Protokoll der Sitzung vom 16.10.2012

(Weiterer Zuruf des Abgeordneten Jost (SPD).)

Selbst bei einem Thema, das Sie im Wahlkampf immer wieder nach vorne getragen haben, bei dem Thema Studiengebühren ist es genauso. Da haben Sie schon bei der Abschaffung dagegen gestimmt, und gestern haben Sie in diesem Hause auch noch dagegen gestimmt, die Langzeitstudiengebühren abzuschaffen. So, verehrter Herr Jost, sieht Ihr ernsthaftes Umgehen mit Themen aus.

(Beifall bei B 90/GRÜNE und den PIRATEN.)

Ich komme zum Schluss. Es ist von Ihnen der Satz von der nicht selbst verschuldeten Finanzsituation in diesem Land formuliert worden. Aber genau SPD und CDU haben diese Schuldensituation selbst herbeigeführt. Keiner von denen, die hier sitzen, aber Ihre beiden Parteien haben die Schuldengrundlage in den Achtzigerjahren gelegt.

(Zuruf des Abgeordneten Jost (SPD).)

Da gab es eben schon eine unausgesprochene Große Koalition. Ich glaube, der Unterschied zur heutigen Situation ist nur der, dass die Große Koalition in diesem Lande 2012 zum ersten Mal öffentlich gemacht worden ist. Davon müssen wir reden. - Vielen Dank.

(Beifall von B 90/GRÜNE.)

(Abg. Ulrich (B 90/GRÜNE) )

Das Wort hat für die Fraktion DIE LINKE Herr Abgeordneter Professor Dr. Heinz Bierbaum.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herrn! Der Kollege Jost hat zu Beginn seiner Rede von einem Gleichklang von Einnahmenerhöhung und Sparen gesprochen.

(Zuruf.)

Und von den Altlasten, Sie haben von einem Dreiklang gesprochen. Mir geht es jetzt mehr um die Themen Einnahmen und Sparen. Dass hinsichtlich der Altlasten etwas getan werden muss, das habe ich auch schon erwähnt. Ich glaube, dass man da eine Lösung finden muss, weil es anders gar nicht geht.

Sie haben auch wirklich sehr beeindruckend begonnen, indem Sie gesagt haben, die Fehler der Vergangenheit müssen korrigiert werden. Sie meinten damit insbesondere die Steuerpolitik. Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass wir durch Steuersenkungen in den letzten 10 Jahren einen Einnahmeverlust von rund 300 Milliarden Euro hatten. Wir hätten die Probleme, die wir heute haben, nicht, wenn die Steuerpolitik in der Form fortgesetzt worden wäre, wie dies vor 10 Jahren noch der Fall war. Insofern stimme ich Ihnen völlig zu. Das muss korrigiert werden.

Was dann aber kam, war doch etwas wenig. Denn Sie haben dann gesagt, Spitzensteuersatz ja, das machen inzwischen alle. Aber Sie haben die Frage nach der Höhe des Spitzensteuersatzes nicht beantwortet. Sie haben gesagt, dass Sie eine Finanztransaktionssteuer unterstützen. Das ist auch richtig. Und ich muss sagen, das ist auch von der CDU dargestellt worden, da haben Sie eine Menge dazugelernt. Das erkennen wir an. Aber bei der Frage der Vermögen, bei dem entscheidenden Punkt, war nur noch ein Prüfauftrag übrig, und das ist eben nichts. Ich will noch einmal ganz deutlich sagen, dass wir an die Vermögenden heranmüssen, weil das ist ein Grundsatz - die Schulden der einen die Vermögen der anderen sind. Das ist ein ökonomischer Zusammenhang, der hier einfach einmal beherzigt werden sollte.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Herr Hans, Sie haben ausgeführt, dass Sie dagegen sind und dass diese Steuer nichts bringen würde. Dazu will ich Ihnen sagen: Nach unseren Vorstellungen, 5 Prozent ab einem Geldvermögen von 1 Million Euro, die sogenannte Millionärssteuer, bringt sie - so haben wir gerechnet - 80 Milliarden Euro im Jahr. Und dies bedeutet, dass ein erheblicher Anteil,

entsprechend dem Verteilungsschlüssel, davon auf das Land entfallen würde.

