Gerade mit Blick auf die Dublin-Verordnung kann aber die Vereinbarung zum Umgang mit Kirchenasyl ihre eigentliche, nämlich ihre kommunikative Wirkung entfalten. Ich verstehe diese Vereinbarung als Vertrauensschutz und als Zusage, miteinander zu reden, bevor man handelt. Die Vereinbarung beschneidet ausdrücklich nicht das Eingriffsrecht des Staates. Das steht so auch drin. Darauf haben sich die Kirchen mit der Regierung damals geeinigt. Man verständigt sich vielmehr unter dieser Prämisse auf ein präzise beschriebenes Vorgehen. Hierzu zählen insbesondere die Konsultationen im Vorfeld einer möglichen Gewährung von Kirchenasyl, dazu zählen Gespräche innerhalb der ersten Tage des Asyls, alle mit dem Ziel, fallbezogene Lösungsmöglichkeiten zu finden, seien es soziale, seien es humanitäre oder ausländerrechtliche.
Zu der Vereinbarung gehört auch die konkrete Benennung des Aufenthaltsorts von sich im Kirchenasyl befindlichen Personen und die Zusage, die zentralen Kirchenräume in der Regel nicht mit Vollzugsorganen zu betreten. Ich denke, dem sollte jeder zustimmen können. Polizeieinsatz im Altarraum, das wären Bilder, die wir unseren Bürgerinnen und Bürgern ganz sicher nicht vermitteln könnten. Dass aber nach dem Grundsatz von Verhältnismäßigkeit und öffentlichem Interesse und je nach Lage des Falls ein Zugriff auch in kircheneigenen Gebäuden erfolgen kann, ist ebenso selbstverständlich. Unser Rechtsstaat und unser Bundesland begibt sich mit der getroffenen Vereinbarung deshalb nicht seines Rechts, ein Kirchenasyl in einem gegebenen Fall auch mit staatlicher Gewalt beenden zu können.
Andererseits sollten wir uns als Christenmenschen aber auch auf keinen Fall der besonderen Instanz und der integrativen Kraft der Kirchen begeben. Ich glaube, wir würden insgesamt sehr verlieren, wenn wir diesen Dialog zu diesem wichtigen Thema und den Austausch am konkreten Fall aufgeben würden. Einer Aufkündigung der Vereinbarung können wir uns deshalb auf gar keinen Fall anschließen. Auch Ihrer zweiten Forderung können wir nicht folgen. Wir brauchen ja nicht auf etwas hinzuweisen, was längst geltendes Recht ist. Zudem verkennt Ihre dritte For
derung, dass für unsere Staatsanwaltschaft das Legalitätsprinzip selbstverständlich auch dann gilt, wenn wir auf Gespräch setzen und ausländerrechtliche Konflikte zwischen Kirche und Staat kommunikativ und gemeinschaftlich lösen wollen.
Das Legalitätsprinzip gibt die Verfassung vor. Dazu bedarf es keiner Weisung an die unabhängige Justiz, schon gerade nicht auf Anraten der AfD. Nicht zuletzt belegt die Tatsache, dass im Saarland aktuell auch ein Ermittlungsverfahren gegen einen Geistlichen gemäß § 95 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz in Verbindung mit § 27 Strafgesetzbuch geführt wird - dabei geht es um Beihilfe -, dass unsere Justiz ihrer Verantwortung auch gerecht wird. Ich plädiere daher für den Ausbau der Gespräche mit den Kirchen mit dem Ziel, für die Dublin-III-Fälle zu sensibilisieren und gegebenenfalls auch gemeinsam zu versuchen, den notwendigen europäischen Rechtsrahmen zu verbessern, statt ihn zu unterlaufen. Meine Fraktion hat übrigens den jüngsten Besuch von Vertretern und Vertreterinnen der Evangelischen Kirche genau hierzu genutzt.
Unser gemeinsames Ziel muss sowohl unter humanitären Aspekten als auch in gesamtgesellschaftlicher Verantwortung sein, Kirchenasyl grundsätzlich zu vermeiden sowie die Asylverfahren und die rechtskräftigen Abschiebungen zu beschleunigen. Wenn sich aber zeigen sollte, dass systematisch gegen Regeln des Kirchenasyls verstoßen wird, so unterstütze ich auch Überlegungen, die Rücküberstellungsfrist ins Einreiseland im Falle sogenannter Dublin-III-Asyle von 6 auf 18 Monate zu verlängern. Aber ich gehe nicht davon aus, dass es dieser Maßnahmen bedarf. Das hat auch schon eine Vereinbarung auf Bundesebene gezeigt, die jetzt in der Evaluation sehr positiv bewertet wurde. Dies belegt: Wir dürfen auf das Gespräch von Staat und Kirche setzen. Das wollen wir auch weiterhin tun.
