Protokoll der Sitzung vom 16.10.2012

Was diesem Haushalt fehlt, was der Koalition fehlt, sind erkennbare Projekte, die man nach vorne bringen will. Zwar sieht der Plan für das Jahr 2013 eine verminderte Nettokreditaufnahme von 526 Millionen vor, aber dieser Pfad, das wissen Sie alle hier, ist kein Verdienst der Großen Koalition. Das war bereits in der letzten Koalition nicht nur vereinbart, sondern auch umgesetzt. Das darf man nicht vergessen. Dieser Sanierungspfad ist ein Ergebnis der JamaikaKoalition.

(Zuruf von Minister Maas.)

Herr Maas, das ist so, auch wenn es Ihnen nicht gefällt. - Insbesondere die SPD ruht sich auf etwas aus, was sie früher bekämpft hat. Anspruch und Wirklichkeit, sehr verehrter Kollege Maas, klaffen hier weit auseinander.

(Weiterer Zuruf von Minister Maas.)

(Abg. Hans (CDU) )

Ein weiteres Problem ist allerdings, dass die Steuermehreinnahmen, die wir in diesem Jahr zum Glück noch haben, eben nicht, wie eigentlich angekündigt, zur Konsolidierung des Haushaltes verwandt werden. Nein, diese Steuermehreinnahmen werden komplett ausgegeben. Das ist ein Problem. Ich sage Ihnen, Frau Ministerpräsidentin und Herr Finanzminister, Konsolidierung sieht anders aus. Durch die Große Koalition steigt über den Nachtragshaushalt die Nettokreditaufnahme im Jahr 2012 von 592 Millionen, die noch aus Jamaika-Zeiten stammen und dort beschlossen wurden, auf 696 Millionen. Das ist ein massiver Anstieg. Das verschweigen Sie hier tunlichst.

(Zuruf des Abgeordneten Meiser (CDU).)

Ich weiß, wovon Sie reden, Herr Kollege. - Die entscheidende Frage ist, wofür man das Geld ausgibt. 120 Millionen fließen in den Kommunalfonds. 18 Millionen fließen in den Ankauf der Anteile von VSE. Man muss ernsthaft die Frage stellen, ob das rentierliche Ausgaben sind. Wenn es rentierliche Ausgaben sind, dann ist diese Investition absolut richtig. Aber genau dahinter setze ich ein Fragezeichen. Nehmen wir einmal den Ankauf der Anteile von VSE. Was bringt das dem Land? Diese 18 Millionen bringen der VSE Liquidität. Das ist unbestritten. Dazu kommt eine gehörige Summe, die die Kommunen aufbringen. Für die VSE und die RWE ist das eine wunderbare Sache. Was bringt das dem Land? Haben wir dadurch irgendwelche Mehreinnahmen? Das glaube ich nicht. Das bedeutet, dass die saarländischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für einen Konzern in Nordrhein-Westfalen Eigenkapital zur Verfügung stellen. Frau Ministerpräsidentin, Sie haben sich an dieser Stelle über den Tisch ziehen lassen. Wir haben das noch zu Zeiten unserer Koalition diskutiert. Sie kannten und kennen meine Meinung.

Genauso ist es beim kommunalen Entschuldungsfonds. Dieser wäre ebenfalls sinnvoll, wenn dort irgendwo eine irgendwie geartete Form von Rentierlichkeit erkennbar wäre. Aber was sollen 120 Millionen Euro Entschuldungsfonds bei einer Gesamtverschuldung unserer Kommunen von 3 Milliarden Euro? Davon sind alleine 1 Milliarde von der Stadt Saarbrücken. 3 Milliarden sind es insgesamt. Im Vergleich dazu sind 120 Millionen, 17 Millionen pro Jahr, die um die Kulturabgabe von 16 Millionen, die man noch abziehen muss, vermindert werden, absolut lächerlich. Also bleibt pro Jahr gerade einmal 1 Million netto für die Kommunen übrig. Das ist lächerlich und das ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Das verschlechtert unsere Situation und hilft den Kommunen an keiner Stelle.

(Beifall von B 90/GRÜNE. - Zuruf des Abgeord- neten Hans (CDU).)

Ja, im Städte- und Gemeindetag sitzen auch viele Vertreter, die das Parteibuch von CDU und SPD haben.

(Abg. Hans (CDU) : Zu Recht!)

