das in der Tat auch in die Zeit passt, weil es nämlich eine der großen Herausforderungen ist. Das sind Initiativen, von denen wir mehr brauchen. „FRENCH TECH made in Germany“ kann nur aus dem Saarland kommen. Darauf, meine sehr verehrten Damen und Herren, gilt es, auch in den kommenden Jahren aufzubauen.

(Beifall von den Regierungsfraktionen.)