Meine Damen und Herren, in Deutschland haben Staat und christliche Kirchen die gute Tradition, miteinander zu kooperieren und einvernehmliche Lösungen für gesellschaftliche Probleme zu finden. Gerade im Saarland hat dieses Miteinander besondere Übung. Wir haben hier im Parlament eine große Nähe zu Kirchenrat Frank-Matthias Hofmann, zu den Vertretern des Katholischen Büros, ob Dr. Prassel oder seine Nachfolgerin Katja Göbel. Heute ist der Justiziar Joachim Zimmer hier, herzlich willkommen! Wir setzen auf Diskurs und nicht auf Misstrauen. Wir haben weder Misstrauen gegenüber der Kirche noch Misstrauen gegenüber unserem Rechtsstaat. Aus diesen Gründen lehnt die CDU den vorliegenden Antrag ab.
Ich danke Ihnen, Frau Kollegin Meyer. - Für die AfDLandtagsfraktion rufe ich Herrn Fraktionsvorsitzenden Josef Dörr auf.
Als Christ versuche ich auch, christlich zu leben. Da heißt es ja: „Liebe deinen Nächsten!“, zuerst einmal nicht den sehr entfernten.
Es ist eben viel von Hass und Misstrauen gesprochen worden, die in der Bevölkerung sind, auch von Verunsicherung. Das ist auch richtig. Nur, das kommt ja nicht von der AfD.
Das kommt von der Politik der sich jetzt in der Regierung befindlichen Parteien. Aus diesem Grunde hat die Bevölkerung, für die ich auch Nächstenliebe habe, als Notmaßnahme die AfD gewählt. Deshalb sind wir da und deshalb wollen wir auch die Interessen unserer Bevölkerung wahrnehmen. Frau Meyer hat sehr viel Richtiges gesagt, allerdings teilen wir nicht die Schlussfolgerung, die sie daraus gezogen hat. Wenn jemand zu uns kommt, der nicht in großer Not ist - was ja auch nicht sein kann, wenn er schon vier demokratische europäische Länder durchquert hat -, sollte es unserer Meinung nach ruhig dem Staat überlassen werden, mit dieser Person gnädig, aber im Rahmen der Gesetze umzugehen. Das wird durch dieses Kirchenasyl unterlaufen. Deshalb sind wir gegen diese Art von Kirchenasyl. - Herzlichen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, in dieser Debatte geht es vordergründig um die von der AfD aufgerufene angeblich große Problematik des Kirchenasyls, die aber - so möchte ich mit Ausrufezeichen hinzufügen - keine ist. Hintergründig geht es um etwas ganz anderes, nämlich um die Frage, wie dieser Staat heute, morgen und übermorgen organisiert ist und wie die Menschen in diesem Land im Herzen Europas heute, morgen und übermorgen leben können.
Bei den Reden der AfD gibt es eine Zweiteilung, auch das muss einmal entlarvt werden. Während der Abgeordnete Müller im Ton und in der Wortwahl immer den scharfen Angriff übt, kommt am Ende der Fraktionsvorsitzende Dörr mit weichen Worten und versucht, die Dinge wieder aufzuweichen. Ich glaube, diese Taktik kann man Ihnen nicht durchgehen lassen.
Der Jargon Ihrer Reden ist immer der gleiche, ob in Sachsen oder im Saarland. Es kommen immer wieder die gleichen Begriffe wie „die Altparteien“, „die Konsorten“ oder Sätze wie „Wir wollen jetzt endlich auch den Eingriff bei den Kirchen“ oder „Wir setzen den freien Journalismus in ein kritisches Licht“. Die AfD diskriminiert den freien Journalismus mit Ausdrücken wie „Lügenpresse“ oder „links-grüne Lügenpresse“. Man ist sich hier und da auch nicht zu schade, in die Mikrofone zu rufen: „Wir sind die, die in diesem Staat aufräumen.“ - Das macht mir Angst.
Dieser Jargon macht mir Angst. Wir sind in diesem Land am Anfang einer Debatte. Ich wage den Sprung zurück in meine eigene Geschichte. Während des Auftritts von Herrn Müller habe ich überlegt, wann es war. Es war im November 1977 und ich war 15 Jahre alt, als wir im Rahmen des Geschichtsunterrichts den Soldatenfriedhof in Verdun besuchten. Als jugendlicher Heranwachsender wurde mir dort zum ersten Mal bewusst, was es bedeutet, wenn Europa uneins ist und wenn ein Regime in einem Land ein ganzes Volk in verheerende Kriege stürzt. Ich habe mir dann überlegt und wir haben es im Geschichtsunterricht auch erarbeitet, woher das kam: Es begann auch mit Kleinigkeiten, es begann mit der Frage, wie man Angst sät. Es begann mit der Frage, wie wir in Religion und Journalismus eingreifen. Deshalb sage ich: Wehret den Anfängen! Ich tue dies nicht für mich. Wenn diese Legislaturperiode zu Ende ist, bin ich 60. Ich will jetzt niemandem Angst machen, aber ich habe schon vor, noch ein bisschen weiterzumachen.