Zu Recht? - Natürlich, da wird immer die Hand drüber gehalten. - Was bedeut also die Kulturabgabe? Sie bedeutet nicht mehr oder weniger, als dass die saarländischen Kommunen den Kopf hinhalten müssen für das Missmanagement der CDU-Landesregierung zu Zeiten ihrer absoluten Mehrheit, Stichwort Vierter Pavillon, Stichwort Gondwana. Diese Dinge werden damit finanziert. Das muss man doch einmal offen sagen. So sieht eine seriöse Haushaltspolitik meiner Meinung nach nicht aus. Das hat mit dem Erhalt des Landes sehr wenig zu tun.

(Beifall von B 90/GRÜNE.)

Zurzeit haben wir noch günstige wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Die Steuereinnahmen sprudeln. Die Konjunkturprognosen, das wissen wir alle, gehen leider Gottes in eine andere Richtung. Bosch fährt bereits Kurzarbeit, zum Glück noch nicht im Saarland, aber es ist nur eine Frage der Zeit, wann sie auch hier ankommt. Ford entlässt bereits Leute und schraubt die Produktion zurück. Wir werden also in ein Problem hineinlaufen. Die Nettokreditneuaufnahme hätte in guten Zeiten zurückgefahren werden müssen, aber genau das tun Sie nicht. Sie schrauben sie jetzt nach oben. Wie das im nächsten Jahr aussehen wird, ist völlig offen.

Mit Blick auf die Verschuldung der Kommunen hätte man als Landesregierung an andere Maßnahmen denken können, nämlich wie man bei den Kommunen wirkliche Mehreinnahmen generiert. Da bin ich ganz schnell bei der Energiepolitik. Dort läuft die Diskussion mittlerweile in eine völlig andere Richtung, als sie noch unter Jamaika gelaufen ist. Gerade hier wäre es wichtig, durch den Ausbau der erneuerbaren Energien den Kommunen wirkliche Mehreinnahmen zukommen zu lassen. RheinlandPfalz macht uns das vor. Dort geht es vielen Kommunen durch die erneuerbaren Energien deutlich besser. Aber wovon redet diese Landesregierung? Worüber redet dieser Wirtschaftsminister? - Über den Ausbau von Kohlekraftwerken. Das ist die völlig falsche Richtung. Der Ausbau der erneuerbaren Energien wird, seit die Große Koalition an der Regierung ist, gebremst. Das ist ein Problem. Ihnen fehlt der Mut, große Schritte zu tun.

Worüber man ernsthaft diskutieren müsste, wäre eine Strukturreform auf kommunaler Ebene. Sie wissen alle, dass gerade vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung die Strukturen auf kommunaler Ebene nicht so bleiben können, wie sie sind. Es muss zu einer Reform kommen. Sie haben ja nicht einmal den Mut, darüber zu reden, wo Sie doch wissen, dass dieses Problem dem Land auf die

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) )

Füße fallen wird - Ihnen wie uns als Opposition. Hier muss man anpacken und etwas tun.

Herr Maas, ein anderes Thema ist der Flughafen Ensheim. Wie sieht es denn da aus? Dort legen wir jedes Jahr 5 bis 10 Millionen Euro, in Zukunft wahrscheinlich noch mehr -

(Zuruf von Minister Maas.)

Wunderbar, Sie können nach London fliegen zum Einkaufen. Das hilft aber dem Landeshaushalt nichts - oder sehr wenig.

(Weiterer Zuruf von Minister Maas.)

Pro Jahr legen wir bei diesem Flughafen 5 bis 10 Millionen Euro drauf. Wir bräuchten dringend ernsthafte Verhandlungen mit unserem Nachbarland Rheinland-Pfalz mit Blick auf eine wirkliche Kooperation, damit wir als Land deutlich Geld einsparen.

(Beifall von B 90/GRÜNE.)

Aber das geschieht nicht. Auch hier, Herr Maas, stecken insbesondere Sie den Kopf in den Sand.