Nächster Punkt. Der Kollege Jost hat hier mit großem Pathos die Qualität des öffentlichen Dienstes beschworen. Es ist auf die Taten des früheren Ministerpräsidenten Lafontaine eingegangen worden. Leider haben Sie vergessen zu erwähnen, dass damit auch eine Teilentschuldung verbunden war. Das sollte man doch bitte berücksichtigen.

(Beifall bei der LINKEN.)

Sie haben sich sehr verwahrt gegen das Thema Kahlschlag im öffentlichen Dienst. Aber Sie sagen den Menschen hier im Land nicht die Wahrheit. Sie mogeln sich um die eigentlichen Probleme herum.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Sie sprechen jetzt von mindestens 2.400 Stellen. Es werden mehr sein. Nehmen Sie doch einmal ernst, was die Gutachter unterschiedlicher Herkunft Deubel, Feld und Horn gesagt haben. Die haben deutlich formuliert: Wenn es nicht zu einer wirklichen Veränderung bei den Einnahmen kommt, dann ist die einzige Möglichkeit, die Vorgaben der Schuldenbremse einzuhalten, ein radikaler Einschnitt im öffentlichen Dienst. Da kommt man nicht drum herum. Und deswegen ist es falsch so zu tun, als ob man jetzt in Gesprächen mit den Gewerkschaften und anderen diese Probleme lösen könnte. Das ist falsch und bedeutet, dass den Menschen Sand in die Augen gestreut wird über das wahre Ausmaß der Probleme.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Deswegen sagen wir, wenn es keinen Kurswechsel gibt in der Einnahmepolitik, wenn es keinen Kurswechsel gibt in der Steuerpolitik, dann ist der Kahlschlag im öffentlichen Dienst programmiert. Und das wollen wir nicht.

Herr Professor Bierbaum, darf ich Sie an die Redezeit erinnern.

Einen letzten Satz möchte ich noch sagen, und zwar geht es um das Thema Land ohne Schulden. Das mag ja sehr populär klingen, aber das bedeutet konsequent weitergedacht, ein Land ohne Banken, weil es dann keine Kredite und Ähnliches mehr gibt. Das ist ein vollkommener ökonomischer Blödsinn. Das muss man wirklich einmal sagen. Bei den Schulden kommt es darauf an, welche Schulden man macht, ob man sie konsumtiv oder investiv macht. Dass man sie begrenzen muss, ist überhaupt keine Frage, aber ein Land ohne Schulden ist einfach ökonomischer Unsinn, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den Oppositionsfraktionen.)

Das Wort hat der Herr Finanzminister, Stefan Toscani.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will gerne auf einige der Argumente eingehen, die hier vonseiten der Opposition in die Debatte eingebracht worden sind. Herr Professor Bierbaum, Sie haben eben für die Kolleginnen und Kollegen der Fraktion DIE LINKE deutlich gemacht, dass Ihr Fokus bei der Frage, wie können wir die Konsolidierung im Land erreichen, sehr einseitig ist. Sie setzen allein auf die Einnahmeseite. Sie werfen uns umgekehrt vor, wir hätten nur die Ausgabenseite im Blick. Ich habe gestern deutlich gesagt und eben haben die Redner der Koalition deutlich gesagt, dass diese Koalition beide Seiten im Auge hat. Wir setzen nicht einseitig auf die Einnahmeerhöhung, wir setzen nicht einseitig auf Ausgabensenkungen. Nein, wir haben beides im Auge, wir setzen auf Einnahmen- und Ausgabenseite. Das ist die Linie der Großen Koalition.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Bei der Frage, wie geht es mit den Kommunen weiter, hat Kollege Ulrich eben gesagt, der kommunale Entlastungsfonds sei nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Kollege Hilberer sagte, dieser kommunale Entlastungsfonds sei zynisch. Das muss man erst einmal auf sich wirken lassen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, was sagen denn diejenigen, die davon betroffen sind, die dieses Geld erhalten? Was sagt der Städte- und Gemeindetag? Der Städte- und Gemeindetag hat einmütig diesen kommunalen Entlastungsfonds gewürdigt, hat ihn als große Leistung, als großen Kraftakt des Landes begrüßt. Er hat sich ausdrücklich für diesen kommunalen Entlastungsfonds bedankt. Das ist die Wahrheit, wie die Betroffenen das sehen.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Bei der Frage, was kann dieser kommunale Entlastungsfonds leisten, sollten wir ernsthaft in die Debatte einsteigen. 17 Millionen Euro pro Jahr dienen dazu, dass die Kommunen ihre Defizite im Griff behalten können, dass eine Entlastung bei den Defiziten der Kommunen stattfinden kann. Bei einem Zinssatz von 1 Prozent können 17 Millionen Euro pro Jahr dazu dienen, Kassenkredite in Höhe von 1,7 Milliarden Euro zu bedienen. Momentan sind die Zinssätze sogar noch niedriger. Das heißt, mit 17 Millionen Euro im Jahr kann man bei den Defiziten auf der kommunalen Seite eine enorme Entlastung erreichen. Das ist kein Tropfen auf den heißen Stein. Das ist eine große solidarische Leistung.