Da blicke ich aber schon auf die 65 und damit auf die Rente. - Ich bin noch einmal an dieses Pult getreten, ich tue das für die jungen Menschen, die heute in großer Anzahl im Besucherraum sitzen. Ich will, dass auch ihr in der nächsten und übernächsten Generation noch frei in Europa leben könnt, dass ihr euch frei bewegen könnt, euren Beruf und eure Religion frei wählen könnt und dass ihr Berichte von freier und kritischer Presse wählen könnt. All das will ich und das will die AfD nicht. Das muss an dieser Stelle gesagt werden!
Angst ist immer der Nährboden für all das. Lassen wir es deshalb nicht zu, dass man versucht, immer mehr Angst zu säen, und dass Ängste dort entstehen, wo es eigentlich gar keine geben muss. Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist ja schon bezeichnend, dass die AfD immer dort am stärksten ist, wo ihre Themen am ehesten ankommen, wo Ängste am meisten geschürt werden können. Mit Blick auf die Flüchtlingsproblematik sage ich, die AfD ist in Sachsen am stärksten, dort, wo man am wenigsten auf Flüchtlinge trifft. Das ist bezeichnend. Deshalb sollten wir uns vor Augen halten: Lassen wir nicht zu, dass wir am Ende eine andere Republik, keine weltoffene Republik mehr haben, lassen wir es nicht zu, dass wir am Ende ein anderes als ein weltoffenes Europa haben. Wir müssen diese Sätze und diese Anfänge schon geißeln, wir müssen gemeinsam dafür einstehen, dass unsere zukünftigen Generationen in Frieden, Freiheit und Wohlstand und gut bei uns leben können. - Herzlichen Dank.
Ich danke Ihnen, Herr Fraktionsvorsitzender. - Ich erteile das Wort Herrn Rudolf Müller von der AfD-Landtagsfraktion und weise darauf hin, dass eine Restredezeit von 1 Minute und 36 Sekunden besteht.
Meine Damen und Herren! Vor einer Woche etwa waren einige von uns in ein Gymnasium in Illingen eingeladen. Es wurde eine Frage gestellt, die zumindest mich sehr verblüfft hat. Es wurde gefragt, wie wir uns Europa in 50 Jahren vorstellen. Ich musste wirklich darüber grübeln, denn eine solche Frage bekommt man normalerweise nicht gestellt. Später ist mir ein Zitat von Winston Churchill in den Sinn gekommen, der sagte, dass der Politiker an die nächste Wahl und der Staatsmann an die nächste Generation denkt.
Ich habe Ihnen vorhin dargestellt, dass es jedes Jahr eine Großstadt ist, ohne die Zahl, um die sich diese Leute auch noch vermehren. 50 Jahre, 50 Großstädte! Die Bevölkerung von 50 Großstädten aus Afrika und Asien! Ich erinnere gerade die SPD an eines ihrer Parteimitglieder, das nicht gerade unbekannt ist, nämlich an Thilo Sarrazin mit seinem Buch „Deutschland schafft sich ab“.
Das war sogar noch vor der sogenannten Flüchtlingskrise. Überlegen Sie sich das bitte einmal und überlegen Sie sich, was ansonsten noch passiert, beispielsweise vor vier Wochen in Hamburg. Es ist
eines von vielen Beispielen, aber ein besonders grausames: Da hat ein ehemaliger Kirchenasylant seine Freundin erstochen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Müller, die martialische Art am Ende Ihres Beitrages passt im Geiste zu dem, was Sie vorher schon vertont haben.
Herr Abgeordneter Müller, ich bitte, solche Bemerkungen zu unterlassen. Wir sind hier im Parlament. Es sind Schüler da. Es geht auch darum, welchen Eindruck dieses Parlament bei den jungen Menschen hinterlässt. Unterlassen Sie bitte diese Äußerungen!
Herr Müller, Sie sind gewählter Abgeordneter im saarländischen Parlament. Wo in Deutschland und wo im Zentrum von Europa haben wir denn mehr die Werte von Europa zu verteidigen als im Saarland? Wenn Sie erzählen, Sie waren in einer Schule und haben im Nachgang überlegt, wie es einmal aussehen kann, wie wird es einmal sein, und gehen mit dieser Frage so um, wie Sie es eben getan haben, dann sagt das doch schon alles.