Verkehrspolitik, das nächste Thema. Auch hier betreibt die Große Koalition eine Politik, die schlicht als rückwärtsgewandt bezeichnet werden muss. Beispiel: Die Nordumfahrung in Merzig. Beide Parteien treten offensiv dafür ein, ein Verkehrsprojekt umzusetzen, das nach den aktuellen Gutachten verkehrlich so gut wie nichts bringt. Es bringt einerseits eine ganz minimale Entlastung der Innenstadt von Merzig, auf der anderen Seite stehen aber kurzfristige Investitionen von grob geschätzt 20 bis 30 Millionen Euro, ohne Berücksichtigung der Folgekosten. Dieses Projekt macht deutlich, wie kurzfristig Sie verkehrspolitisch denken. Sie sehen verkehrspolitisch die Zukunft immer noch im Neubau von Straßen, obwohl Sie wissen, dass die Bevölkerung zurückgeht. Eine geringere Bevölkerung muss in Zukunft das gleiche Straßennetz finanzieren wie heute, ein Netz, das Sie noch ausweiten wollen. Dort müssen wir eine andere Politik machen, so wie die GRÜNEN sie in Jamaika durchgesetzt hatten. Wir hatten nämlich den Schwerpunkt auf den öffentlichen Personennahverkehr gelegt, nicht mehr auf den Neubau von Straßen.

(Beifall von B 90/GRÜNE.)

Über diese Dinge muss man ernsthaft diskutieren, wie gesagt, nicht nur aus ökologischen Gründen, sondern auch und gerade aus ökonomischen Gründen.

Das nächste zentrale Thema: Bildungsbereich. Es ist eben die Zahl von plus 3,7 Prozent genannt worden. Diese Zahl werden wir uns im Laufe der Haushaltsverhandlungen einmal genauer ansehen, wie die definiert ist. Wir kennen ja die Diskussion um die demografische Rendite, die angeblich nicht zurück

gefahren wird, obwohl wir alle wissen, dass sie nicht im System bleiben wird, zumindest nicht im Schulsystem. Ich kann ja immer sagen, okay, ich erweitere das System, dann sehen die Zahlen schön aus. Aber real - wissen Sie, wissen wir - wird im Bildungsbereich in diesem Lande gespart. Beispiel Kooperationsjahr. Gerade das Kooperationsjahr, eine Errungenschaft der GRÜNEN aus der Jamaika-Zeit, trägt dazu bei, dass bildungsfernere Schichten in unserem Bildungssystem bessere Chancen haben. Genau an dieser Stelle setzt ein sozialdemokratischer Bildungsminister den Rotstift an. Gerade dieses Kooperationsjahr wird offenkundig nicht weitergeführt, es wird offenkundig sogar zurückgeführt. Das ist ein echtes Problem - und unsozial.

(Beifall von B 90/GRÜNE.)

Gebühren für die Freiwillige Ganztagsschule, das nächste Thema. Der sozialdemokratische Minister will die Gebühren hochsetzen, wird aber zurückgepfiffen durch den konservativen Koalitionspartner, was an dieser Stelle zunächst einmal gut und richtig war.

Demografische Rendite, ich habe es eben erwähnt. Sie nennen eine Zahl von 2.400 Stellen, die Sie bis zum Jahre 2020 streichen wollen, und wollen uns hier allen Ernstes erzählen, dass keine Stellen im Bildungsbereich dabei sind. Tut mir leid, das können Sie jemandem erzählen, der sich die Hose mit der Kneifzange zumacht. Mit der Realität hat das nichts, aber auch gar nichts zu tun. Gerade in der Bildung, nämlich bei unseren Kindern, liegt die reale Zukunft unseres Landes. Dort - das hatten wir in unseren Regierungszeiten auch durchgesetzt - sollte nicht, zumindest nicht in den nächsten Jahren, gespart werden.

Aber der Stellenabbau insgesamt ist ein Thema für sich. Wir sind uns alle einig, dass wir in diesem Lande vor dem Hintergrund der Schuldenbremse, aber auch vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung Stellen abbauen müssen. Die Frage ist aber, wie ich Stellen abbaue. Mache ich das, wie Sie es tun, mit dem Rasenmäher, oder mache ich einmal eine wirkliche Aufgabenkritik in diesem Lande? An diese Aufgabenkritik gehen Sie nicht ran! Man muss in jeden einzelnen Bereich sehr genau hineinsehen. Nehmen wir einmal den Bereich der Justizvollzugsanstalten, wo mittlerweile die Personalsituation so eng ist, dass viele Vorgaben nicht mehr eingehalten werden können. Dort muss manchmal ein einzelner Justizvollzugsbeamter ein ganzes Haus mit mehreren Hundert Gefangenen überwachen. So weit sind wir mittlerweile! Oder nehmen wir den Finanzbereich. Dort wird deutlich, dass es manchmal auch ein Fehler sein kann, Stellen einzusparen. Spart man dort nämlich in bestimmten Bereichen Stellen ein, bedeutet dies weniger Einnahmen und nicht mehr.