Denn die Pro-Kopf-Verschuldung des Landes ist ja deutlich höher als die Pro-Kopf-Verschuldung der Kommunen. Obwohl die Pro-Kopf-Verschuldung des Landes deutlicher höher ist als die der Kommunen, gehen wir diesen Schritt der Solidarität. Wir zeigen uns solidarisch, weil wir sagen, Defizitabbau ist eine gemeinsame Aufgabe und der stellen wir uns solidarisch und gemeinsam.

(Beifall bei den Regierungsfraktionen.)

Herr Finanzminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Linsler?

Bitte.

Abg. Linsler (DIE LINKE) mit einer Zwischenfrage: Herr Minister, die 17 Millionen Euro treffen zu. Allerdings muss man in meinen Augen die 16 Millionen Euro dagegen rechnen, die das Land von den Kommunen aufgrund der Kulturabgabe haben will. Würden Sie dazu etwas sagen?

Natürlich will ich darauf eingehen. All das, was wir im Zusammenhang mit den Leistungen des Landes für die Kommunen und insgesamt im Zusammenhang mit der Bilanz des Landeshaushaltes für die Kommunen miteinander besprechen, muss man ja in der Summe sehen. Wir haben auf der einen Seite den kommunalen Entlastungsfonds. Dazu habe ich eben etwas gesagt. Wir haben auf der anderen Seite den kommunalen Kulturbeitrag, den wir fortführen. Dazu hatte ich gestern Stellung genommen und gesagt, wir kommen nicht umhin, diesen Kulturbeitrag weiterhin zu erheben. Die Frage lautet, was steht dahinter? Es geht doch darum, dass die Kommunen einen Beitrag zur Finanzierung der Kultur auf Landesebene leisten. Was ist denn der größte Brocken aufseiten der Landeskultur? Das ist das Staatstheater. Und wie ist die Situation beim Staatstheater bei uns im Saarland im Vergleich zu anderen Ländern?

In allen anderen Bundesländern beteiligt sich die kommunale Seite, die Sitzkommune, in großem Umfang an der Finanzierung des Landestheaters. Bei uns ist das anders, anders als in allen anderen Ländern, anders als bei fast allen anderen Staatstheatern, die es in der Bundesrepublik Deutschland gibt. Den Löwenanteil der Kosten des Staatstheaters - ich glaube, es sind mehr als 95 Prozent - trägt allein das Land. Das ist atypisch; in anderen Ländern beteiligen sich die Kommunen deutlich stärker. Vor diesem Hintergrund haben wir gesagt: Das, was am Staatstheater geleistet wird, ist eine Leistung für alle Bürgerinnen und Bürger, eine Leistung für alle im

(Abg. Prof. Dr. Bierbaum (DIE LINKE) )

Land. Deshalb ist es legitim, von den Kommunen dafür auch einen Beitrag zu verlangen. Das tut man nicht gerne, aber angesichts der Lage des Landes ist es fair und gerecht, hier das zu tun, was viele andere Länder machen. Das ist der Hintergrund des kommunalen Kulturbeitrages.

(Abg. Linsler (DIE LINKE) und Abg. Dr. Peter (B 90/GRÜNE) : Dann bleibt aber nur noch eine Million übrig!)

Damit kommen wir zur Frage, ob wir bei der Einzelbetrachtung verharren und immer nur einzelne Punkte herausgreifen oder aber zu einer Gesamtbetrachtung kommen sollten. Zur Gesamtbetrachtung gehören weitere Aspekte. Zur Gesamtbetrachtung gehört beispielsweise, dass unsere Kommunen mit Unterstützung des Landes von der Bundesseite eine deutliche Entlastung erfahren haben. Jahrelang war es so, dass von der Bundesebene bei der Finanzierung der sozialen Lasten und der sozialen Sicherheit in Deutschland immer höhere Belastungen auf die Kommunen abgewälzt wurden. Jahrelang gab es dabei nur eine Richtung: Die Kommunen mussten immer stärkere Belastungen tragen.

Vor einem Jahr nun gab es eine Kehrtwende; die Bundesregierung hat sich zu einem Paradigmenwechsel entschlossen: Erstmals hat der Bund anerkannt, dass er den Kommunen bei der Finanzierung der Soziallasten helfen muss, dass er sie entlasten muss. Die Entscheidung, dass sich der Bund nach und nach immer stärker an der Finanzierung der Grundsicherung im Alter beteiligt, erbringt eine ganz deutliche, eine ganz wesentliche Entlastung der kommunalen Seite. Im ersten Jahr waren es 26 Millionen Euro, im nächsten Jahr werden es 43 Millionen Euro sein. Im übernächsten Jahr sind es schon 60 Millionen Euro, von denen die Kommunen im Saarland profitieren. 60 Millionen Euro an Entlastung bei der Grundsicherung, das muss man in die Gesamtbetrachtung einrechnen, denn das gehört einfach zu einer fairen Betrachtung.

(Beifall von den Koalitionsfraktionen.)

Bleiben wir noch beim Thema Gesamtbetrachtung. Zu einer fairen Gesamtbetrachtung gehört auch das, was wir hier im vergangenen Jahr im Haushalt zugunsten der kommunalen Seite beschlossen haben. Der Fonds Kommunen 21 war bei seiner Schaffung vor Jahren dafür gedacht, aufseiten der Kommunen anstehende Investitionsprojekte zu finanzieren. Das war eine Gemeinschaftsaktion des Landes und der Kommunen. Ausdrücklich vereinbart war, dass ein Teil dieses Fonds von den Kommunen zu tragen ist. Was hat nun die Landesregierung im vergangenen Jahr dazu entschieden? Es waren in diesem Fonds noch 55 Millionen Euro an Krediten zu bedienen, die unstreitig von der kommunalen Seite hätten getragen werden müssen. Es stand also eine Belastung

der kommunalen Seite in Höhe von 55 Millionen Euro im Raum. Im vergangenen Jahr nun hat sich die Landesregierung, hat sich das Land entschlossen, die kommunale Seite hiervon zu entlasten. Wir haben beschlossen, dass die 55 Millionen Euro, die an sich noch von den Kommunen zu tragen gewesen wären, vom Land übernommen werden. 55 Millionen Euro, auch das bedeutet eine große Entlastung.

(Beifall von den Koalitionsfraktionen.)

Man muss das gesamte Bild sehen, man muss die gesamten Maßnahmen sehen, und vor diesem Hintergrund will ich auf einen Aspekt hinweisen, der in der öffentlichen Debatte oft etwas zu kurz kommt. Wir haben uns ja alle gemeinsam darüber gefreut, dass der kommunale Finanzausgleich im kommenden Jahr ein historisches Hoch erreichen wird, ein Allzeithoch: mehr als eine halbe Milliarde Euro. Was ist der kommunale Finanzausgleich? Der kommunale Finanzausgleich, das ist der Anteil der Kommunen am Steueraufkommen des Landes. Nun kann man sagen, na ja, wenn die Konjunktur gut läuft, dann ist auch dieser Topf prall gefüllt, und damit ist auch der Anteil der Kommunen groß. Allerdings ist nicht gottgegeben, wie hoch der Anteil der Kommunen ist. Er wird durch die sogenannte Verbundquote festgelegt, und die Festlegung dieser Verbundquote erfolgt durch das Land. Diese Quote ist bei uns, verglichen mit anderen Bundesländern, hoch. Obwohl wir im Saarland im Vergleich der Länder relativ viele Aufgaben zentral durch das Land erledigen, haben wir im Saarland, verglichen mit den anderen Bundesländern, eine hohe Verbundquote. Anders gesagt: Die Kommunen bekommen, verglichen mit anderen Regionen in Deutschland, einen sehr großen Anteil der Steuereinnahmen des Landes. Auch das ist eine wichtige Entlastung, eine wichtige Maßnahme zugunsten der saarländischen Kommunen.

(Beifall von den Koalitionsfraktionen.)