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) )

Natürlich müssen wir auch darüber reden - das wurde eben schon von den Kollegen Bierbaum und Hilberer angesprochen -, dass wir die Einnahmeseite für das Land insgesamt verbessern. Da haben wir auf Landesebene nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, das ist richtig. Ich habe eine Möglichkeit auf kommunaler Ebene genannt. Ich hoffe, Herr Minister, Sie nehmen das, was ich an der Stelle gesagt habe, ernst und schauen noch einmal genau auf Ihre Energiephilosophie im Lande.

Es geht aber vor allen Dingen um die Einnahmeseite auf Bundesebene. Da vermisse ich beherzte Vorstöße dieser Landesregierung mit Blick auf Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer oder Vermögensabgabe, die wir ja wollen.

(Zuruf von der CDU.)

Liebe Frau Ministerpräsidentin, ich glaube, Sie wissen, dass das ein großes Problem für das Land ist. Aber an dieser Stelle lassen Sie sich permanent von der Bundeskanzlerin zurückpfeifen.

(Beifall von B 90/GRÜNE.)

Wenn hier, Kollege Hans, die Opposition attackiert wird, weil sie den Minister kritisiert im Hinblick auf die Diskussion um die Eingliederungshilfe, dann darf ich nur festhalten: Diese Diskussion hat nicht die Opposition in die Welt gesetzt. Das haben wir alle aus der Presse erfahren, und wir haben auch alle erfahren, dass Ihr Minister an dieser Stelle von Ihnen erst einmal zurückgepfiffen wurde. Übersetzt heißt das aber, es gibt diese Diskussion, und tun Sie nicht so, als würde Ihre Fraktion eine solche Diskussion nicht führen.

Ich erinnere einmal an die vorvorletzte Legislaturperiode. Damals ging es um die Blindenhilfe. Da hat die CDU-Fraktion kräftig heruntergestrichen. Auch das steht hier auf der Agenda, zumindest was die Diskussion betrifft.

An den Stellen aber, wo das Land für Mehreinnahmen sorgen könnte, hört man sehr wenig, dort nämlich, wo es um die Verbesserung der Situation unserer Klein- und Mittelbetriebe geht. Dort könnte etwas getan werden, Herr Maas, insbesondere mit Blick auf den ganz zentralen, wichtigen Know-how-Transfer, von unseren Hochschulen hin zu den kleinen und mittelständischen Unternehmen. Auch die Kreditklemme ist bei Finanzierungsfragen ein permanentes Thema. Dort kann eine Landesregierung ansetzen, dort hört man aber von Ihnen leider Gottes sehr wenig.

Insgesamt, kann man sagen, gilt für diesen Landeshaushalt das Gleiche wie für den Koalitionsvertrag der Großen Koalition: Große Koalition - kleine Ergebnisse. Das Bild der Großen Koalition ist ja mittlerweile in der Öffentlichkeit relativ flott am Bröckeln. Man wundert sich, dass zwei Regierungsparteien

sich bereits nach wenigen Monten Koalition mit gegenseitigen Presseerklärungen attackieren. Das ist schon bezeichnend.

Ich will das beginnende Chaos in der Großen Koalition noch einmal an den drei bekannten Beispielen festmachen: Minister Toscani wird bei der Wiedereingliederungshilfe von seinem eigenen Laden zurückgepfiffen. Minister Commerçon will die Gebühren für die Freiwilligen Ganztagsschulen erhöhen und wird von der CDU-Fraktion zurückgepfiffen. Und die Frau Ministerpräsidentin muss sich öffentliche Kritik vom Kollegen Jost gefallen lassen wegen ihres Agierens in der Rentenpolitik.

Herr Jost, zum Ende meiner Rede noch ein paar Worte zu Ihnen, weil Sie am Anfang gesagt haben, diese Koalition geht die Themen ernsthaft an. Herr Jost, ich frage mich nur, welche Themen gerade Sie als Sozialdemokratie ernsthaft in dieser Koalition angehen. Etwa das von Ihnen im Wahlkampf groß verkündete Thema Mindestlohn?

(Abg. Jost (SPD) : Haben wir gemacht.)

Da sehe ich recht wenig. Da geschieht nichts; zumindest kommt bei mir nichts an. Verbesserung der Einnahmeseite - ich habe es gerade gesagt -, auch da können Sie sich nicht durchsetzen.

(Weiterer Zuruf des Abgeordneten Jost (SPD).)